Neubildung eines Landesjugendhilfeausschusses Mitteilung des Senats vom 22. September 2015 (Neufassung der Drucksache 19/50 vom 1. September 2015) (Drucksache 19/79)
Die Wahlvorschläge sind in der Mitteilung des Senats, Drucksache 19/79, (Neufassung der Drucksa- che 19/50), enthalten.
Opfer von Stalking wirkungsvoll schützen Antrag der Fraktion der CDU vom 30. Juni 2015 (Drucksache 19/8)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind uns alle darüber einig, dass Stalking eine Verhaltensweise darstellt, die bei den betroffenen Menschen Angst und starke psychische Beklemmungen bis hin zur Traumatisierung auslösen kann. Die Betroffenen sind oder fühlen sich in ihrer Sicherheit bedroht und in der freien Lebensgestaltung massiv beeinträchtigt.
In der Regel hat es zwischen dem Opfer und dem Täter vorher eine wie auch immer geartete Beziehung gegeben, sodass der Täter oder die Täterin sehr viel über die Lebensumstände und Gewohnheiten des Opfers weiß und sein/ihr Verhalten danach ausrichten kann. Darüber hinaus suchen die Täter systematisch weitere Informationen über das Opfer, um möglichst über alle Bewegungen und Handlungen informiert zu sein. Dabei schrecken die Täter oder die Täterinnen selten vor irgendetwas zurück. Es wird alles ausgeforscht, was von diesem Opfer in Erfahrung zu bringen ist. Dazu werden Nachbarn, Bekannte, Freunde und Arbeitskollegen benutzt, um an diese Informationen heranzukommen.
Das führt zu Beginn der Stalkinghandlungen häufig zunächst zu relativ – ich setze das ausdrücklich in Anführungszeichen – „leichten“ Belästigungen wie unerwünschten Kontaktaufnahmen per Telefon oder permanentem Aufenthalt in der Nähe des Opfers, aber schon diese Belästigungen können bei Opfern psychische und physische Reaktionen nach sich ziehen. Das gilt erst recht für die verschärfte Form des Stalkings mit körperlichen Angriffen, die in ungefähr in 20 Prozent aller Stalkingfälle registriert werden, und mit konkreten Bedrohungen, die es immer wieder einmal gibt.
Meine Damen und Herren, die Opfer solcher schweren Stalkingangriffe sind in ihrer Lebensführung massiv beeinträchtigt, einschließlich der Beendigung von normalen sozialen Kontakten. Sie nehmen Wohnsitzund Berufswechsel vor. Manchmal wird sogar versucht, den Namen zu ändern. Trotzdem werden sie den Täter oder die Täterin häufig nicht los.
Die Hilflosigkeit der Behörden, der Polizei und der Gerichte verstärken beim Opfer häufig das Gefühl, mit dem Problem alleingelassen zu werden. Laut der PKS, also der Polizeilichen Kriminalstatistik, haben sich im Jahre 2014 immerhin elf Opfer mit dieser Begründung das Leben genommen. Das war aus den Briefen zu erkennen, die diese Opfer hinterlassen haben.
Warum sind die Behörden denn trotz guten Willens so hilflos, wie ich es eben angeführt habe? Dafür gibt es einen ganz eindeutigen Grund. Paragraf 238 des Strafgesetzbuches gibt keinen ausreichenden Schutz her. Die Hürden aus diesem Paragrafen sind so hoch, dass eine Verurteilung des Täters oder der Täterin nur möglich ist, wenn das Opfer nachweisen kann, wie stark und schwerwiegend die Beeinträchtigung tatsächlich gewirkt hat. Die Beeinträchtigung wird nicht
an der Aktivität des Täters gemessen. Die Beeinträchtigung wird daran gemessen, wie sehr sich das Opfer diesen Beeinträchtigungen und Verfolgungen entziehen musste. Beispielhaft habe ich schon Arbeitsplatzwechsel, Wohnortwechsel und so weiter angeführt. Um es deutlich zu sagen, muss das Opfer im Prinzip nachweisen, wie sehr es belästigt worden ist.
Wir fordern deswegen in unserem Antrag im Sinne eines verbesserten Opferschutzes, eine Veränderung in Paragraf 238 StGB mit dem Ziel vorzunehmen, die Handlungen vom Erfolgs- zum Eignungsdelikt zu erklären. Ich nehme an, Herr Staatsrat Professor Stauch wird hier gleich näher erklären, was das bedeutet. Das würde bedeuten, dass nicht mehr das Opfer die schwerwiegende Beeinträchtigung nachweisen muss, sondern dass das Gericht nach objektiver Betrachtung und Beurteilung die Nachstellung durch den Stalker für geeignet hält, die Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen.
Diese Änderungen würden das Opfer entlasten und darüber hinaus sogar wichtigen Spielraum bei der Ermittlung und Verfolgung von Stalkingtätern ermöglichen. Ein entsprechender Gesetzesantrag liegt im Übrigen vor. Er wurde von den Bundesländern Bayern und Hessen in den Bundesrat eingebracht und dort überwiesen. Aber in den entsprechenden Gremien ist es bisher immer wieder zur Vertagung – und aus meiner Sicht zur Verschleppung – gekommen.
Die hessische Justizministerin hat als zusätzliches Mittel zur Überwachung nach einem nachgewiesenen Stalkingfall laut darüber nachgedacht, ob bei verurteilten Stalkern auch eine elektronische Fußfessel möglich sein sollte, um dessen Bewegungen besser nachvollziehen zu können. Das habe ich jetzt nur zur Gedankenunterstützung eingebracht, nicht unbedingt als Forderung.
Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag fordern wir den Senat auf, die Bundesratsinitiative von Bayern und Hessen zu unterstützen und der Bürgerschaft darüber hinaus innerhalb von drei Monaten mitzuteilen, ob der Einsatz einer elektronischen Fußfessel bei verurteilten Stalkern rechtlich möglich wäre, und wie die Überwachung gegebenenfalls praktisch umgesetzt werden könnte. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als ich den Antrag von der CDU-Fraktion gelesen habe, ging mir durch den Kopf, dass es
nicht nur um Nachstellungen oder Stalking geht, wie man es englisch formuliert, sondern in unserer Gesellschaft gibt es ähnliche Sachverhalte. Wir kennen Mobbing, sexuelle Belästigungen sowie mediale Herabwürdigungen. Überall dort kommt es darauf an, Schutz für das Opfer zu geben, das Opfer vor psychischer und körperlicher Beeinträchtigung zu bewahren und die Würde und die Freiheit des Einzelnen zu schützen. In diesem Punkt sind wir völlig einig mit Ihnen, Herr Hinners. Das muss weiterhin geschützt werden.
Mich stört jedoch an diesem Antrag, dass der Eindruck hervorgerufen werden soll, er wäre der letzte Strohhalm, um entsprechende Opfer zu schützen. Strafrecht ist nicht alles, es gibt auch Zivilrecht. Wir haben auch im Zivilrecht die Möglichkeit, Opferschutz zu bieten. Wir verfügen über das Gewaltschutzgesetz, die Unterlassungsklage, und wir haben Schmerzensgeldansprüche.
Weiter möchte ich hervorheben, dass diese Taten gesellschaftlich geoutet werden müssen. Wir alle sind als Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, bei diesen Verhaltensweisen Zivilcourage zu zeigen, den Opfern zu helfen und mit in die Bresche zu springen, damit die Täter geoutet werden und möglicherweise schon dadurch von ihrem Verhalten ablassen.
Sie haben richtig beschrieben, dass der Paragraf 238, den wir erst seit sieben oder acht Jahren in unserem 100 Jahre alten Strafgesetzbuch haben, reformiert werden soll.
Es gibt die Initiative von Bayern. Hessen hat sich dem angeschlossen und auch, so meine ich, MecklenburgVorpommern und Sachsen. Man will den Tatbestand, so will ich einmal sagen, von einem Erfolgsdelikt zu einem Eignungsdelikt, so haben Sie gesagt, zu einem möglichen Gefährdungsdelikt zurückführen, um vielleicht früher in der Strafbarkeit ansetzen zu können.
Diese Möglichkeit ist auch schon bei den Beratungen des Gesetzes vor sieben, acht, neun Jahren mit ins Kalkül gezogen worden. Seinerzeit war das Ergebnis der Beratung, dass man gesagt hat: Das könnte den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Bestimmtheit nicht genügen, und deswegen müssen wir darauf abstellen, ob nachgewiesen werden kann, dass jemand in seiner Lebensführung wirklich erheblich beeinträchtigt worden ist.
Weiterhin müssen wir jetzt aber bedenken, dass der Bundesrat, in den diese Initiative eingebracht worden ist, in drei Ausschüssen – Sie haben es in Ihrem Antrag selbst erwähnt –, im Ausschuss für Innere Angelegenheiten, im Rechtsausschuss und, so meine ich, im Ausschuss für Frauen und Jugend, das Thema berät, und zwar seit gut einem Jahr. Nach meinen Re
cherchen sieht auch die Bundesregierung in dieser Sache Beratungsbedarf und bereitet sich auf diese mögliche gesetzliche Neufassung vor.
Ich meine, dass es völlig genügt, dies abzuwarten. Wir brauchen jetzt keine juristischen Schnellschüsse, sondern für Bremen ist es völlig ausreichend, wenn man abwartet, was bei diesen Beratungen herauskommt.
Wir können daraus dann unsere Konsequenzen ziehen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass uns der Senat in einer der nächsten Landtagssitzungen berichtet, wie weit die Bundesratsinitiative gediehen ist.
Eine weitere Bemerkung! Das Thema Fußfessel hat sich für mich beim Lesen als ein gravierender Eingriff dargestellt. Ich meine, das ist auch weiterhin so zu behandeln. Jemanden mit Fußfesseln zu versehen, um seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen, oder umgekehrt dem Opfer Fußfesseln zu geben, damit es merkt, wenn sich ihm jemand vielleicht ungebührlich nähert, ist nicht nur ein technisches, sondern vor allem ein juristisches Problem. Es ist ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeit. Die Verhältnismäßigkeit muss dabei gewahrt werden.
Ich meine, wenn Hessen das in die Debatte einwirft, dann könnte man sagen, Hessen, nun müsst ihr auch liefern und könnt nicht Bremen vorschicken. Nun prüft dies einmal strafrechtlich und verfassungsrechtlich ab.
Summa summarum: Warten wir die Beratungen im Bundesrat ab. Ein Jahr bei diesen diffizilen Problemen, wenn drei Ausschüsse beteiligt sind, ist wirklich nicht viel. Dann werden wir sehen, was wir aus der Sache weiter machen können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!