Ein Wort zur Gretchenfrage! Es gibt gläubige Muslima, die ihren Kopf bedecken, gläubige Muslima, die das nicht tun, und gläubige Muslima, die ihr Gesicht verhüllen. Ich bin nicht diejenige, die hier theologische Fragestellungen klären kann oder will. Ich bin mir auch sehr sicher, dass keiner von Ihnen hier in der Bürgerschaft die allein richtige Auslegung von Glaubensschriften oder religiösen Ritualen für sich in Anspruch nimmt, denn dies ist nicht die Aufgabe dieses Hauses.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich bin nicht grundsätzlich gegen gesetzliche Regelungen und auch nicht gegen Verbote. Ich glaube an die gesellschaftspolitische Macht von Gesetzen, aber ich habe immer gesagt und sage auch heute, Gesetzentwürfe müssen sich an zwei essenziellen Fragen messen lassen: Sind sie geeignet, avisierte Probleme tatsächlich zu lösen, und welchen Schaden richten sie bei den unmittelbar Betroffenen, aber auch gesamtgesellschaftlich an?
Die von Ihnen gewünschten Verbote, meine Damen und Herren von der AfD, der CDU und der FDP, haben keinen Nutzen. In der bremischen Verwaltung gibt es keine einzige Frau, die ihr Gesicht verhüllt, und in den Schulen in Bremen und Bremerhaven gibt es keine einzige Schülerin, die zum Schulbesuch in Vollverschleierung erscheinen wollte, aber Sie verursachen integrationspolitisch und auch frauenpolitisch einen immensen Schaden.
Ich will – wie Sie alle –, dass alle Frauen selbstbestimmt leben können, dass Mädchen entscheiden können, was sie später werden wollen, was und ob sie arbeiten wollen, wie sie in der Familie leben wollen und auch, wie sie sich kleiden. Ich will selbstbewusste, gebildete, unabhängige Mädchen und Frauen, und dafür müssen wir sie stark machen und ihnen Rückhalt geben.
Das sehe ich anders als die CDU. Insoweit besteht noch Handlungsbedarf weit über den jetzt angesprochenen Themenbereich hinaus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung ist für Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit unerlässlich, und deswegen müssen wir gute Bildung für alle Kinder sicherstellen.
Ich habe es schon gesagt, im Land Bremen gibt es keine Schülerin, die vollverschleiert zum Unterricht kommen will. Wenn es in Zukunft dazu kommen sollte, ermöglichen die Regelungen im Schulgesetz und in der Bremischen Landesverfassung die erforderliche Handhabe im Einzelfall und im Interesse des Mädchens, das wir schützen und unterstützen wollen. Das hat nichts mit Kneifen zu tun, meine Damen und Herren, dafür brauchen wir schlicht kein zusätzliches, überflüssiges Verbot.
Recht haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU – auch bei der FDP taucht das Wort „Kommunikation“ zumindest in der Begründung auf –, zwischenmenschlicher Kontakt und Kommunikation sind elementar für unsere offene Gesellschaft und auch für unsere Schulen. Lassen Sie uns danach handeln! Dabei darf die Bildungsbehörde die betroffenen Schulen natürlich nicht alleinlassen, und das wird sie auch nicht, das stellen wir sicher.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal ganz deutlich sagen, dass Ihre Argumentation für ein Verbot der Vollverschleierung, für ein Verbot von Burka und Nikab, irreale Ängste vor einer angeblichen Gefahr schürt. Herr Zenner, mehr Konjunktiv geht ja wohl nicht: Man könne heute nicht ausschließen, dass eventuell später einmal Frauen etwas wollen könnten! Das können wir natürlich nie ausschließen, aber würden wir dafür Gesetze erlassen, würden wir uns wohl eines Parlaments als nicht würdig erweisen.
Außerdem ist diese Argumentation Wasser auf die Mühlen der Extremisten jeder Richtung, denen wir klar entgegentreten müssen und wollen. Sie wird Integration nicht fördern, sondern behindern. Frau Hauffe hat dafür dankenswerterweise wieder einmal
klare Worte gefunden: Sie tut den Mädchen und Frauen, um deren Emanzipation es uns richtigerweise geht, keinen Gefallen. Diesen Gefallen tun wir den Mädchen und Frauen dann, wenn wir ihnen offen und interessiert und nicht mit Misstrauen und Ausgrenzung gegenübertreten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke, Frau Aulepp, Sie verkürzen meinen Redebeitrag! Einiges von dem, was Sie eben gesagt haben, brauche ich nicht zu wiederholen. Ich muss aber vorab feststellen, dass hier zwei demokratische Fraktionen auf den Zug aufspringen und einen AfD-Antrag verstärken, indem sie die Forderungen teilweise wortgleich übernehmen,
und ich finde es schon bemerkenswert, dass es so weit gekommen ist. Ich kann Ihnen an dieser Stelle einen Tipp geben: Inhalte von Rechten zu kopieren hat immer nur den Rechten genützt, aber nicht den demokratischen Kräften.
Ich komme aber noch einmal auf ein paar andere Punkte zu sprechen, um zu zeigen, warum diese drei Anträge völlig unsinnig sind, auch wenn Frau Aulepp, Frau Hauffe und Frau Karakasoglu schon einiges dazu gesagt haben, dass die Integration dadurch tatsächlich nicht gefördert, sondern behindert wird, aber ich kann auch noch einmal auf ein paar innenpolitische Märchen eingehen.
Ein Verbot von Burkas oder Nikabs bringt keinen Millimeter an zusätzlicher Sicherheit, und es schwächt auch nicht den IS, ganz im Gegenteil! Der IS freut sich über jede Propaganda, die der Westen ihm liefert, und er freut sich über jede Maßnahme, die er als Propaganda nutzen kann, die dann in der Aufforderung endet: Kommt nur zu uns, bei uns könnt ihr als strenggläubige Muslime ohne Repressionen leben! Das macht er, so hat er auch auf Frankreich reagiert. So bedankt sich der IS nachweislich für jede Debatte, die zu einem Verbot führt, und er nutzt sie propagandistisch. Wenn man Salafismus bekämpfen will, dann sollte die Bundesregierung lieber dafür sorgen, dass die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien
Man kann auch mit dem Verschleierungsverbot das Patriarchat und gewaltförmige Geschlechterverhältnisse nicht wirklich zurückdrängen. Ich glaube nicht, dass man ernsthaft davon ausgehen kann, dass einer Frau, die gegen ihren Willen einen Nikab trägt, damit geholfen wird, wenn dies staatlicherseits verboten wird. Wer das hier wirklich glaubt, dem kann ich tatsächlich auch nicht mehr helfen!
Natürlich wissen wir, dass ein gewalttätiger oder auch nur sehr autoritärer Ehemann sie dann gar nicht mehr auf die Straße schicken würde.
Deswegen ist ein Verschleierungsverbot keine sinnvolle gleichstellungspolitische Maßnahme, sondern würde ausschließlich den Frauen schaden, die dann auch noch auf das Häusliche eingeschränkt würden.
Auch frage ich mich: Wie wollen Sie denn das Verbot, das Sie hier fordern, eigentlich umsetzen? Ich kenne nur einen einzigen Ort, an dem gelegentlich vollverschleierte Frauen auftauchen. Wollen Sie zum Beispiel für das IKZ eine Polizeihundertschaft abstellen und dann allen Frauen dort den Schleier wegziehen?
(Abg. Frau Grönert [CDU]: Das ist Quatsch! Das steht doch überhaupt nicht im Gesetz! – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das kann sich ja nicht auf unseren Antrag beziehen!)
Das, was Sie hier fordern, schafft doch mehr Unsicherheit und ist purer Populismus! Das kann man doch gar nicht umsetzen!
In meinem letzten Punkt schließe ich mich dem Erstaunen von Frau Aulepp über den FDP-Antrag an: Es gibt doch überhaupt keine Regelungslücken! Es ist doch eine Gespensterdebatte, die wir hier führen!
Ihre Beiträge waren tatsächlich nicht zielführend, denn es gibt ja faktisch Regelungen und Maßnahmen für den Fall, dass man keine Vollverschleierung tragen darf, ich kann Ihnen die Beispiele nennen: In Gerichtsverfahren können Richter natürlich anordnen, dass vollverschleierte Frauen den Schleier abneh
men, und zwar nicht nur zur Identifizierung, sondern auch, damit die Richter die Mimik der betroffenen Frau erkennen können. Das ist geregelt, das ist alles möglich. Es ist tatsächlich auch geregelt, dass man sein Sichtfeld im Auto durch Kleidungsstücke nicht fahrlässig einschränken darf. Unabhängig davon, ob es sich um ein Nikab oder eine Wollmütze handelt, ist dies schon heute eine Ordnungswidrigkeit und ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung.
Deshalb denke ich, Sie haben sich mit diesem Antrag, der in diese Richtung geht, keinen großen Gefallen getan.
Ich bin persönlich – das habe ich hier schon mehrfach gesagt – auch gegen den Nikab und die Burka, aber ich muss ganz klar sagen, es besteht überhaupt kein Anlass dazu, nach dem Staat zu rufen, der das bitte unterbinden und bestrafen möge. Es wird hier ja auch nicht darüber diskutiert, ob männliche Salafisten in ihren seltsamen Schlabberhosen auftreten dürfen, da schreit niemand nach einem Verbot. Das finde ich sehr interessant!
Ich sage, das ist eine Gespensterdebatte, weil wir vor allen Dingen über marginale Fälle reden. Salafismus bekämpft man auf diese Art und Weise nicht, und Frauenrechte stärkt man so ebenfalls nicht. Wir werden deswegen sämtliche von der AfD kopierten Anträge ablehnen.
Eines möchte ich noch zu dem Antrag der Koalition sagen: Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten keinen Antrag gestellt und diesen Unsinn für sich gelassen. Schwierig finde ich in Ihrem Antrag die Ziffer 3, in der gefordert wird, dass die Vollverschleierung an Schulen möglichst unterbunden werden soll. Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken. Einmal abgesehen davon, dass ich noch keinen Fall kenne,