Wir möchten aber Verbotsregeln – und da gehen wir weiter als die Koalition nicht nur im Schulbereich, sondern in allen sogenannten Sonderrechtsverhältnissen oder besonderen Gewaltverhältnissen, wie man früher gesagt hat, bei denen die Bürgerinnen
und Bürger aus ihrer Autonomie in die Struktur des Staates hineintreten, das ist im Unterricht in der Schule und an der Universität so. Dort muss es dieses Verbot für die Lehrenden und für die Schüler geben.
Weiterhin gilt das für den gesamten Bereich der Justiz: Wir können keine Richter und Staatsanwälte, keine Parteien im Zivilprozess und keine Zeugen im Gerichtssaal haben, die verschleiert sind – dann kann man keine Beweisaufnahme durchführen, das ist unmöglich –, und auch im Straßenverkehr müssen alle mit offenem Visier fahren.
Ergebnis ist also: Ablehnung der Vollverschleierung und Verbote in Sonderrechtsverhältnissen, das hilft uns in der Zukunft konkret weiter. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für meine Fraktion gleich zu Beginn eines deutlich machen: Wir teilen die Auffassung, dass die sogenannte Vollverschleierung von Frauen mit dem Nikab oder der Burka nicht zu den religiösen Vorschriften des Islams gehört.
Vielmehr ist diese Praxis für uns der Ausdruck einer patriarchalen Tradition, einer absolut gesetzten Männerdominanz, der wir Grünen – das dürfte eigentlich allen im Saal klar sein – nichts abgewinnen können.
Wir lehnen – und ich möchte es einmal ganz deutlich nennen – diese Ideologie, die hinter der Vollverschleierung und hinter dieser Praxis steht, ab.
So klar wir diese Haltung haben, so schwierig und kontrovers waren in unserer Fraktion die letzten Debatten zur Gestaltung des Antrags. Leider sind ja zwei Fraktionen über das Stöckchen der AfD gesprungen und haben uns damit natürlich auch gezwungen, eine Haltung zu zeigen.
Dass das relativ schwierig war, sehen Sie ja daran, dass wir erst heute Morgen einen Antrag der Koalition vorlegen konnten. Er ist aber nicht zusammen
geschustert, Herr Tassis, sondern er ist das Ergebnis einer sehr bedächtigen und differenzierten Debatte in beiden Fraktionen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in den Debatten vor allem meinen Kolleginnen sehr genau zugehört, deren Familien ursprünglich aus muslimisch geprägten Ländern stammen, deren Mütter sich unter großen Anstrengungen aus diesen patriarchalen Verhältnissen herausgekämpft haben und die derzeit in Bremen wieder mit diesen Verhältnissen konfrontiert werden und zu Recht die Sorge haben, wohin das eigentlich führt. Deswegen ist es in der Tat genau richtig, dass wir jetzt anfangen, diese Debatte zu führen.
Für uns stehen viele ungelöste Fragen im Raum. Diese finden sich im Antrag auch nicht wieder, weil viele unserer Fragen noch unbeantwortet sind. Sie betreffen vor allem eine eventuelle zukünftige Vollverschleierung im öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern und öffentlichen Einrichtungen, vieles ist schon angesprochen worden. Uns ist aber klar, dass diese Fragen derzeit einen so hohen hypothetischen Gehalt haben, dass wir aktuell keinen unmittelbaren Handlungsbedarf sehen, gleichwohl aber einen Bedarf an Debatten sowie Klärungs- und Aufklärungsbedarf.
Bei allen ungelösten Fragen ist für meine Fraktion dabei klar, dass sich erwachsene Frauen nicht durch Zwang befreien lassen. Spielen wir einmal zwei denkbare Fälle nach einem Verbot durch! Frauen, die freiwillig diese Lebensform gewählt haben – Frau Bergmann hat ja schon von deutschstämmigen Konvertitinnen gesprochen –, werden sich, weil sie sich nach einem Verbot diskriminiert fühlen, noch viel enger in diese Lebensform, in diese Ideologie, in diese parallele Gesellschaft verabschieden. Das dürfte in der Tat vor allem in Bremen die deutschen Konvertitinnen betreffen. Ich rate dringend dazu, statt über Verbote nachzudenken, auch einmal zu überlegen, warum wir so viele junge Frauen, die hier in Freiheit aufwachsen, an diese Lebensform verlieren. Auf diese Frage habe zumindest ich persönlich noch lange keine Antwort.
Ich denke auch an die Frauen, die unfreiwillig in diesen Ehen und Communitys leben – sie leben ja nicht nur in vereinzelten Ehen, sondern in sehr engen Communitys –: Diese Frauen werden wir sehenden Auges isolieren. Wir werden also unfreiwillig zu Komplizen ihrer Ehemänner, indem wir den Frauen jede Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe und – und das ist noch wichtiger! – die Möglichkeit des potenziellen Ausstiegs verwehren, weil sie mit uns emanzipierten Frauen und Männern in Westeuropa nicht mehr in Kontakt kommen. Unser Ziel muss aber doch sein, dass wir jede einzelne Frau, die nicht so, sondern frei und unabhängig leben will, erreichen und
Bei erwachsenen Frauen, das betone ich, wollen wir auf Aufklärung und Förderung ihrer eigenen Emanzipation setzen. Dafür ist es notwendig, mit den Frauen in Kontakt und in einen Austausch zu kommen.
Für meine Fraktion ist in den Debatten aber auch der folgende Punkt sehr deutlich geworden: Mädchen gehören für uns nicht unter den Schleier.
Wir wollen, dass Mädchen, genauso wie Jungen, frei und unbekümmert aufwachsen können. Wo können sie das? Wo haben wir Einfluss darauf, dafür zu sorgen, dass sie das auch tun? Aus unserer Sicht ist das an den bremischen Schulen der Fall. Wir wollen, dass hier alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, um das Tragen des Nikab an Schulen zu unterbinden.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber die aggressiven jungen Salafisten, die in ihren Schulen wirklich stören, gehen Sie nicht an! – Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Frau Vogt, wir sind doch in den Debatten!)
Frau Vogt, mir ist schon aufgefallen, dass bei den anderen drei Fraktionen hier immer geschlechtsneutral über Personen und Menschen gesprochen wurde. Jetzt erlauben Sie mir doch einmal, wenn es um die Vollverschleierung geht, ausschließlich über Frauen und Mädchen zu sprechen, und kommen Sie jetzt nicht auch noch mit salafistischen Jungen! Darüber können wir gern eine eigene Debatte führen.
Wir wollen und müssen den Mädchen, die ein Mal auch im Zentrum einer Debatte stehen dürfen, weil sie in solchen Familien aufwachsen, Freiräume verschaffen und sie als Mädchen stärken, damit sie sich für ein freies und unabhängiges Leben und damit wahrscheinlich gegen ihre Familien entscheiden können, wenn sie es denn wollen. Das ist aus unserer Sicht eine der zentralen Aufgaben. Auch hier gilt dann, dass Stigmatisierung und Ausgrenzung durch Verbote kontraproduktiv sind. Wir haben das auch im Antrag aufgeführt, weil das für uns ein wichtiger Punkt ist. Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt, was man bei dem Thema alles falsch machen kann.
Zum Schluss möchte ich deswegen klarmachen: Genauso wenig, wie ich will, dass Männer ihre Frauen unter einen Schleier zwingen, genauso wenig will ich, dass Männer, staatlich legitimiert, Frauen zwingen, sich auszuziehen. Bei unseren Nachbarn mussten wir beobachten, wie der Körper der Frau zum absolut gesetzten sicherheitspolitischen Politikum wurde. Wir haben die Chance, diesen schweren und zutiefst frauenfeindlichen Fehler nicht zu wiederholen. Der Körper der Frau ist keine Verfügungsmasse, weder für die Politik noch für absurde sicherheitspolitische Debatten, nicht für rechtspopulistische Ressentiments und auch nicht für revisionistische halbphilosophische Abhandlungen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab ganz deutlich sagen: Ausgangspunkt der heutigen Debatte ist ein Antrag der AfD, der keinen realen Ansatzpunkt hat, sondern allein antimuslimische und fremdenfeindliche Tendenzen stärkt und irreale Ängste schürt – Herr Tassis hat das noch einmal ausgeführt –,
den werden wir selbstverständlich ablehnen. Dass ein solcher Antrag von der AfD kommt, hat mich nicht verwundert, dass die CDU auf diesen populistischen Zug aufspringt und das Geschäft der AfD betreibt, hat mich schon etwas mehr verwundert.
Meine Damen und Herren, nicht die Vollverschleierung ist ein unüberwindbares Integrationshindernis, sondern ein bewusst ausgrenzendes und diffamierendes Verbot, das ein Problem suggeriert, das wir nicht haben.
Zu meinem großen Erstaunen hat sich dann aber auch die FDP zu einem Verbotsantrag hinreißen lassen und ist über das rechtspopulistische Stöckchen gesprungen, das ist schon gesagt worden. Damit haben Sie sich auch den Dank von Herrn Tassis verdient, meine Damen und Herren!
Diese Debattenlage fußt in keiner Weise auf der realen Situation im Lande Bremen. Herr Zenner hat es schon gesagt, genaue Zahlen kennt er nicht, aber ein Verbot will er schon einmal fordern, das haben wir bei „Radio Bremen“ gehört.
Meine Damen und Herren, es war notwendig, diesem Herbeischreiben eines gefühlten Bedrohungsszenarios und diesem Bedienen einer Projektionsfläche antimuslimischer Ressentiments eine klare Haltung für eine offene Gesellschaft, für Aufklärung und Emanzipation sowie für die Stärkung von Mädchen und Jungen und Männern und Frauen, zu einem selbstbestimmten Leben entgegenzusetzen.