Protocol of the Session on January 26, 2017

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg, Herr Röwekamp: Ich finde Ihre Idee gut, dass wir in der Innendeputation auch das Papier der beiden SPD-Senatoren zu Gesicht bekommen und das gemeinsam beraten, vielleicht in einer Sondersitzung oder in einer Sitzung, die das zum Schwerpunkt hat. Auch ein von uns überwiesener Antrag liegt seit September in der Warteschleife zur Behandlung in der Innendeputation. Ich glaube tatsächlich – ich habe das eben schon erläutert –, dass man sehr genau hinschauen muss, was denn tatsächlich nachjustiert werden muss oder wo es einfach nur eine Debatte ist, die eher getrieben ist.

Ich habe mich eigentlich nur gemeldet, weil ich auf zwei Ihrer Beiträge hier eingehen wollte. Vorweg: Mir persönlich ist vollkommen egal, ob die bekannten Gefährder, die wir in Bremen haben, eine Fußfessel tragen müssen. Es geht mir auch nicht um die persön

lichen Befindlichkeiten. Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, falls nicht, müssen Sie mich korrigieren, gesagt, die Fußfessel würde beim Personaleinsatz bedeuten, dass man Ressourcen sparen kann – ich glaube, der Kollege Tschöpe hat sich auch so geäußert –, weil man dann auf die Rundumüberwachung verzichten kann. Das heißt, dass der Kollege Tschöpe und Sie jetzt eben beide doch implizit gesagt haben, durch die Fußfesseln könne man Straftaten verhindern.

Da frage ich mich: Tut sie das wirklich? Ich will Ihnen das an einem Beispiel sagen: Im Mai 2014 hat ein behördenbekannter Islamist vom Flughafen Frankfurt die Reise in die Türkei angetreten und ist aus der Türkei von Ankara nach Syrien eingereist und hat sich dort dem IS angeschlossen. Der trug eine Fußfessel. Die Behörden wussten also, wo er war, aber sie haben seine Ausreise nicht verhindert, weil eine Fußfessel dann eben doch keine Rundumüberwachung und ein sofortiges Eingreifen ersetzt. Deswegen finde ich es auch problematisch, darüber so zu diskutieren, als wäre das der Fall. Wenn ich das Senatorenpapier vor Augen führe, stelle ich fest, es sind 13 Stellen zur Überwachung dieser Fußfesseln vorgesehen. Wir wissen aber alle, dass wir erst 2018 den ersten ausbildungsstarken Jahrgang der Polizei im Polizeidienst haben. Das heißt, diese 13 Stellen müssten innerhalb der Polizei woanders abgezogen werden.

Das Gleiche gilt übrigens für die Videoüberwachung. Ich habe letzte Woche mit dem Kollegen Tschöpe darüber diskutiert, ob man denn jetzt in Zeiten, in denen alle Leute Selfies machen und auf Facebook posten, Bürgerrechte im Sinne, wie wir vor zehn Jahren darüber geredet haben, überhaupt noch ein Maßstab sein kann, was die Frage von Videoüberwachung angeht.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Freiwillig!)

Ja, das stimmt! Wir geben freiwillig inzwischen furchtbar viele unserer Daten frei. Auch wenn ich den Ortungsdienst am Handy ausmache, mache ich ihn spätestens dann wieder an, wenn ich die App der Deutschen Bahn nutze, weil sie sonst nicht funktioniert. Das ist klar. Aber ich finde, es ist noch etwas anderes, wenn wir das von Staats wegen anordnen, denn dann muss es tatsächlich klar geregelt und kontrolliert sein.

Ich glaube auch da, dass das nicht das Allheilmittel ist, und da geht es mir auch nicht um die Frage, ob das Straftaten verhindert. Diese Frage ist hier ja auch sowohl von Ihnen, Herr Röwekamp, als von Herrn Tschöpe klar beantwortet worden. Sie verhindert keine Straftaten, wäre allenfalls bei der Aufklärung behilflich. Auch da weise ich darauf hin, es sind zwölf Stellen vorgesehen, weil die Kameras der Polizei im Livebetrieb besetzt sein müssen. Auch diese zwölf

Stellen müssen in der Polizei zumindest in den nächsten drei Jahren woanders abgezogen werden.

Als ich unlängst den Polizeipräsidenten zu Gast hatte – allerdings wegen der Polizeireform –, haben wir darüber auch geredet, und er hat gesagt, er findet das problematisch, und man muss dann natürlich auch von der Politik erwarten, dass die erzählen, wo die denn abgezogen werden sollen, aus den Kopfstellen aus den Landeskriminalämtern, aus den einzelnen Abteilungen der Kripo, wo sie dringend fehlen. Deswegen finde ich es sehr schwierig, diese Debatte immer wieder so einfach in den Raum zu werfen. Ich meine, die CDU hat ganz klar die Urheberschaft. Das will ich hier gar nicht abstreiten. Das ist mit Sicherheit so. Der Kollege Hinners hat allein in den sechs Jahren, in denen ich hier Abgeordnete bin, beides mehrfach gefordert.

Ob das aber wirklich nützt, ist fraglich. Ob das in dem Rahmen, wie die Polizei gerade personell aufgestellt ist, nicht vielleicht sogar kontraproduktiv ist, darf zumindest einmal öffentlich erörtert werden. Ob die Frage der bürgerlichen Freiheiten davon berührt wird, dürfte dann auch noch zu klären sein. Daher bin ich mit dem Vorschlag, in der Innendeputation über alle bislang im letzten Jahr überwiesenen Anträge zu reden, sehr einverstanden. Vielleicht kann man dann ja auch den Justizsenator dazu bitten. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Zenner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur zwei, drei kleine, kurze Bemerkungen! Erstens. Wir müssen diese Debatte der inneren Sicherheit mit kühlem Kopf und mit reinem Sachverstand führen. Es bringt überhaupt nichts, sich wechselseitig mit irgendwelchen Vorschlägen – ich will jetzt nicht sagen, populistischen Vorschlägen – überbieten zu wollen.

(Beifall FDP)

Die Lösung liegt letztlich immer nur im Detail. Deswegen sind wir heute hier gar nicht in der Lage, diese Themen abschließend, sicher, seriös abzuarbeiten. Das braucht erheblicher Vertiefung. Das vorab!

Zweitens, zur Videoüberwachung! Die Videoüberwachung muss anhand der Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gesehen werden. Es geht nicht nur darum, Bürger in Sicherheit zu wiegen, sondern wir müssen auch schauen: Gibt es einen wirklich sachlichen Grund, an dieser oder jener Stelle Videokameras aufzustellen und nicht irgendwie flächendeckend?

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Wir wollen nicht, dass sich die Bürger anders verhalten müssen. Das wird nämlich dadurch hervorgerufen werden.

Drittens Gefährder-Fußfessel! Es ist richtig gesagt worden: Wenn es eine Verurteilung gegeben hat, ist die Anordnung einer Fußfessel unter gewissen Voraussetzungen natürlich leichter. Im Vorhinein, zur Abwendung von Straftaten, ist es wesentlich schwieriger, da sind die Hürden höher. Auch der Begriff des Gefährders, der hier immer so in Bausch und Bogen benannt wird, muss definiert werden, muss gerichtsfest definiert werden, damit wir das auch richtig anwenden können.

(Beifall FDP, DIE LINKE)

Auch das gehört zur Wahrheit gegenüber den Bürge-rinnen und Bürgern! Nicht immer nur Begriffe raushauen, sondern sich wirklich hinsetzen und die Arbeit im Kleinen abarbeiten, dass dann wirklich auch ein gesetzliches Konstrukt entsteht, mit dem wir arbeiten können! – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Vogt! Selbstverständlich ist es so, dass wir in Anbetracht einer veränderten Situation auch veränderte Personalzumessungen vornehmen müssen.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber die greifen erst in drei Jahren!)

Es ist doch völlig klar: Wenn in dem Papier der Senatoren steht: „Zur Beantragung, Auswertung, Kontrolle und Folgemaßnahmen erwarten wir bei der Polizei Bremen in Bezug auf die Videoüberwachung einen zusätzlich zu deckenden Personalbedarf von 13 Stellen“,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Aber die kriegen Sie erst 2019!)

dann ist eine völlig klare Aussage, dass selbstverständlich 13 zusätzliche Stellen oder zumindest der Geldwert haushalterisch möglich gemacht und allerspätestens in den nächsten Haushalt eingestellt werden. Das müssen vielleicht nicht ausgebildete Polizeivollzugsbeamte sein, die Videokameras installieren.

Wenn Sie das lesen, kommen Sie an einer weiteren Stelle zu: „Wir wollen daher das Landesamt für Verfassungsschutz um zusätzliche 20 Stellen verstärken.“ Natürlich muss man das in einem Haushalt absichern. Klar ist aber auch, dass wir jetzt schon einmal begin

nen müssen, entsprechende Personalressourcen aufzubauen. Ich halte übrigens nichts davon, dass wir immer nur Gesetze oder Maßnahmen ändern. Es ist doch völlig klar, Sicherheit wird im Wesentlichen durch diejenigen gewährleistet und geschaffen, die in den Organen unseres Staates dafür zuständig sind. Das sind Polizistinnen und Polizisten und Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz. Das sind übrigens auch Mitarbeiter in der Prävention, denn die weitere Formulierung: „Wir wollen vier weitere Stellen bei kitap schaffen“, steht ja in diesem Papier drin.

Selbstverständlich ist es so: Wenn wir sagen, der Terroranschlag in Berlin sei eine Zäsur im deutschen Denken gewesen, dann ist die Konsequenz, die wir daraus gemeinsam ziehen müssen, nicht nur die, dass wir rechtliche Rahmen verändern, sondern selbstverständlich auch, dass wir zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung stellen. Ich bin mir ganz sicher, die SPD ist dazu bereit, und ich habe den Kollegen Fecker heute so verstanden, dass auch die Grünen das sind. Insofern sehe ich überhaupt kein Problem. Es geht nicht um Umverteilung, sondern es geht echt darum, auch in diesem Bereich wirklich mit Personal heranzugehen. Anders geht das übrigens gar nicht.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Tschöpe, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Vogt?

Sie wissen aber schon, dass die in diesem Haushalt beschlossene Zielzahl von 2 600 Polizeibeamten nicht erreicht werden kann, weil man in den letzten Jahren zu wenig ausgebildet hat? Das heißt, dass eine Erreichung der Zielzahl erst ab 2018 aufwärts beginnen kann. Wenn Ihre Vorschläge jetzt umgesetzt würden, käme es zu Personalverschiebungen.

Frau Vogt, Sie wissen doch genauso – ich meine, das wissen wir alle in diesem Parlament –, dass die Zielzahl nur dadurch erreicht werden kann, dass man Polizisten ausbildet. Sie wissen genauso auch, welche Maßnahmen das Innenressort ergriffen hat, nämlich dass auch Polizeifremde eingestellt werden. Das haben Sie ja heute Morgen gerade gefragt: Wie viele Leute sind beim LKA eingestellt worden, die keine originär polizeiliche Ausbildung haben? Genauso wird es bei anderen Dingen auch sein müssen. Ich muss Personal rekrutieren, und das muss ich für den Bereich einsetzen. Das ist doch keine Diskussion um die Zielzahl, sondern das ist eine Diskussion darum, ob wir als Sozialdemokraten wollen, dass wir im Sicherheitsbereich mehr Personal einsetzen. Ich sage Ihnen, das wollen wir, und das werden wir möglich machen.

(Beifall SPD)

Herr Tschöpe, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Vogt?

Würden Sie angesichts der fehlenden Stellen in den einzelnen Kommissariaten oder Abteilungen der Polizei – die Polizei setzt auch auf nicht ausgebildetes Personal, das wissen wir, im Bereich der Verwaltung – tatsächlich den Bereich Überwachung durch Fußfessel oder Videokamera extern an Menschen vergeben, die keine Polizeiausbildung haben? Das würde man ja dann machen müssen.

Ich kann mir durchaus vorstellen, wenn der Marktplatz oder die Schlachte überwacht werden muss, dass diese Aufgabe, nämlich das reine Schauen: „Passiert da etwas?“, natürlich von Leuten, die das im privaten Bereich machen würden, die im privaten Bereich Kameras beobachten, erfüllt werden kann. Selbstverständlich können die das machen. Das Entscheidende ist doch, dass sie in dem Moment, in dem sie etwas feststellen, jemanden herbeiziehen, der eine Polizeivollzugsgeschichte hat. Ich kann mir ganz viel vorstellen.

Ich habe immer nicht verstanden, warum lange Jahre im EDV-Bereich der Polizei bei der Auswertung von Computern Leute beschäftigt worden sind oder beschäftigt werden mussten, die erst eine Polizeivollzugsausbildung hatten und dann darauf eine zusätzliche IT-Ausbildung gemacht haben. Ich halte es für sinnvoller, Leute einzukaufen, die für die Aufgaben jeweils einsetzbar sind. Das müssen wir möglich machen. Wir müssen für diese Aufgaben möglich machen, dass sie erfüllt werden.

(Beifall SPD)

Keine Zusatzfragen mehr, Herr Abgeordneter!

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für die die heutige Debatte! Ich glaube, der Ernst der Lage ist angekommen. Den Weg des Terrors muss ich nicht mehr beschreiben: von Paris nach Brüssel, Istanbul, Ankara und dann in die Bundesrepublik, Würzburg, Ansbach. Diese Ereignisse waren der Vorlauf gewesen, und der traurige Höhepunkt 2016 waren dann die Ereignisse in Berlin.

Ich möchte aber den Blick auch für einen Bereich schärfen, der mir etwas zu kurz gekommen ist. Wir sehen die Bedrohung der Bundesrepublik. Wir befas

sen uns sehr intensiv mit der Frage, wie wir verhindern können, dass Terroristen in die Bundesrepublik kommen. Das ist dringend notwendig. Aber ich sage auch, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht nur Opferland sind. Die Bundesrepublik ist auch weltweit dabei gewesen, als Hunderte von Personen aus der Bundesrepublik ausgereist sind, die heute als Terroristen in Syrien, im Irak unterwegs sind.

Wir zählen eigentlich nicht mehr die Zahl der Anschläge in Syrien. Es gibt auch keine Statistik mehr. Eine Übersicht über die Toten haben wir längst verloren. Es sind in großer Anzahl deutsche Staatsbürger, jedenfalls Personen mit deutscher Identität, die als Terroristen in diesen Ländern unterwegs sind. Das sind nicht Terroristen, die irgendwie aus Hamburg oder Hannover kommen. Nein, wir wissen, viele von ihnen kommen aus Bremen.