Protocol of the Session on January 26, 2017

Wir zählen eigentlich nicht mehr die Zahl der Anschläge in Syrien. Es gibt auch keine Statistik mehr. Eine Übersicht über die Toten haben wir längst verloren. Es sind in großer Anzahl deutsche Staatsbürger, jedenfalls Personen mit deutscher Identität, die als Terroristen in diesen Ländern unterwegs sind. Das sind nicht Terroristen, die irgendwie aus Hamburg oder Hannover kommen. Nein, wir wissen, viele von ihnen kommen aus Bremen.

Wir haben fast 30 Personen identifiziert, die in den letzten Jahren ausgereist sind. Ein Teil wurde bei Kampfhandlungen getötet, oder sie sind bei Anschlägen selber ums Leben gekommen. Es ist sehr deutlich, dass diese Personen nicht auf einer Wallfahrt gewesen sind, sondern für das Elend in diesen Ländern auch maßgeblich mitverantwortlich. Deswegen müssen wir uns auch dies als Frage stellen: Haben wir wirklich alles getan, um diese Entwicklung zu verhindern?

In der Vergangenheit haben wir häufig darüber berichtet, was wir in Bremen entwickelt haben, wie vielen Personen wir ihre Papiere weggenommen haben, wie viele Meldeauflagen erteilt worden sind, und, und, und. Wir waren auch das erste Bundesland, in dem wir, durchaus sehr zaghaft, damit angefangen haben, Präventionsarbeit zu leisten: Wir sind in die Schulen gegangen. Der Verfassungsschutz, glaube ich, ist einer der ersten gewesen, der Lehrer über das informiert hat, was das Thema unserer Stunde ist. Ich habe die Forderung gestellt, dass wir ein nationales Präventionsprogramm für die Bundesrepublik auflegen. Ich muss sagen, im Kreis meiner Kollegen fand das nicht die breite Zustimmung. Heute sind wir faktisch immer noch nicht so weit.

Ich denke, dass wir diesen Aspekt auch sehr deutlich mit beachten müssen. Prävention ist ein ganz zentrales Anliegen für uns, und deswegen fordern wir auch, dass wir in diesem Bereich mehr machen, dass wir auch diese Einrichtung, die wir heute haben, die bisher wirklich eine wertvolle Arbeit geleistet hat, personell ausbauen. Die Probleme sind nämlich weiterhin da, und diese Probleme bestehen heute nicht nur darin, dass man schaut, wer bei uns auswandern will, sondern wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass der IS, nachdem sich die militärische Lage für ihn verändert hat, zunehmend die Parole ausgibt: Bleibt in euren Ländern und tötet die Ungläubigen vor Ort!

Das heißt, wir müssen schauen, wie groß das Dunkelfeld ist. Wir müssen mitbekommen, was in den Schu

len passiert, denn es sind ja sehr junge Menschen, die radikalisiert werden, aber durchaus auch ältere, die wir im Fokus haben. Deswegen ist für uns Prävention ein ganz entscheidender Beitrag einerseits, um zu verhindern, dass Personen ausreisen, dass sie als Terroristen in anderen Ländern dabei sind, aber andererseits auch, weil wir uns vor ihnen schützen müssen.

(Beifall SPD)

Deswegen ist Prävention unverzichtbar, und ich glaube, dass wir auch in dieser Frage eine gemeinsame Linie finden.

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zenner?

Bitte!

Was Sie gerade zum Thema Prävention ausgeführt haben: Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass quasi die bisherigen Präventionsstellen so viel Zulauf haben, dass die Mitarbeiter das gar nicht mehr abarbeiten können?

Die zweite Frage ist: Wir brauchen doch dann, wenn dem nicht so ist, und das war mein bisheriger Eindruck, andere Kooperationspartner wie Schulen, Ausbildungsplätze, die uns solche gefährdeten Personen – in Anführungszeichen – melden, dass sie den Zugang zu diesen Präventionsstellen bekommen. Da muss doch der Schwerpunkt liegen.

Ich teile diese Einschätzung. Es ist in der Tat so, dass die Anfragen größer sind als die personellen Möglichkeiten, und deswegen ist mein Ansatz immer gewesen, dass wir ein nationales Programm brauchen. Das heißt nicht, dass hier Polizei allein unterwegs ist, sondern dass alle verantwortlichen Bereiche daran mitarbeiten. Deswegen muss in diesem Sektor deutlich mehr gemacht werden.

Was hat Bremen bisher getan? Wir haben das Wesentliche auf die Reihe gebracht, und zwar die personelle Verstärkung der Polizei. Wir brauchen nicht über Gesetzesänderungen zu diskutieren, wenn wir kein Personal auf der Straße haben. Das braucht seine Zeit, ja. Aber es stimmt mich hoffnungsvoll, dass ich vor zwei Wochen 139 junge Beamtinnen und Beamte vereidigen konnte.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Entwicklung geht weiter, und wir haben bereits für den 7. November die nächste Feier vorbereitet in der Oberen Rathaushalle mit 160 Beamten. Das wird etwas eng, aber wir brauchen diese Unterstützung. Das ist das eine.

Das andere! Bei vielen Maßnahmen, die wir entwickelt haben, brauchen wir Personal, das wir anders

organisieren. Zu dem Beispiel von Ihnen, Frau Vogt, Videoüberwachung! Da müssen keine Kommissare vor den Bildschirmen sitzen,

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Haben wir auch nicht gesagt!)

sondern wir brauchen einfach qualifiziertes Personal im Angestelltenbereich. Wir sind da auch in der Lage, diese Personen kurzfristig zu gewinnen, und das machen wir auch, genauso wie wir längst dabei sind, den Bereich des Objektschutzes zu verändern. Auch da werden künftig keine Kommissare mehr die Jüdische Gemeinde überwachen, sondern dann stehen da Angestellte in Uniform, auch bewaffnet, die dann als Polizei die Aufgabe Objektschutz wahrnehmen werden. Wir machen dies, um zu verhindern, dass wir drei Jahre warten müssen. Das macht gegenwärtig keinen Sinn.

Jetzt zu diesen Dingen, die wir dringend verändern wollen! Es sind eine Reihe von Sachen erwähnt worden. Wir haben Defizite im Polizeirecht. Im Bereich der Gefahrenabwehr hatte die Polizei bisher nicht die Möglichkeit, den Weg der Telekommunikationsüberwachung zu gehen, das heißt, das Abhören von Handys zum Zweck der Gefahrenabwehr war bisher nicht möglich. Dies ist eine Lücke, und die wollen wir schließen.

Wir werden darüber hinaus die Videoüberwachung in dem Rahmen erweitern, wie das hier auch diskutiert worden ist. Es geht nicht darum, die Stadt flächendeckend unter Videoüberwachung zu stellen, sondern diese Kameras da gezielt zu installieren, wo es sinnvoll, angemessen und notwendig ist. Auch das geht nicht ohne eine Veränderung des Polizeirechts.

Im Bereich Ausländerrecht unterstützen wir zahlreiche Maßnahmen, die zurzeit auf Bundesebene entwickelt werden. Da liegen wir gar nicht weit auseinander. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unser Ausländerrecht für die aktuellen Probleme teilweise nicht ausreicht. Es gibt Regeln, die eigentlich im Prinzip sinnvoll sind und lauten, dass man niemand länger als drei Monate in Abschiebehaft nehmen darf.

Es gibt aber auch Fälle, in denen erkennbar ist, dass es überhaupt keine Abschiebung gibt. Das sind die Fälle, in denen die Länder nicht kooperieren. Ohne ein Papier für eine Rückreise zu bekommen, sind wir hilflos. Diese Regelung ist durchaus nachvollziehbar, aber sie hat fatale Folgen, und dies haben wir nun am Beispiel Amri erlebt, dass nämlich in der Tat die Papiere nicht da waren. Konsequenterweise hat das zuständige Amtsgericht dann gesagt: Ja, dann geht das eben nicht! Deswegen müssen wir diese gesetzliche Regel verändern, damit wir künftig auch in der Lage sind, diese Personen in Abschiebehaft zu nehmen.

Ich sage, wir müssen unser gesamtes Programm revidieren, und daran sind wir auch gegenwärtig. Es

kann nicht sein, dass wir erst mit der Frage der Abschiebung anfangen, wenn im Grunde genommen nach einer Verurteilung das Haftende ansteht. Wir haben uns seit einigen Wochen entschieden, anders vorzugehen, zum Beispiel bei Straftätern, bei denen klar erkennbar ist, dass sie nicht in die Bundesrepublik gehören. Das gilt zum Beispiel für diejenigen, die diesen 15-jährigen jungen Syrer in Bremen-Nord ermordet haben. Da war es für uns völlig klar, dass wir mit der Aufnahme in die U-Haft bereits das Bundesamt für Migration aufgefordert haben, den bestehenden Status, das heißt den Aufenthaltstitel, zu entziehen, damit wir dann, wenn Strafhaft verhängt wird, in der Lage sind, anschließend aus der Strafhaft heraus abzuschieben. Das ist eine Sache, die wollen wir mit aller Konsequenz, und das setzt voraus, dass alle Bereiche eng zusammenarbeiten, Strafvollzug, Justiz und Inneres. Daran arbeiten wir.

Es gibt also eine ganze Reihe von Maßnahmen, die dazu führen werden, die Lage zu verändern. Aber wir wissen alle auch: Letzte Sicherheiten gibt es nicht. Wir können nicht ausschließen, dass sich Personen hier radikalisieren, ohne dass wir das mitbekommen. Wir wissen nicht, was in den Köpfen der Personen vorgeht, die gegenwärtig wieder aus Syrien, aus dem Irak zurückkommen. Auch die haben wir in dieser Stadt. Wir werden versuchen, sie sehr engmaschig zu begleiten, zu observieren. Das geht nicht ohne personelle Unterstützung. Für eine einzige Maßnahme, eine Person rund um die Uhr zu observieren, braucht man zehn Mann. Das ist sehr aufwendig, aber es gibt teilweise keine Alternative dazu.

Auch eine Maßnahme, wie zum Beispiel die Fußfessel ist sinnvoll, aber man darf sie auch nicht überbewerten. Wir haben ja – im Bereich der Sexualstraftäter ist das eine schon sehr langjährige Praxis – die Erfahrung gemacht, dass wir dafür kein eigenes Personal brauchen. Die technische Überwachung wird von Wiesbaden aus organisiert. Das hat einfach den großen Vorteil, dass Alarm ausgelöst wird, wenn jemand eine Grenze überschreitet, wie weit er gehen darf, die vorher definiert ist, und dann kann man in der Regel auch noch eingreifen, ehe es zu spät ist.

Es gibt also nicht nur eine einzige Maßnahme, mit der man dieses Problem angehen kann, sondern wir werden aus den zahlreichen Vorschlägen, die wir hier heute diskutiert und unterbreitet haben, in der Innendeputation, denke ich, zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen. Ich hoffe, dass wir einen Beitrag dazu leisten, dass Bremen sicherer wird. – Schönen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zuerst über den Antrag der CDU mit der Drucksachennummer 19/840 abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit Drucksachennummer 19/840 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, LKR, Abg. Tassis [AfD], Abg. Timke [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, dass dieser Antrag der Fraktion der CDU abgelehnt wurde.

Ich lasse jetzt über den Antrag mit der Drucksachennummer 19/914, Neufassung der Drucksache 19/901, abstimmen.

Hier ist eine Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres vorgesehen. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun ebenfalls um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Panama-Papers, Bahamas-Leaks: Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 6. Oktober 2016 (Drucksache 19/767)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Strehl.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Janßen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Skandal um die Enthüllung der Panama-Papers aus dem April letzten Jahres, ist, glaube ich, uns allen noch in guter Erinnerung. Die Enthüllung der Geschäftsaktivitäten einiger Briefkastenfirmen, die weltweit operieren und viele Tricks zur zugebenermaßen legalen Ausnutzung von Steuerschlupflöchern entwickelt haben, aber auch, um Steuer- und Geldwäschedelikte zu begehen, war erschreckend und alarmierend.

(Beifall DIE LINKE)