Protocol of the Session on June 16, 2016

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt viele Parlamentarier im Land und im Bund, die sich darin einig sind, dass die bisherige Drogenpolitik vollständig gescheitert ist.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

In so einer Situation sind zumindest wir als Linke – und diese Überzeugung teilen wir mit den Grünen und auch mit Teilen der SPD – der Meinung, dass wir ein Ende der Kriminalisierung brauchen. Wir brauchen einen stark regulierten staatlichen Markt, und wir brauchen im Grunde genommen vor allem einen präventiven Jugendschutz, der auch funktioniert. Wir müssen im Moment feststellen, dass aufgrund der in – ich will es mal so nennen – konservativen Kreisen immer noch bestehenden grundsätzlichen Ablehnung einer anderen Drogenpolitik uns anderen nur kleine Schritte bleiben. Das hat ja auch die Anhörung gezeigt.

Die Freigabe für Forschung und medizinische Anwendung von Cannabis ist einer dieser kleinen Schritte. Liebe FDP, ich denke, da sind wir mit Ihnen einig, und wir sind uns auch einig, was das Anliegen Ihrer Großen Anfrage und Ihren Antrag angeht.

Auf der anderen Seite sehe ich es momentan so, dass hinsichtlich Ihres Antrags, den Sie gestellt haben – die Anfrage ist etwas anderes – die schwarz-rote Koalition in Berlin Sie ein bisschen überholt hat.

(Beifall DIE LINKE)

Da sage ich, das ist in dem Fall ausnahmsweise nicht so schlecht, denn damit hätten wir einen kleinen

Schritt gemacht. Über Große Anfragen wird nicht abgestimmt, und so können wir Ihrer Großen Anfrage nicht zustimmen. Allerdings werden wir Ihren Antrag ablehnen, weil er im Grunde genommen sinnlos ist.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Rich- tig, aber sinnlos? Das verstehe, wer will!)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. Buhlert, warum wir Ihren Antrag ablehnen, werde ich erläutern. Sie hatten ja schon darauf hingewiesen, dass die Koalition im Dezember 2014 einen Antrag eingebracht hatte mit dem Titel „Cannabis für schwer kranke Menschen aus medizinischen Gründen leichter zugänglich machen!“, und diesen Antrag haben wir einstimmig beschlossen. Damit wurde der Senat beauftragt, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die gesetzlichen Krankenkassen Cannabis und Cannabisprodukte für Menschen, für Patientinnen und Patienten regelhaft übernehmen, die diese Produkte von ihren Ärztinnen und Ärzten verordnet bekommen haben. Die Begründung unseres damaligen Antrags hat der FDP offensichtlich gut gefallen. Sie haben unseren Text ja direkt eins zu eins übernommen.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das war ja auch nicht falsch!)

Ich finde das ganz lustig, sogar schön. Als ich Ihre Anfrage las, dachte ich, das kommt mir alles so bekannt vor. Da habe ich mir unseren Antrag angeschaut, und da sehe ich, dass der Text fast exakt der gleiche ist. Also, ich danke für das Vertrauen, aber das nur als kleines Schmankerl am Rande.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Absolut richtig ist – darauf weisen Sie hin, und da sind wir uns in diesem Haus im Wesentlichen einig –, dass wir inzwischen wissen, dass Hanf eine ganze Menge von Inhaltsstoffen hat; das THC ist das eine, welches auch halluzinogen wirkt, und andere Inhaltsstoffe sind zum Beispiel die Cannabidiole, die keine halluzinogene Wirkung aufweisen, sondern vor allem eine schmerzlindernde und muskelentspannende Wirkung haben, und das macht die Medizin sich zunutze. Die Verträglichkeit dieser Produkte ist nämlich zum Teil sehr viel besser als die von gängigen Schmerzmitteln, und deshalb sind diese Hanfprodukte, für Menschen mit schweren und chronischen Schmerzen und erhöhter Muskelanspannung eine medizinisch sinnvolle Behandlung. Das betrifft zum Beispiel Menschen mit Multiple Sklerose oder auch mit Krebs.

Im Moment ist es noch so, dass Ärztinnen und Ärzte diese Mittel verordnen dürfen und per Einzelfallprüfung diese auch gelegentlich von den Krankenkassen übernommen werden, aber eben nicht regelhaft. Das bedeutet, dass sich eher Menschen, die mehr Geld zur Verfügung haben als andere, diese Produkte leisten können, wenn sie ihnen verordnet werden. Das darf so nicht bleiben, das ist ja völlig klar!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Die Menschen weichen häufig auf den Schwarzmarkt aus, und das ist unzumutbar.

Bereits das einschlägige Urteil vom April ergab Hoffnung. Sie können sich wahrscheinlich noch erinnern, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das BfArM verpflichtet, einem schwer kranken Kläger eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, weil das Mittel, das ihm verordnet wurde, für seine medizinische Behandlung notwendig ist, er sich das aber nicht leisten konnte und die gesetzliche Krankenkasse das nicht übernommen hat. Dieser Kläger hat Recht bekommen aus einer sozialen Indikation. Das, fand ich, war damals ein ganz großes und gutes Signal. Inzwischen ist die Entwicklung ja weitergegangen – Herr Kollege Erlanson hat darauf hingewiesen –, es liegt mittlerweile ein Bundesgesetz im Bundesrat zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vor. Die Kanzlerin hat schon signalisiert, dass sie das Gesetz gut findet und zustimmen wird. Also, das Gesetz wird jetzt kommen, die Zustimmung gilt als sicher.

Entscheidend sind zwei Maßnahmen des neuen Gesetzes, die ich noch einmal zusammenfassen will, weil es gut ist, wenn wir uns das alles so noch einmal vor Augen führen. Das Gesetz sieht vor, dass CannabisProdukte in den Katalog der Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Aber es gibt noch zu weni- ge davon!)

Das heißt, sie sind verordnungsfähig und werden auch von den Krankenkassen übernommen. Des Weiteren, dass der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken eigens in dafür eingerichteten Plantagen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, überwacht und reguliert werden soll. Das ist ein entscheidender Schritt zur Austrocknung des Schwarzmarktes.

Also, die entscheidenden Forderungen unseres damaligen Antrags, die sich ja decken mit Ihrem jetzigen Antrag, Herr Kollege Dr. Buhlert, stehen kurz vor der Vollendung. Es ist großartig, dass das so kommt, dafür benötigen wir keinen weiteren Antrag. Wir finden es ausgezeichnet, dass hier endlich ein Produkt, das Personen mit schweren und chronischen Erkrankungen helfen kann, letztendlich den Menschen auch zur Verfügung steht, und dass hier die ideologischen

Scheuklappen gefallen sind. Wir wünschen uns natürlich, dass das auch für die legalisierte, kontrollierte Abgabe für Cannabis für erwachsene im Allgemeinen irgendwann passieren wird. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dehne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden, daher werde ich mich auch sehr kurz fassen. Ich fand es schön und positiv, als ich den Antrag der FDP-Fraktion gelesen habe, weil das ja noch einmal unsere hier doch sehr mehrheitliche Haltung zum Thema Cannabispolitik auch unterstützt. Aus diesem Grund habe ich gedacht, dass es auch noch einmal ein gutes Signal ist, dass Sie in dem Zusammenhang Ihre Positionen bestärken, und da sind wir alle sehr nah beieinander, eben nicht nur, was den medizinischen Gebrauch angeht, sondern auch, was die Liberalisierung der Politik im Bereich Cannabis betrifft.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP – Abg. Bensch [CDU]: Dann ist das Gesetz aber nicht falsch!)

Ich finde, dass wir nun einmal, wie es eben Frau Dr. Kappert-Gonther auch schon berichtet hat, eben einen Schritt weiter sind. Das bedeutet, im Bund passiert gerade sehr viel. Wir haben den Beschluss des Bundeskabinetts aus dem letzten Monat, der den therapeutischen Einsatz von Cannabis erleichtert. Hinzu kommt, das haben wir eben auch gehört, die Übernahme durch die Krankenkassen, und es wird eben auch weitaus unbürokratischer sein, überhaupt an Cannabisprodukte zu gelangen, als es bisher der Fall war mit dieser sehr komplizierten Einzelfallprüfung, die auch absolut nicht angemessen war.

Ein Punkt, den die FDP auch in ihrem Antrag noch einmal benennt, ist die nicht ausreichende Studienlage. Das ist durchaus ein sehr wichtiger Aspekt. Wir haben nicht genug wissenschaftliche Studien zu Cannabis. Cannabis ist eben eine Pflanze, die sehr viele Wirkstoffe enthält und auch zahlreiche Wirkungen haben kann, und auf dem Gebiet brauchen wir sicherlich mehr Forschung. Allerdings finde ich es nicht wirklich richtig, dass hier die Länder und der Bund aufgefordert werden, etwas zu tun. Jetzt können die Unternehmen auch bereits klinische Studien durchführen. Sie haben im Moment anscheinend kein wirklich großes Interesse daran, aber gerade, wenn sich die Gesetzeslage ändert, dann werden auch Unternehmen ein Interesse daran haben, und dann glaube ich doch fest daran, dass es natürlich auch Studien geben wird.

Sie sprechen zu Recht an, dass wir hier seltene Krankheiten haben, um die es geht, aber Multiple Sklerose und auch Krebs sind natürlich gut erforscht, und

da muss man eben schauen, wenn jetzt Cannabis auch vermehrt eingesetzt wird, wie das genau wirkt. Es ist auch Teil des Gesetzes, so habe ich es bislang verstanden, dass da in Bezug auf die Wirkung auch sehr genau hingeschaut werden soll, wenn Patientinnen und Patienten dann Cannabis erhalten. Dann werden diese Personen eben auch an Studien teilnehmen, sodass man daraus auch wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen wird.

Wir werden also ab dem Jahr 2017 Cannabis auf Rezept erhalten können. Die Länder haben sich auch bereits im Gesundheitsausschuss des Bundesrats am 1. Juni verständigt. Expertinnen und Experten rechnen damit, dass dann ungefähr 800 000 Patientinnen und Patienten pro Jahr davon profitieren und Cannabis auf Rezept bekommen werden. Daher bin ich – wie auch die SPD-Fraktion – der festen Auffassung, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Der Bund hat endlich diese Schritte eingeleitet, die es dringend braucht, deshalb sind wir doch der Meinung, dass wir Ihren Antrag an dieser Stelle nicht brauchen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vor dieser Debatte etwas humorvoll zum geschätzten Kollegen Dr. Buhlert gesagt: Weißt du, mit dieser Großen Anfrage und mit diesem Antrag bist du in mehreren Funktionen tätig! Du bist hier nicht nur der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, du bist auch irgendwie so etwas wie der Regierungssprecher im Bund und auch noch der Regierungssprecher der Freien Hansestadt Bremen.

Meine Damen und Herren, ich finde es gar nicht so verkehrt, mit diesem Antrag und mit der Debatte sowie den ganzen einleitenden Texten bringt die FDP die Faktenlage auf den Punkt. Der Gesundheitsminister der CDU hat einen hervorragenden Entwurf eingereicht, das Kabinett hat ihn verabschiedet, nämlich zur medizinischen Nutzung von Cannabis, und genau das ist der richtige Weg. Nicht legalisieren, um Freizeitkonsum zu fördern, sondern um auf der medizinischen Ebene für Fortschritte zu sorgen,

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Sowohl als auch!)

um eine bestmögliche medizinische Versorgung Schwerstkranker zu ermöglichen. Das ist der richtige Weg, und deswegen finden wir als CDU, dass dieser Antrag der Fraktion der FDP auch Würdigung und Zustimmung verdient.

(Beifall CDU, FDP)

Ich hätte jetzt auch sagen können, dass der Antrag eigentlich überflüssig ist. CDU und SPD haben das im Bund gut gemacht. Bei wie vielen anderen Themen wollen wir aber mit in das Boot des Erfolges! Bei wie vielen anderen Themen wollen wir mit dabei sein und Zeichen setzen! Bei einigen Wortbeiträgen ist eines sehr deutlich geworden – nicht so sehr bei Frau Dehne, da habe ich es gar nicht gehört, und bei Frau Kappert-Gonther auch nicht, aber bei den Linken konnte man es hören: Denen geht es weniger um Medizin, sondern mehr um Freizeitkonsum, und das lehnen wir als CDU nach wie vor ab.

(Beifall CDU)

Ein Punkt, der sachlich-inhaltlich herausgestellt wurde, ist die notwendige Begleitforschung. Das ist genau richtig. Diejenigen, die Cannabis rezeptiert bekommen, müssen dann einem anonymisierten Verfahren sozusagen beipflichten. Sie müssen ihre Zustimmung geben. Das ist dieses Geben und Nehmen. Auch das halten wir für außerordentlich gut, denn nur eine eindeutige Studienlage kann langfristig sagen und letztendlich beweisen, ob das von Nutzen ist oder nicht. Uns, der CDU, gefällt ganz besonders, dass nicht irgendwo frei gepflanzt wird und der Patient nicht selbst irgendwo etwas anpflanzen muss, sondern dass es so etwas wie eine staatliche Cannabis-Agentur geben wird. Auch das halten wir für außerordentlich wichtig. Weil die FDP gesagt hat, dass es um drei kleine pragmatische Forderungen geht, um sich im Gesetzesverfahren einzubringen, meinen wir, dass das ein guter Antrag ist. Das kann man mittragen, und damit setzt man die richtigen Zeichen: Medizinische Nutzung ja, aber Freizeitkonsum nein! – Wir stimmen dem Ganzen zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Schäfer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Wir haben hier ein anspruchsvolles Programm und wenig Zeit. Deshalb appelliere ich, dass wir uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, die wir brauchen, um dieses Land nach vorn zu bringen. Medizinischer Cannabiskonsum, einmal ganz ehrlich: Wie viele Leute betrifft das in Bremen? Vielleicht eine, zwei, drei, vier oder fünf Personen, auf jeden Fall weniger als zehn!

(Frau Abg. Dehne [SPD]: In Deutschland geht es da- bei um 800 000 Menschen! – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Schon ein Schwerkranker würde es rechtfertigen!)

Wir sind hier im Bremer Parlament, und ganz ehrlich: Selbst wenn Sie aus Freizeitgründen Cannabis

konsumieren, spielt das keine Rolle, weil wir in Bremen kein funktionierendes Rechtssystem haben. Selbst wenn Sie jeden Tag zu schnell Auto fahren, spielt das keine Rolle, weil die Bremer Behörden es nicht schaffen, Ihnen innerhalb von 90 Tagen rechtsverbindlich ein Strafmandat zuzustellen. Bremen ist ein Failed State, und wir müssen uns hier über grundsätzliche Dinge unterhalten.

(Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein Missbrauch der Debatte! – Un- ruhe)