Protocol of the Session on May 25, 2016

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Sie sind ja auch nicht die FDP!)

Ja, eben! Die Aufhebung des Meisterzwangs im Fliesenlegergewerbe hat zum Beispiel nicht dazu geführt, dass die Branche der Fliesenleger gestärkt wurde und dass wir eine gute Ausbildung im Bereich der Fliesenleger haben, wahrscheinlich mit der Folge, dass irgendwann die Fliesen schlecht gelegt sind. Ich würde weiter darauf bestehen, dass Kernbereiche im Meisterzwang geregelt sind und nicht nur dort, wo es sicherheitsrelevant ist. Man muss sich über bestimmte neue Branchen unterhalten, nur darf das

nicht zu einer Entwertung des Meisterzwangs führen. Wir stehen im europäischen Benchmark mit unserer Ausbildung und unserer Qualifikation in handwerklichen Berufen hervorragend da. Einige europäische Länder sagen aber: Das ist alles nichts, was ihr dort im Bereich der dualen Ausbildung macht, unsere schulische Ausbildung, unsere Studien sind viel wichtiger! Wenn wir einen Bachelor oder einen Master haben, ist das viel bedeutsamer als euer Meisterbrief! Wir stehen zu Recht auf dem Standpunkt, dass die duale Berufsausbildung, wie wir sie haben, basierend auf selbstständigen Betrieben mit einem Meisterzwang, den jungen Menschen einen hervorragenden Einstieg in den Beruf und auch in höhere Qualifikationen ermöglicht. Daran sollten wir festhalten, davon bin ich fest überzeugt. Wir sollten uns das nicht zerreden lassen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 19/74, Neufassung der Drucksache 19/55, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, Abg. Tassis [AfD])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt diesen Antrag ab. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen mit der Drucksachen-Nummer 19/337 Kenntnis.

No Hate Speech! Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 8. Februar 2016 (Drucksache 19/264)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Mustafa Öztürk.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Jetzt aber freundlich, bitte!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn der Titel unseres Antrags „No Hate Speech“ lautet, wird diese Rede keine Hate Speech, sondern soll eher dafür werben, eine Sensibilität zu erzeugen.

„Zwei bis drei erschießen und schon kommt keiner mehr, nur so bekommt ihr sie los.“ – „Die Ausländer können sich so viel Gewalt antun, wie sie wollen, je mehr, umso besser. Gebt ihnen Messer und Pistolen, da geht es schneller!“ – Das sind keine Sätze eines 17-Jährigen, sondern ein 62-jähriger Rentner aus Furth im Wald hat das auf Facebook und auf der Kommentarseite der „Chemnitzer Nachrichten“ geschrieben. Er wurde wegen Volksverhetzung zu 130 Tagessätzen über 3 260 Euro verurteilt.

Eine 49-Jährige aus Bocholt kommentierte auf Facebook das Thema Kommunalwahlrecht für Ausländer mit folgendem Satz: „Von mir aus können sie wählen, aber nur zwischen Ausschwitz und Dachau!“

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Krass!)

Sie erhielt eine Haftstrafe von sieben Monaten auf Bewährung mit 100 Sozialstunden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Hate Speech macht weder vor dem Alter noch vor dem Geschlecht halt. Nicht alles, was gepostet wird, wird verfolgt oder reicht für eine Verurteilung. Unter den Tätern und Täterinnen, die Volksverhetzung betreiben, Rassistisches und Menschenverachtendes von sich geben, befinden sich Jugendliche und Rentner, Erwerbstätige und Arbeitslose, Frauen und Männer, Väter und Mütter, bekannte Rechtsradikale, aber auch völlig unbescholtene Bürgerinnen und Bürger. Was treibt diese Menschen, die teilweise gesellschaftlich engagiert und völlig unbescholten sind, dazu, im Internet, in sozialen Netzwerken und insbesondere unter den Kommentaren der Online-Medien oder per Brief so zu hetzen und so etwas zu posten, oft anonym, aber auch sehr häufig mit ihrem Klarnamen, und Dinge zu sagen, die sie vermutlich kaum im Supermarkt oder vor der Tür eines Kindergartens von sich geben würden?

Journalisten vom britischen „Guardian“ haben über 70 Millionen Kommentare einer umfassenden Datenanalyse unterzogen, um etwas über Hate Speech zu lernen. Sie haben analysiert, welche Artikel besonders gern schlecht kommentiert wurden und welche Autoren besonders häufig beschimpft und bedroht wurden. Vorrangig sind es demnach Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, die das Ziel von Hasskommentaren werden. Unter den zehn am häufigsten angefeindeten Autoren sind acht Frauen, davon vier nicht weiße, und zwei schwarze Männer. Die

zehn am seltensten angefeindeten Autoren sind dagegen allesamt männlich und weiß.

Hetze gegen Frauen und Flüchtlinge, Journalisten und religiöse Gruppierungen sowie Drohungen, Volksverhetzung und Mordaufrufe sind im Internet leider mittlerweile an der Tagesordnung. Viele große Onlinemedien schalten ihre Kommentarfunktionen zu bestimmten Artikeln und Themen ab, da sie befürchten, dass sich Hasskommentatoren wie die Wilden auf die Artikel stürzen und bewusste Volksverhetzung und rassistische Hasskommentare schreiben. Das ist sehr bedauerlich. Den Onlinemedien gelingt es sehr selten, der Flut der Hasskommentare entgegenzutreten, Inhalte zu löschen oder einzelne User zu verwarnen. In Einzelfällen bringen sie einzelne Kommentare zur Strafanzeige. Menschen, die Hass und Hetze verbreiten, ob nun auf dem Marktplatz oder im Onlineforum, müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Volksverhetzung ist keine Bagatelle, sondern strafrechtlich relevant. Unser Ziel ist es, den Durchsetzungsgrad des Strafrechts in der digitalen Welt dem der analogen Welt anzugleichen. Alles, was auf der Straße gesagt wird und strafrechtlich relevant ist, muss dies auch im Internet sein.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Das Thema Hate Speech im Internet, vor allem in den sozialen Netzwerken, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Nun geht es aber nicht mehr nur um Cybermobbing, sondern um Volksverhetzung, um bewusste Morddrohungen und Aufrufe, die den öffentlichen Frieden stören. Eine enorme Zunahme von Hate Speech ist seit der Flüchtlingsbewegung vom letzten Sommer erkennbar. Die Anzahl von HateSpeech- und Hassdelikten im Internet hat sich im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr verdreifacht und gegenüber dem Jahr 2012 versechsfacht. Das geht aus den aktuellen BKA-Daten und der aktuellen Kriminalstatistik hervor. Über 3 000 Straftaten mit dem Bezug Hasskriminalität/Internet wurden zur Strafanzeige gebracht, 93 Prozent davon hatten einen rechtsextremen Hintergrund. Zwischen dem Anstieg von Hate Speech und den über 1 000 Übergriffen auf Flüchtlingsheime seit 2015 gibt es einen erkennbaren Zusammenhang. Das ist eine extreme Entwicklung, die wir nicht hinnehmen dürfen.

Die Debatte ist nicht nur für Betroffene wichtig, sondern auch für Anbieter von Onlinemedien. Hier geht es aber auch um die Abwägung von grundlegenden Rechten wie Meinungs- und Informationsfreiheit, Recht auf Anonymität und den Schutz der Persönlichkeitsrechte.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Dabei ist die Anonymität gegenüber anderen Internetnutzenden nicht gleichbedeutend mit Anonymität gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Strafverfolgung bleibt auch bei anonym oder unter Pseudonym verbreiteten Inhalten gewährleistet, und das ist gut so!

Um strafbare Inhalte aus dem Netz zu entfernen und eine effektive und schnelle Strafverfolgung zu ermöglichen, kommt es darauf an, dass Nutzerinnen und Nutzer derartige Inhalte melden können. Dieser letzte Punkt ist für uns ein sehr wichtiger Faktor im Kampf gegen Hate Speech. Hier sind Anbieter in der Pflicht, geeignete Meldewege bereitzustellen.

(Glocke)

Die Betreiber von Angeboten müssen dem im Telemediengesetz und in der europäischen E-CommerceRichtlinie verankerten Notice-and-Take-Down-Verfahren folgen, entsprechend Inhalte nach juristischer Prüfung umgehend löschen und gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten können. – Damit komme ich zum Schluss! – Auch Unternehmen müssen sich im Internet an die klaren gesetzlichen Regelungen halten und dürfen sich nicht der Verantwortung mit Verweis auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen entziehen.

Wir haben in unseren Antrag Beschlusspunkte aufgenommen, die Ihnen bekannt sind und vorliegen. Wir erhoffen uns, dass eine breite Mehrheit dem Antrag der Koalition folgt. Das Internet ist eine wirklich tolle Errungenschaft, aber wir dürfen es nicht dem Hass überlassen. Dagegen sollten wir heute ein Zeichen setzen! – Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was hat es für Häme und Kommentare gegeben, als die Bundeskanzlerin vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Internet von „Neuland“ sprach! Im Prinzip hat der Kollege Öztürk dies gerade noch einmal bestätigt. Es ist ein Bereich, in dem vieles noch geregelt werden muss, weil vieles mittlerweile in der digitalen Welt stattfindet, in der wir uns zunehmend bewegen.

Ich kann vorwegnehmen, wir werden dem Antrag der Koalition zustimmen, denn das Thema muss geregelt werden. Für manche, deren Pöbeleien, Hetze, Beleidigungen bis hin zur Volksverhetzung am Stammtisch nicht ungeahndet bleiben würden, sind soziale Netzwerke und Kommentarfunktionen offensichtlich eine Spielwiese. Das dürfen wir nicht zulassen! Hetze jeglicher Form, egal gegen wen, Verletzungen der Menschen- und Persönlichkeitsrechte werden wir auch im digitalen Bereich nicht zulassen!

(Beifall CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt Best-Practice-Beispiele. Ich nenne wieder Facebook mit der höchsten Verbreitung: Auf der Seite der Bundesregierung wird mit Kommentaren sehr offensiv umgegangen. Das ist die Alternative zu dem, was Kollege Öztürk gerade genannt hat, zum Abschalten von Kommentarfunktionen. Wir werden die Kommentarfunktion aber künftig nicht überall abschalten können. Es ist eine neue Diskussionskultur entstanden, man mag sie gut oder schlecht finden, sie ist da. Wir werden diese Entwicklung nicht zurückdrehen können. Man muss sie also begleiten, und man muss klarmachen, dass das, was als einmal Netiquette, als Netz-Etikette, angefangen hat, nicht nur freundliche Unverbindlichkeit ist.

Das Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland gilt auf Facebook genauso wie auf jeder anderen Onlineplattform und für jede Kommentarfunktion. Wer meint, dass er dort das schreiben kann, was er vielleicht in irgendwelchen abgründigen Fantasien denken mag, muss mit Konsequenzen rechnen. Er kann in seinem Kopf machen, was er will, wenn er es aber schreibt, muss er im Zweifelsfall mit jeder Konsequenz rechnen, die unser Rechtsstaat zu bieten hat.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Internet endet nicht an den Grenzen des Geltungsbereichs unseres Rechtsstaats. Viele sind schon ausgewichen: Es gibt russischsprachige Plattformen, auf denen sich heute bestimmte Geister tummeln. Das werden wir hier nicht gesetzlich regeln können, aber es hat erste Schritte gegeben. Facebook hat zum Beispiel erste Moderatoren eingesetzt, weil sie erkannt haben, dass da etwas völlig aus dem Ruder läuft und die Rechtsstaatlichkeit in diesem Lande eine andere ist als das, was an Kommentaren zum Beispiel in den Vereinigten Staaten möglich ist. In diesem Konzern ist die „Denke“ eher eine solche.

Wir würden uns wünschen, dass man hier auf jeden Fall eine europäische Lösung findet. Ich bin für die Bestrebungen, die es gibt, dankbar. Es wird ein sehr langer Weg sein, bis wir am Ziel sind, aber wir in der Bundesrepublik Deutschland müssen unseres Erachtens hier Vorbild sein.

Ich will die Reihe der Beispiele, die Herr Öztürk angeführt hat, nicht fortsetzen, aber es gibt sie. Der Pegida-Gründer, ein besonders brauner Geist, ist kürzlich wieder in genau so einem Fall verurteilt worden. Es gibt die Beispiele aber in allen Bereichen, und man muss nicht nur auf dem einen, sondern auch auf dem anderen Auge deutlich sehen. Extremisten und gewaltbereite Geister gibt es an allen Rändern der Gesellschaft, und die Mitte unserer Gesellschaft muss besonders wachsam sein, zu beiden Seiten schauen und beides ahnden, denn es ist völlig egal, von welcher Seite Gewalt ausgeht. Gewalt ist völlig inakzeptabel!

(Beifall CDU, SPD)

Wir unterstützen den Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen an dieser Stelle, aber dieser Schritt wird der erste von unzähligen weiteren sein. Von dem, worüber wir hier reden, was im Februar als Antrag niedergelegt wurde – Initiative Hamburg vom letzten Dezember –, hat sich einiges im digitalen Bereich bis Ende Mai schon wieder überholt. Es sind aber richtige Schritte, die erst einmal gegangen werden müssen.

Frau Senatorin Linnert ist leider nicht hier. Vor zwei Plenarsitzungen habe ich eine Frage zu Social-Media-Aktivitäten des Senats an die Bürgermeisterin und Finanzsenatorin gestellt, die ein erschreckendes Maß an Unwissenheit im Senat über das, was dort passiert, offenbart hat. Es wäre gut, wenn wir nicht nur andere unterstützen, sondern wir sollten uns hier im Hause einmal damit beschäftigen, was uns hier in Bremen betrifft. Das ist vielleicht auch eine Aufgabe für den Medienausschuss und den Rechtsausschuss. Denn es ist nicht nur Pegida in Sachsen, auch wir in Bremen haben unsere eigenen Probleme. Wir müssen nicht nur die anderen begleiten und ermahnen, sondern sollten unsere Strafverfolgungsorgane, unsere Polizei und Justiz, in die Lage versetzen und so ausstatten, dass das, was in Bremen passiert, auch in Bremen verfolgt und geahndet werden kann. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aulepp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Bedeutung von Strafrecht zur Gesellschaftsveränderung habe ich an dieser Stelle schon häufiger gesprochen und das immer wieder betont. Dass Gesellschaftsveränderung hier nötig ist, haben die beiden Kollegen, die vor mir gesprochen haben, deutlich zum Ausdruck gebracht mit Beispielen, die wir hier in diesem Haus eigentlich nicht hören wollen.

Im letzten Monat haben wir uns mit einem Straftatbestand befasst, der den heutigen Verhältnissen in der modernen Demokratie nicht mehr genügt. Jetzt debattieren wir unseren Antrag, in dem wir darauf reagieren, dass Recht und auch Strafrecht auf gesellschaftliche Entwicklungen und vor allem auf technische Entwicklungen mit neuen Regelungen reagieren muss.