Protocol of the Session on May 4, 2016

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in diesem Haushalt wenden wir das Instrument der maßnahmenbezogenen Investitionsplanung an. Diese sorgt für eine größere Transparenz und Kontrolle bei allen Investitionen. Sie macht die Planung und die einzelnen finanzwirksamen Schritte nachvollziehbarer. Wenn Sie beispielsweise den Haushaltsplan des Bau- und Umweltsenators aufschlagen, finden Sie darin eine detaillierte Aufschlüsselung aller investiven Einnahmen und Ausgaben von 2013 bis zum Planwert 2020. Sie finden die Aufschlüsselung der Infrastrukturvermögen und Einzelmaßnahmen und die

Zinsausgaben bei Kapitaldienstfinanzierungen. Sie finden hier übrigens auch das Stadteilbudget, das der Senat nun erstmals in seiner Haushaltsaufstellung eingeplant hat.

Insgesamt planen wir für das Jahr 2016, 558 Millionen Euro zu investieren, davon etwa 93 Millionen Euro im Bereich der Unterbringung von Flüchtlingen. Für 2017 sind 544 Millionen Euro Investitionsausgaben insgesamt eingeplant, von denen voraussichtlich etwa 51 Millionen Euro auf Investitionen für Flüchtlinge entfallen.

Bestehende Gebäude und Straßen zu erhalten, soll dabei weiterhin Vorrang vor Neuem haben. Dabei investieren wir vor allem dort, wo mittel- und langfristig Kosten gesenkt werden können. Für den Substanzerhalt öffentlicher Gebäude stehen im Gebäudesanierungsprogramm 2016 rund 36 Millionen Euro bereit. Den Schwerpunkt bilden wie in den Vorjahren auch energetische Maßnahmen für den Klimaschutz und Sanierungsarbeiten an Schulen. Darüber hinaus investieren wir in Inklusion und Ganztagsschulen, in Bäder und Sportstätten und in den Erhalt und den Ausbau der Radwege. Auch die Krankenhäuser im Land Bremen erhalten 2016/2017 knapp 36 Millionen Euro zur Finanzierung dringend benötigter Investitionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den Haushalten 2016/2017 von Land und Stadtgemeinde Bremen beträgt der Anteil der konsumtiven Ausgaben fast 60 Prozent. Darin enthalten sind der riesige Block der Sozialleistungen und die Personalkostenzuschüsse an die ausgegliederten Einheiten sowie Zuweisungen an Bremerhaven. Etwa ein Viertel des Gesamthaushalts geben wir für unser Personal aus. Mit 1,3 Milliarden Euro spielen diese Ausgaben im Haushalt eine wichtige Rolle. Hinzu kommen noch weitere 580 Millionen Euro Personalkostenzuschüsse an Sonderhaushalte, Eigenbetriebe, Stiftun

gen und Anstalten des öffentlichen Rechtes, für die Angestellten bei KiTa Bremen, das Theater sowie für Polizei und Lehrer in Bremerhaven.

Der Balanceakt zwischen notwendigem Stellenabbau einerseits und dem Erhalt einer arbeitsfähigen öffentlichen Verwaltung, Polizei und Feuerwehr andererseits wird schwieriger. Deshalb bremsen wir den Personalabbau auf etwa 100 Vollzeitstellen pro Jahr. Das unterrichtende Personal, die Polizei und die Feuerwehr sind von der Personaleinsparverpflichtung ausgenommen. Auch die Steuerverwaltung haben wir jetzt vom Stellenabbau ausgenommen, damit mehr Betriebsprüfungen stattfinden können.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wir setzen mit diesem Haushalt aber auch inhaltliche Schwerpunkte im Personalbereich. Im Bereich Bildung bekommen die Schulen 120 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer, weitere 80 bringen wir durch

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1469

Umorganisation an die Tafeln. Damit sowohl die Schulen als auch die Bildungsbehörde besser planen können, haben wir eine Landeszuweisungsrichtlinie aufgestellt. Darin wird transparent und fair festgelegt, nach welchen Parametern wie viele Lehrerinnen und Lehrer an welchen Bremer und Bremerhavener Schulen unterrichten sollen.

Bei der Polizei haben wir die Beschäftigtenzielzahl um 70 Vollkräfte angehoben. Wir beziehen den demografischen Wandel in unsere Planungen ein und bilden in diesem Jahr 120 Polizistinnen und Polizisten aus.

Die Beschäftigungszielzahl bei der Feuerwehr haben wir um knapp 63 Vollzeitstellen auf insgesamt 490 Vollzeitstellen erhöht.

Bremens Verwaltung soll modern und bürgernah sein. Gleichzeitig muss der öffentliche Dienst angesichts des weiterhin notwendigen Personalabbaus und vor dem Hintergrund von Tarifsteigerungen seine Aufgaben effizient und ressourcenschonend erledigen können. Deshalb haben wir uns die Verwaltungsmodernisierung als Daueraufgabe auf die Fahnen geschrieben. Mit dem Modernisierungsprogramm „Zukunftsorientierte Verwaltung“ werden wir auch in der laufenden Legislaturperiode unsere Anstrengungen für eine moderne, digitale und bürgernahe Verwaltung über alle Ressorts hinweg intensivieren.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Insbesondere die Digitalisierung wird den Verwaltungsalltag weiter verändern. Ein Beispiel ist die Einführung der elektronischen Rechnung, E-Rechnung, oder der digitalen Akte, die die manuellen Arbeiten auf Papier ersetzen werden. Mit der Einführung des Online-Terminmanagements und weiter verbesserten Nutzungsmöglichkeiten des Bürgertelefons wollen wir das Stadtamt weiter entlasten. Schon jetzt leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bürgertelefons Enormes. Sie haben im Jahr 2015 circa 868 000 Anrufe beantwortet.

Neben der Verwaltungsmodernisierung muss Bremen als Haushaltsnotlageland vor allem auch seine Einnahmen steigern. Entsprechend haben wir unser Kassenwesen verbessert und damit im vergangenen Jahr 20 Millionen Euro erwirtschaftet, und das wird auch so weitergehen. Im Bereich der Steuern können und müssen wir auf kommunaler und auf Landesebene unsere Einnahmen steigern. Davon machen wir seit Jahren Gebrauch. Grunderwerbsteuer, City-Tax und Gewerbesteuer wurden erhöht. Im September 2015 hat die Stadtbürgerschaft die Anhebung des Grundsteuer-B-Hebesatzes und der Hundesteuer beschlossen. Wir rechnen mit Gesamteffekten in Höhe von 86 Millionen Euro für das Jahr 2016, die den Haushalt des Landes und der Kommunen entlasten und dem Stabilitätsrat dargelegt werden.

Auch bei sorgfältiger Planung eines Haushaltes bleiben Risiken. So müssen wir mit der aktuellen Tarifeinigung für den TVöD umgehen, die unsere Tarifvorsorge im Haushalt übersteigt. Der Abschluss in Höhe von 2,4 Prozent für dieses und 2,35 Prozent für nächstes Jahr gilt für circa 4 000 Beschäftigte in den bremischen Betrieben und Einrichtungen und bedeutet in diesem Jahr 3,5 Millionen Euro Mehrkosten und im nächsten Jahr 8 Millionen Euro abzüglich der von uns getroffenen Vorsorge. Für die Sozialleistungsabgaben haben wir in beiden Jahren etwas über 1 Milliarde Euro eingestellt. Aufgrund der hohen Planungsunsicherheit bei den Flüchtlingszahlen haben wir 185 Millionen Euro und 160 Millionen Euro pauschal im Sozialleistungsbudget der Sozialsenatorin eingestellt und mit einem Sperrvermerk versehen, damit das Geld nur bei nachgewiesenem Bedarf abfließen kann. Ein weiteres Haushaltsrisiko sind niedrigere Zahlungen unserer Beteiligungsgesellschaften, in diesem Fall vor allem der BLG. Aber es gibt auch Anzeichen für positivere Entwicklungen als geplant. In diesen Minuten werden die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung bekannt werden. Ich habe vorab gehört, dass die Steuerschätzung für Bremen erneut gute Nachrichten bedeuten könnte. Genaueres berechnen wir in den kommenden Tagen, sodass die Ergebnisse so schnell wie möglich in die weitere Haushalts- und Finanzplanung einfließen können. Aber ehe sich jetzt alle schon Gedanken darüber machen, was man mit dem Geld machen könnte, bitte ich darum, zu berücksichtigen, dass wir in 2017 eine globale Minderausgabe eingestellt haben. Zu erwarten ist auch, dass der Bund für Länder und Kommunen weitere Kosten für flüchtlingsbedingte Mehrausgaben übernimmt. Dieses Geld kann nicht zusätzlich ausgegeben werden, sondern würde unsere eigenen Ausgaben für Flüchtlinge senken. Auch die haushaltslose Zeit hat Effekte. Wir müssen uns jetzt anstrengen, alle Mittel, die im Haushalt 2016 veranschlagt sind, in der verbleibenden Zeit des Haushalts auch tatsächlich sinnstiftend auszugeben. Obwohl wir heute über den Haushalt des Landes und der Stadt Bremen beraten, spielt auch die Kommune Bremerhaven eine wichtige Rolle, da die für den Sanierungspfad maßgeblichen strukturellen Defizite des Stadtstaates auch die Ergebnisse beider Kommunen, also auch des Einzelhaushaltes der Stadt Bremerhaven, umfassen. Eine Haushaltskonsolidierung des Landes Bremen kann nur im engen Schulterschluss mit der Stadt Bremerhaven gelingen. Der Senat wird bis Ende des Jahres 2016 das Finanzzuweisungsgesetz, den kommunalen Finanzausgleich, überarbeiten. Dabei wird sich der Senat wie auch in der Vergangenheit davon leiten lassen, dass das Land Bremerhaven mit seiner höheren Arbeitslosigkeit auch besonders unterstützt.

(Beifall Abg. Frau Böschen [SPD])

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1470

Frau Böschen, ja!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ergänzend zum Haushalt 2016 und 2017 legen wir Ihnen heute auch den Finanzplan 2015 bis 2020 vor. Im Gegensatz zur Haushaltaufstellung betrachten wir darin auch die Gesamtsituation im Stadtstaat, also inklusive Bremerhaven. Dem Finanzplan können Sie die wesentlichen Richtwerte der Gestaltung zukünftiger Haushalte entnehmen. Für den Zeitraum 2015 bis 2020 kalkulieren wir mit steigenden Gesamteinnahmen der bremischen Haushalte von rund 650 Millionen Euro beziehungsweise einer Steigerung von durchschnittlich 130 Millionen Euro im Jahr. Gleichzeitig sollen die Primärausgaben in der Finanzplanperiode jahresdurchschnittlich um nur maximal 1,4 Prozent ansteigen. Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Besonders deutlich wird das beim Vergleich mit den anderen Ländern und Kommunen, die mit einer Zuwachsrate von 3,2 Prozent planen.

Trotz ambitionierter Planungen gibt es in den Jahren ab 2018 auch ohne flüchtlingsbezogene Mehrausgaben jeweils eine rechnerische Überschreitung des einzuhaltenden strukturellen Defizits. Bislang beläuft sich diese Überschreitung rechnerisch im Jahr 2018 auf 18 Millionen Euro und im Jahr 2019 auf 39 Millionen Euro. Diese Überschreitungen sind bei der Aufstellung des nächsten Doppelhaushaltes durch Mehreinnahmen oder Minderausgaben auszugleichen. Auch bei erfolgreicher Konsolidierung wird Bremens Schuldenberg jedenfalls bis 2020 weiter anwachsen: gegenüber 2015 um weitere knapp 1,4 Milliarden Euro auf 22,8 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Für die Zukunft Bremens spielt die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine wichtige Rolle, zumal der derzeitige Finanzausgleich 2019 ausläuft. Die Länder haben sich untereinander im vergangenen Dezember auf eine gemeinsame Haltung geeinigt. Mit den über 400 Millionen Euro, die die Einigung für Bremen bedeuten würde, hätten wir eine gute Perspektive. Nun liegt der Ball beim Bund. Möglicherweise bekommen wir eine Klärung noch vor der Sommerpause. Das wäre schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haushalte für die Jahre 2016 und 2017 für das Land und die Stadtgemeinde Bremen folgen dem Ziel, nachhaltig, sozial und generationengerecht mit der knappen Ressource Geld zu wirtschaften. Dass die Bedingungen dafür nicht einfacher geworden sind, habe ich Ihnen dargelegt. Aber es gibt keinen anderen Ausweg aus der Schulden- und Zinsspirale. Deshalb strengen wir uns weiter an und gehen diese Aufgabe mit dem größtmöglichen Augenmaß an. Denn nur, wenn die anderen Länder und der Bund sehen können, dass wir bei der Konsolidierung nicht lockerlassen, sind sie auch weiterhin bereit, uns zu unterstützen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Wer auf Solidarität setzt, muss auch einen Eigenbeitrag leisten. Fünfmal in Folge ist es uns gelungen, die Vereinbarung einzuhalten und jeweils mit 300 Millionen Euro unterstützt zu werden. Mit den Haushaltsentwürfen, die wir Ihnen heute zur Beratung vorlegen, soll es uns auch ein sechstes und siebtes Mal gelingen. Sie, meine verehrten Damen und Herren, werden nun darüber beraten, ob der Senat Ihnen einen Haushalt vorlegt, der unter den gegebenen Bedingungen sparsam wirtschaftet, die richtigen politischen Schwerpunkte setzt, die gesetzlichen Vorgaben einhält und – das ist fast das Wichtigste – die immerhin über 4 Milliarden Euro sinnvoll und mit dem größtmöglichen Nutzen für Bremen, für ein soziales und zukunftsfähiges Bremen, ausgibt. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war eine nationale Kraftanstrengung, und es hat eine hohe nationale Bedeutung, dass sich der Bund und am Ende 16 Länder im Jahr 2010 auf einen Generationenvertrag verständigt haben. Dieser Generationenvertrag heißt: Anders als unter welcher Regierung in der Vergangenheit auch immer und anders auch als die Praxis in egal wie regierten und wie erfolgreichen Ländern wollen wir gesamtstaatlich ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen. Anders als die eine oder andere Stimme auch hier aus der Mitte des Parlaments erkläre ich für die CDU vorab: Wir halten an diesem Ziel fest. Für uns ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte weder im Bund noch in Bremen verhandelbar. Sie bleibt das oberste Ziel unserer Politik!

(Beifall CDU)

Unser damaliger Bürgermeister hat für Bremen erfolgreich verhandelt, und wir haben das hier im Parlament diskutiert. Jens Böhrnsen hat diesem gefundenen Kompromiss am Ende mit der damaligen rotgrünen Regierung, aber auch mit Zustimmung der CDU gesamtstaatlich im Bundesrat die Zustimmung erteilt, und wir haben uns im Land darauf verständigt, dass wir diesen Weg für uns selbst akzeptieren und einhalten wollen. Ich habe deswegen kein Verständnis dafür, dass in den letzten Tagen die neu gewählte SPD-Landesvorsitzende, die Finanzsenatorin oder auch der Bürgermeister selbst diese damals gefundene historische Einigung durch Diffamierungen und durch entgegengesetztes Handeln diskreditieren. Sie verraten den damals gefunden Kompromiss, Herr Bürgermeister!

(Lebhafter Beifall CDU)

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1471

Anders als Sie, Frau Senatorin Linnert, es eben gesagt haben, sage ich: Wenn man auf die gesamte Zeit dieser rot-grünen Regierung seit 2008 und insbesondere auf die Jahre seit 2010 blickt, ist es meines Erachtens so, dass das von Ihnen auch heute wieder vorgetragene Mantra „Wir wollen uns an diesen Vertrag halten!“ nichts weiter als ein reines Lippenbekenntnis ist, um auch in Zukunft in jedem Jahr an die 300 Millionen Euro des Bundes heranzukommen. In Wahrheit haben Sie sich innerlich vom Konsolidierungskurs unseres Bundeslandes schon lange verabschiedet und die Vorgaben schon lange nicht mehr eingehalten.

(Beifall CDU)

Es gibt Indizien dafür. Der neu gewählte Bürgermeister hat in seinem ersten bundesweiten medialen Auftritt morgens öffentlich darüber fabuliert, dass die schwarze Null sozusagen nicht das höchste Ziel staatlichen Handelns ist. In der Folgezeit ist dieses Ziel dann auch in der SPD infrage gestellt worden, als wir uns mühsam auf eine Änderung der Landesverfassung geeinigt und sehr lange gebraucht haben, um das Neuverschuldungsverbot des Grundgesetzes in unsere eigene Landesverfassung zu transportieren. In diesen Tagen wird deutlich und auch aus den Finanzplanungsunterlagen der letzten Monate war schon absehbar, dass Sie selbst, Frau Senatorin, nicht mehr damit rechnen, diese Konsolidierung in den Jahren 2018 und 2019 ohne Flüchtlingsmehrkosten zu schaffen. Das alles zeigt mir, dass Sie selbst gar nicht mehr daran glauben, geschweige denn, daran mitwirken wollen, dass unser Bundesland diesen Konsolidierungskurs auch weiter stringent verfolgt und einhält.

(Beifall CDU)

Deswegen waren wir gespannt auf das, was Sie als Haushalt vorlegen. Wir waren sogar bereit, ein sehr ehrgeiziges parlamentarisches Verfahren zu wählen, weil wir die Hoffnung hatten, dass Sie die dadurch gewonnene Zeit nutzen, um am Ende tatsächlich den Nachweis eines verfassungskonformen Haushalts vorzulegen. Das, was Sie uns heute präsentieren, verstößt gegen die in unserer Landesverfassung und im Grundgesetz verankerten Kreditobergrenzen.

(Bürgermeisterin Linnert: Nein, das tut es nicht!)

Es verstößt gegen die Kreditobergrenze! – Das sagt im Übrigen nicht nur die Zahl, sondern das sagt auch das Gutachten, das Sie Anfang der Woche öffentlich vorgestellt haben. Sie verletzen die Kreditobergrenze. Wir streiten darüber, ob es dafür eine staatliche Rechtfertigung und ein Verfahren zur Anerkennung einer Rechtfertigung gibt. Aber der Haushalt, den Sie heute vorlegen, meine Damen und Herren, verrät die in der Konsolidierungsvereinbarung und in dem Konsolidie

rungsgesetz enthaltene und in unsere Landesverfassung übernommene und im Grundgesetz enthaltene Verpflichtung, Bremens Kreditobergrenzen einzuhalten. Wir finden, dass das ein fatales Signal an den bundesstaatlichen Föderalismus, ein fatales Signal an die Solidarität mit dem Bund und den anderen Ländern ist. Es ist der Verrat an dem gefundenen Sanierungskompromiss, den wir für unsere öffentlichen Haushalte aufgestellt haben.

(Beifall CDU)

Man könnte es ja sarkastisch sehen und sagen: Na ja, so richtig hat es ja niemanden im Bund und in den anderen Ländern überrascht, dass ausgerechnet Bremen als erstes Bundesland sagt: Wir schaffen das nicht! Dass unsere Haushaltspolitik über die vielen Monate und Jahre argwöhnisch beäugt wird, wissen wir schon. Aber ausgerechnet das Land Bremen, das schon in besonderer Weise die Solidarität des Bundes bei der Haushaltskonsolidierung erfahren hat und noch bis 2019 erfahren wird, das dringend darauf angewiesen ist, dass es zu einer Verständigung in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen kommt, und das am lautesten quakt, wenn es darum geht, aus dem Bund noch einen Euro zusätzlich zu bekommen, sagt als erstes und einziges Land schon jetzt in einer Situation, in der alle das gleiche Problem haben, in der es Mehrkosten im Bund gibt, in der es in jedem Land Mehrkosten gibt, in der es in jeder Kommune Mehrkosten gibt: Liebe Leute, wir schaffen das nicht! Das wirft ein schreckliches Licht auf die Finanzpolitik unseres Bundeslandes und seiner Finanzsenatorin!

(Beifall CDU)

Wer das Gutachten von Herrn Korioth auch nur auszugsweise liest und zitiert wie Sie, Frau Senatorin, den darf das ehrlicherweise nicht überraschen. Es heißt in dem Gutachten auf Seite 14, dass im Grundsatz ein Ausnahmefall dann der Fall sein soll – jetzt kommt ein Zitat –, „wenn entsprechend der Regelung in Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 GG die besondere Ausnahmesituation auf einer Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des jeweiligen Landes entzieht, beruht.“

Eine Naturkatastrophe – da sind wir uns, glaube ich, einig – liegt bei Flüchtlingen nicht vor. Oder wollen Sie die Karte auch ziehen?

(Bürgermeisterin Linnert: Von uns hat das nie jemand erzählt!)

Gut, in Ordnung! Jetzt kann man mit dem Gutachter der Auffassung sein – ich will darüber gar nicht streiten –, dass die starke Zunahme von Flüchtlingsbewegungen insbesondere im letzten Jahr die Annahme einer „außergewöhnlichen Notsituation“ zunächst rechtfertigen könnte. Aber das, was Herr Ko

Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 19. Wahlperiode – 20. (außerordentliche) Sitzung am 04.05.16 1472