Protocol of the Session on March 17, 2016

Was mich daran am meisten stört, ist nicht, dass ich eine Karte tragen muss, sondern dass ich genau weiß, dass große Datenmengen entstehen. Diese werden nicht anonym abgespeichert. Vielmehr wird mein Kunden- und Kaufverhalten ausspioniert, und ich bekomme ungefragt Werbung. Das alles will ich nicht.

(Beifall DIE LINKE, FDP, ALFA)

Zumindest kann ich mich entscheiden. Wenn ich heute elektronische Medien bediene, kann ich mich so gut wie nicht mehr entscheiden, ob ich alles anonym machen will oder ob mein Surfverhalten gespeichert wird oder nicht. Deshalb teile ich, wie gesagt, durch

aus die Ansicht, dass man, wenn man dies tun will, darüber nachdenken muss, ob es sinnvoll ist.

Ich habe in der Kürze der Zeit versucht, zu recherchieren. Ich habe auch kluge Leute gefragt. Es gibt eigentlich keinen Hinweis darauf, dass die Einführung einer Obergrenze auf 5 000 Euro irgendeinen wirksamen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung, zur Verhinderung von Geldwäsche oder sonstigen kriminellen Akten bedeutet. Deshalb, finde ich, braucht man das nicht zu machen.

(Beifall DIE LINKE, FDP, ALFA)

Nur weil andere etwas falsch machen, muss man es ja nicht nachmachen. Wir haben auch noch einmal geschaut. Es gibt eine rechtliche Einschätzung einer Genossin von mir, von Halina Wawzyniak; das ist eine ziemlich gute Juristin. Sie hat das einmal verfassungsrechtlich geprüft. Sie sagt, es gibt eine Grauzone, ob das Allgemeinwohl, also die Verhinderung von Kriminalität, Steuerhinterziehung und so weiter, so wirksam gefördert werden kann, dass es die Einschränkung des individuellen Rechts rechtfertigt. Sie kommt zu dem Schluss: nein! Das ist eine ganz interessante Geschichte. Sie hat auch aufgeführt, welche Gesetze es schon gibt: Geldwäschegesetz, Gesetz gegen Steuerhinterziehung, Zollverwaltungsgesetz, Sorgfaltspflicht. Es ist ja heute bereits so, dass man Zahlungen ab einer bestimmten Größe – teilweise sind es 10 000, teilweise 15 000 Euro – gar nicht mehr so einfach durchführen kann. Da müssen die Banken schon nachfragen: Woher hat er das Geld?

Wenn ich von Europa nach Japan fliege, werde ich gefragt, wie viel Geld ich mitnehme, und muss nachweisen, wofür ich es brauche. Es gibt also schon Grenzen und Maßnahmen, die in diese Richtung wirken, und ich befürchte, dass die Einführung einer solchen Obergrenze nicht dazu führt, dass das Allgemeinwohl gestärkt, oder andersherum, Kriminalität bekämpft wird.

Jetzt stellt sich noch einmal die Frage: 500-EuroSchein – ja oder nein? Mein Herzblut hängt nicht an der Frage. Aber ich war ein paarmal in der Situation, in der ich größere Bargeldmengen von A nach B schaffen musste. Da macht es schon einen Unterschied, ob man einen großen Packen oder einen kleinen Packen hat. Natürlich geht das Abendland nicht unter, wenn wir den 500-Euro-Schein abschaffen; aber wenn wir ihn behalten, blüht es auch noch. An dieser Stelle bin ich weniger leidenschaftlich.

Wir werden dem Antrag der FDP zustimmen, weil wir den Aufruf in Ordnung finden, noch einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht in der sogenannten Terrorismusbekämpfung auf Kosten individueller Freiheit überziehen. Deshalb stimmen wir ihm zu. – Danke!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Hinners [CDU]: Sie sind also für Steuerhinterziehung?)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schäfer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mich ein wenig erstaunt, dass bei einer finanzpolitischen Frage Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen. Die Vermutung steht doch wohl im Raum, dass die Motive und Ursachen für diese aktuelle Initiative der Beschränkung des Bargeldverkehrs tatsächlich finanzpolitische und nicht etwa sicherheitspolitische sind.

Wenn die EU nicht aus 28 Ländern bestünde, sondern aus 28 Unternehmen und ein Konzern wäre, müssten wir wahrscheinlich konstatieren, dass wir uns in einem Stadium der Insolvenzverschleppung befinden. Wir schauen zwar im Moment alle auf die Migrationskrise, die uns in den Medien beschäftigt hält, aber in der EU gibt es eine viel größere und längere Krise. Das ist die komplette Überschuldung der öffentlichen Finanzen in einem Rahmen, dass die Schulden nicht mehr tragfähig sind.

Im Jahr 2011 hat die Boston Consulting Group in einer Studie „Back to Mesopotamia“ das Ganze einmal untersucht und gefragt: Was kann man eigentlich tun, um diese kolossale Überschuldung zu lösen? Sie ist zu keinem besseren Ergebnis gekommen – ich vermute, dass DIE LINKE das unterstützt –, als zu sagen: Wir brauchen einen Haircut. Wir müssen zehn bis 30 Prozent der Schulen tilgen, indem sie einfach auf null gestellt werden. Das ist für uns insofern relevant: Der Projektleiter der Studie, Levin Holle, ist heute Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium, und wir können davon ausgehen, dass diese Ideen durchaus Eingang in die Politik finden.

Wenn man davon ausgeht, dass, wenn ich auf der einen Seite Schulden habe, auf der anderen Seite ein Gläubiger steht, den ich enteignen muss, dann stellt sich doch die Frage: Wer ist dieser Gläubiger? Diese Gläubiger sind wir alle. Es ist unsere Lebensversicherung, es ist unser Versorgungswerk, und es sind unsere privaten Spareinlagen, die dagegenstehen, die man letztlich enteignen muss. Am geräuschlosesten funktioniert diese Enteignung, wenn man ein Zinsniveau hat, das unterhalb der Inflationsrate liegt. Wenn ich ein Zinsniveau habe, das circa zwei Prozent unterhalb der Inflationsrate liegt, dann entwerte ich die Vermögen und unsere Altersversorgungsanwartschaften eben um zwei Prozent im Jahr.

Wir haben aber jetzt in der EU die Situation, dass wir derzeit kaum Inflation haben. Deshalb kann man die Zinsen senken, soweit man will. Man kommt auf der Nulllinie an einer Grenze an, an der die Menschen nicht mehr weiter bereit sind, niedrige Zinsen zu akzeptieren. Das müssen sie nicht; sie können ihr Geld nämlich einfach in bar behalten. Genau darum geht es. Genau das möchte man verhindern. Es geht dabei nicht nur um private Anleger, die vielleicht 10 000 oder 20 000 Euro in bar behalten möchten.

Es geht natürlich auch um Banken. Insofern war die Idee der Einführung der 1-Million-Euro-Note durchaus ernst gemeint. Wenn Banken große Geldbestände haben und nicht kumuliert in jedem Jahr innerhalb der gesamten Europäischen Union Hunderte von Millionen als Strafzinsen an die EZB zahlen wollen, müssen sie sich überlegen, wie sie große Mengen von Bargeldbeständen lagern können. Dabei kann eine 1-Million-Euro-Note durchaus hilfreich sein.

(Abg. Gottschalk [SPD]: Wie sieht die aus?)

Wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass die EZB die Hoheit über die Herausgabe von Banknoten hat, und über die Finanzpolitik generell. Das ist nicht zuletzt ein weiterer Grund, warum wir der Meinung sind, dass diese Kompetenzen bei der EZB falsch angesiedelt sind. Es ist kein Geheimnis, dass wir dem Euro als Währung gegenüber generell kritisch eingestellt sind und auch diese Kompetenzen lieber bei der Bundesbank als bei der EZB sähen.

Die EZB hat mittlerweile festgestellt, dass der Versuch, Negativzinsen vielleicht mithilfe eines Bargeldverbotes durchzudrücken, nicht so einfach geht. Deshalb werden momentan noch viele abstrusere Maßnahmen diskutiert. In der Presse war jetzt das sogenannte Helikopter-Geld, mit dem man künstlich die Geldmenge erhöhen möchte, um die Inflation anzuheizen. Wir kommen aber an der bitteren Wahrheit nicht vorbei, dass wir in einer Situation der völligen Verschuldung der öffentlichen Haushalte leben und massive Maßnahmen ergreifen müssen, dieses ganze System zu erhalten. Die Enteignung von Sparern und Geldanlegern ist aber unserer Meinung nach nicht der richtige Weg. – Vielen Dank!

(Beifall ALFA)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Professor Dr. Hilz (FDP)*): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einigen Punkten musste ich mich jetzt doch noch einmal zu Wort melden. Herr Eckhoff, Sie haben hier viel erzählt. Sie haben das teilweise ins Lächerliche gezogen, aber eine Auskunft sind Sie uns schuldig geblieben: Warum wollen Sie eigentlich die Obergrenze? Was sind der Sinn und das Ziel Ihrer hier geforderten Obergrenze der Bargeldzahlung?

Ich akzeptiere, dass Sie diese Meinung haben, aber als Wissenschaftler frage ich mich immer: Welchen Beleg gibt es dafür, dass es zum Beispiel bei der Sicherheitsfrage einen Vorteil gibt? Terrorismusbekämpfung, Schwarzarbeit, Geldwäsche – das alles bleiben Sie uns schuldig. Sie sagen, Sie wollen es, bringen aber keine stichhaltigen Argumente dazu.

(Beifall FDP)

Aus Ihrem Kreis kam eben von Herrn Hinners nach der Rede von Herrn Rupp ein Zwischenruf, der sehr entlarvend ist. Herr Hinners rief, nachdem Herr Rupp gesagt hatte, er stimme dem Antrag zu, hinterher: „Sie sind also für Steuerhinterziehung?“ Was ist das denn für ein Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat, meine Damen und Herren von der CDU?

(Beifall FDP)

Das ist es doch! Genau deswegen debattieren wir das hier. Bargeld ist nicht automatisch kriminell. Das ist der Punkt. Wir wollen auch nicht, dass Menschen, weil sie Bargeld mit sich herumtragen, automatisch anrüchig sind.

Zu den 500-Euro-Scheinen! Herr Gottschalk, Sie blasen in das gleiche Horn. Es sind nur Einzelne. Die Steueroasen haben große Scheine. Wer Bargeld hat, ist nicht kriminell. Bargeld, meine Damen und Herren, ist Freiheit, deshalb wollen wir hier das Zeichen für Freiheit und für Bürgerrechte setzen. – Vielen Dank!

(Beifall FDP, ALFA – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Bar- geld ist Freiheit!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem wird man Herrn Dr. Hilz sicher zustimmen können: Wer Geld hat, hat ein größeres Maß an Freiheit als jene, die kein Geld haben.

(Beifall SPD)

Aber darum diskutieren wir ja hier, glaube ich.

(Abg. Röwekamp [CDU]: Es ist auch egal, ob es bar ist oder nicht!)

Er hat ja auch gesagt, über Geld redet man nicht, und hat dann nicht richtig weiter gesagt: Man hat es. Das war die Sache. In Ordnung!

Lassen Sie mich aber noch einmal ernsthaft auf die Frage der Bargeldgrenze aus dem ersten Teil zu sprechen kommen – Geldscheine und Bargeldgrenzen. Auch dazu könnte man sicher sagen: 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger und der Verbraucherinnen und Verbraucher trifft es nicht; insofern ist das nicht weiter gravierend. Aber die Sorge, die im Raum steht und die man sicher ernst nehmen muss, ist die Befürchtung, dass dies nur ein Einstieg sein könnte und schrittweise nach unten gefahren wird. Insofern sollte man sich etwas intensiver mit den Argumenten in diesem Bereich auseinandersetzen, zumal es sich hier, anders als bei der Größe der Geldscheine, um eine

politische Frage handelt, die man dort auch entscheiden muss.

Meine Position dazu: Bei dem, was ich mir angeschaut habe, habe ich festgestellt, dass zwar viel über die Möglichkeit der Terrorbekämpfung durch Bargeldgrenzen gesprochen wird, es faktisch aber keine Hinweise darauf gibt, welche praktische Bedeutung das eigentlich haben sollte. Denn in diesem Bereich laufen die Dinge eben nicht so, dass man Fluchtautos oder irgendwelche anderen Autos mit Bargeld bezahlt. Die besorgt man sich anders, und für die Finanzierung von kleinen Terrorgruppen braucht man keine riesigen Summen, die man in Geldkoffern herumträgt, sondern das funktioniert anders. Diese Sache ist aufgeblasen, und mich überzeugt sie nicht.

Zweiter Punkt: Schwarzarbeit! Hierbei spielt Bargeld sicherlich eine große Rolle, aber nicht auf dem Bezahlungswege, sondern dass man sich eine Menge Bargeld beschafft und damit eine Reihe von Schwarzarbeitern bezahlen kann. Dann geht es eben schon um die Verfügung über größere Summen von Bargeld und nicht um Bargeldgrenzen bei der Bezahlung.

Steuerhinterziehung! Ich denke, wer das denkt, der denkt im Wesentlichen an Situationen in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als man mit einem Koffer in die Schweiz ging. Heute ist das Problem der Steuerhinterziehung ein ganz anderes, nämlich ein Problem der Steuerverkürzung und Steuerverlagerung in Steueroasen auf dieser Welt. Dabei sind die kleinen Koffer sicherlich nicht das Hauptproblem.

Was aber bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Bereich der organisierten Kriminalität. Im Bereich von illegaler Prostitution, Rauschgift, Waffenhandel, Schutzgelderpressung wird eben nicht mit Kreditkarte und Überweisungen bezahlt. Dort werden große Summen von Bargeld gesammelt. Die fließen zusammen. Bargeld ist dort das Medium vieler dieser Geschäfte. Durch Bargeldzahlungsgrenzen wird man in diesem Bereich natürlich überhaupt nichts bewirken. Der entscheidende Punkt ist die Frage der Wiedereinschleusung dieser riesigen Summen von Bargeld in den legalen Kreislauf. Wenn viele dieser 500-EuroNoten in Spanien sind, könnte das auch mit den Villen und Yachten dort zu tun haben – könnte, wir wissen es nicht genau. Ich denke, das Problem, das wir im Moment haben – –.

(Abg. Prof. Dr. Hilz [FDP]: Da verbietet sich jede Spe- kulation!)

Ich sage ja: Wir wissen es nicht genau. Sie wissen es auch nicht, oder?

(Abg. Prof. Dr. Hilz [FDP]: Deswegen spekuliere ich auch nicht darüber!)

Ja, das ist doch schön! Das ist doch auch Ihre Seelenruhe.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Da können wir doch mal schauen, wie viele 500 Euro-Scheine bei Herrn Dr. Hilz sind!)

Wir haben jedenfalls in diesem Bereich die Situation, dass die Argumente, dass man bei der Wiedereinschleusung riesiger Summen Bargelds durch Bargeldgrenzen irgendetwas erreichen könnte, durchaus prüfbare Argumente sind, die man sich näher anschauen sollte. Man sollte sich dann aber auch anschauen: Was hat es eigentlich in den USA bewirkt? Wie ist es möglicherweise auch umgangen worden? Und man wird vor allem vor der Frage stehen: Wenn man dort etwas tut, welche flankierenden Maßnahmen muss man treffen, damit das auch wirklich wirksam ist? Statt hier Schnellschüsse anzustreben, sollte man sich um fundiertere Untersuchungen in diesem Bereich kümmern.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einen Punkt sagen, gerade an diejenigen, die sich so große Sorgen um die Abschaffung ihres Bargelds als Ganzes machen: Ich glaube, Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das Bargeld wird hierzulande im Zusammenspiel von Banken, Handel und IT-Industrie auf Katzenpfoten abgeschafft. In zehn Jahren werden wir keine Kassiererinnen mehr an den Supermarktkassen haben.