Protocol of the Session on March 17, 2016

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht nur einen Fünfer, sondern ich habe mich darum bemüht, einmal einen Fünfhunderter mitzubringen, weil die meisten ihn wahrscheinlich nicht kennen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich habe noch nie einen in der Hand gehabt!)

Aber ich muss Ihnen, ich muss euch sagen: Man muss sich dafür einige Tage vorher bei der Bank anmelden, sonst bekommt man ihn überhaupt nicht.

(Abg. Hinners [CDU]: Die Bank hat es ihm verwei- gert!)

Wir haben den Antrag der FDP vorliegen. Wir werden gebeten, einen Beitrag zum Schutz von Freiheit und Bürgerrechten zu leisten und uns konkret gegen Bargeldgrenzen und für den Erhalt der 500-Euro-Note auszusprechen.

Ich möchte im ersten Teil meines Beitrags gern auf die 500-Euro-Note eingehen und fragen, was sie denn eigentlich mit Freiheit und Bürgerrechten zu tun hat. Herr Eckhoff hat das schon getan und wenig über den europäischen Tellerrand hinausgeschaut. Dann stellt man fest, dass solch hohe Noten, vor allem, wenn es um den Gegenwert geht, in der Welt eigentlich eher die Ausnahme als die Regel sind. Die höchsten Noten, die wir finden, gibt es zum einen in der Schweiz mit 1 000 Schweizer Franken und zum anderen in Singapur. Singapur hat sogar eine 10 000-SingapurDollar-Note, umgerechnet 6 500 Euro.

Nun könnte man natürlich im Sinne von Herrn Professor Dr. Hilz sagen: Sehen wir einmal: die Schweiz – ein Hort der Freiheit. Für Singapur trifft das allerdings überhaupt nicht zu. Aber die beiden Staaten haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind klassische Steueroasen. Insofern geht es um einen ganz speziellen Teil von Freiheit, nämlich um Freiheit von der Steuerzahlung.

(Beifall SPD)

Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf andere Länder, alte Demokratien, wie Herr Eckhoff es getan hat, stellen wir fest: USA 100-Dollar-Note, Großbritannien 50-Pfund-Note! Herr Dr. Hilz, wenn jetzt wirklich jemand sagen würde, um die Freiheit und die Bürgerrechte in den USA zu stärken, müsste dort die 500Dollar-Note eingeführt werden – ich glaube, alle würden einen ziemlich komisch anschauen, oder?

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Ich habe noch nie mit Amerikanern gesprochen!)

Ach so, in Ordnung! Ich denke jedenfalls, dass wir in diesem Bereich sicherlich eher eine Büttenrede gehört haben.

Die Frage ist – ich habe sie eingangs angedeutet –: In unserer Lebenswelt spielt das eigentlich kaum eine Rolle. Die wenigsten haben diese Scheine gesehen, und man könnte deshalb eigentlich den Eindruck haben, so ein 500-Euro-Schein ist so etwas wie eine ganz seltene Orchidee. Das ist er aber mitnichten. Ungefähr ein Drittel des Bargelds entfällt auf 500Euro-Scheine, nämlich rund 300 Milliarden Euro, und die Tendenz ist sogar steigend, denn in den letzten zwei Jahren sind 10 Milliarden mehr dazugekommen. Da muss man sich doch einmal fragen: Was sind eigentlich die möglichen Hintergründe für diese Entwicklung?

Ein Punkt ist: Man stellt fest, zwei Drittel dieser Gelder sind überhaupt nicht im Umlauf, um Zahlungsgeschäfte zu machen, sondern sie werden zum Horten, zum Aufbewahren von Geld genutzt. Die erste These, damit man versteht, warum es dabei eigentlich geht, ist: Man muss das vor dem Hintergrund der Bildung immer größerer privater Vermögen sehen, der Konzentration in exzessivem Superreichtum. Dort nämlich gilt der Grundsatz: Man muss sein Geld möglichst breit streuen, breit diversifizieren. Dazu gehört auch, Bargeldmengen zu haben, insbesondere in unsicheren Teilen dieser Welt. Ein Viertel aller 500Euro-Noten sind nämlich gar nicht in Europa, sondern im Rest der Welt. Hier haben wir es also mit einem Phänomen zu tun, bei dem es nur um einen sehr geringen Teil von Bürgern geht.

Einen zweiten Teil hat Herr Eckhoff angesprochen: Insbesondere bei den 500-Euro-Scheinen wird vermutet, dass sehr viel dieses Geldes im schwarzen Bereich gebunkert ist. Wenn man googelt, findet man

die Aussage: 500-Euro-Schein als der Lieblingsschein der Kriminellen. Das war in den USA der Hintergrund, den 500-Dollar-Schein abzuschaffen. Man muss sich zumindest dieser Vermutung – viele Informationen darüber haben wir ja nicht – öffnen, dass einiges daran ist. Man muss sich einmal vorstellen: Wenn man einen Kubikmeter 500-Euro-Scheine hat – das ist schon einmal eine transportable Größe –, dann bekommt man 380 Millionen Euro unter. Das ist ein Koffer voll. Da ist man mit 30, 40 Millionen Euro unterwegs. Insofern hat das natürlich eine Bedeutung.

Ein letzter Teil, den Herr Dr. Hilz ebenfalls angesprochen hat: In jüngster Zeit müssen wir sehen, dass es Bestrebungen gibt, durch das Horten von Geld – gerade auch großer Mengen, die man bunkert – der Geldpolitik der EZB auszuweichen. Im Bereich der Banken glaube ich das nicht so sehr. Im Bereich der Versicherungen haben wir das durchaus. Es ging jetzt durch die Zeitung, dass die Münchner Rückversicherung schon einmal einen zweistelligen Millionenbetrag zum Ausprobieren hat.

Das kann man gut finden, wie die ALFA-Gruppe, die jetzt gesagt hat, man müsste deshalb 1-Million-EuroNoten für die Banken drucken, damit sie dem ausweichen können. Das ist natürlich ein etwas seltsames Verständnis von Geldpolitik. Darüber müsste man diskutieren. Es ist aber insbesondere deshalb Unsinn, weil die Stückelung – Herr Eckhoff hat darauf hingewiesen – von der Europäischen Zentralbank selbst gemacht wird. Wenn sie sehen sollte, dass ihre Politik in diesem Bereich konterkariert wird, wird sie bestimmt nicht noch größere Scheine ausgeben.

Insgesamt kann man deshalb sagen, wenn man einmal schaut, worum es bei diesen 500 Euro-Scheinen geht: Es geht mit Sicherheit nicht um die Freiheit aller, sondern es geht um Freiheitsfragen einer sehr überschaubaren Gruppe, und es geht vor allem um wirtschaftliche Fragen und Interessen. Insofern sind wir in der Tat, Herr Dr. Hilz, beim klassischen Wirtschaftsliberalismus, wie wir ihn in den letzten Jahren gekannt haben: nicht die Freiheit aller, sondern die Freiheit weniger! Das sollten Sie dann auch sagen, wenn wir darüber sprechen. – Danke!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Jetzt kommt die Freiheit des Sports! Der Organisation! Die Freiheit der FIFA! – Heiterkeit SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bargeld ist in Deutschland unverändert die am häufigsten genutzte Zahlungsform. 52 Prozent des Zahlungsvolumens in Deutschland werden bar abgewickelt, und 79 Prozent der Transaktionen sind

Bargeldzahlungen. Für viele Menschen ist Bargeld die bessere Ausgabenkontrolle, es ist barrierefrei einsetzbar, und ich gestehe sofort zu, dass wir Deutschen in dieser Frage doch eher konservativ sind.

Die Pläne des Bundesfinanzministers Dr. Schäuble und der Großen Koalition in Berlin, Bargeldzahlungen oberhalb der Grenze von 5 000 Euro zu verbieten, leisten aber aus meiner Sicht keine Abhilfe gegen Korruption, Steuerbetrug oder Geldwäsche. Sie sind datenschutzrechtlich durchaus bedenklich und werden von dem einen oder anderen auch als Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bezeichnet.

Wir Grüne stehen dieser Bargeldobergrenze eher skeptisch gegenüber. Auch bei uns gab es in der Fraktion eine lebhafte Diskussion zu dieser Frage. Ich finde, man muss sich einmal überlegen: Was richtet man am Ende des Tages an? Der Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung ist eben schon gefallen. Es geht um die Frage: Kommen wir dem Grundsatz der Datensparsamkeit nach, wenn wir künftig vermehrt Zahlungsflüsse über die Konten abwickeln dürfen, und wie sieht es mit der staatlichen Durchleuchtung aus?

Man darf auf der einen Seite die Frage diskutieren: Wer sind am Ende die Gewinner? Sicherlich sind das eine oder andere Dienstleistungsunternehmen und Teile der Wirtschaft! Aber sind es wirklich die Verbraucherinnen und Verbraucher? Auf der anderen Seite ist ebenso die Frage zu diskutieren, die vorhin der Kollege Gottschalk vollkommen richtig erwähnt hat: Wer von den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist es denn, der diese Summen eigentlich noch in bar bezahlt?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Die emotionale Bindung der Deutschen an das Bargeld führt auch zu dieser emotionalen und teilweise nicht so sehr von Sachargumenten geleiteten Diskussion, weil viele in der Bargeldobergrenze den Einstieg in die Abschaffung des Bargelds sehen. Ich teile das ausdrücklich nicht, glaube aber, wenn man ehrlich ist – Herr Kollege Eckhoff, in Ihrem Antrag führen Sie ja mehrere Länder auf, die die Bargeldobergrenze haben –, muss man zumindest anerkennen, dass es bei den Bargeldobergrenzen in der EU sehr große Unterschiede gibt. Jetzt werden 5 000 Euro diskutiert; Italien hat, glaube ich, 3 000 Euro, Frankreich sogar nur 1 000 Euro.

Die Bargeldobergrenze wird immer mit einem Schutz vor Anschlägen begründet. Die Frage ist ja am Ende des Tages: Wie entwickelt sich diese Diskussion weiter? Kommt nach dem nächsten Anschlag eine weitere Minimierung dieser Obergrenze? Ganz ehrlich: Bringt sie am Ende eigentlich unter Sicherheitsaspekten irgendetwas? Ich finde, auch da können wir feststellen, dass wir nach jedem Anschlag ganz munter dabei sind, die Sicherheitsarchitektur neu zu schrau

ben. Am Ende des Tages bleibt der Erfolg aber leider häufig aus.

Richtig ist, dass man sich mit dem Argument der Sicherheit immer auseinandersetzen muss, und richtig ist auch, dass es sinnvoll ist, Bewegungsbilder von Attentätern nachvollziehen zu können. Richtig ist auf der anderen Seite auch, dass die Sicherheitsbehörden zurzeit schon einen ausreichenden Katalog an Maßnahmen haben und uns allen viel mehr gedient wäre, wenn die Sicherheitsbehörden auf der europäischen Ebene endlich optimaler zusammenarbeiten würden.

Natürlich ist es auch richtig, dass uns der Korruptionstatbestand in dieser Diskussion beschäftigen muss, weil er

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

bei Bargeldzahlungen das klassische Einfalltor für Korruptionstatbestände ist, da, sagen wir einmal ganz platt, die überwiesene Bestechung sicherlich ein Problem ist.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Es kommt manchmal nach drei Monaten raus!)

Meistens kommt es nach einer gewissen Zeit heraus. Es ist leichter nachzuverfolgen, und eine Quittung wird man für die Bargeldzahlung bei Korruption wohl nicht bekommen.

Aber lassen wir das. Ich glaube, dass zur Ehrlichkeit gehört, dass man, wenn man darüber diskutiert, auch über eine Stärkung der Finanzbehörden sprechen muss und, wenn man sich ernsthaft über Korruption, Zahlungsflüsse und Geld-Hin- und Hergeschiebe austauschen möchte, den Steuerbehörden eine sehr starke Rolle zukommt. Auch dort müssen wir aus der Sicht der Grünen zu einer Stärkung kommen.

Die Diskussion über den 500-Euro-Schein in der Grünen-Fraktion könnte ich Ihnen jetzt im Rahmen eines abendlichen Begleitprogramms gern noch einmal schildern. Ich möchte es einmal ganz einfach sagen: In einem Selbstversuch haben wir festgestellt, dass ihn niemand von uns in der Tasche hatte.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Auch noch nie vorher in der Tasche hatte!)

Das Argument, dass dieser 500-Euro-Schein notwendig ist, hat uns nicht überzeugt. Aus unserer Sicht ist das Ende des 500-Euro-Scheins nicht das Ende der Freiheit in Deutschland, sondern es stellt sich schlichtweg die Frage: Wer braucht ihn und wofür? Dafür ist die Gemengelage noch etwas zu undurchsichtig; aber am Ende legen wir keinen Wert auf den 500-Euro-Schein.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Wir stehen der Obergrenze für Bargeldzahlungen insgesamt mit einer gewissen Skepsis gegenüber, würden uns aber der Diskussion über konkret vorliegende Vorschläge und vor allem Gesetzesinitiativen gern stellen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ansinnen der Kolleginnen und Kollegen von der FDP, über das Thema zu diskutieren und die Abschaffung der 500-Euro-Scheine und die Schaffung einer Obergrenze für Bargeldgeschäfte als Büttenrede darzustellen, finde ich dieser Frage nicht angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Zugegeben, zunächst ist es auch ein Thema, bei dem man sagt: Hey, was geht mich das an? Habe ich schon einmal 500 Euro in der Hand gehabt? Und 5 000-EuroGeschäfte mache ich sowieso selten. Irgendjemand hat einmal gesagt – ich finde aber die Quelle nicht genau –: Die Freiheit stirbt in der Regel scheibchenweise.

(Beifall DIE LINKE, FDP, ALFA)

Wenn man genauer hinschaut, so sind diese Scheiben in der Regel ziemlich dünn, deshalb finde ich die Frage, inwieweit eine Begrenzung auf 5 000 Euro das individuelle Recht auch auf anonymes Bezahlen einschneidet, vollständig berechtigt. Um ehrlich zu sein, teile ich auch Meinungen, die sagen: Wenn man die Grenze einmal auf 5 000 Euro gesenkt hat, kommt jemand und sagt: Nein, das ist noch immer zu viel; wir legen die Grenze bei 3 000 oder 1 000 Euro fest. Am Ende wird es so sein – es ist ja heute schon so –, dass es einen ungeheuer großen Druck gibt, auch wenn es formal nicht so ist, Bezahlvorgänge nur noch elektronisch zu erledigen.

Was mich daran am meisten stört, ist nicht, dass ich eine Karte tragen muss, sondern dass ich genau weiß, dass große Datenmengen entstehen. Diese werden nicht anonym abgespeichert. Vielmehr wird mein Kunden- und Kaufverhalten ausspioniert, und ich bekomme ungefragt Werbung. Das alles will ich nicht.