Ansonsten ist den Asylsuchenden und Geflüchteten dieser Welt, wie wir gerade in anderen europäischen Ländern sehen, auch nicht geholfen. Ich will, dass das, was ich anfangs sagte, was Deutschland ausgezeichnet hat – dass wir den Flüchtlingen gegenüber gerechte und faire Entscheidungen treffen –, auch in Zukunft gilt.
Deshalb ist es notwendig, dass wir uns auf jene beschränken, die wirklich verfolgt und in ihren Heimatländern von Bürgerkrieg bedroht sind. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Röwekamp, ich hatte leider das Gefühl, dass der gute Vorsatz, mit dem Sie in die erste Runde gegangen sind,
Wenn Sie die Position zum Familiennachzug allen Ernstes damit begründen, dass ja nur relativ wenige Fälle betroffen seien, dann frage ich mich doch, wie Sie das rechtfertigen wollen, weil jeder einzelne Fall natürlich für die betroffene Familie eine absolute Tragödie darstellt. Aber wenn dies migrationspolitisch eigentlich überhaupt keinen relevanten Effekt hat, entzieht das dem doch komplett die Rechtfertigung.
Meine Damen und Herren! Neben dem Asylpaket II und der Frage der sicheren Herkunftsstaaten wird der Bundestag heute auch einen Gesetzentwurf zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern beschließen. Wir haben dies bereits in der Aktuellen Stunde in der Januar-Sitzung der Bürgerschaft ausführlich diskutiert. Wer Straftaten begeht, gehört dafür angemessen bestraft. Wer in Deutschland Straftaten begeht, ob als Deutscher oder als Ausländer, gehört dafür in Deutschland angemessen bestraft. Darin gebe ich Ihnen, Frau Leonidakis, völlig recht. Einen anerkannten Asylbewerber oder Flüchtling aufgrund von Straftaten in sein Heimatland auszuweisen, muss die absolute Ausnahme bleiben. Denn wenn wir vom Grundrecht auf Asyl und vom Recht auf internationalen Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention sprechen, dann sprechen wir eben nicht von einem Gastrecht, das man sehr schnell und einfach verwirken kann, sondern von einem Grundund Menschenrecht.
Aber wer überhaupt nicht die Absicht hat, sich hier zu integrieren und sich eine legale Existenz aufzu
bauen, sondern am laufenden Band Raubdelikte oder andere schwere Straftaten begeht und damit sehr vielen Menschen Leid zufügt, der muss auch damit rechnen, nachdem er seine gerechte Strafe hier in Deutschland verbüßt hat, in sein Heimatland abgeschoben zu werden, denn ohne diese Maßnahme werden wir diesen Straftatentourismus nicht wirksam eindämmen können.
Wir dürfen es uns aber gleichzeitig auch nicht zu einfach machen und meinen, mit der Abschiebung dieser Wiederholungstäter könnten wir auch jegliche Verantwortung für die Bekämpfung von Kriminalität ins Ausland abschieben. Europa muss den betroffenen Ländern – das sind insbesondere die MahgrebStaaten – wesentlich aktiver dabei helfen, die sozialen Probleme in den Griff zu bekommen, die der Nährboden dafür sind, dass so viele Kinder und Jugendliche auf der Straße aufwachsen und von Kindesbeinen in kriminelle Karrieren hineinwachsen.
Darum haben wir in unserem Antrag darauf hingewiesen, dass die laufenden Verhandlungen der EU über die Vertiefung des Mittelmeerabkommens hinsichtlich der Zusammenarbeit in sozialen und Bildungsfragen eine gute und passende Gelegenheit sind, mit diesen Staaten verbindliche Mechanismen zur Rücknahme von Serienstraftätern zu vereinbaren.
Ob das wirklich funktionieren wird, steht natürlich in den Sternen, aber versuchen muss man es. Infrage kommen Ausweisungen generell nur bei erwachsenen Personen. Weil das so ist, geben sich manche für jünger aus, als sie in Wahrheit sind. Auch hier sollte man sich hüten, den jungen Flüchtlingen pauschal zu unterstellen, sie würden falsche Angaben zu ihrem Alter machen.
Nein, aber es wäre sicherlich naiv zu glauben, dass es sich hierbei nur um wenige Einzelfälle handelt.
Für die Altersfeststellung durch die Jugendämter gibt es seit November eine neue gesetzliche Rechtsgrundlage. Vorgesehen ist dabei zunächst eine sogenannte qualifizierte Inaugenscheinnahme. Diese umfasst neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Einzelgespräch mit der betroffenen Person gewonnenen Informationen zu ihrem Entwicklungsstand. Daneben kann zu einer qualifizierten Inaugenscheinnahme auch gehören, Auskünfte einzuholen, Beteiligte, Zeugen und Sachverständige anzuhören sowie Dokumente, Urkunden und Akten beizuziehen.
Auf Antrag des Betroffenen oder wenn all dies nicht zu einem verlässlichen Ergebnis führt – und nur dann –, ist nun eine ärztliche Untersuchung zur Altersfeststellung vorgesehen. Für uns Grüne ist wichtig, dass bei der ärztlichen Untersuchung nur wissenschaftlich fundierte und ethisch vertretbare Methoden zur Anwendung kommen. In Hamburg mag man auch Genitaluntersuchungen für angebracht halten, für Bremen muss gelten: Für derartige Eingriffe in die Intimsphäre besteht angesichts des höchst fragwürdigen Erkenntnisgewinns überhaupt keine Rechtfertigung.
Offen gelassen haben wir im koalitionären Antrag, inwieweit radiologische Untersuchungen zur Altersfeststellung zulässig sind. Die Ärztekammern haben dies bisher abgelehnt, und das sollten wir auch akzeptieren.
Allerdings beruhen die Stellungnahmen der Ärztekammern noch auf der alten Gesetzeslage. Wir werden aufmerksam verfolgen, wie sich die Ärztekammern auf der Grundlage der Reform des SGB VIII positionieren werden.
Eine abschließende Bemerkung noch, damit keine Missverständnisse aufkommen. Wir sagen ausdrücklich nicht, dass ausländische Serienstraftäter schuld daran seien, dass sich die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen in Deutschland verschlechtert. Wer nicht in der Lage ist, zwischen der großen Mehrheit der Flüchtlinge, die sich integrieren wollen, und den vergleichsweise wenigen, die in erster Linie kriminelle Machenschaften im Sinne haben, zu differenzieren, der ist seinen eigenen – möglicherweise sogar rassistischen – Vorurteilen erlegen.
Für die eigenen Vorurteile, für den eigenen Rassismus sind aber nicht irgendwelche Ausländer verantwortlich, auch nicht irgendwelche kriminellen Ausländer, sondern dafür gibt es keine Rechtfertigung. Die Straftaten einiger Weniger zu instrumentalisieren, um gegen Flüchtlinge generell Stimmung zu machen, das geht gar nicht, und das muss auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch zu einigen Bemerkungen selbst Anmerkungen machen. Zunächst zur Frage von Frau Leonidakis zu den sicheren Herkunftsländern! Was ich gesagt habe, war, dass Men
schenrechtsverletzungen nicht durch die Erklärung, sie fänden nicht statt, nicht mehr stattfinden. Das ist richtig. Ich habe aber gleichzeitig auch immer gesagt, dass Asyl und Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention individuelle Rechte sind, individuell geprüft und individuell bejaht oder im Einzelfall auch verneint werden. Dem folgt an dieser Stelle unter Ziffer zwei unser Antrag, deshalb sehe ich darin keinen Widerspruch.
Noch ein Wort zur Frage der Veränderung der Voraussetzungen gesundheitlicher Abschiebehindernisse in dem Gesetz. Es wird mit Gefälligkeitsgutachten argumentiert, denen man begegnen müsste. Ich habe das Gespräch mit unserer Ausländerbehörde gesucht, weil es wichtig ist zu sehen, wie wird das eigentlich in der Praxis gehandhabt?
Seien Sie versichert, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin Herrn Mäurer dankbar dafür, dass er das unterstützt. Natürlich wird jedes Attest individuell geprüft. Wenn das nicht vernünftig ist, wenn das nicht vernünftig vorgelegt werden kann, wird nachgehakt. Das heißt aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass bei einem nicht ausreichenden Attest automatisch so getan wird, als sei die Person gesund – denn das ist eine solche Fiktion –, sondern dann wird genau geprüft, ob die Person gesund oder krank ist. Das ist der einzig richtige und rechtsstaatliche Weg, mit dieser Frage umzugehen.
Es kann und darf doch nicht sein, dass die Ausländerbehörde trotz attestierter Suizidalität, nur weil dieses Attest zu spät oder nicht vom zuständigen und erforderlichen Facharzt vorgelegt wird, abschieben kann. Das kann nicht sein, das ist auch nicht beabsichtigt, und das ist auch nicht richtig!
Versöhnliche Worte, wenn es vielleicht gelingt, zum Schluss! Offenbar sind wir uns hier in diesem Hause doch alle einig, dass Flüchtlingen Schutz gewährt werden muss, dass wir die zugewanderten Menschen erfolgreich integrieren müssen und auch wollen – so habe ich die gesamte Bandbreite des Hauses heute auch verstanden –, und dass wir uns auch einig sind darin, dass all das so schnell wie möglich passieren soll. Natürlich müssen und werden wir uns weiterhin mit Vehemenz dafür einsetzen, dass sich die rechtsstaatlichen Verfahren, in denen über das Bleiberecht der zu uns flüchtenden Menschen entschieden wird, nicht unnötig in die Länge ziehen, dass Menschen schnell Klarheit über ihre Situation bekommen, aber auch, um Schnellmaßnahmen zur längerfristigen Integration oder eben auch Maßnahmen zur Rückführung zu ergreifen.
Nicht einig sind wir uns über die Frage, mit welchen Maßnahmen das passieren soll. Herr Röwekamp, an dieser Stelle ist eben eine differenzierte Betrachtungsweise gefragt. Besonders beschleunigte Verfahren,
wie sie jetzt im Asylpaket II vorgesehen und beschlossen sind, also für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten mit Wiedereinreisesperren oder für solche, die über ihre Herkunft keine Auskunft geben, bergen die Gefahr einer rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwiderlaufenden Verfahrensverkürzung
und werden deshalb nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von juristischer Seite kritisiert, auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages.
Die Schaffung von besonderen Aufnahmeeinrichtungen für diese Verfahren mit den von Herrn Zicht bereits geschilderten weitreichenden Folgen beim Verstoß gegen die Residenzpflicht ist bereits kritisiert worden. Tröstlich daran ist, dass sich – das habe ich zum Asylpaket I schon gesagt – eine solche Regelung in unserem Bundesland kaum auswirken wird, also wenig Schaden anrichten, allerdings auch wenig Nutzen haben wird.
Ich möchte aber sagen, dass natürlich bereits erfolgreiche Schritte unternommen wurden. Die will ich hervorheben. Das, was tatsächlich etwas zur Beschleunigung der Verfahren beiträgt, ist die Vereinheitlichung von Registrierung, die Schaffung eines einheitlichen Datensystems mit Datentransfer aller beteiligten öffentlichen Stellen. Das bedeutet nicht zuletzt, sondern an erster Stelle eine erhebliche Aufstockung der Bearbeitungskapazitäten in den Behörden, insbesondere beim Bundesamt für Migration und Familie. Das ist wichtig und richtig. An dieser Stelle müssen wir uns weiter dafür einsetzen, dass das in ausreichendem Maße passiert!
Eine solche Verfahrensbeschleunigung wird im Übrigen auch über die von Herrn Zicht genannte wahrheitsgemäße Information über die Chancen und Erfolgsaussichten von Asylanträgen herbeigeführt. Wenn Menschen wissen, dass es höchst unsicher ist, sich hierher auf den Weg zu machen, im Heimatland alle Brücken hinter sich abzubrechen, nur um dann festzustellen, dass sie hier nicht bleiben können, werden sie sich vermutlich nicht auf den Weg machen. Das ist nicht im Interesse meiner Fraktion und, wie ich denke, auch nicht im Interesse dieses Hauses. Diese Informationen muss man weitergeben. Das wird die geschilderte Wirkung haben.
Zuletzt möchte ich betonen, dass die Integration, die wir alle uns für die hier zugewanderten Menschen wünschen, voraussetzt, dass wir dafür hier die Voraussetzungen schaffen. Das ist bezahlbarer Wohnraum. Das sind ausreichend Plätze in Kindertages
stätten und Schulen. Das sind Ausbildungs- und Berufsperspektiven für alle hier lebenden Menschen. Daran müssen wir arbeiten. Dafür – ich habe es schon gesagt – muss die öffentliche Hand auskömmlich ausgestattet werden, und das nicht zuletzt auch deshalb, um den von Herrn Röwekamp eingangs genannten und auch gelobten gesellschaftlichen Konsens zu Weltoffenheit und Hilfsbereitschaft zu unterstützen. Dieser ist abhängig davon, dass wir deutlich signalisieren, dass wir das leisten können. Er ist abhängig davon, dass wir das leisten. Er ist nicht zuletzt auch davon abhängig, dass wir bei Gesetzesvorhaben, die wir einbringen, aufpassen, dass wir keine negative Symbolik schaffen, sondern deutlich sagen, was wir erreichen wollen und was wir erreichen können. – Danke schön!