Protocol of the Session on February 24, 2016

(Beifall CDU, SPD)

Die EU-Kommission kritisiert aber genauso den Abbau der Rechte der Justiz und der Medien. Wenn man sich diesen Bericht anschaut, stellt man fest, er gibt einen sehr guten Überblick über dieses Land.

Aus diesem Grund kommen wir zu dem Ergebnis, dass sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission von der Bremischen Bürgerschaft nicht aufgefordert werden müssen, sich um Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu kümmern. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall CDU, ALFA)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich hatte eigentlich gedacht, eine Runde reicht, aber nachdem Herr Eckhoff gesprochen hat, musste ich mich doch noch einmal melden. Es ist richtig, die Türkei hat sehr viele Flüchtlinge aufgenommen. Meine Kollegin Frau Dr. Müller hat angesprochen, was insgesamt im Nahen Osten geschieht. Wenn man genau hinschaut, hat die türkische Regierung – man muss das immer unterscheiden –, haben Erdogan und die AKP erheblich dazu beigetragen, dass der Krieg in Syrien seit 15 Jahren andauert, Terroristen unterstützt, Waffen geliefert.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn man sich in Angelegenheiten des Nachbarn einmischt, muss man auch damit rechnen, dass die Menschen flüchten. Dann ist es aus meiner Sicht die Pflicht eines Nachbarn, sie aufzunehmen.

Zu den anderen Rednern: Ich bedanke mich sehr für die Unterstützung! Auch wenn es nur einen Punkt betrifft, finde ich sie sehr wichtig. Ich sehe es ganz anders als Herr Eckhoff. Frau Merkel, unsere Bundeskanzlerin, hat Herrn Erdogan – aus meiner Sicht vor allem seit dem 7. Juni, nachdem die ersten Wahlen in der Türkei waren und die AKP ihre Mehrheit verloren hatte und zum 1. November wiedergewählt werden musste, weil Erdogan seine Mehrheit haben wollte – mehrfach und eine Woche vor der Wahl besucht. Dass die Bundeskanzlerin Herrn Erdogan besucht, war für die Menschen ein Zeichen, dass er ein Demokrat ist.

Es ist unglaublich, sich hier hinzustellen und zu sagen, Menschenrechtsverletzungen würden immer angesprochen! Als die Frau Bundeskanzlerin das letzte Mal bei Herrn Erdogan war, wurden in Cizre 60 tote

Menschen gefunden, Kinder, Frauen, Ältere, die vergast worden sind. In der deutschen Presse ist nicht ein Satz bezüglich der Menschenrechte bei der Zusammenarbeit mit der Türkei erwähnt worden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Bevor wir die Debatte fortsetzen, möchte ich auf der Besuchertribüne ich recht herzlich die Freizeitgruppen „Oldtimer“ und „50 plus“ begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich hatte die Hoffnung, dass wir mit einer Runde hinkommen. Ich kann mir aber nicht verkneifen, Herrn Eckhoff noch ein Wort zu sagen. Bis zum letzten Satz fand ich Ihre Rede ja richtig gut. An der Stelle habe ich gedacht: Wie kann man sagen, es sei alles richtig, was wir tun, wir könnten noch mehr tun, und dann sagen „Wir fordern aber niemanden dazu auf“?

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Das leuchtet mir echt nicht ein! Schade, Gelegenheit verpasst! Etwas anderes habe ich aber mit großem Interesse wahrgenommen. Den Debatten blicke ich jetzt ganz entspannt entgegen. Sie haben gesagt, es bleiben noch 119 Länder übrig, die genannt werden, über die man genauso dringend reden muss.

(Abg. Eckhoff [CDU]: Aber die wollen wir nicht alle hier diskutieren!)

Ich darf Ihnen und meinen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen schon einmal ankündigen, dass wir in den nächsten Monaten sicherlich die eine oder andere Gelegenheit nutzen werden, auch noch andere Staaten durchzugehen. Das darf aber gleichwohl nicht von der Tatsache ablenken, dass es heute und hier richtig ist, die Bundesregierung und die EU-Kommission aufzufordern,

(Beifall DIE LINKE)

in den Gesprächen mit der Türkei auf die schwierige Menschenrechtssituation hinzuweisen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch zwei Anmerkungen, weil ich das nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen will! Herr Tuncel kritisiert ja den Besuch der Bundeskanzlerin am 14. oder 15. Oktober des letzten Jahres, also bevor die Wahl von Erdogan dort stattgefunden hat. Ich habe extra die Pressemitteilung hier. Da lautet sogar die Überschrift von Frau Merkels Pressemitteilung: Menschenrechte sind auch Thema meines Besuches. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bei diesem Thema wirklich keine Nachhilfe nötig!

(Beifall CDU, SPD)

Zweite Bemerkung, dazu bin ich gerade eben nicht gekommen: Zu uns hat leider niemand Kontakt aufgenommen, um einen gemeinsamen Antrag zu verfassen. Ich finde, wir täten sehr gut daran, einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten, dann bräuchten wir nicht alle 119 anderen Länder einzeln zu erörtern, Frau Grotheer!

(Beifall CDU)

Erarbeiten wir einen gemeinsamen Antrag zum Thema Menschenrechtsverletzungen in der Welt, vielleicht auf Basis dessen, was Amnesty International heute geschrieben hat! Das ist ja schon einmal eine Basis, auf der wir diskutieren können. Dazu könnten wir einen Antrag gestalten, hinter dem sich dann auch das gesamte Haus versammeln kann, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Dritte Bemerkung, ich hatte Sie vorhin vergessen, wollte sie aber noch erwähnen, sie ist ganz wichtig und etwas, was man aus diesen Debatten mitnimmt: Es gibt ja Gott sei Dank sehr viele Menschen mit türkischen und kurdischen Wurzeln, es gibt auch sehr viele hier in Bremen mit russischen Wurzeln. Was ich wahrnehmen, ist das, was wir hier in Bremen erleben, was Frau Grotheer in ihrem ersten Beitrag beschrieben hat: Die Liberalität, die unser Bundesland auszeichnet! Ich hoffe, dass diese Menschen immer wieder in ihre jeweiligen Herkunftsländer, Heimatländer, gegenüber Verwandten, Bekannten, Freunden kommunizieren, dass so etwas möglich ist und es sich auch lohnt, für diese Freiheit zu kämpfen, sich dafür einzusetzen. Das ist meine Hoffnung, dass das in diese Länder hineingetragen wird. Dann ist so eine Debatte, wie wir sie heute geführt haben, ob wir nun die Bundesregierung oder die EU-Kommission auffordern oder nicht, hilfreich und wertvoll. In diesem Sinne, finde ich, war das eine gute Debatte. – Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Staatsrätin Hiller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für die Debatte bedanken. Es ist nicht einfach, sich mit der Materie in dieser Komplexität zu beschäftigen. Es ist wirklich eine schwierige Situation, die wir in der gesamten Region, aber auch in der Türkei, vorfinden. Ich finde aber, dass es diesem Haus, dem Landtag, wirklich zusteht und es in langer Tradition gepflegt wird, immer wieder auch diese Themen aufzugreifen, hinzuschauen und gemeinsam zu überlegen: Wie können wir aus Bremen heraus wirken? Deswegen bedanke ich mich sehr dafür! Ich habe sehr aufmerksam zugehört und freue mich auf weitere Debatten, die zu dem Thema Menschenrechte in der Bürgerschaft geführt werden.

Ein paar kleine Anmerkungen! Vieles wurde schon gesagt, ich will das nicht wiederholen. Wichtig zu erwähnen ist Folgendes: Die Türkei ist Vertragsstaat der wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen. Die menschenrechtlichen Rahmenbestimmungen sind auf dem Papier demnach nicht schlecht. Allerdings ist mit den Worten von Bundespräsident Gauck zu sagen: „Worten und Taten liegen beim Thema Menschenrechte zu oft noch zu weit auseinander.“

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Wie viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner schon beschrieben haben, gibt die tatsächliche Situation in der Türkei Anlass zu sehr großer Sorge. Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, aber auch eine unabhängige Justiz sind bedroht oder nicht wirklich entwickelt. Insbesondere wenn man immer mehr kriegerische Erlebnisse vor Ort hat, führt das dazu, dass immer mehr Konflikte, wie die Kollegin Grotheer schon gesagt hat, nicht im Gespräch gelöst werden, sondern eher in Gewalt oder in einen Konflikt münden. Das betrifft auch die kurdische Minderheit, die sehr unter dem leidet, was zurzeit in der Türkei passiert.

Die Türkei befindet sich aber in einer sehr schwierigen Situation. Sie grenzt unmittelbar an Kriegsgebiete. Die terroristische Bedrohung ist auch erschreckend real, wie die letzten Anschläge in Istanbul und Ankara gezeigt haben.

Die Türkei nimmt als Aufnahme- und Transitstaat – das wurde auch schon erwähnt – auch in der Flüchtlingskrise eine Schlüsselposition ein. Sie hat circa zwei Millionen Flüchtlinge aus dem Konfliktgebiet Syrien, aus dem Irak und aus Afghanistan aufgenommen, mehr als jeder andere Staat. Eine Bewältigung der kriegerischen Konflikte und die Flüchtlingsherausforderung sind ohne ihre Einbeziehung als große Akteurin in der Region überhaupt nicht denkbar.

Ich will darauf hinweisen, dass der Krieg in Syrien, der insgesamt zu dieser großen Destabilisierung geführt hat, im März in das sechste Jahr gehen wird. Wir wünschen uns hoffentlich alle, dass der Waffenstillstand, der jetzt verhandelt worden ist, wirklich eine Verbesserung mit sich bringt. Diese Region ist dermaßen von Gewalt und vom Krieg geprägt, dass das eigentlich unvorstellbar ist, wenn man es aus Bremen betrachtet.

Viele derjenigen, die durch den Krieg oder durch Menschenrechtsverletzungen zu uns kommen und Asyl bei uns beantragen, weil sie verfolgt werden, tragen diese realen Erlebnisse mit sich. Es gilt, Ihnen Schutz zu bieten und Ihnen die Möglichkeit zu geben, wieder ein normales Leben zu führen. Doch neben den ganzen Gesprächen und der, wie ich finde, wirklich sehr guten Debatte bleibt natürlich die Frage: Was können wir direkt tun?

Ich glaube, da hilft nur, immer wieder das Gespräch zu suchen. Bremen hat eine Städtepartnerschaft mit Izmir. Wir pflegen Kooperationen, insbesondere mit der Polizei. Es ist wichtig, diese Dinge immer weiter zu entwickeln und die Städtepartnerschaften auch dafür zu nutzen, das Thema Menschenrechtsverletzungen offensiv anzusprechen.

Ich bedanke mich bei Ihnen für den Antrag! Ich denke, dass es Bremen als Land sehr gut ansteht aufzufordern, sich weiter um das Thema Menschenrechte zu kümmern, auf der Bundesebene genauso wie auf der europäischen Ebene. Wir werden diesen Auftrag mitnehmen. Ich bin mir sicher, es wird hier Debatten geben und auch Berichte, die wir ständig in unserem Bürgerschaftsausschuss vorstellen.

Menschenrechte gelten universell. Das wissen wir. Ich danke für die Debatte. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist getrennte Abstimmung beantragt.

Zuerst lasse ich über die Ziffern eins bis drei des Antrags abstimmen.

Wer den Ziffern eins bis drei des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/217 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.