Natürlich hat man einen Rest Hoffnung auf Rechtsstaat dort, aber man weiß eben auch, dass er an der einen oder anderen Stelle unterminiert wird. Das muss man deutlich machen und darauf eingehen.
Insofern muss man sehen, dass nicht wir die Türkei weggeredet haben – wir als Feie Demokraten sowieso nicht –, sondern sich die Türkei entfernt hat. Die Türkei hat sich von Europa entfernt, nicht nur Europa hat sich von der Türkei entfernt. Man muss ganz klar sehen, dass sich die Bundeskanzlerin bei den Beitrittsverhandlungen strategisch – übrigens parteistrategisch – verhalten hat.
Die Türkei braucht eine offene Tür nach Europa. Sonst hat sie meiner Meinung nach auch keine Chance, dass sich die demokratischen Kräfte dort durchsetzen können. Diese Tür muss offen bleiben, aber wir müssen auch ganz klar sagen, dass eine Türkei, die eine Erdogan-Türkei geworden ist, sich in der Art, in der sie sich ausprägt, eben keinen Platz unter den europäischen Demokratien hat,
sondern noch einen weiten Weg vor sich hat, um wieder auf den Boden zurückzukommen, auf dem wir alle uns die Türkei wünschen: als rechtsstaatliches Land, als Land, das Menschenrechte achtet, das Minderheiten achtet und weiß, wie es mit Konflikten umgehen muss! Frau Dr. Müller hat es völlig richtig gesagt: Militärische Lösungen gibt es nicht!
Wenn es um die Kategorien geht, um die es dort gerade geht, geht es viel zu selten um Menschen, um Menschenleben und deren Rechte. Wir müssen wieder in einen solchen Status kommen. Die Türkei muss auch schauen, dass sie es möglichst an vielen Stellen schafft, trotz des Krieges im Nachbarland wieder mehr auf die Menschen achten zu können, ihre Rechte zu wahren. Das ist das, was uns umtreibt. Wir werden dem Antrag der LINKEN zustimmen und deutlich machen, dass hier noch einiges getan werden kann. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir, die wir hier sitzen, sind fast alle Menschen des Wortes, nicht des Schwerts. Ihre Freizeitvergnügen kenne ich nicht, unterstelle aber, dass Sie die in friedlicher Art und Weise ausüben. Das, was wir hier tun, ist eine Auseinandersetzung mit Worten. Es ist die Auseinandersetzung um die besseren Ideen, die besseren Konzepte. Diese Auseinandersetzung lebt davon, dass man sich nicht nur innerhalb von Regierungskoalitionen, sondern auch mit der Opposition streitet. Sie lebt davon, dass wir gemeinsam im Interesse dieses Stadtstaates, dieses Landes und für mich auch Europas versuchen, die richtigen Konzepte, die richtigen Antworten auf die alltäglichen Fragen zu finden. Dies scheint in der Türkei deutlich erschwert zu sein. Ich wünschte mir, dass wir auch dort einen Umgang mit Minderheiten, mit politischen Oppositionsparteien hätten, wie er hier gepflegt wird.
Ich wünsche mir das auch deswegen, weil ich davon überzeugt bin, dass die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verbindung zur Türkei hat. Viele unserer Bürgerinnen und Bürger sind aus der Türkei hierher endgültig oder vorübergehend – das sei ihnen freigestellt – eingewandert. Viele fühlen sich jedenfalls diesem Land in besonderer Weise verbunden. Viele von denen, mit denen ich gesprochen habe, stellen sich die Fragen: Was ist da eigentlich los? Warum kann es nicht so wie hier funktionieren?
Nun brauchen wir nicht zu glauben, bei uns sei alles Gold, was glänzt. Davon bin ich weit entfernt. Auch wir haben Schwierigkeiten im Umgang mit Minderheiten. Auch bei uns gibt es durchaus Situationen – ich will die Ereignisse im Osten unseres Landes nicht unbedingt so prägnant benennen, aber ich will andeuten, was ich meine –, die auch bei uns Fragen aufwerfen: Wie geht die Bevölkerung eigentlich mit anderen Menschen und mit anderen Gruppen um? Trotzdem erleben wir hier im Parlament jedenfalls in weiten Teilen eine Übereinstimmung im Hinblick auf die Anerkennung von Rechten von Menschen anderen Glaubens, anderer Ethnien oder anderer politischer Interessen.
Gerade wir als Regierungsfraktionen erleben oft, dass nicht immer gut über das geschrieben wird, was wir vertreten.
Die Opposition freut sich dann immer, weil sie auch der Meinung ist, dass wir Fehler machen und dass sie konkret benannt werden müssen. Wir halten gleichwohl, auch wenn wir uns im Einzelfall einmal ärgern, die Pressefreiheit sehr hoch.
Jetzt muss ich allerdings Folgendes feststellen: Wer von Ihnen das nachlesen möchte, kann zum Beispiel auf die Seite von Amnesty International schauen. Dort wurde erst am 24. Februar 2016 ein Report zur Türkei mit den Einschätzungen von Amnesty International veröffentlicht. Die Kollegin Dr. Müller hat es gesagt: Es lässt uns alle schwer die Stirn runzeln, und es treibt Sorgenfalten ins Gesicht zu beobachten, dass unsere Freunde, unsere Nachbarn in einer solchen Situation sind.
Ich habe lange mit Herrn Tuncel über die Frage diskutiert, ob wir zu einem gemeinsamen Antrag kommen, warum wir ihn nicht unterstützen, was wir eigentlich erreichen können. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten über einen gemeinsamen Antrag des ganzen Hauses diskutiert. Dazu sind wir nicht gekommen. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass das in den nächsten Monaten vielleicht nicht nur möglich ist, sondern sogar notwendig wird.
Müller gesagt hat: Wir beschränken uns in der Unterstützung auf den Punkt vier, die Aufforderung an die Bundesregierung, der auch Sozialdemokraten angehören, und an die Europäische Kommission, sich für die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei einzusetzen, bei jedem Besuch, bei jedem Gespräch auf die Situation hinzuweisen und diese Frage zu unterstützen.
Ich sage deutlich: Ich trenne sehr wohl die Frage der Flüchtlingsproblematik von der Frage der Einhaltung der Menschenrechte.
Gerade dass wir vertreten, dass es nur eine gemeinsame europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage geben kann, bedeutet doch auch, dass wir die Türkei einbeziehen wollen, ohne dass wir vergessen, dass auch die Rechte anderer in der Türkei, genau wie bei uns, gewahrt werden sollten. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute wirklich ein schwieriges und anspruchsvolles Thema. Ich finde, meine Vorredner haben sehr gut verschiedene Bereiche dieser Diskussion angesprochen. Ich möchte zwei, drei ergänzende Bemerkungen machen.
Ich glaube erstens, Menschenrechte – das gilt nicht nur für die Türkei, sondern für alle Länder – sind wichtig. Die Politik hat die Aufgabe, die Menschenrechte einzuhalten.
Sie haben den Report von Amnesty International, der heute veröffentlicht wurde, angesprochen. Amnesty International weist darauf hin, dass in 120 von 160 Ländern, die untersucht worden sind, fortgesetzt Menschenrechtsverletzungen auftreten. Wir könnten dies heute an zumindest 119 anderen Ländern diskutieren. Wahrscheinlich kommt das eine oder andere Land noch dazu. Wir könnten zum Beispiel genauso gut – aus diesem Land leben auch viele Menschen hier – über Russland
und über die Menschenrechtsverletzungen, die dort stattfinden, sprechen, auch zum Beispiel über den Einfluss, der über russische Regierungsorganisationen gerade auf unsere Medienlandschaft genommen wird! Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, wenn wir bei
den Reiseaktivitäten des Senators für Wirtschaft und seines Staatsrates in den Iran nicht über Terminkollisionen, sondern über die Menschenrechtssituation im Iran gesprochen hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das wäre einmal eine Debatte gewesen, die dieses Haus auch insgesamt verdient hätte. Ist es eigentlich richtig, dass dort jetzt, nachdem die Hürden gefallen sind, ein Wettrennen eintritt, weil man sich erhofft, lukrative Aufträge zu bekommen?
Wir können dies genauso über China sagen, seit Jahren diskutiert! Ich will das gar nicht relativieren, aber es gibt in einer ganzen Reihe von Ländern massive Menschenrechtsverletzungen. Es ist unsere Aufgabe als Demokraten, diese auch zu thematisieren, wo immer wir eine Möglichkeit haben.
Ich will mich um das Thema, das heute angesprochen wurde, die Türkei, gar nicht herumdrücken. Dort gibt es fortgesetzt Menschenrechtsverletzungen. Das ist nicht akzeptabel.
Ich habe aber genauso volles Vertrauen in die Bundesregierung. Eines stimmt nämlich nicht, wenn dieser Eindruck hier erweckt wurde, weise ich ihn vollständig zurück: Sowohl Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der im letzten Herbst dort war, als auch die Bundeskanzlerin, die permanent im Kontakt mit der türkischen Regierung ist, sprechen das Thema Menschenrechtsverletzungen in der Türkei trotz der schwierigen Diskussionen, die sie im Moment wegen der Flüchtlingsthematik führen müssen, immer wieder an. Wir unterstützen diesen Kurs der Bundesregierung ausdrücklich.
Die EU-Kommission – Frau Dr. Müller hat das angesprochen – hat seit dem Jahr 2005 Berichte erstellt. Seit 1999 werden Gespräche mit der Türkei geführt. Ich finde, diese Berichte geben immer einen sehr guten Einblick in die türkischen Verhältnisse. Es gab in diesem Bericht zum Beispiel großes Lob für die Flüchtlingsaufnahme der Türkei. Auch dies muss man an dieser Stelle einmal sagen.
Wir führen hier Diskussionen über eine Million Flüchtlinge. Die Türkei hat in ihrem Land mittlerweile fast drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen! Ich finde,