Protocol of the Session on December 9, 2015

(Heiterkeit DIE LINKE)

Ich habe mich schlicht und ergreifend deshalb geärgert: Wir haben Pegida, wir hatten HoGeSa im Oktober letzten Jahres – wiederum stadtbekannte und altbekannte Bremer Nazis, die seit Jahrzehnten völlig unbehelligt sind –, die wiederum daran beteiligt waren. Johannes Ostendorf hat da den Einpeitscher mit der Band gemacht, Captain Flubber hat das mitorganisiert, sie sind danach noch bei „Gemeinsam Stark Deutschland“ aufgefallen, und vor diesem Nordderby haben sie im Internet dazu aufgerufen, sich praktisch das Stadion zurückzuerobern – es geht also um eine rechte Hegemonie, die sie sich zurückerobern wollten –, und in Drittligaspielen ist dazu aufgerufen worden, Nazi-Hools zu diesem Spiel nach Bremen zu holen. Das wissen wir doch alle, das ist doch stadtbekannt, das ging auch durch die Medien.

Mir wäre es lieber gewesen, es hätte diese Konflikte nicht gegeben, natürlich, auch nicht den Konflikt am Verdener Eck! Was denken Sie sich denn? Ich habe doch überhaupt keine Lust dazu. Ich habe auch überhaupt keine Lust dazu, bei jedem Nordderby durch ein Spalier zu gehen und mir vorzukommen wie eine Schwerverbrecherin oder auf dem Fahrrad zusammenzuzucken, weil dieser Wasserwerfer den Osterdeich ausstrahlt wie nichts Gutes. Dazu habe ich gar keine Lust. Ich habe auch keine Lust auf diese gewalttätige Attitüde.

Ich habe aber auch keine Lust darauf, dass ein Innensenator eine Situation verharmlost, wenn Rechtsextreme dazu aufrufen, Linke und andere Leute bei diesem Nordderby zu jagen, weil sie die Hoheit über das Stadion haben wollen.

(Glocke)

Dann muss ein Innensenator Stellung beziehen und sagen, das ist eine Auseinandersetzung, die nichts mit Fußball oder rivalisierenden Fangruppen zu tun hat, sondern ein Aufruf von Rechtsextremen. Ich wünschte mir, es wäre nicht zu diesen Gewaltexzessen gekommen. Ich wünsche mir aber auch, dass ein Innensenator das hinterher nicht verharmlost und so tut, als ob es nur zwei unterschiedliche rivalisierende Gruppen wären, die nichts anderes zu tun haben, als sich zu Schlägereien zu verabreden. Das war es in dem Fall nämlich nicht.

(Glocke)

Auf das, was der Innensenator als „Laufspiele außerhalb der Wiese“ bezeichnet, reagiere ich genauso, das finde ich auch unmöglich. In dem Fall war es das aber nicht, es war ein ganz klarer Aufruf von Rechten!

(Glocke)

Das muss dann auch entsprechend eingeordnet werden. – Danke schön!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Ehmke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zunächst mit dem Aspekt beginnen, den Frau Vogt hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit dieser Antwort des Senats angesprochen hat. Richtig ist, dass jedenfalls im Hinblick auf die Frage der Eigentumsverhältnisse bei der Kneipe, nach der Sie gefragt haben, Frau Vogt, die Antwort des Senats unzutreffend ist. Das hat der Senat auch öffentlich eingeräumt und gesagt, dass es bei der Beantwortung dieser Frage zu einem Missverständnis gekommen ist. Wir haben das öffentlich richtiggestellt. Ich will mich dennoch an dieser Stelle für dieses Missverständnis und für die Falschbeantwortung dieser Anfrage ausdrücklich entschuldigen, aber auch versichern, dass sie nicht mit Absicht erfolgt ist.

Wenn Sie zu der Frage zwei einen Hinweis haben, dass die Antwort nicht richtig ist, bin ich sehr interessiert daran, dass Sie mir den Hinweis geben. Wir haben auch von anderer Seite schon den Hinweis bekommen. Wir sind dem nachgegangen. Das hat sich aber bisher nicht aufklären lassen. Insofern nehme ich das gern noch einmal mit. Wir haben noch einmal nachgefragt, ich gehe dem aber gern noch einmal nach.

Weil Sie das auch nicht getan haben, möchte ich über die konkreten Ereignisse in der Verdener Straße nicht sprechen, jedenfalls nicht in der Detailtiefe. Wir werden die Ergebnisse des Strafverfahrens abzuwarten haben. Im Übrigen ist über Einzelheiten dieses Aspekts in der Deputation schon gesprochen worden.

Richtig ist, dass auch die Polizei bei solchen Einsätzen möglicherweise im Nachgang an der einen oder anderen Stelle zu der Erkenntnis kommt, dass man Einsatzkonzepte umstellen muss. Es ist darauf hingewiesen worden. Das passiert hier ständig. Die Nachbereitung dieser Einsätze erfolgt. Wir kommen dann auch im Einzelnen zu Veränderungen der Situation. Ich will ganz deutlich sagen, der Senat hat ein hohes Interesse an jeder Erkenntnis, die es uns ermöglicht, den Einsatz von Polizeikräften im Umfeld von Fußballspielen zu reduzieren. Es ist nämlich Wahnsinn, was wir an Personalaufwand betreiben. Das ist Personal, das uns an anderer Stelle fehlt. Das ist am Ende auch der Grund dafür, warum wir uns entschieden haben, einen Kostenbescheid für diesen Vorgang zu entwickeln. Das haben wir nicht gemacht, weil wir glauben, dass sich allein hieraus Gewalt reduzieren ließe.

(Beifall SPD)

Wir glauben, wenn wir in diesem Umfang Polizeieinsatzkräfte vorhalten müssen, um die Gewalt Einzelner in den Griff zu bekommen, ist es nicht in Ordnung, wenn diejenigen, die viel Geld mit dem Ganzen verdienen, dabei zuschauen, während der Rest der Allgemeinheit auf den Kosten sitzen bleibt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die Überlegung, die hinter der Kostenerstattung steht. Herr Zenner, es ist im Übrigen keine polizeirechtliche, sondern eine gebührenrechtliche Kostenerstattung, um die von Ihnen gerade beschriebenen juristischen Probleme zu umgehen. In der Folge kann eine solche Auseinandersetzung allerdings auch die Rückwirkung auf die Verantwortlichen im Fußball haben, sich genau zu überlegen, welche Maßnahmen noch möglich sind, um Gewalt und Konflikte im Umfeld von Fußballspielen zu reduzieren.

Auf der letzten Innenministerkonferenz ist von den Kollegen, die die Gebührenregelung im Übrigen alle ablehnen, weil sie glauben, dass man das im Gespräch mit der DFL alles auch anders regeln könnte, sehr darüber geklagt worden, dass sich die DFL bei der Reduzierung der Gästekontingente bei Problemspielen bisher überhaupt nicht bewegt. Die Innenminister drängen mittlerweile darauf, wenigstens an den Problemwochenenden um den 1. Mai oder den 3. Oktober herum ein Entgegenkommen von der DFL zu erreichen. Die Gästekontingente bei Problempartien sollen reduziert werden, weil diese Einsatzwochenenden eine extreme Belastung für die Polizei darstellen und wir die Einsatzkräfte quasi zwischen dem Einsatz hier und dem Einsatz dort aufteilen müssen. Das wissen Sie, Herr Hinners, bestimmt mindestens genauso gut wie wir. Ich bin deshalb ganz offen für alle Vorschläge, die eine Reduzierung von Einsatznotwendigkeiten ermöglichen.

Ich will aber eines ganz klar sagen: Wir werden eine Reduktion von Einsatzkräften nicht auf Kosten der Sicherheit der Polizei vornehmen.

(Beifall SPD)

Wir haben in der Vergangenheit den Einsatz von Polizeikräften immer wieder einmal probeweise zurückgefahren. Es gibt immer wieder die Sorge, dass die Polizeikräfte so martialisch aussehen. Deshalb haben wir erprobt, ob wir die Kolleginnen und Kollegen möglicherweise mit weniger Ausrüstung in den Einsatz führen. Das hat 2014 dazu geführt, dass gleich bei dem ersten Versuch eine Fangruppe auf zwei Polizeibeamte eingestürmt ist und mit mehreren Leuten auf am Boden liegende Polizeibeamte eingetreten und eingeschlagen hat. In dem Kontext ist vollkommen klar, dieses Sicherheitsrisiko werden wir nicht eingehen. Wenn es erforderlich ist, werden wir die Polizei in ausreichender Stärke und mit ausreichender Ausstattung in den Einsatz führen.

(Beifall SPD)

So viel allgemein!

Ich will jetzt zur Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Fußballgruppen und politischen Hintergründen noch einige Sätze verlieren. Es geht uns nicht darum, einen möglichen politischen Hintergrund zu negieren. Es geht uns allerdings sehr wohl darum, deutlich zu machen, auch ein möglicher politischer Hintergrund rechtfertigt keine gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppierungen.

(Beifall SPD, FDP)

Das gilt sowohl für Gewalt von rechts als auch von links. Es geht auch nicht um Gleichsetzung. Das wäre geschichtsvergessen. Es wäre im Übrigen auch einsatztaktisch dumm, Gewalt von rechts und Gewalt von links gleichzusetzen. Trotzdem ist weder das eine noch das andere akzeptabel. Deshalb ist in diesem Zusammenhang vom Senat ein klares Signal zu erwarten, dass wir Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht dulden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich halte das für entscheidend. Wenn wir den Eindruck erwecken, Gewalt wäre ein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung jedenfalls im extremen Rechts-Links-Konflikt, würde diese Haltung die Grundfesten dieses demokratischen Rechtsstaates erodieren lassen. Das Gewaltmonopol liegt eindeutig beim Staat. Insofern sind wir dankbar für jede Form des gesellschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements gegen rechts.

(Abg. Hinners [CDU]: Ohne Gewalt!)

Ohne Gewalt! Überall da, wo Menschen friedlich gegen Rassismus, Homophobie, Sexismus und andere Formen von Verächtlichmachung und Diskriminierung eintreten, haben sie die volle Unterstützung des Senats. Es ist aber nicht die Aufgabe gesellschaftlicher Kräfte, diese Haltung mit Gewalt durchzusetzen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, ALFA)

Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und wird von uns wahrgenommen.

Abschließend will ich nur noch eines sagen. Das Bedauerlichere ist, dass ganz oft im Mittelpunkt dieser möglicherweise politisch motivierten Auseinandersetzung im Einzelfall die Polizeibeamten stehen. Das sind nämlich diejenigen, die die Flaschen bei solchen Auseinandersetzungen auf den Kopf bekommen, und da fällt es mir dann auch ernsthaft schwer, den politischen Hintergrund einer Auseinandersetzung zu erkennen, wenn sich zum Beispiel – Herr Hinners hat auf den Vorgang hingewiesen – eine Fangruppe von 100 Leuten einer Fahrscheinkontrolle entzieht und im Anschluss daran den einschreitenden Polizeibeamten zur Begrüßung Flaschen auf den Kopf wirft. Das ist keine Form der politischen Auseinandersetzung, sondern stumpfe Gewalt, und dagegen müssen wir entschieden vorgehen.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, ALFA)

Das tun wir, und ich würde mir sehr wünschen, wenn wir den Kolleginnen und Kollegen der Polizei ein ganz deutliches Signal geben könnten, die in solchen Situationen den Kopf hinhalten müssen, dass sie dafür die Rückendeckung des Senats und auch des Parlaments haben. Das macht nämlich mit Sicherheit keinen Spaß, und ich bin mir ganz sicher, dass sie sich auch andere Fußballspiele wünschen würden und es auch lieber hätten, einfach einmal zuschauen, mitfeiern und mitfiebern zu können, anstatt irgendwo mitten im Schlachtengetümmel zu stehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/122, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) bis 14.30 Uhr.

Vizepräsident Imhoff eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Senioren der CDU Bremerhaven und eine Gruppe der Logistikschule der Bundeswehr.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Asylverfahren entlasten und vorübergehenden Schutz durch spezifischen Flüchtlingsstatus gewähren – Gesetzentwurf zur Gewährung vorübergehenden nationalen humanitären Schutzes beim Bundesrat einbringen Antrag der Fraktion der FDP vom 18. November 2015 (Drucksache 19/161)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer, ihm beigeordnet Herr Staatsrat Ehmke.