Protocol of the Session on December 9, 2015

Zweitens: Die Polizei macht hervorragende Arbeit. Sie leistet Aufklärung. Sie nimmt räumliche Trennungen vor. Sie überwacht. Sie stellt Platzverweise und Betretungsverbote aus und nimmt Personen in Gewahrsam. Mehr können wir von der Polizei bei unserer Ausstattung nicht erwarten.

Drittens: Es wird darauf ankommen, dieses sozialwidrige Verhalten strafrechtlich, aber auch zivilrechtlich zu ahnden. Derjenige, dessen Verhalten völlig unakzeptabel in dieser Gesellschaft ist, muss die Reaktion des Staates durch entsprechende strafgerichtliche Entscheidungen spüren. Wenn er Schaden anrichtet und Polizeibeamte verletzt, muss er auch zivilrechtlich in Haftung genommen werden.

(Beifall FDP)

Das muss sich herumsprechen, damit jeder weiß, wenn er sich so verhält, geht das nicht spurlos an ihm vorbei. Nur so haben wir eine Generalprävention gegenüber den einzelnen Tätern.

Viertens: Fanprojekte! In der Beantwortung ist ausgeführt worden, wer von Werder Bremen an der Vorbereitung dieser Spielansetzungen beteiligt ist. Aus der Antwort des Senats kann ich noch nicht ersehen, ob sich die Bundesligavereine bereit erklärt haben, an dem Abbau dieser unliebsamen Fankultur mitzu

wirken, als die Diskussion anstand, die Bundesliga mit Kostenbescheiden zu belegen.

Ich bitte Herrn Ehmke, den Finger in die Wunde zu legen und uns zu berichten, was in Richtung DFL unternommen worden ist, um die Bundesligavereine an der Vorbereitung dieser Spielansetzungen zu beteiligen und den öffentlichen Raum durch ihre Möglichkeiten zusätzlich zu befrieden. Das haben sie angeboten. Das könnte die Auswirkung auf die Fans haben, solche Taten zu unterlassen.

Fünftens: Versammlungsrecht! Wenn hier mit politischen Gruppen versucht wird, für sich etwas auf den Weg zu bringen, muss man nicht nur einzelpolizeilich arbeiten, sondern könnte auch überlegen, ob nicht im Einzelfall bei Zusammenrottungen von Hooligans und aus anderen Bereichen mit einem Versammlungsverbot gearbeitet werden könnte.

(Beifall FDP)

Das sind meine Vorschläge, um dieser unliebsamen und brutalen Kultur Herr zu werden. – Danke schön!

(Beifall FDP)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Zicht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele Menschen stellen sich die Frage, ob ein Besuch im Fußballstadion noch sicher ist. Rein statistisch gesehen könnte die Antwort lauten, dass es darauf ankommt, mit welchem Verkehrsmittel man anreist, denn die Gefahr, auf dem Weg zum Stadion Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, ist immer noch größer als die Gefahr, direkt am oder im Stadion zu Schaden zu kommen. Nüchtern betrachtet sind Fußballstadien also sehr sichere Orte, auch und gerade das Weserstadion.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Doch natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Viele Menschen bekommen es verständlicherweise mit der Angst zu tun, wenn sie in eine Horde grölender Fans geraten oder einer martialisch anmutenden Polizeieinheit in die Quere kommen.

(Abg. Strohmann [CDU]: Da habe ich keine Angst!)

Zu besonders erschreckenden Szenen, das wurde schon angesprochen, kam es im April dieses Jahres im Anschluss an das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV. Eine größere Gruppe Bremer Ultras wurde von der Polizei in einer aus einsatztaktischer Sicht schwer nachvollziehbaren Aktion vom Osterdeich in die Verdener Straße getrieben, genau in die Richtung einer Gaststätte, vor der es kurz zuvor

zu einer Auseinandersetzung zwischen rechten Hooligans und linken Ultras gekommen war. Was nun genau geschehen ist, wer angefangen hat und zu welchen Straftaten es im Einzelnen gekommen ist, dies alles ist Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren. Wir befinden uns hier nicht im Gerichtssaal, daher will ich mich an dieser Stelle auch nicht an Spekulationen darüber beteiligen, stattdessen will ich auf einige Hintergründe hinweisen, die die politische Dimension des Vorfalls aufzeigen.

Für einen kurzen Moment ist an jenem Tag im April nämlich ein Konflikt an das Licht der Öffentlichkeit gelangt, der in Wahrheit schon seit vielen Jahren ausgetragen wird. Seitdem sich weite Teile der Fanszene des SV Werder Bremen auf die Fahne geschrieben haben, sich gegen Rassismus und Diskriminierung einzusetzen, versuchen rechtsradikale Kräfte, dieses Engagement zu unterdrücken. Insbesondere die in den Ultragruppen organisierten jungen Fans wurden in den letzten 15 Jahren Opfer von zig gewalttätigen Übergriffen und unzähligen Einschüchterungsversuchen durch die rechte Szene in Bremen und Umgebung, ob bei einer Feier im Ostkurvensaal, am Rande von Europacupspielen in Spanien oder Kroatien, nach Heimspielen in der Bremer Innenstadt, an Autobahnraststätten auf dem Weg zum Auswärtsspiel, in Klubs und Diskotheken oder nachts in dunklen Gassen. Wer Mitglied einer linken Werder-Ultragruppe ist, muss und musste immer wieder befürchten, von rechten Schlägern bedroht und attackiert zu werden.

Dass junge Menschen in unserer Stadt einen so hohen Preis für ihr Engagement gegen Nazis und Rassisten zahlen müssen, damit dürfen wir uns nicht abfinden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Die Naziszene in Bremen ist glücklicherweise nicht groß, aber dennoch ist sie brandgefährlich. Die Erfahrungen aus anderen Ländern und Städten zeigen, dass Rechtsradikale immer dann regen Zulauf finden, wenn es ihnen gelingt, wichtige Bestandteile der Jugendkultur zu prägen. Gerade Fußball und Musik sind daher beliebte Rekrutierungsfelder der rechten Szene, und ausgerechnet hierbei sticht Bremen leider bundesweit negativ hervor.

Die führenden Köpfe der Bremer Hooliganszene sind bestens vernetzt mit anderen neonazistischen Gruppierungen und tauchen dementsprechend seit Jahren beständig im Verfassungsschutzbericht auf. Einer von ihnen ist zudem bekanntlich Sänger der derzeit vielleicht erfolgreichsten deutschen Naziband. Insofern hätte die rechte Szene in Bremen eigentlich die besten Voraussetzungen, um unter jungen Bremerinnen und Bremern Anschluss zu finden. Deshalb ist das zivilgesellschaftliche Engagement all jener, die dafür sorgen, dass Bremen für Nazis eben kein ange

nehmes Pflaster darstellt, gar nicht hoch genug einzuschätzen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Ihnen gebührt unser Dank und unsere Solidarität.

Auch der SV Werder stellt sich hierbei mittlerweile mit klaren Statements hinter seine Fans. Natürlich gibt es unter ihnen auch viele junge Hitzköpfe, denen gelegentlich Grenzen aufgezeigt werden müssen, aber wer erreichen will, dass sich auf Dauer die besonnenen Kräfte innerhalb der Fanszene durchsetzen, darf diesen nicht das Gefühl geben, auf sich allein gestellt zu sein, sondern muss ihnen den Rücken stärken.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Der SV Werder hat dies verstanden, und ich würde mir wünschen, dass auch der Senat dies noch stärker als in der Vergangenheit beherzigen würde, denn wir alle müssen gemeinsam gegen Rassismus, Homophobie, Sexismus und Antisemitismus vorgehen, im Stadion und anderswo. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wurde eben von der Präsidentin darauf hingewiesen, dass meine Äußerung, der Senat habe gelogen, unparlamentarisch sei und dass ich sie zurücknehmen möge. Das mache ich, aber ich sage natürlich, dass einige Antworten nicht zutreffen, und das kann ich nachweisen. So ist zum Beispiel die Antwort auf die Frage zwei zu verhängten Meldeauflagen und Betretungsverboten schlichtweg falsch. Hier wurde gesagt, es seien in der letzten Saison Betretungsverbote nur bei Heimspielen gegen Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach verhängt worden, aber ich habe diese Verfügung aus anderen Spielen in der Saison vorliegen. Deswegen ärgere ich mich schon manchmal, und das ist nicht das erste Mal, Sie wissen, dass ich mich öfter einmal ärgere.

Auch war die Antwort auf die Frage zu den Eigentumsverhältnissen zu der Nazikneipe Bells nachweislich falsch, aber das ging mittlerweile durch die Öffentlichkeit. Deshalb, ich entschuldige mich oder nehme meine Äußerung zurück, dass der Senat gelogen hat, aber dennoch treffen einige Antworten nicht zu.

Herr Kollege Hinners, es sind nicht meine Ultras, um das einmal vorwegzunehmen,

(Abg. Hinners [CDU]: Nicht?)

aber ich habe mit Sicherheit eine hohe Empathie gegenüber Menschen, die sich Nazis in den Weg stellen,

(Beifall DIE LINKE)

und ich kann Ihnen auch sagen, warum und wie ich dazu komme.

Ich bin in den frühen Achtzigerjahren – ich bin erst 1984 nach Bremen gezogen, aber ich hatte einen großen Bezug zu Bremen, weil meine Familie mütterlicherseits von hier kommt – über ein Bündnis aufgerufen worden, am Samstag nach einem Heimspiel von Werder Bremen ins Viertel zu fahren, weil Nazis und Fans mit Kutten zusammen aus dem Stadion heraus nach dem Heimspiel organisiert durch das Viertel gezogen sind und den Buchladen Ostertor und den Frauenbuchladen angegriffen haben. Ich bin damals aus Münster dorthin gekommen, und wir haben uns zivil – mit zivilem Ungehorsam und nicht mit Gewalt – diesem Nazi-Mob entgegengestellt. Ich bin seit 1987 im Stadion und in der Ostkurve, und ich weiß, was damals dort los war.

Herr Hinners, verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe überhaupt keine Lust auf Gewalt bei Fußballspielen und in deren Umfeld, und ich kann mich an Spiele erinnern wie an das gegen Rotterdam. Das fand ich äußerst mies, auch als Zuschauerin, das war wirklich bedrohlich, und das will ich überhaupt nicht. Fußball soll für alle da sein,

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

und ich möchte dort auch kleine Kinder sehen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber ich möchte auch nicht, dass das Stadion – und das ist nun einmal leider bundesweit so, nicht nur in den ersten Liegen, sondern auch in den Vereinen in den Klassen darunter – und der Fußball eine hohe Anziehungskraft für Menschen aus der rechten Szene haben, um dort subkulturell zu wirken und Leute anzuwerben!

Ich kann mich an diese Zeiten in den Achtziger- und Neunzigerjahren erinnern. Ich kann mich übrigens auch noch sehr gut daran erinnern, wie bedrohlich es war, in den Achtzigerjahren zum Beispiel zu Konzerten in den Schlachthof zu fahren,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt!)

weil man sich ständig mit Naziskins auseinandersetzen musste, und ich habe am nächsten Tag Freunde von mir im Krankenhaus besuchen müssen, die auf dem Rückweg von einem solchen Konzert überfallen wurden. Deswegen habe ich eine hohe Empathie jungen Menschen gegenüber, die sich Nazis in den Weg stellen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

auch wenn ich nicht jedes Auftreten teile und auch manche Attitüde nicht richtig witzig finde.

Herr Zenner, es hat aber schon etwas mit Werder Bremen zu tun, denn der Präsident von Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald, hat sich nach diesen Vorfällen im April nach dem Nordderby ganz klar hinter die Ultras gestellt, indem er in der Presse gesagt hat, er wäre stolz auf seine Ultras, oder er wäre froh, dass es sie gibt, weil sie sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus, gegen Sexismus und Homophobie im Stadion einsetzen. Insofern hat das nämlich schon etwas mit Werder Bremen zu tun, wenn dessen Präsident sagt, er sei froh, dass es diese Ultras gibt, weil wir ansonsten andere Zustände im und um das Stadion herum hätten.

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Warum ich mich geärgert habe: Ja, Herr Hinners, vielleicht haben wir die Anfrage dieses Mal wirklich ein bisschen einseitig gestellt, aber davor sind Sie ja bei Ihren Anfragen absolut gefeit.

(Heiterkeit DIE LINKE)