Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Thema Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge ist bei uns in der SPD ein Dauerthema. Wenn ich auf Bundesebene meine Kollegen aus den anderen Bundesländern treffe, dann sagen sie, dass das, was wir hier in Bremen bislang geleistet haben, außerordentlich gut ist.
Es wurde jetzt auch die Krankenkassenkarte angesprochen! Für die Krankenkassenkarte machen wir in anderen Bundesländern Werbung, damit sie dort in Zukunft auch zu einem normalen Instrument der Krankenversorgung gehört. In Niedersachsen gab es einen Fall, in dem nicht rechtzeitig ein Krankenschein ausgestellt wurde, dort musste nachjustiert werden, und dann wurden wir um Rat gefragt, wie wir das gelöst haben. Inzwischen gibt es Gespräche, dass das Bremer Modell bundesweit in allen Ländern eingeführt werden soll. Ich biete allen auch immer wieder an, setzt euch mit der AOK in Bremen in Verbindung, die können das. Die Versorgungssituation der Flüchtlinge in Bremen und Bremerhaven fragen wir ständig in der Deputation nach. Ich selbst gehe auch ab und zu in die Steinsetzerstraße und frage dort nach, denn es ist ja bei mir um die Ecke. Natürlich gibt es Wartezeiten beim Ausländeramt, aber das regelt sich dann, wenn man dem nachgeht. Ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg. Wenn es Detailschwierigkeiten gibt, sind wir verpflichtet, nachzujustieren und immer wieder in der Deputation nachzufragen, muss die Personalausstattung verbessert werden, sind genug Ärzte vorhanden, sodass die Anforderungen auch erfüllt werden können. Für uns ist die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber wichtig. Wenn in der Enge, in der sie in der Steinsetzerstraße leben, irgendetwas passiert, wenn dort zum Beispiel Infektionskrankheiten ausbrechen, dann sind die Folgen kaum auszudenken. Deswegen finde ich es auch richtig, dass alle erst einmal untersucht werden und dass geröntgt wird, um die Infektionskrankheiten festzustellen. Ich glaube, wir können insgesamt sagen, dass wir auf einem guten Weg sind, aber es kann immer wieder zu Verbesserungen kommen. Wir bedanken uns auch für gute Konzeptionen und Vorschläge, die unter anderem aus der Deputation kommen. Wie gesagt, dieses Thema ist ein zentrales Thema unserer Beratungen, und es ist bisher eine gute Arbeit vom Gesundheitsamt, von den Ärzten und den Pflegern geleistet worden. Wir bedanken uns hierfür noch einmal ausdrücklich. – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einer Feststellung beginnen. Ich glaube, niemand in dieser Republik – ich selbst zu allerletzt – würde die These wagen, dass die medizinische und allgemeine gesundheitliche Versorgung von Migranten in unserem Land optimal ausgestaltet ist. Niemand kann das sagen, niemand wird das sagen! Trotzdem ist bei der Debatte über die Situation eine gewisse Differenzierung notwendig, denn ohne eine solche Differenzierung wird man diesem Thema nicht gerecht. Man muss einen Unterschied zwischen den Gruppen machen, nämlich den sogenannten Papierlosen, die sich in diesem Land illegal aufhalten, den Asylbewerbern, den Geduldeten und natürlich den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern. Diese drei Gruppen stellen unterschiedliche Problemlagen dar und finden auch unterschiedliche Antworten.
Das Bremer Modell, das wir in Bremen bezüglich der Versorgung von Migranten auf die Beine gestellt haben, ist so außergewöhnlich, dass ich regelmäßig bei unseren Landestreffen über die Bremer Erfahrungen und Strukturen berichten darf. Die Entscheidung in Bremen, für die Asylbewerber, nicht für die Papierlosen, die Krankenversicherungskarte auf der Basis eines Vertrags mit der AOK-Bremen einzurichten, hat eine solche Resonanz gefunden, dass mehrere Länder inzwischen auf dem Weg sind – erstaunlicherweise, man höre – ebenfalls mit der AOK Bremen und nicht mit einer dortigen lokalen oder regionalen AOK einen vergleichbaren Vertrag zu schließen.
Die Hamburger zum Beispiel haben einen solchen Vertrag bereits geschlossen, oder – ich bin nicht ganz sicher – sie sind gerade dabei, einen solchen Vertrag mit der AOK Bremen und nicht mit der AOK Hamburg zu schließen, weil sie dem Bremer Modell folgen wollen.
Es gibt also überhaupt keinen Grund, an den Anstrengungen und der Qualität der Bremer Politik – und ich sage extra Bremer Politik, weil es ja nicht nur der Senat ist, sondern auch dieses Parlament –, sich diesem Thema mit aller Kraft zu stellen, zu zweifeln. Weil das Bremer Modell so gut ist – und ich komme extra darauf zurück, weil Sie, Frau Vogt, den Beschluss des Niedersächsischen Landtages vom Juni dieses Jahres zweimal zitiert haben,
sie haben ihn vorliegen – hat der Niedersächsische Landtag unter Punkt 1 seiner Beschlussvorlage die Niedersächsische Landesregierung aufgefordert, sich an dem Bremer Modell zu orientieren und die Über
In Punkt 2 dieser Beschlussvorlage hat Niedersachsen nicht beschlossen, den anonymen Krankenschein an die papierlosen Menschen in Niedersachsen auszugeben, anders als behauptet wurde, sondern der Beschluss lautet: Man bittet die Niedersächsische Landesregierung, in einem Modellversuch zu prüfen, ob die Ausgabe eines anonymen Krankenscheins für die Papierlosen denn möglich sei. Das Ergebnis dieser Prüfung ist völlig offen. Dass wir nach der Prüfung keinen Krankenschein für Papierlose ausgeben – und ich bin sicher, zu demselben Ergebnis werden auch die Niedersachen kommen – das hat Gründe. Wir reden hier nämlich von Illegalen. Wir haben das große Problem, dass auf der einen Seite nach der deutschen Rechtslage bei Bekanntwerden dieser Gruppe von Menschen eine Ausweisung eigentlich an der Tagesordnung ist, aber wir sie auf der anderen Seite aufgrund des Rechtsstatus dieser Gruppe nicht ohne jede medizinische Betreuung alleinlassen wollen.
Deshalb haben wir hier in Bremen einen pragmatischen Weg, und darauf sind wir alle stolz. Wir haben nämlich die humanitäre Sprechstunde in Bremen eingerichtet. Wir setzen auf das große Engagement niedergelassener Ärztinnen und Ärzte hier in Bremen, die das Angebot der humanitären Sprechstunde ergänzen, und wir setzen auf die Kooperationswilligkeit der Bremer Krankenhäuser. Damit ist es uns gelungen, trotz des prekären rechtlichen Status der Papierlosen eine medizinische Versorgung für diese Gruppe von Menschen sicherzustellen, die sich auch im bundesweiten Vergleich sehen lassen kann.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass die aktuellen Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz – sie sind aus meiner Sicht eigentlich schon uralt –, das habe ich in allen meinen amtlichen Positionen, die ich hatte, und auch als Privatperson immer wieder laut und deutlich gesagt, meinem Verständnis von humaner medizinischer Versorgung von Menschen nicht entspricht. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich als Arzt eine Änderung des Asylbewerberleistungsrechts in Deutschland aus humanitären und aus gesundheitspolitischen Gesichtspunkten für dringend wünschenswert halte.
Deutschland nicht. Wir werden uns von Bremer Seite aber immer dafür einsetzen, sind allerdings darauf angewiesen, dass wir dann auch entsprechende Unterstützung auf der Bundesebene erhalten.
(Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Meine Damen und Herren, wir bemühen uns intensiv, wir haben viel auf die Beine gestellt, die gesamte Republik schaut auf dieses Modell in Bremen, und trotzdem stimmt es, man könnte auch noch mehr machen.
Nur, dafür bräuchte man auch die entsprechenden Ressourcen, und diese stehen nicht zur Verfügung. Daher sind wir in einer schwierigen Lage und müssen uns jeweils entscheiden, wofür – und diese Felder sind nun einmal unbegrenzt breit – wir das begrenzte Geld ausgeben wollen. Ich möchte auch unsere Erfolge nicht dadurch schlechtreden lassen, dass es grundsätzlich noch Verbesserungspotenziale gibt. Wir stehen gut da.
Vielen Dank, Herr Senator! Zwei Aspekte erschienen mir gerade etwas irritierend und missverständlich, und deshalb würde ich gern noch einmal nachfragen. Der erste Aspekt betrifft die Frage der Papierlosen und ihrer Illegalität. Ich möchte gern fragen, wie Sie zu der Formulierung „Kein Mensch ist illegal“ stehen, und dazu, dass wir eher die Einwanderungsgesetze lockern müssen, damit eben deutlich weniger Menschen papierlos bleiben, ob das ein entscheidender Weg wäre, anstatt sich so darauf zu fokussieren, dass es um Illegalität geht.
Der andere Aspekt ist, dass noch einmal gesagt wurde, man müsse viel Angst vor Infektionskrankheiten haben. Nach meiner Kenntnis wird dieser Aspekt der Übertragung von Infektionskrankheiten in der öffentlichen Wahrnehmung besonders hoch bewertet, aber faktisch ist es von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten. Nach meiner Kenntnis stehen diese Erkrankun
gen, glaube ich, auf Platz 15 der Erkrankungen, mit denen wir es zu tun haben. Dazu würde ich gern eine Einschätzung von Ihnen bekommen. – Vielen Dank!
Der einfache Teil der Antwort betrifft den zweiten Teil Ihrer Frage. Das ist eine beliebte Strategie, wenn es um die Einschätzung der Situation von Fremden geht. Man diskutiert negative Aspekte und tut so, als sei das kennzeichnend prototypisch für die gesamte Gruppe. Das ist natürlich nicht richtig, und das sollte man so auch nicht entsprechend öffentlich diskutieren.
Zu dem ersten Teil: Ich werde den Begriff „illegal“ immer nur in einem rechtlichen Sinn verwenden, es bezieht sich immer nur auf den aufenthaltsrechtlichen Status der Menschen. Natürlich wird es in der Gruppe der Papierlosen und rechtlich gesehen sich illegal in diesem Land Aufhaltendenden eine ganze Reihe von Menschen geben, über die wir beide uns schnell einig sein und sagen würden, eine Änderung des Aufenthaltrechts könnte hier zu einer Änderung der Klassifizierung führen.
Auf der anderen Seite will ich natürlich auch nicht verhehlen, auch das, glaube ich, wäre ein Fehler, man sollte keine Gruppe von Menschen, auch nicht die Gruppe der Ausländer, der papierlosen Asylbewerber oder wen auch immer, so idealisieren, dass man davon ausgeht, es handele sich hier durchgängig nur um edle Menschen mit guten Motiven. Es gibt hier natürlich Differenzierungen, und deshalb muss man mit diesem Thema auch differenziert umgehen.
(Abg. Frau D r. K a p p e r t - G o n t h e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber kriminell und illegal ist ja etwas Unterschiedliches!)
Danke! Ich habe eben versucht zu googlen, da Sie gesagt haben, der Landtag habe einen Prüfauftrag beschlossen. Ich habe eine andere Version, und es ist jetzt wirklich einfach nur eine Verständnisfrage. Demnach hat der Landtag beschlossen, ein Modellprojekt in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Flüchtlingshilfe in Hannover und Göttingen einzuführen. Sie haben einen Evaluationszeitraum von drei Jahren vereinbart, und die Abrechnung erfolgt anonym über ei
nen Fonds. Das ist die Information, die ich habe, ich habe auch keinen anderen Beschluss gefunden. Ein Prüfauftrag ist ja etwas anderes. Nach dem, was ich hier vorliegen habe, wurde ein Modellprojekt beschlossen. Die Begründung war übrigens genau die gleiche, die ich hergeleitet habe, dass das AsylbLG das durchaus hergibt.
Nach meiner festen Überzeugung ist der Landtag gar nicht in der Lage, eine exekutive Aufgabe zu beschließen. Er kann Gelder für ein Projekt zur Verfügung stellen, das die Landesregierung selbst, die nämlich dafür zuständig ist, für sinnvoll hält und auf den Weg bringen möchte. Der Landtag in Niedersachsen hat beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, diesen Weg zu gehen.
(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Hier steht „einzuführen“! „Einen Modellversuch ein- zuführen“! Aber das wäre dann tatsächlich die spannende Frage, denn wenn das dort geht, sollte man das hier noch einmal ernst- haft prüfen!)
Ja, natürlich, da bin ich wieder ganz bei Ihnen. Ich habe grundsätzlich und nicht in irgendeiner Weise ideologisch argumentiert. Sollte es die Möglichkeit eines anonymen Krankenscheins geben – ich sehe diese Möglichkeit zurzeit überhaupt nicht –, dann wäre das tatsächlich eine Variante, die auch wir zu prüfen haben und die natürlich eine Reihe von Problemen beseitigen würde, da haben Sie recht. Ich bezweifle aber auf der Basis dessen, was mir bisher zu diesem Thema bekannt ist, dass dieser Weg offen ist.
(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Da müs- sen wir dann noch einmal schauen, was in Niedersachsen passiert!)