Nun wird versucht, es als negativ hinzustellen, dass er in Moskau lebt, dass die Sowjetunion ihm Asyl gewährt hat. Ich finde es sehr merkwürdig: Wo sind die Staaten, wo sind die anderen Länder, die sich darum gerissen hätten, ihn aufzunehmen? Wenn ihn keiner haben will, dann geht er natürlich an den Ort, an den man ihn nimmt und wo man ihn auch schützt, was soll er denn sonst tun. Wer weiß, wie es ihm heute gehen würde, wenn er dieses Asyl nicht bekommen hätte.
Das Argument, er habe sich mit Herrn Putin verbündet, finde ich vollkommen abwegig. Wahrscheinlich hat er vorher überhaupt keine Vorstellung zur russischen Politik gehabt, jedenfalls nicht notwendigerweise eine positive, sondern er hat ganz berechtigt das Asyl angenommen, das man ihm zur Verfügung gestellt hat, weil er – und das kann man, glaube ich, deutlich sagen – natürlich zurecht befürchtet hat, dass man ihm entweder nach seiner Freiheit oder gar nach seinem Leben trachtet. Ich glaube, das sind ausnahmsweise einmal keine Übertreibungen und auch keine Spekulationen, sondern das ist einfach die Realität.
Bevor wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, irgendwann einmal auf dem Marktplatz stehen und zusammen mit Amnesty International für die Freiheit von Edward Snowden demonstrieren, sollten wir heute lieber diesen Antrag beschließen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Juni ging ein junger, US-amerikanischer IT-Spezialist in Hongkong an die Öffentlichkeit und veröffentlichte zusammen mit den Journalisten Poitras und Greenwald den größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal der jüngeren Geschichte.
Die Dokumente von Edward Snowden belegen die systematische, milliardenfache Ausforschung der Bevölkerung, von Unternehmen und von Politik durch die NSA, aber auch durch britische, kanadische, neuseeländische und australische Dienste. Spätere Veröffentlichungen zeigen, dass auch der Bundesnachrichtendienst an der Massenüberwachung mitgearbeitet und diverse Daten mit der NSA teilt. Ich sage das auch ganz deutlich: Wer von der Bespitzelung
durch den BND hier an dieser Stelle nicht sprechen möchte, möge konsequenterweise auch zur NSA schweigen.
Es geht nicht darum, aus welchem Land die skandalöse Geheimdienstpraxis kommt, sondern es geht um die Praxis an sich.
Die Veröffentlichungen zeigen, dass mithilfe von Telekommunikationsunternehmen, IT-Dienstleistern, Handys, E-Mails und Internet Standortdaten erhoben, ausgewertet und überwacht werden. Die Stichworte hierzu lauten: Tempora und PRISM. Edward Snowden hat sich durch diese Veröffentlichungen bewusst gegen das System der Geheimdienste gestellt.
Ihm war klar, dass er in den USA, aber auch in anderen Ländern zum Staatsfeind erklärt werden würde, und er wusste, dass sein Leben eine radikale Wendung nehmen würde. Aus Hongkong floh er nach Moskau, wo ihm ein Aufenthaltsrecht gewährt wurde. Ich würde ihm jetzt nicht unterstellen, dass er das bewusst gemacht hat, aber man muss zumindest festhalten, dass Putin propagandistisches Kapital aus der Tatsache geschlagen hat, dass ein US-Whistleblower und US-Bürgerrechtler sich bei ihm vor westlichen Geheimdiensten versteckt und die westlichen Länder ihm diesen Schutz nicht gewähren.
Politische Konsequenzen wurden unseres Erachtens aus dem Überwachungs- und Geheimdienstskandal bis heute nicht gezogen. Es gibt einen Untersuchungsausschuss im Bundestag, der unter extrem erschwerten Bedingungen arbeiten muss. Akten werden nur geschwärzt zur Verfügung gestellt, die Aufklärung über ehemalige geheime Bespitzelungen darf häufig nur im Geheimen stattfinden. Die CDU und im Bund auch die SPD blockieren eine Befragung von Edward Snowden im Bundestag. Sein Antrag auf Asyl in Deutschland wurde abgelehnt. Die Große Koalition lehnte ebenfalls Anträge von der LINKEN und den Grünen ab, Snowden ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, und eine gleichgerichtete Petition von 14 000 Menschen an den Bundestag endete leider genauso. Die CDU änderte ihre Strategie der Verharmlosung, der Denunziation und des Aussitzens nicht einmal dann, als bekannt wurde, dass Merkels Diensthandy abgehört wird. Wir müssen deshalb leider feststellen, dass in der Debatte über Geheimdienstüberwachung in Deutschland vieles nicht funktioniert.
Die schiere Menge immer neuer Veröffentlichungen führt bedauerlicherweise in der Öffentlichkeit zu einem Abstumpfungseffekt, und gleichzeitig – und
das finde ich in den letzten Wochen und Monaten interessant – wird eine Täter-Opfer-Umkehr, wenn man das überhaupt so nennen kann, vorgenommen und Edward Snowden zum eigentlichen Problem erklärt. Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bezeichnete Snowden im April öffentlich als Verräter, und ähnliche Äußerungen tätigte dann auch leider unser Bundespräsident. Der SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas schlug im Sommer vor, Snowden solle in die USA zurückkehren. Das fand ich schon sehr absurd, denn dort liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor.
Die Bundesregierung erhöhte außerdem den Etat des BND um 300 Millionen Euro, unter anderem, um eine bessere Überwachung der sozialen Netzwerke zu ermöglichen und um Sicherheitslücken in IT-Systemen legal anzukaufen. Die globale Überwachung der Kommunikation geht unseres Erachtens ungehindert weiter, und die Veröffentlichung durch Snowden hat eher dazu geführt, dass es ein technisches Wettrüsten der Dienste gibt. Parlamentarische Kontrolle der Dienste ist weiterhin nur auf dem Papier möglich, und die Grundrechte von Millionen Menschen werden weiterhin eingeschränkt.
Die Bürgerschaft soll sich mit dem vorliegenden Antrag nun für ein Aufenthaltsrecht für Edward Snowden einsetzen. Wir finden das gut, wir unterstützen das selbstverständlich, und wir hoffen natürlich auch, dass bei der SPD im Bund eine ähnliche Haltung einkehrt. Gleichzeitig haben aber die letzten Äußerungen der Bundesregierung keinerlei Grund zur Hoffnung gegeben, dass aus diesem Bürgerschaftsbeschluss vielleicht Realität wird, was uns nicht daran hindern sollte, diese einzufordern. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hamann, es ist schon überraschend, und es lässt tief blicken, was Sie alles zu wissen glauben. Herr Kollege Dr. Güldner, glauben Sie wirklich, dass Herr Snowden nicht wusste, wie mit Menschenrechten in Russland umgegangen wird?
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Er hatte ja keine Wahl! – Abg. W e r n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Hat er das gesagt? – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Hat er das gesagt?)
einer Meinung, dass es etwas Wichtigeres in Bremen gibt und wir wahrlich andere Probleme haben, die es zu lösen gilt, als Edward Snowden den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.
Warten Sie doch erst einmal ab! Dabei verleugnen wir keineswegs, dass Snowden sich nicht auch Verdienste bei der Aufklärung der übertriebenen Überwachungsmaßnahmen durch amerikanische und britische Geheimdienste erworben hatte.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Donnerwetter! Übertriebene Überwa- chung! Was wäre denn nicht übertrieben ge- wesen?)
Warten Sie doch ab, Herr Dr. Kuhn! Sie sind ein bisschen ungeduldig! Nur weil gleich Feierabend ist, oder warum? Die CDU-Fraktion tritt aber für eine sehr differenzierte Betrachtung dieser Vorkommnisse ein, wie im Übrigen auch Sie, Kollege Dr. Güldner, es zumindest ansatzweise versucht haben. Bekannt ist nicht erst, seitdem wir aktuell die große Terrorgefahr durch den ausgerufenen Islamischen Staat haben, dass die international agierenden Terroristen über hervorragende Kommunikationsmöglichkeiten untereinander verfügen und diese auch zur Vorbereitung und Durchführung von Terroranschlägen nutzen. Das ist nicht erst seit dem 11. September 2001 bekannt, und es ist bei vielen anderen danach erfolgten Terroranschlägen ebenfalls bekannt geworden.
Solange die Geheimdienste versuchen, dieses terroristische Kommunikationsnetzwerk auszuforschen, abzuhören und daraus Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung von Anschlägen einzuleiten, hält die CDUFraktion diese Maßnahmen für erforderlich, und sie sich bei Vorliegen entsprechender Gesetze auch legal.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ach so! – Abg. W e r n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Und wo sind die Ge- setze?)
Gerade wir Deutschen haben in den vergangenen Jahren mehrfach von Informationen ausländischer Geheimdienste, beispielsweise aus den USA und England, zur Verhinderung von Anschlägen profitiert, ich weise hier ausdrücklich auf die Sauerland-Gruppe hin, die wir ohne die fremde Hilfe nicht frühzeitig erkannt hätten. Das auszublenden, bedeutet für uns: Wasch mich, aber mach mich bloß nicht nass!
Herrn Hamann auch an – aktuell sowohl in den USA, in Boston, als auch in Europa, in Brüssel, sowie aktuell wieder in Israel Anschläge verübt werden, zeigt doch, dass diese Überwachung bei Weitem nicht so total sein kann und ist,
(Abg. W e r n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann ist es ja gut! Das zeigt auch, wie gut es funktioniert!)
wie uns einige angebliche Insider auch hier heute – Herr Hamann hat sich da deutlich hervorgetan – weismachen wollen.
Die CDU-Fraktion hat aber kein Verständnis dafür – und jetzt komme ich zu dem, was ich eingangs schon einmal angedeutet habe –, dass die NSA ihre technischen Fähigkeiten auch zur Überwachung der Kommunikation von Regierungsmitgliedern demokratischer Staaten sowie Wirtschaftsunternehmen, die offensichtlich mit der Vorbereitung von Terroranschlägen nichts zu tun haben, nutzt. Sie glauben aber doch nicht im Ernst, dass die NSA die einzige Institution ist, die so etwas macht?
Das wird dadurch nicht besser, das stimmt. Schauen wir einmal nach China! Dort gibt es ein Heer von 200 000 Spezialisten mit hoher technischer Ausstattung, die nichts anderes machen, darauf ist Herr Hamann beispielsweise nicht eingegangen.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass die NSA und der britische Geheimdienst sowie das, was in China stattfindet, weit über den Auftrag, im Ausland Terrorgefahren – das haben die Chinesen wahrscheinlich eher weniger im Sinn – frühzeitig zu erkennen, hinausgeschossen sind und offensichtlich andere Motive verwirklichen, die hier auch zur Sprache gekommen sind. Dies muss nach Ansicht der CDU-Fraktion rechtlich wieder auf das erforderliche Maß reduziert werden. Das ist für uns auch klar, aber dabei hilft uns Snowden nicht weiter. Die CDU-Fraktion lehnt deswegen den vorliegenden Antrag der Koalition ab und weist darauf hin, dass die CDU und die SPD auf Bundesebene ebenfalls Asyl für Snowden in Deutschland ablehnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hinners, vielen Dank für Ihren Redebeitrag! Ja, es gibt Dinge, die wichtiger sind, wenn man vielleicht einen Horizont hat, der bis zum Concordia-Tunnel reicht, das ist in der Tat richtig!
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das kann man ihm nicht vorwerfen! – Abg. H i n n e r s [CDU]: Wollen wir jetzt persönlich werden, Herr Hamann?)
Nun seien Sie keine Mimose! Das ist ja schrecklich! Sollte ich Gefühle verletzt haben, dann nehme ich das hiermit ausdrücklich zurück!
(Abg. H i n n e r s [CDU]: Sie können mei- ne Gefühle nicht verletzen! – Abg. Ts c h ö - p e [SPD]: Willi, du hast auch keine!)
Eines habe ich jetzt verstanden, wenn es Gesetze gibt, dann ist es legal. In der ehemaligen DDR gab es auch Gesetze, Schießbefehl zum Beispiel, da würden Sie jetzt also sagen, das war legal. Gut, das kann man machen!
Dann haben Sie gesagt, ich hätte mich nicht mit China befasst, das ist vollkommen richtig. Ich habe mich auch nicht mit Pakistan oder Frankreich befasst. Der Antrag heißt dann anders, wir können uns auch einmal mit China beschäftigen. Das ist aber doch nicht Kern der Sache!
Ich möchte noch einmal auf andere Menschen eingehen, die ihr eigenes Leben geändert haben, Edward Snowden ist ja nur ein Aufhänger, es gibt weitere. Ich möchte kurz über Chelsea Manning sprechen, ehemals Bradley Edward Manning: Sie ist eine ehemalige technische Mitarbeiterin des US-Militärs. Sie hat im Jahre 2010 der Plattform WikiLeaks ein Video zugespielt. Auf diesem Film ist ein Kriegsverbrechen zu sehen, eine US-Hubschrauberbesatzung tötet Zivilisten. Nicht etwa diejenigen, die es gemacht haben, sondern Chelsea Manning ist zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, 35 Jahre für ein Kriegsverbrechen, das sie öffentlich gemacht hat. Man könnte nun meinen, dass Chelsea Manning erschüttert sei, nein! Der Verteidiger von Chelsea Manning hat ausführlich ihre Reaktion beschrieben. Manning sei es gewesen, so sagt er, die versucht habe, Anteilnehmende aufzumuntern. Sie betrachte auch die Verurteilung nur als Phase in ihrem Leben. Zitat: I’m moving forward, I will recover from this. Ich bewege mich vorwärts, ich werde mich davon erholen. Respekt!