Protocol of the Session on November 20, 2014

Ich habe verstanden, Sie möchten gern, dass wir einen Pilotversuch mit PGP machen. Das machen wir auch und berichten dann dem Ausschuss, damit man das miteinander bewerten kann. Ich rege auch an, dass wir die Datenschutzbeauftragte hinzuziehen und sie es dann mit den Erfahrungen, die wir gemacht haben, bewerten kann. Das ist aber auch nur ein Baustein von vielen anderen, das muss man hier auch ehrlicherweise sagen. Es gibt nur eine sehr kleine Anzahl Bürgerinnen und Bürger, die PGP zurzeit nutzen. Für diese ist das dann ein gangbarer Weg, aber für den Staat ist selbstverständlich weiter die Herausforderung, erstens auch mit den Menschen zu kommunizieren, die uns noch ganz unmodern einen Brief schicken wollen, und zweitens auch mit all den anderen, die nicht die absoluten Experten sind, sondern einfach nur das Papier sparen und uns eine Mit-teilung zukommen lassen wollen. Für diese müssen wir auch noch Wege suchen.

Vielen Dank für die Zusammenarbeit in dem Punkt! Wir werden uns dann mit einem Bericht über den Pilotversuch PGP wiedersehen, dann sehen wir weiter. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/1507 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Ein Jahr NSA-Skandal: Aufenthalt in Deutschland für Edward Snowden ermöglichen

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 30. Juli 2014 (Drucksache 18/1512)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr Snowden-Skandal oder -Affäre! Was wissen wir? Wir wissen, Ziel der NSA oder der US-Regierung ist es, jedes Land auszuspähen, egal ob Freund oder Feind. Der NSA ist es verboten, das im eigenen Land zu machen, die eigene Bevölkerung auszuspähen, und deswegen macht man das über Bande. Es gibt diese Five-Eyes-Gemeinschaft, das heißt, es wird über Großbritannien gemacht, von dort wird in den USA ausgeforscht, dann werden die Daten weitergegeben, und dann ist das alles gesetzlich in Ordnung.

Warum wird das gemacht? Natürlich gibt es immer ein paar Gründe, Grund Nummer eins ist die Terroristenabwehr, als Grund Nummer zwei kann man Drogenkriminalität einsetzen oder was es sonst gerade so gibt. Vermutet haben das alle, die sich damit beschäftigen, schon länger. Es gibt schon aus dem Jahr 1998 entsprechende Artikel, zum Beispiel im „Spiegel“ kann man das alles nachlesen. Erst Edward Snowden hat es aber mit Dokumenten bewiesen. Bisher ist noch keines seiner Dokumente infrage gestellt oder belegt worden, dass er an dieser Stelle gelogen hat. Edward Snowden ist kein Krimineller, sondern ein Warner. Er möchte die Bevölkerung warnen und schützen, und dafür sollten wir dankbar sein!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Was haben wir bisher erreicht? Man könnte sagen, wir haben eigentlich noch gar nichts erreicht, aber doch, wir haben eine Sensibilität für dieses Thema bekommen, und das ist doch schon etwas, damit geht es los. Einige möchten leider diejenigen bestrafen, die die Tat benannt haben, und nicht die Täter. Das ist für mich menschlich nachvollziehbar, dieser nicht aufrechte Gang ist einfacher und vielleicht auch besser für die Karriere, aber ist das richtig? Diese Frage kann man sich durchaus stellen.

Was wissen wir noch? Wir wissen, dass die USRegierung durch ihre Geheimdienste und auch die britische Regierung das Regierungsviertel in Berlin abhören. Auch das ist flächendeckend bekannt. Das Gleiche gilt auch für die EU-Kommission, die abgehört wird. Was könnte man machen? Man könnte das zumindest nicht dulden, man könnte entsprechend diese Menschen ausweisen. Was ist gemacht worden? Das wissen Sie: Nichts!

Was wissen wir noch? Wir wissen, US-Militärstützpunkte sind Horchposten und dienen auch dazu, das Umland auszuhorchen. Auch das wissen wir, auch dagegen könnte man etwas tun.

Was wissen wir noch? Wir wissen, dass die USRegierung auch Industriespionage betreibt. Hier finde ich eines interessant, die CDU, die angeblich eine

Wirtschaftspartei ist, schweigt an dieser Stelle! Industriespionage ist ein Feld mit einem Schaden – wir haben gerade über Schäden gesprochen, die es geben kann – von Milliarden Euro. Dazu sagt niemand etwas, das finde ich auch interessant! Was wir auch wissen, US-Firmen liefern Daten an US-Geheimdienste.

Was wissen wir noch? Der ehemalige Innenminister Friedrich hat vollständig versagt. Er hat sich einlullen lassen und ist wie ein kleiner Schuljunge, so hat es der „Spiegel“ geschrieben, wieder zurückgekommen, hat sich aber gefreut, dass er mit den mächtigen Menschen Essen gehen darf. Ob das ausreichend ist? Für mich wäre das nicht ausreichend. Dann wissen wir auch noch, Herr Pofalla hat alles aufgeklärt. Wir wissen, dass es natürlich nicht aufgeklärt ist. Wann endlich entschuldigt sich Herr Pofalla bei der deutschen Bevölkerung für diese Irreführung?

Das wird wahrscheinlich nie passieren. Das führt mich – und nicht nur mich, sondern auch andere – zu der Frage, was haben eigentlich die sogenannten deutschen Dienste gemacht. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Erste Möglichkeit: Sie haben sich daran beteiligt. Zweite Möglichkeit: Sie haben es gewusst, aber nur der Bundesregierung gemeldet, und die hat nichts getan. Das wäre eine Verletzung des Amtseides zum Beispiel von der Kanzlerin, Stichwort Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dieses Recht wurde dann millionenfach mit Füßen getreten. Dritte Möglichkeit: Die Dienste haben es gewusst, aber nichts gemeldet. Dann könnte man die Dienste abschaffen, weil sie eine Pflichtverletzung begangen haben. Die interessanteste Möglichkeit ist die vierte Möglichkeit: Die Dienste haben nichts gewusst, wie auch beim NSU. Dann muss man sich die Frage stellen: Wozu braucht man sie überhaupt?

Es gibt immer, wenn man sich solche Fragen stellt, zwei Einwände. Erster Einwand: Wir haben eine Wertegemeinschaft, deswegen dürfen wir das nicht kritisieren. Zweiter Einwand: Wir sind doch Freunde, und deswegen ist das in Ordnung. Ja, wir haben gemeinsame Werte, vollkommen klar, aber es gibt auch Unterschiede. Erster Unterschied: Denken wir an den Krieg im Irak. Die Regierung unter Gerhard Schröder hatte gesagt, wir beteiligen uns nicht an diesem Krieg, und im Nachhinein wissen wir, dass das auch richtig war, weil dieser Krieg falsch gewesen ist. Oder denken Sie an den 11. September. Als Sozialdemokrat denke ich natürlich an den 11. September 1973 und den Militärputsch in Chile. Damals wurde ein demokratisch gewählter Präsident durch die CIA abgesetzt.

Ja, gemeinsame Werte! Eine Wertegemeinschaft ist nutzlos, wenn es keine Kritik geben darf, weil Freunde eigentlich dazu da sind, dass man sich auch kritisieren darf.

(Zuruf des Abg. S t r o h m a n n [CDU])

Ja, Herr Strohmeyer, Sie kommen ja aus einer Gegend, wo es auch Wertegemeinschaften gab, RGW und so etwas.

(Zurufe von der CDU)

Herr Strohmann, Entschuldigung!

Damit ich richtig verstanden werde, ich mag Amerika, ich mag die Menschen, ich habe in den USA gearbeitet, in Boston und San Diego, das ist eine wunderschöne Gegend.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das kann man richtig heraushören!)

War das ironisch? Nein, nicht! Nein, das können Sie ja gar nicht!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich habe längere Zeit für eine US-Firma gearbeitet, und zwar in der wunderschönen Schweiz, mit Blick auf den Genfer See, das war ganz toll. Freundschaft braucht aber Respekt, und den Respekt muss man sich verdienen. Wir brauchen Mut, um das aufzuklären, und deswegen haben wir den Antrag gestellt, dazu komme ich aber gleich noch. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu dem Thema könnte man ganze Symposien abhalten, das wird auch gemacht, aber das schaffen wir vor 18 Uhr garantiert heute nicht mehr. Edward Snowden ist ein Thema, bei dem man dann wieder aus unterschiedlichen Gründen auch deutliche Unterschiede, klare Unterschiede, Haltungsunterschiede im politischen Raum wahrnehmen kann, und das ist, ehrlich gesagt, auch gut, denn es sind unterschiedliche Parteien in die Bürgerschaft gewählt worden, und die Bürger können sich dann entscheiden, was sie richtig und was sie falsch finden.

Bei Edward Snowden fragt man sich immer: Held oder Schurke, Vorbild oder Verräter, gut oder böse! Meistens ist es bei Menschen ja so, dass die Wahrheit irgendwo dazwischenliegt. Ich selbst kenne ihn nicht, mein Parteifreund, Hans-Christian Ströbele, hat ihn kennengelernt, er könnte jetzt auch etwas zur Person sagen. Edward Snowden kenne ich nur aus den Medien, und deswegen möchte ich ihn eigentlich an dem messen, was er getan hat, an seinen Taten, das ist, finde ich, die objektivste Chance, Edward Snowden gerecht zu werden. Wenn man ihn an seinen Taten misst, dann ist meine Bewertung vollständig klar – und da weiß ich mich auch mit der übergro

ßen Mehrheit der Grünen einig –, dann ist er sehr viel mehr Held als Schurke, dann hat er uns wirklich einen sehr großen Dienst erwiesen, und dafür kann man ihm gar nicht genug danken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist auch bezeichnend, wenn mit dem Verräterargument vorgegangen wird. Was hat er denn verraten? Der Kollege Hamann hat es schon gesagt, es scheint alles wahr zu sein, was er offenbart hat. Er hat nicht gelogen. Er hat nichts erfunden. Er hat niemanden falsch beschuldigt. Er hat vor allen Dingen ein Ausmaß der Bespitzelung öffentlich gemacht – dass es die gibt, hat wohl keiner bezweifelt, sie gibt es auch in allen Staaten, das muss man auch nicht immer gut finden –, eine Totalität, ich benutze das Wort einmal ausdrücklich in dem Zusammenhang, einen Totalitätsanspruch eines Geheimdienstes, alle Daten auf der ganzen Welt, alle E-Mails, alle Telefonate, den Datenverkehr komplett wahrzunehmen, zu filtern und auszuwerten, ganz egal, ob das, wie zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, zum Teil illegal oder vielleicht in dem einen oder anderen Land legal wäre.

Das heißt, der Spruch legal, illegal, scheißegal ist die Marschrichtung der NSA in dem Zusammenhang gewesen. Sie können es, weil sie dazu in der Lage sind, weil sie die Macht haben, und deswegen machen sie es auch dort, wo sie eigentlich gegen Gesetze anderer Länder verstoßen. Es stellt für mich keinen Verrat dar, diesen Vorgang öffentlich zu machen, sondern es ist für mich ein wichtiger Beitrag eines Whistleblowers in einer transparenten Gesellschaft, der die Datenfreiheit und die Datenautonomie an die erste Stelle stellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Er ist ein unglaublich hohes Risiko eingegangen. Er ist eigentlich, wenn man ihn so in den Medien sieht, ein eher schüchtern wirkender, eher unscheinbarer Mensch, der als Einzelperson mit einigen wirklich sehr vertrauenswürdigen Journalisten weltweit ein unglaubliches Risiko eingegangen ist, um einen solchen Coup, so muss man es ja nennen, zu landen. Seitdem hören wir auf vielen Kanälen – ob über Zeitungen, über das Fernsehen oder über das Internet – in verschiedenen Ländern von diesen Dokumenten, und die Dokumente scheinen alle wahr zu sein.

Die Legitimation war in der Tat der sogenannte War on Terror, also man glaubte, dass man auch in Deutschland den E-Mail-Verkehr vollständig ausspitzeln muss, um Terroristen ausfindig zu machen, und zwar ohne Rücksicht auf die massive Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin in Deutschland. Auch das hat er öffentlich gemacht, das heißt, er hat auch uns im Grunde genommen ein

Stück unserer Datenautonomie wiedergegeben, sodass wir zumindest wissen – es ist ja noch nicht abgestellt –, was andere mit unseren Daten, die uns privat gehören, tun. Dafür gebührt ihm auch wirklich alle Anerkennung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nun wird versucht, es als negativ hinzustellen, dass er in Moskau lebt, dass die Sowjetunion ihm Asyl gewährt hat. Ich finde es sehr merkwürdig: Wo sind die Staaten, wo sind die anderen Länder, die sich darum gerissen hätten, ihn aufzunehmen? Wenn ihn keiner haben will, dann geht er natürlich an den Ort, an den man ihn nimmt und wo man ihn auch schützt, was soll er denn sonst tun. Wer weiß, wie es ihm heute gehen würde, wenn er dieses Asyl nicht bekommen hätte.