Regalen deutscher Supermärkte. Vielfalt und Verfügbarkeit sind beeindruckend und der Verdienst der Land- und Ernährungswirtschaft. Das Angebot der Supermärkte ist global geworden, vom japanischen Sushi über Mittelmeerspezialitäten, mit denen wir unsere Urlaubserinnerungen wachhalten, bis hin zum argentinischen Steak. Die Ansprüche der Kunden sind gewachsen, das alles ist aber nicht zum Nulltarif zu bekommen. Deshalb müssen wir neben dieser sehr speziellen Debatte und diesen sehr speziellen Details zur Kennzeichnungspflicht auch eine grundsätzliche Debatte über den Wert der Nahrung weiter in diesem Hause führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier den Antrag, der zum Ziel hat, die Lebensmittelkennzeichnung zu erhöhen, um damit auch mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen. Ich sage aus Grüner Sicht: Dieser Antrag ist gut, er geht in die richtige Richtung, wir begrüßen ihn sehr!
Kunden und Verbraucher wollen wissen, was sie essen. Sie wollen sicher sein, dass nichts in der Nahrung enthalten ist, das ihre Gesundheit gefährdet. Lebensmittel, das heißt, es sind Mittel, die uns am Leben erhalten und die uns zum Leben dienen, dürfen eben nicht das Leben gefährden. Das ist ein Grund, der besonders für Allergiker und Asthmatiker besonders wichtig ist, sie sind auf eine klare Kennzeichnung der Inhaltsstoffe angewiesen, weil bestimmte Inhaltsstoffe Allergien und Asthma auslösen können, und das muss verhindert werden.
Das, was auf den Verpackungen steht, muss auch darin sein. Frau Grobien hat auf die natürlichen Aromastoffe hingewiesen, die vortäuschen, dass leckere Himbeeren in einem Produkt seien, obwohl sie es gar nicht sind. Dasselbe gilt für Erdbeeren oder Blaubeeren, bei denen uns blaugefärbte Sägespäne frisches Obst vortäuschen sollen, das ist in der Tat eine Täuschung der Kunden und der Verbraucher.
Kunden haben in der Regel, wenn sie im Supermarkt sind – zumindest geht es mir so –, keine Zeit, sich jedes einzelne Produkt ganz genau anzuschauen und zu recherchieren, was darin enthalten ist, gerade auch, weil oft auf den Inhaltslisten vieles nicht so eindeutig nachvollziehbar ist, sondern mit dem Buchstaben E gekennzeichnet ist. Das führt zu einer Verunsicherung.
Üblicherweise fällt der erste Blick auf das Etikett und auch dort wird uns oftmals etwas vorgetäuscht, zum Beispiel, dass im Joghurt frische Erdbeeren enthalten seien oder dass dort glückliche Rinder abgebildet sind, auch wenn das Fleisch aus einer Massentierproduktion kommt. Der freundliche Fleischer lächelt uns an, auch wenn wir wissen, dass in den Schlachthöfen unter ganz schrecklichen Bedingungen die Arbeiter ausgebeutet werden. Meistens sieht man auf der Verpackung einen wunderschönen Serviervorschlag, aber es eben nicht immer in der Packung enthalten, was uns auf der Packung gezeigt wird.
Wie nehmen wir eigentlich Nahrung wahr? Ich glaube, hier sind alle Sinne angesprochen, nämlich Sehen, Riechen, Schmecken und zum Teil auch Hören, wenn irgendetwas besonders knusprig ist, und damit uns das, was wir essen wollen, auch gefällt, gibt es eine ganze Reihe an chemischen Lebensmittelzusatzstoffen. Es gibt eine ganze Industrie, die sich nur mit diesen Lebensmittelzusatzstoffen beschäftigt: Es gibt Farbstoffe, damit es schön rot aussieht, Konservierungsstoffe, Verdickungsmittel, Antioxidationsmittel, Säuerungsmittel, Geschmacksverstärker, Trennoder Überzugsmittel, zum Beispiel Wachse, damit der Apfel schön glänzt. Oftmals ist alles das mit dem berühmten Buchstaben E deklariert. Wissen Sie, was sich unter der Bezeichnung E 620 verbirgt?
Es ist Natriumglutamat, das auch bei vielen eine Allergie auslöst! In der EU sind 320 chemische Zusatzstoffe zugelassen. Daran sehen Sie, dass man als Durchschnittskunde im Prinzip überfordert ist.
Ihr Antrag fokussiert sich vor allen Dingen auf diese chemischen Lebensmittelzusatzstoffe. Für uns Grüne ist ein weiterer Punkt eigentlich auch wichtig, und er betrifft die gentechnisch veränderten Organismen. Sie müssen deklariert werden, wenn sie als richtiger Inhaltsstoff in einem Lebensmittel enthalten sind, sie müssen nicht deklariert werden, wenn sie nur als Futtermittel dienen, und da sagen wir, dass das der Kunde eigentlich auch wissen möchte. Viele Menschen haben Angst vor gentechnischen Organismen, wie Gen-Soja, weil sie nicht wissen, welche Folgen entstehen können. Wir fordern insofern: Wenn gentechnisch veränderte Organismen, GVOs, als nicht direkter Inhaltsstoff, sondern als Futtermittel verwendet werden, dann muss das auch auf den Nahrungsmitteln deklariert werden.
Das Thema gentechnisch veränderte Organismen wurde in Deutschland intensiv diskutiert. Die Kunden haben sich eindeutig, öffentlich und laut gegen Gentechnik bekannt. Der Kunde hat Macht und hat
gesagt, er will keine Gentechnik – anders als in anderen Ländern – haben. Das zeigt: Der Kunde hat Macht. Der Kunde hat auch eine Verantwortung. Ja, die Grünen wollen, dass mehr regional gekauft wird. Wir wollen auch, dass Bioprodukte bevorzugt werden. Das ist gut für die Gesundheit. Das ist gut für den Klimaschutz und den Umweltschutz.
Ich sage Ihnen hier: Nahrungsmittel müssen gesund sein, und zwar für jeden Geldbeutel. Insofern fordern und unterstützen wir, dass es eine klare Deklarierung gibt.
Wir beantragen, dass der Antrag in die Gesundheitsdeputation überwiesen wird. Ich habe verstanden, dass auf EU-Ebene gerade evaluiert wird, dass es im Dezember einen Bericht zur Lebensmittelverordnung geben soll. Wir denken, dass dieses ganze Thema auf der Grundlage dieses Berichts in der Deputation ausgiebig diskutiert werden sollte. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht alles wiederholen, was meine beiden Vorrednerinnen gesagt haben. Ich glaube, die Problematik ist uns allen bekannt. Jeder von uns, der in den Supermarkt geht, geht mit einem bestimmten Einkaufsverhalten hinein. Ich persönlich schaue mir in der Regel nicht alles an, was auf den Packungen steht ist und bin auch mitnichten in der Lage, sämtliche Zusatzstoffe oder nicht als Zusatzstoffe deklarierten Zutaten, die darin enthalten sind, als das zu verstehen, was sie sind. Mir war zum Beispiel noch nicht bewusst, dass, wenn der Begriff „Eisensulfat“ auftaucht, es bei Oliven bedeutet, dass sie nicht schwarz, sondern nur schwarz gefärbt sind. Von daher finde ich, der Antrag, den die CDU hier eingebracht hat, geht in genau die richtige Richtung, dass man versucht, Zutatenlisten in ein Deutsch zu übersetzen, das man auch versteht, wenn man nicht Lebensmittelchemie studiert hat.
Was den Kunden wirklich interessiert, ist nicht, welche Zutat im Detail enthalten ist. Das mag bei den allergenen Stoffen anders sein. Ich teile auch die Haltung zum Thema Gentechnik. Der Kunde möchte einfach wissen, ob die schwarze Olive, die er kauft, tatsächlich schwarze Olive ist oder der lecker nach Himbeeren aussehende Joghurt auch tatsächlich Himbeere enthält oder er nur eingefärbt ist. Wenn einem das egal ist, ist es das gute Recht zu sagen: Ich kaufe auch gefärbte Oliven oder gefärbten Jog
Danke! – Frau Gobien hat schon angeführt, dass Studien zeigen, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher eben nicht richtig informiert fühlen. Man muss auch tatsächlich sagen: Wer sich einzelne Produktverpackungen ansieht, wie sie heute zulässig sind, kann eigentlich schon von Verbrauchertäuschung sprechen.
Bei dem beispielsweise rot gefärbten Apfelsaft, der als Johannisbeersaft deklariert wird, darf man vorn groß und breit Johannisbeeren aufmalen. Der durchschnittliche Verbraucher denkt, das sind Johannisbeeren. Wichtig für die Kennzeichnung des Produktes, was die Abbildung angeht, ist nur, dass das Produkt nach der vorne abgebildeten Frucht schmeckt. Sie muss nicht enthalten sein. Das sind Sachen, bei denen ich der Meinung bin: Das grenzt an Verbrauchertäuschung.
Genau deswegen begrüßen wir den Antrag. Uns geht es, ähnlich wie Frau Schaefer gesagt hat, zum einen darum, dass eine Evaluation der EU-Lebensmittelverordnung ansteht, die vielleicht einzelne Dinge aufgreift und über die wir in der Gesundheitsdeputation gern weiter vertieft diskutieren möchten. Mir geht es zum anderen darum, dass man Erfahrungen aus der Verbraucherforschung, in der erforscht wird, welche Informationen der Verbraucher auf so einer Verpackung sehen will, in einen Bericht der Deputation oder die Diskussion in der Deputation einfließen lässt.
Wer einmal die Internetseite Lebensmittelklarheit besucht hat, sieht Folgendes: Es gibt dort eine ganz interessante Aufmachung. Gezeigt werden Produktverpackungen und, worauf Verbraucher als Erstes achten und welches die Informationen sind, die man haben möchte. Im Moment ist es mitnichten so, dass auf Lebensmittelverpackungen nichts steht. Es steht sehr viel darauf. Man hat manchmal das Gefühl, jeden Tag kommt eine neue Bezeichnung dazu.
Von Bio gibt es – glaube ich – vier Siegel. Der Verbraucher weiß nicht mehr, was im Einzelnen dahintersteckt. Das Thema Gentechnik hatten wir. Momentan ist der Begriff „regional“ in Mode. Mir geht es auch darum, einmal darüber zu diskutieren, was wirklich auf der Verpackung stehen muss, was wo sichtbar platziert sein muss, damit der Verbraucher nicht fünf Minuten braucht, um ein einzelnes Produkt des täglichen Gebrauchs auszuwählen, sondern die Möglichkeit hat, sich kompetent zu informieren, seine Entscheidung bewusst zu treffen und eben nicht jeweils
mit einer Zutatenliste und einem Zutatenverzeichnis danebenzustehen, um dann zu überlegen, was er da hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Lebensmittelkennzeichnung ist ein wichtiges Thema. Insofern ist das ein hochsinnvoller Antrag der CDU. Man darf dabei nicht vergessen, dass er sich nicht nur an Wissenschaftler richtet, sondern insbesondere an Verbraucher und Verbraucherinnen. Wir haben vor ein paar Wochen hier auf dem Marktplatz gesessen und über Biofair diskutiert. Da gab es ein wirklich interessantes Beispiel, was eine wirksame Lebensmittelkennzeichnung ausmacht. Anhand der Kennzeichnung auf den Eiern ist inzwischen völlig klar, wie man sie nachvollziehen kann: null für Ökohaltung, eins für Freiland, zwei für Bodenhaltung und drei für Käfighaltung. Das hatte einen Effekt, und zwar den, dass die Käfighaltung beim Absatz von Eiern quasi zurückgegangen ist.
Trotzdem muss man sagen: relativ simpel, relativ eingängig und durchaus wirkungsvoll! Das ist übrigens ein Aspekt, der beim CDU-Antrag ein bisschen zu kurz kommt. Das ist in der Neufassung zwar besser, aber trotzdem nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Das Wesentliche bei der Lebensmittelkennzeichnung, das hier schon angesprochen wurde, ist tatsächlich die Lebensmittelklarheit. Den Hinweis auf die Website finde ich vollkommen richtig. Es muss verständlich sein. Es darf hinten nicht etwas anders darauf stehen, als vorn suggeriert wird, und umgekehrt.
Wir kennen das ja bei der Kräutermischung: Kräuter und Gewürze pur! Wenn wir Glück haben sind elf Prozent Gewürze darin. Wir kennen auch den Fruchtring mit den heimischen Früchten und regionales Obst und so weiter. Sie haben auch schon ein paar Beispiele genannt. Abbildungen sind auch ein wichtiger Punkt. Dass der Joghurt mit der Frucht darauf vielleicht einmal an einer Frucht vorbeigetragen worden ist, ist ja auch kein Geheimnis. Oder denken Sie an Analogkäse oder Presswurst. Das ist faktisch eine legale Form der Verbraucher- und Verbraucherinnentäuschung. Diese Organisationen und die Verbraucherzentralen fordern mit Recht, dass es um Klarheit gehen muss.
Was immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wissen möchten und im Rahmen des Transnationalen Freihandelsabkommens immer ein kritischer Punkt gewesen ist – er wurde hier glücklicherweise schon erwähnt –, ist die Frage der gentechnisch veränderten Lebensmittel. Gefragt wird auch: Was ist es für eine Produktionsart? Welche Futtermittel sind verwendet worden? Gefragt wird insbesondere, wenn es um Fleisch geht. Maishähnchen aus Frankreich ist ja schön und gut – aber was es frisst, wissen wir nicht. Da stehen Tür und Tor offen. Das sind Fragen. Hier fühlen sich Verbraucher und Verbraucherinnen verunsichert. Sie haben auch bei uns überall zu Recht eine große Diskussion entfacht.
Der CDU-Antrag konzentriert sich auch auf die Zusatzstoffe. Die Kritik an der Bezeichnung natürlicher Aromen ist vollständig zutreffend, ebenso die Kritik an den ausufernden funktionalen Additiven. Cleanlabeling nennt man das heute in der Lebensmittelindustrie. Die Verbraucher lesen ja nicht so gern, dass etwas mit E-sowieso enthalten ist. Also leistet man sich quasi andere Bezeichnungen, um die „E“ ein Stück weit hinauszufegen. Das ist in der Tat ärgerlich.
Ausgesprochen schade finde ich, dass die Kennzeichnung von Fleischerzeugnissen jetzt weggefallen ist, das finde ich ausgesprochen bedauerlich. Dabei geht es nicht nur um die Herkunftsbezeichnungen wie „Frankfurter Würstchen“, sondern es geht auch um die Haltung und die Produktionsart. In dem Moment, in dem man Salz dazugibt, ist es schon ein Fleischerzeugnis, und ich glaube, gerade beim Fleisch müssen wir sehr genau hinsehen und brauchen dort unbedingt ein Kennzeichnungssystem.
Ich möchte zum Schluss noch einmal auf einen Punkt hinweisen, der zumindest bei meiner Kollegin Frau Grobien angeklungen ist. Sie hat gesagt, dass wir uns grundsätzlich einmal über die Qualität von Lebensmitteln und Ernährung unterhalten müssen, aber auch, wie Frau Dr. Schaefer es gesagt hat, zu erschwinglichen Preisen. Wir haben uns früher einmal einen Warenkorb für Menschen angeschaut, die Hartz IV oder Sozialhilfe bekamen oder die Geringverdiener waren. Wir haben im Land Bremen 100 000 Menschen, die über Transferleistungen ihr Einkommen bestreiten müssen, für die alle Ausführungen weitgehend erst einmal effektfrei sind, weil sie sich selbstverständlich an dem Günstigsten orientieren müssen. Ich finde, da müssen wir es tatsächlich schaffen, diese Kennzeichnungspflicht auf allen Ebenen zu erreichen und auf der anderen Seite auch zu sagen, wie es denn möglich sein soll, sich für 4,63 Euro pro Tag diese Qualität tatsächlich zuzuführen. Das
ist ein gesellschaftliches Problem, das Folgekosten erwirkt, die nicht gerade besonders fröhlich stimmen. Ich finde, an dieser Stelle benötigen wir keine gesundheitliche oder eine durch die Ernährung bedingte Spaltung, sondern das muss selbstverständlich auch im Mittelpunkt stehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der in der Debatte zum Ausdruck gekommene fraktionsübergreifende Konsens in dieser Frage ist gut. Ich schließe mich den hier vorgetragenen Positionen ausdrücklich an. Man muss an dieser Stelle natürlich darauf hinweisen, fast alles, was heute thematisiert worden ist, unterliegt der Regelung der EU beziehungsweise den Ausführungsbestimmungen der nationalen Exekutive, also der Bundesregierung, und ist insoweit ein Regelungsgehalt, der sich nur in sehr kleinem Maße auch auf die Landesebene auswirkt, sodass vieles von dem, was hier vorgetragen worden ist, nicht durch uns, sondern auf nationaler Ebene beziehungsweise EU-Ebene zu regeln ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch ein Thema ansprechen, das aus meiner Sicht den Verbraucherschutz betreffend eine große Bedeutung hat und in seinen Auswirkungen nicht unterschätzt werden darf, das ist die Frage, wie man auf der exekutiven Ebene bei der Frage der Zuständigkeiten mit dem Themenfeld des Verbraucherschutzes umgeht. Bis zur Bildung der jetzigen Koalition lag der Verbraucherschutz in Berlin im Bereich des Landwirtschaftsministeriums.