Protocol of the Session on June 18, 2014

Auf der anderen Seite besteht an bremischen Schulen ein unglaublich großes Defizit an einer vernünftigen Berufsorientierung, und in den meisten Fällen liegt es wie immer am Engagement der jeweiligen Lehrkraft oder Schule, eine qualitativ hochwertige und eben nicht einseitige Berufsorientierung hinsichtlich des Geschlechts, aber auch des Profils in Bezug auf das Studium oder die Ausbildungsorientierung sicherzustellen. An dieser Stelle fehlt es an verbindlichen Leitlinien, um diese Situation, wie sie in der Antwort auf die Große Anfrage dargestellt wird, irgendwann signifikant verbessern zu können.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, hierfür wäre auch eine engere Verzahnung des Wirtschafts- und Wissenschafts- beziehungsweise Bildungsressorts notwendig sowie die Intensivierung von Unternehmenspartnerschaften mit Schulen. Schon lange ist ein solches Konzept angekündigt, aber nichts passiert, und ehrlicherweise kann auch ein Zukunftstag für Mädchen und Jungen diese Anforderung nicht erfüllen.

Darüber hinaus ist es ein absoluter Fehlschluss seitens des Senats anzunehmen, dass nur, weil mittlerweile 50 Prozent aller Studierenden weiblich sind, dies automatisch bedeutet, dadurch würden hochqualifizierte weibliche Fachkräfte für den Arbeitsmarkt in den relevanten Branchen ausgebildet. Hier ist eine realistische Differenzierung zwischen Studiengängen doch sehr zu empfehlen, weil netto eben die wenigsten dieser Studentinnen in den relevanten Branchen studieren, geschweige denn, nach Schule, Studium oder Ausbildung dort anfangen zu arbeiten.

Umso wichtiger sind eine geschlechtersensible Berufsorientierung, entsprechende Mentoring-Programme und eine vernünftige Betreuung junger Frauen in technischen Studiengängen. Dabei darf man die Themen Berufsorientierung und attraktive Arbeitszeitmodelle für junge Familien und Frauen keinesfalls getrennt betrachten. Unsere Gesellschaft hat hier ein Mammutprojekt vor sich, das man auf keinen Fall unterschätzen darf.

(Beifall bei der CDU)

Erst wenn diese drängenden Grundbedingungen erfüllt sind, die genauso relevant für unsere Anfrage zu den Frauenquoten sind, kann man ohne große Kritik solche Großen Anfragen debattieren und Erfolge feiern. Dies ist heute leider nicht der Fall.

Der Senat kann leider in der Antwort auf die Große Anfrage keine Maßnahmen hinsichtlich der angekündigten Fachkräftestrategie benennen, aber ich hoffe, dass man darin einiges von dem wiederfinden wird, was ich angeführt habe, und er sich nicht mehr allzu lange mit der Prüfung von Maßnahmen beschäftigt. Die CDU-Fraktion wird auf jeden Fall weiter nachhaken und nicht zuletzt bei der Debatte zu unserer Großen Anfrage weiter nachhaken, da wir dann auch tatsächlich in einen Bereich kommen, der direkt vom Senat beeinflusst wird. Am Ziel sind wir aus den benannten Gründen – und verzeihen Sie mir die Analogie zur Fußballweltmeisterschaft! – durch das hinhaltende Tiki-Taka oder, auf gut Deutsch gesagt, das Dümpeln der rot-grünen Regierungskoalition noch lange nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage „Wie schafft und sichert Wirtschaftsförderung Frauenarbeitsplätze?“ zeigt zuerst einmal ganz deutlich – das muss man auch sehen –, dass wir hier eigentlich in zwei Bereichen arbeiten.

Wir befinden uns bei der Wirtschaftsförderung in erster Linie im Landesinvestitionsprogramm, das in das GRW-Programm eingebettet ist. Dies ist ein Programm, das erst einmal Unternehmen anspricht, die Arbeitsplätze schaffen wollen. Das ist grundsätzlich ein, wie ich finde, ganz neutraler Ansatz. Dazu kommen in der Wirtschaftsförderung – wer da genauer hinschaut, wird es sehen – andere zusätzliche einzelbetriebliche Förderprogramme. Betrachtet man diese, haben wir dort ein ähnliches Ergebnis wie beim Landesinvestitionsprogramm. Gemeint mit diesen ganzen Programmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind aber die Unternehmen in Bremen und auch die darüber hinaus.

Unternehmen in Deutschland haben das Thema Gleichstellung, wie ich finde, zu lange vernachlässigt und tun dies immer noch. Gleichstellung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sie ist auch eine Frage wirtschaftlicher Vernunft und mitbestimmend für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Offene und durchlässige Unternehmenskulturen sind innovativer und in einer modernen Gesellschaft glaubwürdiger als verkrustete Wirtschafts- und Monokulturen, und sie sind besser auf unternehmerische Herausforderungen vorbereitet. Unternehmen werden in Zukunft noch mehr als heute nicht nur innovative Herausforderungen und Technologie-Know

how benötigen, sondern auch ihren wirtschaftlichen Erfolg ganz wesentlich aus der Kombination verschiedener Weltsichten, unterschiedlicher Perspektiven und vielfältiger Fähigkeiten erzielen müssen.

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Unternehmen, die mit gemischten Teams, wie es so schön heißt, arbeiten, erfolgreicher, dauerhafter und teamfähiger sind. Damit wird die Gleichstellung der Geschlechter ein entscheidender Faktor und eine wichtige Ressource für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum darstellen, das ist die Ansicht der Fraktion der Grünen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, es ist deshalb an der Zeit, den fachlichen, organisatorischen und kreativen Potenzialen beider Geschlechter gleichberechtigte Chancen im Wirtschaftsprozess zu schaffen, zudem wird der demografische Wandel unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren vor weitere große Herausforderungen stellen und das nicht nur in den MINT-Bereichen.

Die Erwerbstätigkeit von Frauen im Allgemeinen ist in den vergangenen Jahren gestiegen, sie arbeiten aber immer noch zu häufig nur in Teilzeit- und Minijobs. Nur 55 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten aktuell in Vollzeit. Damit erreicht Deutschland nur den vorletzten Platz in der EU, das ist ein bitterer Platz, der sicherlich nicht schön ist.

Die Arbeitszeiten von Müttern sind in den letzten Jahren sogar noch gesunken, wenn man sich das anschaut, hier kommen unterschiedliche Ursachen zusammen: die immer noch geschlechtsspezifische Berufswahl und das Ansehen von frauendominierten Berufen, die mangelnden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, innerfamiliäre Arbeitsteilung, geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen, aber auch finanzielle Fehlanreize wie das Ehegattensplitting, das aus unserer Sicht abgeschafft werden muss.

Warum so ausführlich? Wenn die Wirtschaftsförderung stärker zur Schaffung von Frauenarbeitsplätzen aufgefordert wird, geht es für meine Begriffe darum, das sogenannte Unternehmensbranding in den Beratungen zu verändern, darauf hinzuweisen – meine Kollegin hat das schon gesagt –, eine andere Sprache in Stellenanzeigen zu finden und andere Ziele zu definieren, damit Frauen nicht schon beim Lesen einer Ausschreibung sagen, ach, das ist sowieso nichts für mich, da wird nur nach Teamfähigkeit gefragt, da geht es nicht darum, Teams zu bilden. Ich glaube, daran muss man arbeiten.

Ich habe in dieser Woche eine Pressemitteilung einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft dieses Landes bekommen, in der es darum geht, im September einen Workshop zum Thema Unternehmensbranding zu veranstalten. Als ich das gelesen habe, habe ich den Geschäftsführer angerufen und ihn gefragt, ob das denn sein Ernst sei, ob er schon einmal von Gleich

stellungsgesetzen gehört habe oder auch davon, dass es darum geht, Frauen wie Männer anzusprechen und Unternehmen darauf hinzuweisen, dass ihre Zukunft darin besteht, Frauen stärker an Unternehmen zu binden. All dies findet in diesem geplanten Workshop nicht statt. Das Ende des Gesprächs war, dass der Workshop überarbeitet wird, und die Ausrede, dass man ihn von einem Drittanbieter dazugekauft habe, habe ich an dieser Stelle nicht gelten lassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Insofern bedanke ich mich für die Große Anfrage! Die Unternehmen sind hier diejenigen, die noch weiter sensibilisiert werden müssen, und ich hoffe, wir kommen ohne ein privates Gleichstellungsgesetz aus.

Letzter Satz: Für den öffentlichen Dienst gibt es ein Gleichstellungsgesetz, das funktioniert gut, da bin ich auch sehr zufrieden mit der Leistung des Senats, für die private Wirtschaft können wir das ja noch einmal nachholen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei aller Liebe, aber hier geht es nicht um die Unternehmen und wie sie damit umgehen, sondern auch um unsere Wirtschaftsförderung, und da sind wir in der Lage, Kriterien zu formulieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch einfach Unsinn zu sagen, der GRW-Ansatz wäre neutral. Er hat eine ganz spezifische Ausrichtung, und die hat ganz spezifische Konsequenzen. Da geht es tatsächlich darum, einmal zu reflektieren, wie wir Wirtschaftsförderung definieren und wie wir überhaupt den Begriff Wirtschaftspolitik sehen. Warum grenzen wir denn Gesundheit, Pflege, Bildung, Erziehung und Soziales aus? Das ist nach wie vor völlig getrennt von dem, was wir uns unter Wirtschaft vorstellen. Diese Art von Segregation im Denken kann ich nicht nachvollziehen, und ich halte sie auch nicht für nachhaltig und auch in keiner Weise für zukunftsfähig für diese Wirtschaftsförderung hier im Lande Bremen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen kann ich nicht einsehen, warum wir das weiter manifestieren. Das Problem ist, das ist mir durchaus klar, dass es nicht so einfach ist, da einen Schritt voranzukommen. Wenn ich mir aber im Ressort Wirtschaft, Arbeit und Häfen diese Herangehens

weise anschaue, dann ist die, wie ich finde, nach wie vor davon geprägt, rückwärtsgewandt zu denken, sie ist von einer Retrohaltung geprägt, und das grenzt die Frauen und die Potenziale für das Land Bremen aus.

Es geht darum zu sagen, dass wir die Kriterien für unsere Wirtschaftsförderung ändern und damit Einfluss nehmen und nicht darauf warten, dass die Unternehmen ihre Texte irgendwie ein bisschen gendergerechter formulieren. Das kann es ja wohl nicht sein! Wir müssen tatsächlich Strategien entwickelt, die relativ klar machen, wo Bremen steht, und wir müssen dies auch von den Unternehmen fordern, nur dann wird sich da in irgendeiner Weise auch etwas ändern. Wenn wir das nicht tun, können wir lange darauf warten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich will ganz deutlich sagen, es geht natürlich um die Unternehmen, aber wir können es nicht den Unternehmen allein überlassen, zumindest nicht an den Stellen, an denen die Unternehmen gefördert werden wollen.

Wenn öffentliches Geld eingesetzt wird, dann müssen auch öffentliche Interessen mit diesem Geld realisiert werden. Wir haben verbunden mit einer Förderung vor einigen Jahren bei der Ausbildung folgendes Prinzip umgesetzt: Dort, wo öffentliches Geld fließt, sind wir der Meinung, müssen sich die Unternehmen auch entsprechend an der Ausbildung beteiligen. Ich bin durchaus der Meinung – genau wie meine Vorrednerin –, dass, wenn öffentliches Geld fließt, wir in diesem Fall auch unsere Forderung nach Gleichstellung beziehungsweise nach Förderung von Frauenarbeitsplätzen verknüpfen müssen.

Auch mich haben in der Antwort des Senats zwar die verschiedenen Maßnahmen gefreut, die aufgeführt sind, und ich will sie auch überhaupt nicht schlechtreden. Ich glaube, dass es in Bremen durchaus ein Bewusstsein für das Thema gibt und sich mit diesem Thema auch auseinandergesetzt wird, aber das Ergebnis, das habe ich bereits in meinem ersten Beitrag gesagt, ist absolut unzulänglich.

Noch haben wir nicht den Erfolg, den wir uns wünschen. Das hängt mit Strukturen zusammen, das haben wir alle an dieser Stelle ausgeführt. Auch da, finde ich, muss man diese Strukturen sehr genau überdenken und überlegen, ob es nicht zielführend ist, genau die Zielsetzung solch eines Landesinvestitionsprogramms auch zu verändern, denn wenn das Ergebnis ist, dass dabei überwiegend Männer gefördert werden, dann ist das eben nicht im Sinne des

Gender-Mainstreamings und steht dem, was wir an anderer Stelle beschlossen haben, entgegen.

Daher nehme ich diese Große Anfrage jetzt auf, um daraus weitergehende Initiativen abzuleiten. Ich würde mich freuen, wenn wir da vielleicht auch interfraktionell zu einer Einigung kommen, denn unterm Strich, meine Damen und Herren, muss doch dabei herauskommen, dass die Förderung mit öffentlichem Geld geschlechtergerecht stattfindet. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Professor Stauch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies hier ist eine nicht ganz einfache Debatte. Das beruht, glaube ich, auch darauf, dass man die verschiedenen Förderprogramme getrennt diskutiert. Ich glaube, das ist nicht richtig, man muss von dem Ziel ausgehen. Über das Ziel sind wir uns völlig einig. Das Ziel ist, dass wir eine deutliche Frauenförderung betreiben, das wurde hier gesagt, das wesentliche Fachkräftepotenzial sind die Frauen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt!)

Das ist das größte vorhandene Potenzial, um die zukünftigen Fachkräftebedarfe zu decken. Das ist ein völlig richtiger Ansatz, den wir verfolgen müssen. Jetzt muss man im Grunde schauen, welche Förderprogramme wir haben, mit denen wir dieses Ziel vernünftig und am besten verfolgen können, das kann man nicht isoliert tun.

Wir haben auf der einen Seite das Förderprogramm Europäischen Sozialfond, ESF, in dem die Frauenförderung ein ganz zentraler Bereich ist. Auch im Bereich der Landesmittel, die wir einsetzen, ist Frauenförderung ein zentraler Bereich, den wir zu verfolgen haben. Ich kann für den Bereich des ESF sagen, von den bisher 11 700 geförderten Beschäftigten sind 5 500 Frauen, der Anteil der Mittel liegt bei 50,13 Prozent.

Wenn ich mir das Instrument Existenzgründungsförderung anschaue – ein anderes Instrument, das hier angesprochen wurde –, haben wir dort in den vergangenen Jahren einen Frauenanteil zwischen 44 und 47 Prozent. Auch da würde ich im Ganzen sagen, dass das ein ordentliches Ergebnis ist.