Im Herbst eines jeden Jahres ist man ja schon geneigt zu sagen: Alle Jahre wieder erblickt eine überregionale Vergleichsstudie das Licht der Welt. – Gebückten Hauptes bewegt sich die jeweils amtierende Senatorin durchs Land, sichtbar in der Hoffnung, dass das, was man neudeutsch einen bildungspolitischen Shitstorm nennen könnte, möglichst bald vorüberzieht, fast ritualisiert die Ergebnisse und die Reaktionen mit der erkennbaren Gefahr, es demütig und im Ergebnis konsequenzenlos hinzunehmen. Das ist und wird nicht unserem Anspruch einer verantwortungsvollen Bildungspolitik gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Am Beispiel der Ganztagsschule wird in mehrfacher Hinsicht deutlich, wie Ihre Politik in Wahrheit funktioniert. Bremen hat auch in den jüngsten Vergleichsstudien wiederum fatal abgeschnitten. Sie haben Ihre Analyse „sozial schwierige Verhältnisse in unserem Bundesland“ wiederholt. Ja, meine Damen und Herren, das spielt eine Rolle und hat, nebenbei bemerkt, auch mit Ihren politischen Verantwortungen zu tun. Wir haben das heute Morgen diskutiert. Die wichtige und nahe liegende Konsequenz, nämlich mit einer Steigerung hochwertigen Ganztagsschulangeboten zu antworten, zugleich Unterrichtsqualität und gleichzeitig Chancengerechtigkeit zu fördern, ziehen Sie aber gerade nicht, und das ist falsch, meine Damen und Herren.
Bleiben wir noch einmal ein bisschen beim Stichwort Unterrichtsqualität, bleiben wir auch noch ein bisschen – ein paar Zeilen – bei der Ganztagsschule! Da kam es Ihnen auf Schnelligkeit an, es kam Ihnen darauf an, schnell, halbherzig etwas Vorzeigbares zu präsentieren. Das Produkt heißt offene Ganztagsschule, in der sich die Lehrkräfte mühen,
Herr Güngör, einen anderen Unterricht zu realisieren, ist tatsächlich aber eher eine halbherzige Mischung aus Unterricht und Betreuung. Obwohl Sie wissen, dass das Gebot der Stunde eher ein Angebot in der gebundenen Form wäre, eröffnen Sie den bestehenden Ganztagsschulen nicht einmal eine Entwicklungstendenz und Entwicklungsperspektive dahin. Sie setzen auf Quantität und nicht auf Qualität.
Ihre Prioritätensetzungen, meine Damen und Herren, sind einfach die falschen. Ihre Politik löst keine Probleme, sondern ist Teil des Problems, meine Damen und Herren!
Noch einmal zur Ganztagsschule! Mit viel Verve haben Sie den Ausbau angekündigt, erst Vollgas und dann Notbremsung – Schippe drauf als Beruhigungspille und Nothilfe –, tatsächlich eher ein Dokument von kurzfristigem und konzeptlosem Denken, geeignet eigentlich nur als Vorschlag für das Unwort des Jahres! Sie wollen Haushalte auf Sicht steuern und vergessen dabei, dass Sie damit nicht nur Haushalte, sondern im Ergebnis faktisch auch Schulen auf Sicht steuern. Genau das Gegenteil aber ist richtig: Nur berechenbare und verlässliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit ermöglichen einen guten Unterricht.
Ihre Philosophie des Durchwurstelns und des Nichthandelns ist, im Klartext gesagt, Gift für unsere Schulen. Ihr „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ bei den Ganztagsschulen ist ein gutes Beispiel für ein erstes Opfer einer fatalen Politik nach Kassenlage und ein Beispiel dafür, wie man in der Bildungslandschaft eben nicht steuert, meine Damen und Herren.
Ganztagsschule und das Drama Ihrer Politik – die vierte: Gerade die Entwicklung von Schulen ist aus vielen Blickwinkeln heute im Fokus des Interesses. Bildungspolitik lebt vom Dialog, lebt von der Transparenz. Die Beteiligten setzen auf die Verlässlichkeit und die Entwicklung ihrer Schulen. Denn das hat Konsequenzen für eine ganze Reihe von Lebensbereichen, übrigens nicht zuletzt für die berufliche Planung in den Familien. Ihr Manövrieren, zum Beispiel im Stadtteil Schwachhausen, wo die Schule An der Gete seit geraumer Zeit Zusagen und Planungen anmahnt, um dringend benötigte Ganztagsangebote zu realisieren, ist ein Beispiel dafür, wie man eben nicht mit der Sache, aber insbesondere auch nicht mit Menschen umgeht, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Beispiel der Ganztagsschulen macht klar: Wir brauchen nicht nur eine andere Bildungspolitik in der Sache, sondern auch in der Art und Weise, wie sie angelegt und wie sie vermittelt wird. Wir brauchen ein Bild von der Schule in der Zukunft. Denn wer nicht heute damit beginnt, wird morgen keine veränderte Schule haben. Wir brauchen eine Agenda, die sich systematisch und transparent mit den Themen beschäftigt und auf eine Perspektive in der Schule in der Zukunft angelegt ist. Erst dann brauchen wir eine Ressourcendebatte, um das Wünschenswerte mit dem
Machbaren zu vereinen. So herum, meine Damen und Herren, geht Politik, so herum ist die Reihenfolge richtig – und eben nicht andersherum.
Wer einen neuen Weg beschreiten will, orientiert sich erst einmal, wo er ist. Schlechte Ergebnisse im Vergleich, wie gerade jüngst in der Studie der IQB, bedeuten letztlich schlechtere Wettbewerbs- und Lebenschancen unserer Absolventen, zum Beispiel auch in der Konkurrenz um Ausbildungsplätze. Wer diese Realität leugnet, lebt in einer Mischung aus Selbstbetrug und Selbstzufriedenheit.
Wir brauchen genau das Gegenteil: eine kritische Bestandsaufnahme, die auch die Draufsicht von außen mit einbezieht! Wir müssen endlich wissen, was andere anders machen. Da kommen Sie mir jetzt, meine Damen und Herren, nicht mit Geld! Das scheint für Gutachten und Beratung ja auch sonst reichlich vorhanden zu sein, wie die Gutachten im Zusammenhang mit der Rekommunalisierung der Energienetze eindrucksvoll unter Beweis stellen. Für die Zukunft der Kinder, meine Damen und Herren, sollten auch ein paar Euro übrig sein.
Zweitens brauchen wir eine Agenda bildungspolitischer Themen. Wir haben dazu mit unserem Antrag einen Vorschlag gemacht, Themen benannt, die unserer Auffassung nach bearbeitet werden müssen; vielleicht nicht vollständig, vielleicht werden sie so, wie wir sie beschrieben haben, inhaltlich nicht von allen geteilt, aber darauf kommt es, meine Damen und Herren, hier auch gar nicht hauptsächlich an. Es kommt darauf an, endlich anzufangen.
Ein Beispiel: Seit geraumer Zeit diskutieren Sie, gelegentlich peinlich öffentlich, über die Zukunft der Oberschule Sebaldsbrück, bis dato ohne abschließendes Ergebnis. Auch die Grünen haben in der Deputation bestätigt, dass diese Diskussion etwas mit der Schulentwicklungsplanung für den ganzen Osten zu tun hat. Dieses Beispiel zeigt, dass die Schulentwicklungsplanung von 2009 insgesamt auf den Prüfstand gehört, meine Damen und Herren.
Unser Anspruch, drittens: Wir wollen ein Bild der Schule von morgen, mit der wir heute beginnen müssen, damit sie in der Zukunft praktisch relevant werden kann. Schulen sind schon heute nicht mehr reine Bildungseinrichtungen. Ihre Aufgaben in ihrem Stadtteil, zum Beispiel in der Integration, sind heute ganz anders, als sie gestern waren, und sie werden morgen noch ganz anders sein. Viele Fragen schließen sich an, zum Beispiel die jugendbezogenen Kompetenzen endlich auch verwaltungsmäßig zu bündeln
und damit effizienter und wirkungsvoller zu gestalten. Vielleicht brauchen wir eine andere und eine veränderte Lehreraus- und -weiterbildung. Wie kann die frühkindliche Förderung intensiviert und endlich mit der schulischen Bildung besser verzahnt werden?
Einige dieser Themen sind vielleicht nicht neu, trotzdem erkennen wir keine Fortschritte. Stellen wir uns diesen Aufgaben, eine Schule für die Zukunft zu entwickeln, ohne in eine Strukturdebatte nach dem Muster hoffentlich vergangener Zeiten zu verfallen. Denn im Kern kommt es auf den guten Unterricht vor Ort an! Lassen Sie uns einen Masterplan für Schulen auf den Weg bringen, der endlich inhaltliche, strukturelle Fragen und am Ende auch die Ressourcenfragen beantwortet und so geeignete Rahmenbedingungen für die Zukunft schafft, meine Damen und Herren!
Ein weiteres Beispiel: Vor nicht allzu langer Zeit haben wir hier das Thema der Eigenständigkeit von Schulen diskutiert. In der Sache waren wir uns offensichtlich einig, jedenfalls habe ich keine besonders strittige Diskussion wahrgenommen. Es kommt aber nicht darauf an, ein solches Thema nur frucht- und folgenlos zu diskutieren, zu debattieren und einfach einmal eine neue bildungspolitische Sau durchs Dorf zu treiben, um anschließend wieder in Lethargie zu verfallen. Es kommt darauf an, es konzeptionell und praktisch umzusetzen. Da ist unser konkreter Vorschlag, Ziele mit den Beteiligten zu definieren, Planbarkeit herzustellen und, viertens, Zielvereinbarungen mit jeder einzelnen Schule zu vereinbaren und zu erreichen. Darum brauchen wir hier dringend einen bildungspolitischen Dialog nicht nur unter uns, sondern eben auch mit den Beteiligten, meine Damen und Herren.
Ein letztes Beispiel: Seit Jahren diskutieren wir die Situation des Biblischen Geschichtsunterrichts; unstrittig wohl vielfach eher ein Stiefkind in der Wirklichkeit unserer Schulen, häufig –
ich komme zum Schluss! – fachfremd erteilt. Alle sehen die Verbesserungsbedürftigkeit, alle wissen, dass es so in dieser Realität nicht bleiben kann, aber auch da, seit Jahrzehnten hätte ich fast gesagt, seit Jahren keine Veränderungen, keine Bewegung! Meine Damen und Herren, es ist einfach so, dass Sie sich um diese Themen nicht kümmern.
Nicht alles kann man hier ansprechen. Dieser Antrag ist im Kern ein Weckruf, ein Vorschlag einer Agenda, eine Positionsbestimmung aus unserer Sicht, aber eben ausdrücklich nicht, wie häufig heutzutage in der politischen Diskussion zu hören, unverhandelbar. Nur wer seine eigenen Hausaufgaben macht und löst, wird Unterstützung zum Beispiel auch auf der Bundesebene finden. Wir wollen heute eine Dis
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe CDU-Fraktion, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass mit dem Schulentwicklungsplan und dem Bildungskonsens prinzipiell wichtige und im Grundsatz richtige Strukturentscheidungen getroffen worden sind. Dabei fällt auf: Sie sprechen von Strukturentscheidungen. – Wer bei der Schulreform von einer Strukturreform spricht, hat die Schulreform nicht verstanden.
Liebe CDU-Fraktion, Sie verkennen in diesem Zusammenhang einfach die Lage. Weder die Schulreform noch der Schulentwicklungsplan sind eine bloße Strukturreform. Der Schulentwicklungsplan ist auch eine qualitative Umgestaltung insbesondere der Sekundarstufe I. Wir haben doch 2008 – das ist noch nicht so lange her – gemeinsam im Fachausschuss mit vielen ständigen Gästen wie Vertretungen von Eltern, Schülern und Lehrkräften, aus Verbänden, Institutionen und der Wirtschaft gemeinsam einen Schulentwicklungsplan erarbeitet. Wir haben dazu renommierte Bildungsexperten angehört. Wir haben versucht, aus den Erfahrungen erfolgreicher Schulen in Deutschland zu lernen. Letztlich haben wir 19 Empfehlungen verabschiedet, davon sogar 14 einstimmig mit der CDU, mit der FDP und der LINKEN. Jetzt wollen Sie einen Masterplan nach dem Schulentwicklungsplan, den wir noch gar nicht abgearbeitet haben. Das ist doch keine sinnvolle Herangehensweise, Herr Dr. vom Bruch.
Der Schulentwicklungsplan und insbesondere die Empfehlungen haben doch das zentrale Ziel, die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, und beschreiben gerade die Schule von morgen. Jetzt nehmen Sie – leicht populistisch, wie ich finde – die aktuellen Ländervergleichsstudien zum Anlass und verweisen auf die schlechte Platzierung. Auch Sie wissen: Die letzte Studie hatte keine Schüler getestet, die von der Schulreform profitieren. Die jetzt getesteten Schülerinnen und Schüler haben ihre Schulzeit – voneinander separiert – getrennt in Gymnasien, Gesamtschulen, Werkschulen, Förderzentren, Schulzentren mit Sekundarschule und Gymnasialklassen durchlaufen. Wir sind noch mitten in der Umsetzung der Schulreform. Von Stillstand oder von einem „Weiter so!“ kann hier nicht die Rede sein, meine Damen und Herren!
Trotzdem haben wir einen gemeinsamen Punkt. Wir haben als SPD-Fraktion nach dem jüngsten Ländervergleich der Grundschulen und auch vor einigen Wochen für die Sek I gefordert, die Ergebnisse mit externen Experten aufzuarbeiten und in Schulen gemeinsam aufzuarbeiten und Schulen, die vor besonderen Problemlagen stehen, zu helfen. Aber für diese gemeinsame Forderung brauchen wir meines Erachtens definitiv keinen Masterplan.
Meine Damen und Herren, ich will noch einige Punkte benennen und aufzeigen, warum Ihr Antrag auch in den Einzelthemen nicht hilfreich, nicht zielführend oder schon Bestandteil des Schulentwicklungsplans ist. Ich fange einmal von hinten an. In Punkt 4 b fordern Sie einen möglichen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Sinnvoll, aber teuer, und in der Tat nur mit Bundesmitteln finanzierbar. Das Ausbauprogramm für Ganztagsschulen ist noch zu Zeiten der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn aufgelegt worden. Seitdem gibt es vom Bund nichts. Da fragt man sich, ob Sie diese Aussage wirklich ernst meinen.
In Punkt 4 a wollen Sie den Senat auffordern, sich an einer Debatte zum Bildungsföderalismus initiativ und aktiv zu beteiligen. Der Bürgermeister und Präsident des Senats verhandelt genau aktuell zu diesem Thema mit Ihren Kollegen im Bund. Falls Sie damit auf die letzten Jahre anspielen: Es waren bestimmt nicht Ihre Minister, die sich hilfreich für die Städte und Kommunen eingesetzt haben. Aber aktuell wollen wir trotzdem gemeinsam auf ein gutes Ergebnis hoffen.
Zu den Punkten 3 a bis c kann ich nur auf den Schulentwicklungsplan verweisen; ich habe ihn auch ausgedruckt und mitgebracht.
In Punkt 2 findet sich am Ende zum Beispiel die übliche Polemik zur Schulsozialarbeit wieder; die Maßnahme im Rahmen des Bildungspakets der schwarz-gelben Koalition im Bund, die nicht nachhaltig war. Wir haben uns auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass die Mittel dafür verstetigt werden. Den Punkt Personalentwicklung im Bildungsressort, den Sie ansprechen, haben wir gerade jüngst als SPDFraktion auf der letzten Deputationssitzung nach Gesprächen mit verschiedenen Vertretungsorganen angeregt und gefordert. Dass eine Zuweisungsrichtlinie, die Sie hier ansprechen, zurzeit im Ressort in Arbeit ist, wissen auch Sie.
Die Senatorin Frau Professor Dr. Quante-Brandt hat hier volle Transparenz angekündigt. Wir unterstützen und begrüßen das ausdrücklich.