Protocol of the Session on September 28, 2011

Ich schlage vor, den Antrag der LINKEN abzulehnen und unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuchel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der LINKEN greift ein wichtiges gesellschaftliches Thema auf, versucht aber parallele Strukturen zu schaffen, ohne uns zu verraten, wie diese Beratungsstelle – diese unabhängige, zusätzliche zentrale Beratungsstelle – zu finanzieren ist. Deswegen wird die SPD-Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen!

(Beifall bei der SPD)

Diskriminierungen von Menschen aus verschiedensten Gründen sind nicht hinnehmbar. In diesem Zusammenhang freue ich mich heute, dass wir dieses Thema diskutieren, dass wir miteinander sprechen und dass wir für dieses Thema politische Verantwortung übernehmen. Viele Menschen in Bremen, aber auch in Deutschland, arbeiten beruflich und ehrenamtlich daran, Diskriminierungen zu verhindern und Menschen in Fällen von Diskriminierung zu helfen. Das Beratungsangebot ist in Bremen entsprechend vielseitig, und wir haben von Frau Dr. Mohammadzadeh schon eine Reihe von Institutionen und Einrichtungen aufgezählt bekommen. Ich werde diese jetzt nicht wiederholen. Der Antrag der LINKEN vermittelt den Eindruck, durch die Einrichtung dieser Beratungsstelle werden die Probleme aus der Welt geschafft, das ist überhaupt nicht der Fall.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Das vermit- telt der Antrag überhaupt nicht!)

Der Antrag der LINKEN basiert auf der Empfehlung einer einzigen, wenn auch wichtigen Einrichtung, dem Bremer Rat für Integration. Ich bin Mitglied des Bremer Rats für Integration.

(Zuruf von der LINKEN)

Das stimmt! Natürlich! Erst einmal muss man aber die Verantwortung übernehmen können. Ist man also in der Interessenvertretung oder im politischen Geschäft? Natürlich ist es meine politische Verantwortung, und ich nehme das ernst. Ich nehme den Vorschlag wahr, aber vor dem Hintergrund, dass wir nicht nur eine Einrichtung haben. Wir haben mehrere etablierte Beratungsstellen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber im- mer nur für eine spezifische Diskriminierung! Das ist doch das Problem! Wir brauchen eine, die horizontal arbeitet!)

Natürlich! Das ist es ja!

Ich komme aus der Migrationsberatung für Erwachsene. Ich bin dort seit zwölf Jahren aktiv und im Geschäft. Wenn ich mir vorstelle, dass eine türkische Frau, die tatsächlich diskriminiert wird, in eine unabhängige, zusätzliche zentrale Beratungsstelle kommt und dort auch gemeinsam mit Lesben und Schwulen beraten werden soll, dann ist es so, dass das nicht passieren wird, und da können Sie mir, Herr Tuncel, bestimmt auch zustimmen. Meine Frage ist, was eigentlich die anderen Institutionen und Einrichtungen sagen. Wurden sie gefragt?

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ja, ha- ben wir!)

Sind sie damit einverstanden? Gibt es ein Netzwerk? Wir haben kein ausgeprägtes Netzwerk in Bremen, das ist ja der Punkt. Wir haben es bis heute nicht geschafft, gemeinsam festzustellen, was wir brauchen und wo wir heute stehen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Stellen Sie sich einmal vor, wir haben mit ganz vielen Einrichtungen gesprochen!)

Ich komme auch aus der Praxis.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Tut mit leid, wir haben mit denen gesprochen!)

Angesichts der vielen verschiedenen Formen der Diskriminierung muss die Frage erlaubt sein: Sind mehrere spezifische Stellen, wie es sie jetzt gibt, nicht besser?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es spricht nichts gegen einen eventuellen zentralen Ansprechpartner, der die Betroffenen an die richtigen Stellen verweist. Dazu muss man aber nicht gleich eine komplett neue Einrichtung schaffen, denkbar wäre zum Beispiel eine entsprechende neue Internetseite. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet ebenfalls sehr gute Informations- und Beratungsmöglichkeiten.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Genau, die wollen, dass in den Ländern eine Antidis- kriminierungsstelle eingerichtet wird!)

Richtig! Genau! Dass sie erst einmal miteinander verbunden werden, und das ist genau der Punkt! Es muss geprüft werden, und das machen wir auch mit unserem Antrag, inwieweit man überhaupt Doppelstrukturen aufbauen muss beziehungsweise welche Angebote wirklich hier vor Ort benötigt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wünschenswert ist vieles, und dafür ist die Fraktion der LINKEN bekannt, aber in einer Haushaltsnotlagesituation sind dies auch Fragen, die man stellen muss. Bremen verfügt über kein ausgeprägtes Netzwerk bestehender Institutionen, und es sind daher folgende Maßnahmen erforderlich: die Zusammenarbeit der Beratungsstellen untereinander, die Entwicklung eines gemeinsamen Konzepts und die Benennung der gemeinsamen Schritte. Dem Thema Diskriminierung muss mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Offensive für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft sollte sich Bremen anschließen. Bremen wäre damit nach Berlin, Hamburg und Brandenburg das vierte Bundesland, das sich der Koalition gegen Diskriminierung anschließen würde. Ich bitte um die Zustimmung zu unserem Antrag! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer in Bremen diskriminiert wird, findet vielerorts Ansprechpartner, und das ist gut so, denn gegen Diskriminierung muss entschieden vorgegangen werden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung, es gibt die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Menschen mit Migrationshintergrund können ebenso Ansprechpartner oder spezielle Beratungsstellen finden wie auch homosexuelle Menschen. Ein Fanprojekt von Werder Bremen kümmert sich um Diskriminierung im Sport, die Mitglieder von Betriebsräten sind Ansprechpartner, genauso wie die Frauenbeauftragten, die es zum Beispiel an der Hochschule, in den Krankenhäusern oder bei Radio Bremen gibt.

Wer in Bremen diskriminiert wird, kann sich sogar bei Bedarf per E-Mail oder auch telefonisch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Das ist, denke ich, für die Männer sehr interessant, weil sie sich ja von den vielen Frauenbeauftragten oft nicht so gut vertreten fühlen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will jetzt nicht alle Stellen aufzählen, aber ich bin mir nach meiner Recherche sicher, dass wir kei

ne neue Antidiskriminierungsstelle brauchen, und darum werden wir auch den Antrag der LINKEN ablehnen! Die Idee, sich der Initiative „Koalition gegen Diskriminierung“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes anzuschließen, finde ich gut und unterstützenswert. Berlin, Hamburg und Brandenburg haben sich dieser Initiative bereits angeschlossen. Gleichzeitig sollten wir dann aber natürlich die vorhandenen Ressourcen in Bremen einmal genauer unter die Lupe nehmen. Bestimmt können einige Angebote noch optimiert werden. Auch die Vernetzung der Angebote untereinander ist verbesserungswürdig. Diese Optimierung vor Ort und das öffentliche Bekenntnis gegen Diskriminierung ist ja auch das Anliegen der Bundesinitiative. Da die Bremer Koalition diese Überlegungen in ihrem Antrag aufgegriffen hat, wird die CDU diesen Antrag mittragen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin dann sehr gespannt auf die Berichterstattung, die die Koalition gleichzeitig auch beantragt hat, die in einem Jahr folgen soll, und ich freue mich darauf. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte kurz noch etwas zum Antrag der Koalition sagen! Ich habe ihn ja heute ziemlich kurzfristig bekommen, habe mich dann intensiv damit beschäftigt und versucht herauszufinden, ob es dort irgendetwas Konkretes gibt. Ich habe aber nichts gefunden, weil nichts darin teht. Das ist für mich nur Gerede, deshalb werden wir uns enthalten. Herr Präsident, ich beantrage, dass bei unserem Antrag über jede Ziffer einzeln abgestimmt wird. – Danke! interjection: (Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Um es ganz kurz zu machen: Wir werden nicht für jedes Problem der Welt eine eigene Beratungsstelle schaffen können!

Ich glaube, das müssen wir auch gar nicht, weil in Bremen ein sehr gutes Netzwerk besteht.

Lassen Sie mich aber ausführen: Artikel 2 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, eine oft unterschätzte Landesverfassung, aber eine sehr gute, formuliert, wie auch das Grundgesetz, unmissverständlich, dass Diskriminierung entgegenzutreten ist. Niemand darf diskriminiert werden, so steht es in der Landesverfassung, weder „wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner sozialen Stellung, sexuellen Identität,“ – und das ist noch vor einer gewissen Zeit neu in die Landesverfassung aufgenommen worden – wegen „seiner religiösen und politischen Anschauungen“. Dies ist eine der zentralen Säulen, auf denen unsere Gesellschaft aufbaut. Es ist Leitlinie unseres politischen Handelns als Senat, und wir sind auch stolz darauf. Wir werden uns als Senat daher selbstverständlich der Offensive für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft anschließen.

Das Eintreten gegen Diskriminierung ist – davon bin ich überzeugt – uns allen ein zentrales Anliegen. An diesem Konsens darf zu keinem Zeitpunkt, Herr Tuncel, ein Zweifel bestehen. Das ist Konsens hier im Hause.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dem Vorschlag, eine unabhängige zentrale Antidiskriminierungsstelle einzurichten, können wir jedoch nicht folgen. Sie stellt für uns eben nicht die gebotene Antwort auf die Herausforderung in diesem Bereich dar. Es mangelt uns nicht an Einrichtungen und Personen, deren Aufgabe die Bekämpfung von Diskriminierung ist. Es gibt eine Vielzahl von Beratungsstellen und Akteuren innerhalb und außerhalb der Verwaltung, die sich hier engagieren. So speziell die jeweiligen Fragestellungen und die Einzelfälle sind, so speziell sind ihr Wissen und ihre Expertisen.

Eine neue zentrale Stelle, das will ich hier klar sagen, würde nur zusätzliche Kosten verursachen. Bei den kommenden Haushaltsberatungen würde die Neueinrichtung auch Schmerzen verursachen, weil wir andere Angebote einstellen müssten, und bitte sagen Sie mir: Welches Angebot soll ich im Sozialbereich dafür einstellen? Auf den ersten Blick fällt mir jetzt nichts so leicht ein.

Anstatt eine neue übergeordnete Stelle zu schaffen, müssen wir stärker auf die bestehenden Einrichtungen und Ansprechpartner in der Verwaltung hinweisen. Die existierenden Rechte und Möglichkeiten sind oft noch zu unbekannt und könnten stärker in Anspruch genommen werden. Wenn sich Männer im Land Bremen schlecht repräsentiert und vertreten fühlen, wie ich es soeben gehört habe, dann schmerzt mich das als Senatorin – das würde den gan

zen Senat auch ziemlich betrüben, das wollen wir natürlich nicht –, aber ich denke, dass jeder Bremer, egal, ob Mann oder Frau, in Bremen gut durch die Anzahl der Beratungsstellen, die wir hier haben, vertreten wird.