Wir sagen, es muss auch von der Bundesregierung endlich einmal der Pflegebedürftigkeitsbegriff definiert werden. Hier wurde bisher nichts erreicht, obwohl es gute Vorschläge gibt. Wir hatten das Jahr der Pflege, aber durch Herrn Bahr ist nichts passiert. Was hat er getan? Er hat die Versicherungswirtschaft mit seiner Zulage in Höhe von 5 Euro gestützt.
In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage steht, dass auf Bremer Ebene auch zusätzlich heimrechtliche Prüfungen weiterhin stattfinden sollen und sich als Ergänzung für den TÜV-Bericht verstehen, und das finden wir positiv. Auch unterstützt der Senat unsere Forderungen, dass unabhängige Verbraucherorganisationen ebenfalls die Qualität der Pflege darstellen sollen.
Insgesamt begrüßen wir die Antwort des Senats, allerdings stellen wir fest, dass es noch einiges zu leisten gibt.
Weder gibt es ein Konzept noch eine ordentliche finanzielle Absicherung im Pflegealter. Was wurde uns da noch im Jahr der Pflege versprochen, und was wurde davon gehalten? Nichts! Wir als Koalition haben auf Bundesebene durchgängig gute Vorschläge gemacht, unter anderem zur Finanzierung. Wir wollen auch die Bürgerversicherung, die in der Pflege höhere Effekte erzielt als sogar in der Krankenversicherung. Warum gibt es eine private und eine gesetzliche Pflegeversicherung? Die Leistungen sind gleich. Hier ist es vonnöten, dass sofort gehandelt wird.
Wir als SPD sagen des Weiteren, dass der Pflegebeitrag um 0,5 Prozentpunkte erhöht werden soll. Das unterstützen wir, weil die Zukunftsbedingungen erfordern, dass auch in dem Bereich etwas mehr Geld in das System fließen muss.
Auch haben wir ein systematisches Konzept für eine Pflegereform aufgebaut, also, wie gesagt, letztlich lässt
sich hierdurch die Qualität entscheidend verbessern. Wir haben noch viel zu tun, und wir werden den Pflege-TÜV auch noch einmal auf seine Wirksamkeit hin überprüfen und reformieren. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Wenn du ein totes Pferd reitest, steige ab!“ Mit diesem Satz hat jemand kürzlich seinen Eindruck vom Erfolg beziehungsweise eben Misserfolg der Einrichtung eines eigentlich gut gemeinten Pflege-TÜV wiedergegeben. Auch der Bremer Senat ist mit den bisherigen Ergebnissen des Pflege-TÜV nicht zufrieden, wie wir in der Antwort des Senats auf die Große Anfrage nachlesen können. Er denkt über die zusätzliche Veröffentlichung der auf Länderebene zu erhebenden heimrechtlichen Prüfungen nach.
In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen wird erneut deutlich, wie schwer doch die Einsetzung eines Prüfsystems sein kann, wenn bei der Umsetzung die Interessen verschiedener Akteure aufeinanderstoßen. Der Auftrag des Bundesgesetzgebers an die beteiligten Institutionen, zu denen die Pflegekassen, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung und die Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene gehören, war, eine Pflege-Transparenzvereinbarung zu erarbeiten. Damit wurde die Hoffnung verbunden, einen Startschuss für mehr Transparenz in der Pflegequalität zu geben. Diese Vereinbarung wurde dann aber gleich schon von den ausführenden Akteuren als vorläufig bezeichnet, weil allen klar war, dass es für ein gutes Qualitätsbemessungssystem gar keine verwertbaren pflegewissenschaftlichen Grundlagen gibt. Leider wurden bei der Erarbeitung des jetzigen Systems auch wichtige Interessengruppen, zum Beispiel von Pflegebedürftigkeit Betroffene und die Pflegewissenschaft, ausgeschlossen. Daran war aber nicht die Bundesregierung schuld.
Leider gibt es mittlerweile fast überall die gleichen guten Gesamtnoten, die allerdings niemandem, der eine passende Einrichtung für sich oder einen Angehörigen sucht, wirklich weiterhelfen. Schlechte Einzelnoten wegen schlechter Pflege, die zum schlimmen Wundliegen führen können, können zudem leicht durch gute Einzelnoten wegen guter Dokumentation oder besonders zarter Schnitzel und ansprechender Tischdekoration wieder ausgeglichen werden. Dabei kommt dann die so wichtige persönliche Zuwendung in der Bewertung bisher nur am Rande zum Tragen. Das ist eine verhängnisvolle und unfaire, vielleicht be––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ziehungsweise hoffentlich ungewollte Täuschung der Verbraucher. Über 100 Millionen Euro werden jährlich für die Bürokratie aufgewendet, die sich hinter dem PflegeTÜV versteckt. Das sind Millionen, die dringend in der Pflege selbst gebraucht werden. Dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung noch mehr Mitarbeiter für diesen Bereich einstellen will, sollte zumindest nachdenklich stimmen. Das Statistische Bundesamt hat zudem ermittelt, dass darüber hinaus der Bürokratieaufwand in den Pflegeeinrichtungen selbst auf über 2,7 Milliarden Euro zu beziffern ist. Das ist mit Blick auf die finanziellen Engpässe im Pflegebereich eine Schieflage, die so bald wie möglich ins rechte Lot gebracht werden sollte. Außerdem passen viele Kriterien für eigentlich gute Pflege bei der Berechnung der Gesamtnote nicht in das Schema und sorgen paradoxerweise sogar für Abzüge in der Notenbewertung. Zurzeit wird an einer Verbesserung des Systems gearbeitet, was zwar vielen nicht reicht – sie wollen ein völlig neues System –, aber ich hoffe, dass die nun beschlossenen Änderungen mit der Zeit dann zeigen werden, ob die Zukunft mehr Transparenz bringt oder ob man dann nocheinmal daran arbeiten muss.
An sich motivierte Pflegekräfte werden durch das jetzige System zunehmend demotiviert und unzufrieden. Ihre Wertschätzung mit der daraus folgenden Arbeitsmotivation können sie immer weniger aus den Rückmeldungen der Gepflegten ableiten, denn Beziehungsarbeit ist kaum mehr möglich und wird durch den Status, Erfüllungsgehilfen der Pflegekassen zu sein, zusätzlich minimiert. Persönliche, gefühlte Kriterien in der Pflege wie Wohlbefinden und Zufriedenheit des Gepflegten können – bisher jedenfalls – nicht annähernd zufriedenstellend mit Noten bewertet werden. Ich persönlich glaube auch, dass das auf längere Zeit nicht möglich sein wird. Ob jemand einmal etwas erfindet, weiß ich nicht. Diese persönliche Zufriedenheit und dieses Wohlbefinden entstehen erst durch Beziehungsarbeit und in zweiter Linie dann natürlich auch durch gute körperliche Versorgung, aber für viele, es ist erstaunlich, ist es eben erst in zweiter Linie so. Daher kann ich zusammenfassend schließen: Wir brauchen ein System, um Missstände wie Verantwortungslosigkeit und Profitgier in der Pflege zu verhindern. Pflegende und Gepflegte brauchen Vertrauen und Freiräume für Beziehungen und Kreativität. Vorschläge für ein neues Bewertungssystem müssen dringend mehr im Sinne der Betroffenen und viel detaillierter als bisher erfolgen. Ich danke auch für die Große Anfrage, durch die nochmals deutlich wurde, wie nötig auch in diesem Bereich der Pflege grundlegende Verbesserungen sind. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einmal so anfangen, ich glaube – –. Nein, ich beginne andersherum.
Ich möchte mich zunächst einmal beim Ressort für die Antwort auf die Große Anfrage bedanken. Man muss sagen, es ist eine sehr qualifizierte Antwort des Senats, und der Inhalt, wenn man ihn schlicht zusammenfasst, ist die Aussage, diese Kontrolle der Pflege in Altenheimen, in Pflegeeinrichtungen, in der Altenpflege ist letztendlich mangelhaft oder ziemlich schlecht, und das ist in der Tat so, alle meine Vorredner haben das auch so bestätigt. Alle sind sich einig, das System funktioniert nicht. Die große Frage ist: Warum funktioniert das nicht?
Es gibt ganz grundlegende Fragen, zum Beispiel: Was ist eigentlich Qualität in der Pflege, und wie misst man sie? Das ist nicht so einfach. Dieses Problem gibt es schon länger, es besteht in den Krankenhäusern, in den Arztpraxen, überall. Es ist nicht einfach, dieses Problem zu lösen.
Es gibt ein schönes Gleichnis aus China. Die Chinesen hatten der Legende nach eine Vorschrift für Ärzte, die besagte, immer dann, wenn ein Patient, den ein Arzt behandelt hat, gestorben ist, dann musste der Arzt vor seine Tür eine Laterne hängen –
eine Legende! –, und an der Anzahl der Laternen konnte man feststellen, wie gut der Arzt ist. Das war der Versuch eines Qualitätsmerkmals, das natürlich in der Realität nicht umsetzbar ist und sicherlich auch nie so umgesetzt worden. Es wirft aber vielleicht ein Schlaglicht darauf, und das sagen auch alle Pflegewissenschaftler, wie schwer Qualität tatsächlich zu erfassen ist und wie man sie vor allem messen kann. Die Messbarkeit ist die Grundlage für die Vergleichbarkeit.
Man muss sich natürlich schon fragen – das hat mir bei meinen Vorrednern ein bisschen gefehlt, so neu ist das Problem auch nicht –, wie das Messen der Qualität erfolgt. Ich selbst komme aus dem Bereich Krankenhaus und kann eigentlich feststellen, bereits seit dem Jahr 1986 gibt es in den Krankenhäusern externe und interne Qualitätssicherung. Dort gibt es Systeme, mit denen man in der Tat die Qualität messen kann. Man kann sie unterschiedlich beurteilen, aber ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
es gibt ein Qualitätsmanagement, es gibt Systeme, mit denen man die Qualität vergleichbar machen kann. Das Problem dabei ist, es ist erstens ein nicht geringer Aufwand, den die Krankenhäuser dort betreiben müssen, und zweitens kostet es auch einiges an Geld.
Ich glaube, wenn man jetzt wieder beim Thema Geld ist – und wir als LINKE sind durchaus ein bisschen dafür bekannt, einen gewissen materialistischen Blick zu haben –, muss man einfach feststellen, es geht hier nicht einfach darum, dass eine bestimmte Lobby eigentlich gar keine bessere Kontrollen will. Worüber reden wir denn? Wir sprechen über Altenheime. Altenheime sind zum größten Teil privat geführt. Wie finanzieren sie sich? Sie finanzieren sich wie jedes dieser Pflegeunternehmen dadurch, sie haben 60 bis 70 Prozent Personalkosten, und dann haben sie die Einnahmen und müssen schauen, wie sie daraus irgendwie einen Profit ziehen, und da beginnt das Problem!
Die Qualität in diesen Altenheimen ist einfach so schlecht, weil sie auf der einen Seite zu wenig Personal und auf der anderen Seite schlecht ausgebildetes oder gar nicht ausgebildetes Personal einsetzen. Man kann nicht so tun, als würde es neben den Pflegewissenschaften nicht auch so etwas wie eine qualifizierte Altenpflege geben. Es gibt eine qualifizierte Ausbildung dazu, und es gibt auch Standards in der Altenpflege.
Ja, es gibt auch eine Fachkräftequote. Das ist genau das Problem, aber das haben Sie alle nicht erwähnt.
Wenn man in diesen Heimen irgendetwas ändern möchte, dann ist meiner Meinung nach die erste Maßnahme, irgendein System der Personalbemessung einzuführen, mit dem man sicherstellt, dass es überhaupt genügend Pflegende mit entsprechender Qualifikation gibt. Ich glaube, das ist der erste Schritt. Wenn man dann die Praktiker befragt, wie man das dann machen könnte, muss man auch sagen, ja, wenn man den politischen Willen hätte – und das ist, glaube ich, das Problem dabei –, dann könnte man das ganz einfach ändern.
In dem Pflege-Versicherungsgesetz sind drei Pflegestufen verankert, die sehr genau definieren, wie der Zustand eines Pflegenden einzuschätzen ist. Entsprechend diesen Pflegestufen erfolgt auch eine Zuordnung von Minuten, die das qualifizierte Pflegepersonal ableisten müsste. Das ist eine Frage des Taschenrechners. Man kann für jedes Pflegeheim, wenn man die entsprechenden Pflegestufen der Patienten kennt, sehr einfach ausrechnen, wie viel Pflegepersonal sie haben müssten, und wenn man das tut, wird man in den meisten Fällen feststellen, dass sie nicht genügend qualifiziertes Personal haben. Das
liegt daran, wenn man so viel Personal hätte, würden die Profite kleiner werden, die diese Pflegeeinrichtungen erzielen würden. Ich glaube, das ist das eigentliche Problem, um das wir uns kümmern müssen.
Der „Weser-Kurier“ hat gerade auch berichtet – vorgestern war es, glaube ich –, dass es darum geht, gesamtgesellschaftlich endlich eine Diskussion darüber zu führen, wie wir mit den immer älter werdenden Menschen und deren Betreuung in Zukunft eigentlich umgehen wollen. Natürlich steckt auch immer die Frage dahinter, wer das bezahlen soll.
Wenn man jetzt diesen lächerlichen Pflege-TÜV mit diesen Noten, von denen man weiß, sie sind untauglich, ändern will, dann ist der erste Punkt, dass wir eine Personalbemessung brauchen, auch in den Altenheimen. Das ist der erste Schritt. Man braucht natürlich eine Einigung.
Diese Pflegestufen, die im Pflege-Versicherungsgesetz nach dem Sozialgesetzbuch XI festgelegt sind, sind sicherlich nicht das Gelbe vom Ei, das kann man verbessern, auch sie sollten reformiert werden, sie sollten noch einmal angepasst werden. Wenn man sie anpassen würde, dann hätte man eigentlich ein geeignetes System, mit dem man die Pflegequalität in diesen Einrichtungen kontrollieren kann, und darum geht es ja.
Im Pflege-TÜV sollte es darum gehen, dass er die Qualität in diesen Einrichtungen für die dort lebenden Menschen kontrolliert, und dazu brauchen wir ein System. Ich sage, Systeme gibt es eigentlich, wir müssen nur den politischen Willen aufbringen und gegen die Lobbyisten, die aus den Pflegeheimen ihren privaten Profit ziehen, zu Felde ziehen und uns gemeinsam einig sein. Wenn wir das sind – vielleicht sind wir das nach der Bundestagswahl –, dann, denke ich, sind wir auf einem guten Weg, aber nur dann! – Danke!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Pflege ist eines der bedeutenden Themen der Gesellschaft. Viele Tausend Beschäftigte arbeiten in Bremen und Bremerhaven in der Alten- und Krankenpflege. Heute in der Zeitung spielt noch einmal das Thema „Gewalt in der Pflege“ eine sehr große Rolle. Es hat gestern ein Urteil gegeben, auch das spielt in diese Debatte mit hinein, weil natürlich die Frage ist, ob solche Bewertungssysteme Gewalt in der Pflege überhaupt verhindern können. Ich glaube das nicht, weil wir auch andere Arbeitsprozesse und Transparenz brauchen, und es gehört ein guter Personalschlüssel dazu. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Im Augenblick gehen viele Menschen in Bremen auf die Straße. Es wird über die Arbeitsbedingungen und über die Bezahlung diskutiert, und darüber wird auch öffentlich durch ein Bündnis diskutiert. Ich finde das gut, denn eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung gerade dieser Beschäftigung im sozialen Bereich ist aus meiner Sicht auch unheimlich wichtig.
Wichtig ist aber natürlich auch die Frage, wie diejenigen, die in diesen Heimen oder in den Wohngruppen leben, die in stationären und ambulanten Angeboten untergebracht sind, ein Gefühl dafür bekommen können, ob es eine gute oder eine schlechte Einrichtung ist, ob es ein weißes oder ein ganz schwarzes Schaf ist, wie Herr Erlanson es hier beschrieben hat. Verdeckt die Bewertung des Vorgartens, der Weihnachtsfeier oder der Tischdekoration womöglich Hinweise auf eine schlechte Pflege? Dieses Bewertungssystem, finde ich, ist eigentlich für die Tonne. Wir brauchen wirklich ein Pflegesystem, das fachliche Standards in den Mittelpunkt rückt.