Protocol of the Session on January 23, 2013

Damit ist die Aktuelle Stunde geschlossen.

Verkehrssicherheit von Kindern

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 2. Oktober 2012 (Drucksache 18/590)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 6. November 2012

(Drucksache 18/627)

Wir verbinden hiermit:

Integriertes Konzept Verkehrssicherheit

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 22. Januar 2013 (Drucksache 18/742)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist die Verkehrssicherheit von Kindern ein weiterer Bereich, bei dem Bremen im Ländervergleich wieder einmal mit am schlechtesten abschneidet. In der vorliegenden Antwort auf unsere Große Anfrage wird darauf verwiesen, dass das Statistische Bundesamt zwar Flächenländer mit Stadtstaaten verglichen hätte und deshalb die Ergebnisse eigentlich doch nicht vergleichbar seien, einen Monat später, nachdem wir die Antwort auf unsere Große Anfrage bekommen haben, gab es dann aber eine zweite Studie zum gleichen Thema.

(Vizepräsidentin S c h ö n übernimmt den Vorsitz.)

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat ihren Kinderunfallatlas veröffentlicht, in dem verschiedene Großstädte miteinander verglichen wurden. Das Ergebnis: Auch bei einem Städtevergleich führt Bre––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

men die Liste – leider, muss ich sagen! – wieder einmal an. In Bremen kommen 3,35 Unfälle auf 1 000 Kinder. Zum Vergleich: In München sind es nur 2,34 und in Dresden 2,81 Unfälle. In absoluten Zahlen sind in der Stadt Bremen in den Jahren 2006 bis 2010 1 157 Kinder verunglückt. Das ist definitiv zu viel, jeder einzelne Unfall ist meiner Meinung nach definitiv einer zu viel. (Beifall bei der CDU)

Hier muss sich etwas ändern. Aus der vorliegenden Antwort des Senats wird deutlich, dass der Grund in Bremen nicht im mangelnden Fahrradunterricht zu suchen ist. Dieser scheint mir eigentlich ganz gut organisiert und ausreichend, und dort möchte ich auch noch einmal den vielen Polizisten und Polizistinnen und der Verkehrswacht danken, die hier eine hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe zwei Ursachen für die Häufigkeit der Unfälle: Die erste Ursache liegt meines Erachtens darin, dass unsere Radwege oft in einem schlechten Zustand sind, das kann ja auch jeder selbst sehen. Wie oft sieht man auf dem Fahrrad fahrende Kinder, die nicht auf dem Fahrradweg, sondern auf dem Fußweg oder auf der Straße fahren, weil der Fahrradweg entweder zugewachsen ist, weil er Schlaglöcher hat oder weil man dort einfach nicht gut fahren kann? Der zweite Grund liegt darin, dass in der Politik des grün geführten Ressorts einfach die falschen Schwerpunkte gesetzt werden. Anstatt etwas gegen Unfallschwerpunkte zu tun, wird lieber auf Prestigeobjekte wie Fahrradstraßen, Zählerstationen oder Fahrradverkehrsachsen gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Sechs Jahre sind die Grünen jetzt hier in der Regierung, und seit sechs Jahren erzählen sie uns, dass sie sich für den Fahrradverkehr einsetzen. Und ihr Ergebnis? Meines Erachtens ist das nur viel Gerede, es sind Prestigeobjekte und falsche Schwerpunktsetzung. Das sieht man auch an dem grünen Masterplan Fahrradverkehr, dort wird nämlich in dem sieben Seiten starken Papier nur in acht Zeilen auf die Verkehrssicherheit von Kindern eingegangen. Es wird darin gefordert, dass zwei Kampagnen zur Verkehrserziehung unterstützt werden, dabei hat der Senat uns in der Großen Anfrage dargelegt, wie viel doch in Sachen Verkehrserziehung getan wird. Die Bremer CDU-Fraktion ist der Meinung, man muss sich auf Unfallschwerpunkte und auf die Entzerrung von Gefahrenstellen konzentrieren. Da wir gerade bei den Fahrradwegen sind, kann ich es mir auch nicht verkneifen, die Brokhuchtinger Landstraße anzusprechen. Seit Jahren fordern die ansässigen Beiräte mehrheitlich einen Fahrradweg für die Brokhuch

tinger Landstraße, weil Eltern Angst um ihre Kinder haben und weil Beiratsmitglieder auch die Gefährlichkeit der Straße kennen. Jetzt soll nach Jahren endlich ein Konzept entworfen werden, wie dort ein Fahrradweg entstehen kann. Ich hoffe, dass es zu einem schnellen und guten Ergebnis kommt. Lassen Sie mich zu dem Thema Brokhuchtinger Landstraße auch noch eines sagen: Vogelschutz ist meines Erachtens sehr wichtig, doch Menschenleben sind noch wichtiger!

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben die Regierungsfraktionen hier einen Antrag zu dem Thema eingebracht und fordern ein integriertes Konzept für Verkehrssicherheit. Diesen Antrag werden wir unterstützen, und wir werden ihm auch zustimmen. Er ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn wir müssen alles dafür tun, dass es weniger Unfälle und Unfallopfer gibt, vor allem aber auch weniger Unfalltote. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saxe.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, uns eint das Anliegen, dass wir mehr Verkehrssicherheit für alle erreichen wollen, die sich im Verkehr bewegen. In der Analyse, denke ich, sind wir sehr weit auseinander, lieber Herr Imhoff. Ich will auch gleich versuchen darzustellen, warum es so ist. Ich beginne einfach einmal mit der Antwort auf die Große Anfrage. Es ist tatsächlich der große Fehler der Fragestellung, davon auszugehen, dass man Bundesländer derart vergleichen kann, das haben Sie schon angesprochen. Man kann Flächenstaaten nicht mit Stadtstaaten vergleichen, das ist vollkommen klar. Die Verkehrsdichte ist in Stadtstaaten eine ganz andere, und deshalb sind auch die Unfallzahlen dort ganz andere. Sie haben dann verdienstvollerweise diese bessere Studie vom Bundesamt für Straßenwesen erwähnt. Da ist es in etwa so, wenn man sie richtig liest, dass Bremen ziemlich weit hinten liegt mit Städten wie Hannover, Hamburg und Köln. Das heißt, wir haben in dieser Studie ganz eindeutig ein Nord-Süd-Gefälle und auch ein West-Ost-Gefälle, das ist ganz einfach eindeutig vorhanden. Wenn man genauer in die Studie hineinschaut, dann unterscheidet sie auch nach den Verkehrsarten, das heißt, sie unterscheidet nach Fußgängern, Fahrradfahrern und auch nach Mitfahrern in Autos. Da kann man sagen, Bremen liegt sehr gut bei den Fußgängern und nicht sehr gut bei den Mitfahrern in Autos, da sind wir nämlich jeweils in der Spitzengruppe. Das Problem sind die Unfälle im Fahrradverkehr. Man kann aber auch ganz eindeutig sagen, woran ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

das liegt: Wir haben einen Anteil von Fahrradfahrern von 26 Prozent in Bremen, wir haben bei Schulkindern zwischen zehn und 18 Jahren einen Anteil an Fahrradfahrern – was mich sehr freut – von 51 Prozent. Es ist vollkommen klar, dass natürlich der Verkehr der Fahrradfahrer, wenn er einen so hohen Anteil hat wie in Bremen, auch überproportional hoch im Unfallgeschehen zu finden ist. So belegt Bremen bei den Fahrradunfällen aufgrund dieses Fahrradfahreranteils tatsächlich einen Spitzenplatz.

Wenn man dann noch ein bisschen tiefer in die Studie hineinschaut, was ich empfehle, dann kann man noch Bremen mit Münster und Oldenburg vergleichen, und dann stellt man plötzlich fest, das sind auch Fahrradhauptstädte, und sie haben einleuchtenderweise genau das gleiche Problem, nämlich viel zu viele Fahrradunfälle in der Stadt. Was uns eint, ist wirklich das, was uns auch koalitionär bewegt hat, diesen Antrag „Integriertes Konzept Verkehrssicherheit“ zu stellen, nämlich dass wir weniger Fahrradunfälle haben müssen. Wir hatten 15 Tote im Straßenverkehr in Bremen und Bremerhaven, das sind 15 Tote zu viel, und wir haben auch viele Schwerverletzte, da zählt wirklich jeder. Deshalb haben wir uns aufgemacht, den Verkehr in Bremen und Bremerhaven sicherer zu machen.

Ich muss Bremerhaven auch noch kurz erwähnen. In Bremerhaven sieht es leider noch ein bisschen schlechter aus. Obwohl der Anteil der Fahrradfahrer dort geringer ist als in Bremen, liegt Bremerhaven bei den Städten zwischen 100 000 und 500 000 Einwohnern auf Platz 63 von 65 Plätzen. Das ist nicht sehr erfreulich, und da muss man sehr viel tun. Deswegen halten wir es auch für sinnvoll, dass man dieses Bestreben nach mehr Verkehrssicherheit bündelt. Wir wollen deswegen ein „Integriertes Konzept Verkehrssicherheit“, weil wir nämlich festgestellt haben, dass Bremen dort einen Nachholbedarf hat.

Es gibt ein Mobilitätsranking Nachhaltigkeit der Allianz pro Schiene, in dem Bremen für seine Verkehrspolitik ausgesprochen gelobt wird und auf Platz 4 liegt. Bremen wird von den Verbänden ausgesprochen gelobt für seine nachhaltige Verkehrspolitik und liegt dort auf Platz 1. Das heißt, wir sitzen eigentlich in einem ganz guten Boot. Wir haben aber ein Problem – das wird auch da kritisiert –, dass es nämlich ein integriertes Verkehrssicherheitskonzept in Bremen nicht gibt, dass es viele gute Ansätze gibt, die von der Polizei, von den Kontaktpolizisten in der Verkehrserziehung verfolgt werden, aber einen Maßnahmenkatalog, wie man es erreicht, die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren und die Zahl der Schwerverletzten vielleicht um 40 Prozent zu senken, gibt es nicht, das ist das große Manko. Deswegen wollen wir uns zusammen mit dem Senat auf den Weg machen, hier wirklich nachhaltig die Unfallzahlen zu senken.

Da muss man dann in diesem Zusammenhang auch über Maßnahmen reden. Ich glaube, das mit den Radwegen führt uns nicht richtig weiter. Herr Imhoff, ich

glaube nicht, dass es eine Statistik gibt, dass beschädigte Radwege dazu führen, dass es mehr Unfälle gibt. Es ist ganz deutlich so, das ist auch erwiesen, dass sich der Radfahrer, der sich auf Radwegen wie unseren bewegt, viel unsicherer ist, als wenn er auf Angebotsstreifen für Radfahrer auf der Straße geführt wird.

Das löst das Problem nicht, davon bin ich überzeugt, sondern wir müssen ein bisschen tiefer hineinschauen: Wo sind denn die Probleme? Warum passieren viel zu viele Unfälle in Bremen und Bremerhaven? Es passiert sehr viel in Kreuzungsbereichen. Beim Abbiegen passieren sehr viele Unfälle, da haben wir ja auch schon Vorschläge gemacht mit dem Einfärben von Fahrradwegen, dass man sie in diesem Bereich besser sichtbar macht. Das Tempo ist ein Problem, vollkommen klar! Kinder, das will ich Ihnen auch sagen, können nicht einschätzen, wie schnell das Auto bei Tempo 40 ist. Deswegen muss man eigentlich sagen, für Kinder ist eine Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde als Regelgeschwindigkeit in der Stadt viel zu hoch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu gehören sicherlich auch Kampagnen, mehr Rücksicht zu nehmen. Wir wissen zum Beispiel, dass Fahrradfahrer nicht immer vorbildlich sind. Ich denke, da wird man über viele Maßnahmen nachdenken, wie man die Situation verbessern kann. Deswegen wollen wir zusammen ein integriertes Verkehrssicherheitskonzept entwickeln. Es müssen dann viele Finger zusammengreifen, sodass sie sich dann gegenseitig die Hand geben können. Da wird das Innenressort mit dem Verkehrsressort zusammenarbeiten müssen, und man muss natürlich auch das Sozialressort und das Bildungsressort mit ins Boot holen, um dann wirklich dafür zu sorgen, dass das Ziel, von dem ich eigentlich träume, nämlich dass wir keine Verkehrstoten mehr in Bremen haben, erreicht wird. Das wird schwierig sein, aber es wäre mein Wunsch, dass wir diesem Ziel zumindest wirklich näher kommen.

Deswegen haben wir uns koalitionär aufgemacht, jetzt wirklich ganz entschlossen und ganz nachhaltig die Unfallzahlen in Bremen und Bremerhaven zu senken. Ich denke, wir werden uns dort auf einen Weg machen, dass niemand in Bremen oder auch in Bremerhaven mehr Angst um sein Leben haben muss, wenn er am Verkehrsgeschehen teilnimmt. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt schon

einiges gehört. Wenn wir sagen, wir erwarten noch einige Studien, und es gibt Studien mit verlässlichen Zahlen, dann ist das gut, und dann ist es unsere Aufgabe, die Resultate dieser Studien in konkrete Politik umzusetzen, weil auch die SPD-Fraktion sagt, wir wollen möglichst keine Unfälle auf unseren Straßen haben, insbesondere keine Unfälle mit Kindern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich darf mich zunächt einmal bei Herrn Imhoff und der CDU-Fraktion bedanken. Das ist eine gute Anfrage, finde ich, und wir haben – auch da vielen Dank – eine gute Antwort bekommen, die doch viele Hinweise bietet, wo wir konkret tätig werden können und was wir machen können. Wir wollen uns für die Verkehrssicherheit Ziele setzen, das ist die Aussage des rot-grünen Antrags. Wir haben Herrn Saxe dazu gehört, ich muss das nicht alles wiederholen. Ziele müssen erreichbar und messbar sein, und deswegen muss man sich, wenn man sich diese Studien anschaut, auch Ziele setzen, die erreichbar sind und an denen man hinterher auch messen kann, ob es funktioniert hat oder nicht. Das ist aber überall so.

Wir müssen uns darum kümmern, wo die Unfallschwerpunkte liegen. Das müssen wir auflisten, da müssen wir mehr schauen, wo das ist, damit wir genau dort handeln können. Wo soll es zum Beispiel Verkehrskontrollen geben, ob zu schnell gefahren wird, vor Schulen oder sonstigen Plätzen, wo sich viele Kinder aufhalten? Kontrollen sind ein Mittel, um die Unfallzahlen zu senken, und deswegen brauchen wir auch Kontrollen.

Der Verkehrsentwicklungsplan ist angelaufen, die Ergebnisse unserer Konzeption gehören auch mit zum Verkehrsentwicklungsplan.

Bremen ist eine Fahrradhochburg. Verkehrswege müssen aber trotzdem sicher sein. Da sind wir, Herr Kollege Saxe, ein bisschen im Widerspruch. Ich glaube, wenn es Löcher in den Fahrwegen gibt, wenn die Baumwurzeln die Platten hochdrücken, dann kommen dort Personen, Kinder zu Fall oder werden unsicher und weichen dann in irgendwelchen Schlingerbewegungen auf die Straße aus. Deswegen müssen wir auch bauliche Mängel beseitigen.

Es gibt an vielen Stellen viel zu viele Schilder, da ist man immer total verwirrt, und es gibt auch bestimmt an einigen Stellen zu wenige Schilder. Das muss man sich auch immer wieder anschauen. Wir müssen Fahrradfahrer und Fußgänger besser trennen, Pkw und Lkw sind die Stichworte, und wenn wir das alles auch noch barrierefrei erreichen, umso besser! Das alles kostet Geld, es ist mir schon klar, dass wir dafür Geld brauchen. Die Strategie der SPD-Fraktion ist, bevor wir Strecken neu bauen, wollen wir die alten erst einmal erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Erhalt vor Neubau ist einer unserer Grundsätze, und wenn wir dann noch Geld haben, können wir neue Dinge bauen. Wir müssen die Infrastruktur, unser Vermögen – das ist öffentliches Vermögen – erhalten.