Protocol of the Session on January 25, 2012

Wir haben nach wie vor das Fehlen eines Mindestlohns in diesem Land, die Entwertung der Tarifautonomie durch die Aushöhlung der Tarifverträge, durch Niedriglöhne und die sinkende Bereitschaft von Arbeitgebern, sich tarifvertraglich zu binden. Hierzu liegen Vorschläge auf dem Tisch. Auf der Bundesebene ist der Vorschlag Mindestlohn gerade wieder abgelehnt worden. Zu den Minilöhnen liegen Vorschläge auf dem Tisch. Das muss man politisch diskutieren, aber vieles davon werden wir auf Bundesebene durchsetzen müssen. Die Dinge, die wir im Land Bremen zu machen haben, wie zum Beispiel den Mindestlohn, werden wir anhand der entsprechenden Tagesordnungspunkte diskutieren. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, Frau Bernhard, ob Sie die Funktion der Kleinen Anfrage kennen. Ich schließe mich meinem Vorredner und seinen Eingangsbemerkungen an, es wäre gut gewesen, wenn Sie eine Vielzahl Ihrer Fragen in einer Kleinen Anfrage gestellt hätten und sich hier in Ihrer parlamentarischen Initiative dann auf eine politische Botschaft gestützt hätten. Die politische Botschaft in Ihrem Redebeitrag fehlte mir völlig, aber Rot-Grün hat das, glaube ich, ganz gut ergänzt. Sie alle drei verteufeln im Prinzip die bösen Arbeitgeberinnen und Arbeit––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

geber, die Hungerlöhne zahlen. Das ist jetzt die Debatte, die wir hier gehört haben!

Die gesellschaftliche Realität ist erst einmal eine andere! Viele dieser Menschen, die Aufstockung beziehen, sind in Teilzeit beschäftigt, und das zum Teil sehr bewusst, meine Damen und Herren! Ich bin gespannt, welche Mindestlohndebatte Sie führen werden, wenn wir jetzt über Teilzeit reden. Keine Volkswirtschaft kann die Beträge erwirtschaften, die Sie hier generieren wollen!

(Beifall bei der CDU)

Es muss darum gehen, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Ich glaube, bei diesem Sachverhalt sind wir uns alle einig, aber die Wege dahin sind doch höchst unterschiedlich. Wir bekennen uns zur sozialen Marktwirtschaft, wir bekennen uns dazu, dass wir Tarifpartner haben, und wir wollen keinen politisch gesetzten Mindestlohn!

(Beifall bei der CDU)

Die CDU sagt ganz bewusst, nur dort, wo Tarifpartner sich nicht einigen können, wird es eine Lohnuntergrenze geben, und diese Lohnuntergrenze wird nicht politisch gesetzt werden, sondern von einer unabhängigen Kommission gesetzt werden, Frau Vogt.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Das ist etwas anderes als der Politikstil, den Sie leben, den Sie gewohnt sind, den Sie in der Vergangenheit immer betrieben haben, aber das ist nicht die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, und sie wird es auch nie werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in Bremen besondere Probleme. Die Zahl von fast 15 000 Personen ist ja richtig. Im Jahr 2007 waren es nur 12 000 Personen, das heißt, in der letzten Legislaturperiode, in Ihrer Regierungszeit ist diese Zahl leider um 3 000 Menschen gestiegen, während die Zahlen im Rest der Bundesrepublik zurückgegangen sind. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Langem und den höchsten Stand von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland.

Bei meinem letzten Debattenbeitrag habe ich Ihnen schon einmal gesagt, Ihre Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik führt dazu, dass sich Bremen vom Rest der Bundesrepublik abkoppelt und wir hier solche Debatten führen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin gespannt, auf welche politische Richtung die Linkspartei jetzt noch das, was Sie von Rot-Grün

uns gerade schon zu hören gegeben haben, erweitern wird.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Damit die alleinerziehende Mutter auch von ihrer Ar- beit leben kann!)

Frau Vogt, es ist keine Schande, wenn jemand, der voll arbeitet, dann noch zusätzliche Leistungen beziehen kann, dafür gibt es den Anspruch! Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass man von seiner Arbeit leben kann, was aber nicht bedeutet, dass wir hier eine Planwirtschaft einführen. Wohin das führt, das haben Sie 1989 alle auf dieser Seite richtig bedauert. Aus diesem Grund muss auch das erwirtschaftet werden, was Sie ausgeben. Ich kann Ihnen daher nur raten, setzen Sie nicht politische Maßstäbe für das, was wirtschaftlich erarbeitet werden soll! Das wird misslingen.

(Beifall bei der CDU)

Kümmern Sie sich zum Beispiel lieber um die Betreuung der unter Dreijährigen, in welcher Bremen ja nicht gerade lobenswert ist, damit auch die alleinerziehende Mutter mehr als nur einige Stunden arbeiten kann! Das wäre doch einmal ein politisches Projekt, das die rot-grüne Koalition voranbringen könnte.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber was nützt das, wenn man als Arzthelferin 6,50 Euro verdient! Es ist doch so, dass überwie- gend Frauen überhaupt nicht tariflich erfasst sind! Sie können auch nicht davon profitie- ren, weil sie in Berufen arbeiten, wo es gar keine Tarifpartner gibt! – Abg. Frau A h - r e n s [CDU]: Sie sind gerade nicht dran!)

Ich höre mir das ja gern an! Liebe Frau Vogt, wieso funktioniert es im Rest der Bundesrepublik Deutschland eigentlich und hier in Bremen nicht? Es ist nicht nur die Mindestlohndebatte, Frau Vogt, vielleicht merken Sie das endlich einmal! In Ihren Debatten sind auf dem Holzweg! Es geht darum, wie man Menschen langfristig in sozialversicherungspflichtige Arbeit, und zwar dauerhaft, bekommt. Das bekommen Sie nicht durch politische Schimären und Debatten, die den Menschen nicht tatsächlich helfen, sondern ihnen nur etwas vorgaukeln. Das ist aber leider gerade Ihre Stärke. Leider führt Ihre Debatte heute hier auch nicht weiter. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die erste wichtige politische Botschaft: 8,50 Euro reichen nicht!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ich hatte recht, danke!)

Ja, natürlich, 8,50 Euro reichen nicht! Es ist Wahnsinn, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen dann tatsächlich auf die aufstockenden Leistungen angewiesen sind. Es kann doch nicht darum gehen zu sagen, zehn Prozent schaffen es vielleicht, 20 Prozent schaffen es vielleicht. Wir müssen hier Grundlagen schaffen, damit insbesondere Frauen mit einem Kind davon leben können. Was ist das denn für ein Ausgrenzungsanspruch, der hier gefahren wird?

Das andere ist, wir haben immer noch ein Tarifgefüge, in dem E 1 in unseren Tarifen im öffentlichen Dienst immer noch vorkommt. Dort kommt er kaum zur Anwendung, das muss ich gerechterweise einräumen, er ist aber immer noch vorhanden. Letztendlich kann auch der dort nicht bleiben, wo er ist.

Zu sagen, ist doch prima, dann können Sie zum Amt gehen und bekommen aufstockende Leistungen, das, finde ich, ist eine ignorante Haltung denen gegenüber, die sich aus Scham nicht trauen, zum Jobcenter zu gehen – das muss man doch einmal bedenken –, und die letztendlich auch sagen, ich will mich eigentlich nicht finanziell komplett ausziehen. Ich möchte praktisch diese Prozedur nicht.

Waren Sie beim Jobcenter? Haben Sie das einmal über sich ergehen lassen? Kennen Sie die Gespräche, die dort geführt werden? Wissen Sie, wie die unabhängigen Beratungsstellen mit ihren jeweiligen Kunden und Kundinnen umgehen? Wie sieht es denn dort überhaupt aus? Dann zu sagen, prima, es gibt dort eine staatliche Leistung, wenden Sie sich doch dorthin, ist letztendlich gar kein Problem. Es sind hier Hemmschwellen vorhanden.

Es sind übrigens knapp 19 000 und nicht nur 15 000 Menschen. Es ist die Zahl, die wir kennen, und nicht die Dunkelziffer, die letztendlich sehr viel größer ist. Das den Menschen aus dem Weg zu räumen, ist doch letztendlich gar kein Anspruch, der so abwegig ist. Wir in Bremen stehen dabei ziemlich eng da, dort wird es nämlich nur schlimmer und nicht besser. Der staatliche Haushalt muss ein Interesse daran haben, das herunterzubekommen, weil es Geld kostet. Die Kosten der Unterkunft, KdU, zahlt die Stadt Bremen und nicht der Bund. Wenn wir uns das im Zusammenhang mit der Mindestlohndebatte, Frauenarmut und Altersarmut anschauen, dann haben wir da perspektivisch wirklich Zeitbomben vor uns. Diese ununterbrochen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zu ignorieren, da kann ich insbesondere die CDU überhaupt nicht verstehen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht vor, mich überhaupt in die Debatte einzuschalten, weil sich mir der Sinn der Debatte nach der Großen Anfrage, die sehr detailliert von uns beantwortet worden ist, nicht wirklich erschlossen hat. Dann hat sich aber im Verlauf der weiteren Debatte gezeigt, dass es Ihnen, der LINKEN, darum geht, wieder einmal das übliche Lied zu singen. Am Ende hat Herr Rohmeyer den Ball dankend aufgenommen, und so singen also links des Raumes und rechts des Raumes alle wieder die üblichen Lieder und nehmen nicht zur Kenntnis, dass möglicherweise eine differenziertere Herangehensweise notwendig ist.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Frau Vogt, melden Sie sich!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Habe ich gemacht! Aber ich bin nicht drangenommen worden!)

Reden Sie doch nicht immer die ganze Zeit dazwischen! Ich meine, dieses Gerede hier an der Seite ist ein bisschen nervig. Ich höre Ihnen auch meistens zu, wenn Sie reden! Vielleicht sollten Sie es sich auch einmal angewöhnen, sich zu melden, und nicht immer von der Seite dazwischenreden, wenn Sie etwas sagen wollen!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Habe ich doch eben getan! Das wurde ignoriert!)

Frau Abgeordnete, sind Sie fertig?

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Ach, deswegen! Wenn es Ihnen darum geht, dass ich vorhin auf Ihre Zwischenfrage nicht reagiert habe und Sie deswegen beleidigt sind und die ganze Zeit herumjammern, dann verstehe ich das, ich rede jetzt aber weiter!

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir die Debatte auf die Ebene bringen, auf die sie auch gehört. Es wird ja in dieser Ant

wort deutlich, dass es ganz vielfältige Fragestellungen gibt und ganz vielfältige Themen, die angesprochen worden sind, die in Teilen, wie ich finde, auch zu Recht angesprochen worden sind. Das konstatiere ich ganz deutlich!

Ich glaube, dass man es sich am Ende nicht so einfach machen kann, wie es die CDU hier gemacht hat, die immer versucht, so zu tun, als wäre die Politik des rot-grünen Senats dafür verantwortlich, wenn irgendwo Arbeitsplätze wegfallen. Das ist ja das übliche Spiel, das Sie machen, das ist ein billiges Spiel!

(Zurufe von der CDU)

Ich glaube, Sie glauben das sogar! Das ist ja das Problem dabei! Sie glauben sogar, dass es so ist. Das macht es übrigens nicht besser, weil Sie argumentativ an der Stelle einfach unglaublich schlecht aufgestellt sind, das muss man Ihnen auch sagen.

Ich könnte jetzt das übliche Spiel spielen und Ihnen wieder etwas über den Industriestandort Bremen mit all den Vor- und Nachteilen sagen, die es gibt. Wir haben schlicht – und das ist dargestellt worden – die Schwierigkeit, dass wir eine Zunahme im Bereich der schlecht Bezahlten, im Bereich prekärer Beschäftigung und im Bereich von Leiharbeit haben und dass das dann – in Verbindung mit Teilzeitarbeit – dazu führt, dass die Leute in Bereiche abgeschoben werden, in denen sie effektiv nicht mehr davon leben können. Das muss man zur Kenntnis nehmen, und dann muss man daran arbeiten, dafür Lösungen zu finden!