Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 17/1688 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 17/1716, Kenntnis. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.45 Uhr.
(Unterbrechung der Sitzung 13.08 Uhr) * Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.45 Uhr. Vizepräsidentin Dr. Mathes: Die unterbrochene Bürgerschaftssitzung ist wieder eröffnet. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Auszubildende vom Tochterunternehmen INAB, Innovation für Arbeit und Bildung GmbH, des Berufsfortbildungswerks und Senioren aus der Stadtmitte. Herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft! (Beifall)
Antrag der Fraktionen der CDU, Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD vom 10. Mai 2011 (Neufassung der Drucksache 17/1701 vom 22. März 2011) (Drucksache 17/1770)
Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer, ihm beigeordnet Frau Staatsrätin Buse. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Informationsstelle ethnische Clans, kurz ISTEC, wurde – wie schon angesprochen – im letzten Jahr von der Polizei Bremen eingerichtet, um die vielfältigen Informationen und Erkenntnisse über diese Großfamilien besser sammeln und auswerten zu können. Darüber hinaus sollte mit der Einrichtung der ISTEC die Arbeit der Polizei bei der Bekämpfung der kriminellen Aktivitäten effektiver gestaltet werden. Nach etwas mehr als einem Jahr können wir feststellen, dass die Arbeit der Polizei sehr erfolgreich war, denn die Anzahl der Straftaten, die dieser Bevölkerungsgruppe zugerechnet werden können, konnte reduziert werden. Gleichwohl bleibt noch sehr viel zu tun, wie wir alle leider am letzten Wochenende bei den schweren Rockerauseinandersetzungen in dieser Stadt erleben mussten. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Überwiegend handelt es sich bei dem Rockerverein oder bei der Rockergruppe, die sich am letzten Wochenende hervorgetan hat, um Mhallamiye-Türken oder -Libanesen, so genau ist das bei einigen nicht bekannt. Dieser Clan besteht in Bremen immerhin aus circa 2 600 Personen, über 1 100 davon sind nach polizeilichen Erkenntnissen mit Straftaten schon in Erscheinung getreten. Ganz offensichtlich ging es bei den Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Rockergruppen am letzten Wochenende um die Vorherrschaft im Bereich der Ausübung der organisierten Kriminalität. Nach Ansicht der CDU-Fraktion können wir diese Angelegenheit politisch nicht ernst genug nehmen.
Neben völlig indiskutablen Bedrohungen und Beeinträchtigungen für die Anwohner sowie zufällig anwesende Bürger muss die Gewalteskalation mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln unterbunden werden.
Dazu, Herr Senator, ist die Ausweitung der Waffenverbotszone ein erstes Mittel, reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um das Problem grundsätzlich anzugehen und beseitigen zu können. Dafür hat die Arbeitsgruppe ISTEC in der Polizei bisher gute Arbeit geleistet, insbesondere indem sie versucht hat, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der beteiligten Ressorts Inneres, Justiz, Bildung, Soziales und Finanzen zu verbessern und damit schwere Straftaten verhindern beziehungsweise aufklären zu können. Darüber hinaus hat sich die ISTEC auch im Bereich des Sozialhilfebetrugs, für die Sozialdemokraten benutze ich lieber das Wort Sozialhilfemissbrauch, das war wichtig bei dem gemeinsamen Antrag – –.
Die Gruppe ISTEC ist innerhalb der Polizei zunächst ohne feste Stellen begrenzt bis zum 31. März 2011 für ein Jahr eingerichtet worden. Der Senator für Inneres hat es versäumt, aus unserer Sicht völlig unverständlich, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass diese wichtige Arbeitsgruppe als Dauereinrichtung etabliert werden konnte. Aufgrund der prekären Situation musste der Polizeipräsident Anfang April die Verlängerung der ISTEC mit den Mitteln des sofortigen
Vollzugs nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz anordnen. Dies ist eine höchst unbefriedigende Situation, denn damit ist das Problem nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Wir fordern deshalb mit unserem Antrag den Senat auf, die ISTEC dauerhaft einzurichten und ferner die Integrationsbemühungen sowie die Präventionsarbeit für diesen Personenkreis deutlich zu intensivieren. Wir begrüßen sehr, dass die Koalition sich unserem Antrag angeschlossen hat. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Mai 2010 wurde die ISTEC als Steuerungs- und Koordinierungsinstrument gegründet. Man kann feststellen – da sind wir, glaube ich, über alle Grenzen einer Meinung –, dass die Kolleginnen und Kollegen dort vor Ort gute Arbeit geleistet haben und die Einrichtung seitens der Polizeiführung und des Innenressorts richtig war, sich zentral diesem Phänomen zu widmen. Das waren richtige Entscheidungen, das darf man an dieser Stelle auch noch einmal wiederholen.
Es ist auch richtig, diese Arbeit nun in der Polizei zu verstetigen, denn die Delinquenz vieler in Bremen ansässiger Mhallamiye ist in der Tat ein Problem. Die Zahlen, die uns vorliegen, weisen Erschreckendes auf. Das Unternehmen M. betreibt organisierte Kriminalität in weiten Teilen. Wir Grüne stehen zum Rechtsstaat, und diese Kriminalität muss bekämpft werden.
Dass es mit der ISTEC weitergeht, ist uns allen ein gemeinsames Anliegen. Deswegen war es sowohl für die grüne Fraktion als auch für die SPD-Fraktion kein Problem, heute mit der CDU gemeinsam diesen Antrag einzubringen. Ich würde es begrüßen, wenn der Innensenator vielleicht gleich tatsächlich einmal etwas über den aktuellen Sachstand vorträgt, weil wir der Presse entnommen haben, dass es ja nicht nur allein am Innensenator liegt, sondern es, glaube ich, eine Auseinandersetzung mit dem Personalrat in dieser Frage gibt. Uns würde sicherlich der Sachstand interessieren, wie es da weitergeht.
Ich begrüße für die grüne Fraktion aber ausdrücklich, dass im Antrag auch auf andere Bereiche eingegangen wird. Die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts hat in den letzten Jahren, das darf man so deutlich sagen, stark zugelegt. Das ist auf einem sehr guten Weg, aber wir stoßen bei konkreten Fällen und in konkreten Angelegenheiten immer wieder auf Probleme. Dies weiter zu verstetigen und zu verbessern kann und muss auch in den nächsten Jahren Aufgabe sein. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Auch die Fragen des Datenschutzes, die wir immer wieder im Bereich der Fallkonferenzen diskutiert haben, wenn bestimmte Behörden zusammenkommen, der Weitergabe der Daten unter Berücksichtigung des Datenschutzes, sind Fragen, denen wir uns auch in der nächsten Legislaturperiode stellen werden. Der Bereich Sozialleistungsmissbrauch – das ist, glaube ich, das Wort, auf das wir uns dann am Ende geeinigt haben – ist auch immer wieder in der Diskussion. Deswegen ist es auch sinnvoll, einmal darauf zu schauen.
Die letzten beiden Punkte sind aus Sicht der grünen Fraktion auch wichtig. Ich finde es auch positiv, Herr Hinners, da will ich doch einmal Lob loswerden an Sie, dass die CDU nicht vergessen hat, solche Worte wie Integration und Prävention in ihren Antrag einzubauen. In der Tat ist bei vielen Menschen überhaupt keine kriminelle Karriere vorgezeichnet, sondern wir müssen gemeinsam als Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass wir diese jungen Menschen, die gefährdet sind, in das kriminelle Milieu abzugleiten, auffangen und ihnen gemeinsam eine Chance geben, Bestandteil dieser Gesellschaft zu werden und sich in unserem Rechtsstaat wohlzufühlen.
Ja, es gibt Leute, die lassen sich nicht integrieren, Herr Tittmann! Ich weiß, dass Sie dazugehören.
Ich freue mich auch, dass wir diesen Kompromiss, den wir heute gefunden haben, auch in den kommenden Jahren – so nehme ich es wahr – parteiübergreifend begleiten, weil es in der Tat ein Problem in unserer Stadt ist. Diesem Problem wollen wir uns stellen. Wenn wir das gemeinsam tun, haben wir gute Chancen, es auch zu lösen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst will ich sagen, Herr Hinners, wir hätten es in der Tat noch schöner gefunden, wenn wir Ihren Antrag nicht hätten mitbeschließen müssen, weil man ihn nicht gebraucht hätte, sondern wenn wir an dieser Stelle doch schon sagen könnten, das Problem der Fortsetzung der ISTEC ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ist gelöst. Vielleicht kann der Innensenator es gleich, ich weiß es nicht. Ich weiß, dass heute Mittag der Personalrat Polizei zum Schlichtungsvorschlag getagt hat. Vielleicht fallen Forderungen im Parlament und Lösung des Problems zumindest im ersten Punkt hier schon zusammen, das werden wir gleich sehen. Ganz unabhängig davon will ich aber dennoch sagen, in der Analyse sind wir uns weitgehend einig. Die ISTEC macht eine gute und richtige Arbeit, diese Arbeit muss fortgesetzt werden. Wir haben erste wichtige Schritte erzielt. Wir sind aber nur auf dem Weg, es sind auch noch etliche Schritte zu gehen. Ich sage, ich wäre auch froh darüber, wenn wir an manchen Punkten schon weiter und schneller wären. Wir haben das, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Informationen, auch beim Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ erleben müssen, dass das manchmal schwergängiger war, als man es sich zunächst vorgestellt hat, aber auch da haben wir gemerkt, dass sich mit der Zeit die Probleme lösen lassen. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir sie auch hier lösen. Zusammenfassend kann ich an der Stelle sagen: Was teilen, dass die ISTEC gute Arbeit macht und wir erste wichtige Schritte gegangen sind. Wir können und müssen noch besser werden und müssen weitermachen, um gemeinsam deutlich zu machen, dass wir nicht bereit sind, organisierte Kriminalität und die Aktivitäten dessen, was hier unter der Überschrift ethnisch abgeschotteter Clans läuft und Kriminalität aus diesem Umfeld, zu dulden.
Was wir so nicht ganz teilen, es wird Sie nicht überraschen, ist die Kritik am Innensenator. Wir haben durchaus den Eindruck – und er wird das hier sicherlich auch noch einmal darstellen –, dass sich der Innensenator sehr engagiert. Seit geraumer Zeit kümmert er sich darum, eine vernünftige Ausstattung für die Polizei, auch für diesen Bereich, zu organisieren. Er hat sich immer wieder mit uns gemeinsam, vielfach hier übrigens im Konsens im Haus, dafür eingesetzt, dass die Ressourcen für diese wichtige Arbeit zur Verfügung gestellt werden müssen. Weil man ja aber erahnen konnte, dass Ihre Bewertung aus Oppositionssicht da ein bisschen kritischer ausfällt, hätte man sich auch überlegen können, ob wir hier mit einem eigenen Antrag kommen und uns hier ein bisschen gegeneinander organisieren, wir noch einmal betonen, wie großartig wir sind, Sie das noch einmal in Abrede stellen. Das hätte nur der Sache nichts gebracht, deswegen haben wir es gelassen. Darum, finde ich, ist es richtig, dass wir hier gemeinsam fraktionsübergreifend noch einmal betonen, wie wichtig diese Arbeit ist, um ein Signal zu geben an die, die auf der Seite der Kriminellen stehen, dass wir nicht bereit sind, das hinzunehmen, und wir volle Rückendeckung geben, dem engagiert entgegenzutreten.
Übrigens finde ich es auch wichtig – obwohl es ja so kurz vor der Wahl reizt, hier in Streitereien über Kleinigkeiten zu versinken –, dass die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei und die vielen anderen, die an dieser Arbeit beteiligt sind und einen schweren Job machen, der sicherlich auch nicht immer Spaß macht, von der Politik noch einmal das deutliche Signal bekommen: Wir stehen hinter ihnen, wir stehen hinter euch, wir finden es wichtig, dass ihr das so macht, und wir wollen, dass ihr das weitermacht! Das, was wir dazu beitragen können, dass die Rahmenbedingungen dafür stimmen, wollen wir tun. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP begrüßt den vorgelegten Antrag, der unter Federführung der Kollegen der CDU-Fraktion entstanden ist. Ich kann Ihnen, lieber Herr Ehmke, auch versichern, dass wir natürlich die Arbeit der engagierten Beamtinnen und Beamten ausdrücklich anerkennen, die sich in dieser schwierigen Thematik bewegen. Das ist ganz selbstverständlich, dass sie auch unsere vollständige Rückendeckung für ihre Arbeit haben.
Darüber kann man jetzt spotten oder was auch immer, aber ich will hier sehr deutlich sagen, dass es keine einfache Thematik ist, und deshalb ist es auch gut, dass es hier eine Informationsstelle gibt, die auch auf absehbare Zeit weiter benötigt wird. Herr Hinners hat das ausgeführt, dass es wichtig ist, dass diese Arbeit kontinuierlich fortgeführt wird. Das unterstützen wir natürlich grundsätzlich gern. Ich will jetzt nicht noch auf die Einzelheiten des Antrags eingehen, das ist hier hinreichend dargestellt worden. Ich glaube auch, dass wir mit Blick auf frühere Debatten in den letzten Tagen hier schon vieles zu der Gesamtthematik gehört haben, was jetzt auch nicht noch einmal wiederholt werden muss. Insgesamt bin ich der Auffassung, dass das ein vernünftiger Antrag ist, der uns heute hier vorliegt, und das ist auch gut, und das werden wir vielleicht gleich noch vom zuständigen Senator hören, wenn diese Arbeit verstetigt werden kann und er sich mit Unterstützung dieses Hauses dafür einsetzt, sodass auch entsprechende Stellen dort für die nächste Zeit zur Verfügung stehen. Gleichwohl will ich auf ein formulierungstechnisches Detail hinweisen, das ich zumindest angespro––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
chen haben will: Es ist in dem Antrag die Rede davon, dass trotz datenschutzrechtlicher Aspekte gehandelt werden soll. Ich glaube, die verdienen es, ausdrücklich berücksichtigt zu werden.
Keine Sorge, wir stimmen trotzdem zu. Der Datenschutz ist aber etwas, was sich aus meiner Sicht jedenfalls nicht für einen Nebensatz eignet, sondern auch da im Vordergrund stehen sollte. Ich gehe aber davon aus, Herr Hinners, dass wir da keinen Dissens haben, dass der Datenschutz dort nicht nachrangig behandelt werden soll, sondern das Ganze sich auch im Rahmen des Bremischen Datenschutzrechts bewegt, was dort miteinander vereinbart worden ist.
Insofern werden wir gern zustimmen, harren der Dinge, die dort kommen mögen, werden das auch weiter mit Interesse verfolgen. Ich bin auch sehr gespannt auf die weiteren Ergebnisse, und ich glaube, das ist eine ganz wichtige Arbeit, die dort geleistet wird. Wir brauchen das, und unsere Unterstützung hat das, lieber Herr Röwekamp, und zwar voll umfänglich. – Vielen herzlichen Dank!