Protocol of the Session on February 24, 2011

(Beifall bei der SPD)

Ein Mindestlohn von 8,50 Euro schützt Unternehmen vor ausbeuterischer Schmutzkonkurrenz, schont die öffentlichen Haushalte – und vor allen Dingen-, und das ist für uns das Wesentliche –, tritt er der Entwertung individueller Arbeitsleistungen entgegen. Ich werbe um breite Zustimmung für unsere Anträge. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Gehalt, von ihrer Arbeit leben können müssen. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die einer Vollzeittätigkeit nachgehen, ergänzendes Arbeitslosengeld und/oder Kosten zur Unterkunft bekommen müssen. Es ist entwürdigend, das wollen wir nicht, deshalb treten wir für den Mindestlohn ein.

Mir sind die Argumente der Gegner hier aus dem Haus auch hinreichend bekannt. Ich freue mich schon auf den Beitrag von Herrn Dr. Möllenstädt gleich,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Geht so!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)

der wahrscheinlich wieder sagen wird, Mindestlohn kostet Arbeitsplätze, Mindestlohn ist im Wettbewerb nicht darstellbar. Ich sage dazu, ein Unternehmen, das nur auf dem Markt existieren kann, wenn es einen Teil der Lohnkosten auf den Staat abwälzt in Form von Arbeitslosengeld II oder Kosten zur Unterkunft, ist ohnehin nicht wettbewerbsfähig und lebt von der Wettbewerbsverzerrung und nicht vom fairen Wettbewerb.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das wollen und das können wir auch nicht stützen.

Das Problem ist groß. Hier im Land Bremen haben wir 18 000 Aufstocker, das sind Menschen, die von ihrem Einkommen nicht leben können. Gleichzeitig kostet uns das im Jahr 35 Millionen Euro Steuergeld, das wir als Haushaltsnotlageland dringend brauchen, und es ist völlig unangemessen, dass wir damit Löhne subventionieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In unserem Vergabegesetz haben wir 2009 bereits einen Mindestlohn von 7,50 Euro festgelegt, Herr Tschöpe hat darauf hingewiesen. Die aktuellen Berechnungen unterschiedlicher Institute zeigen, dass der Mindestlohn mittlerweile bei 8,50 Euro liegen muss, um existenzsichernd zu sein. Deshalb wollen wir dementsprechend das Bremer Vergabegesetz ändern, das heißt, öffentliche Aufträge werden nur an solche Unternehmen vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe verpflichten, ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro zu bezahlen. Darüber hinaus möchten wir den Senat bitten, dass er mit Gewerkschaften und Interessenvertretern Gespräche aufnimmt mit dem Ziel, gemeinsam zu verifizieren, ob und wo es Beschäftigte gibt, die für das Land Bremen arbeiten und möglicherweise noch keinen Mindestlohn von 8,50 Euro erhalten. Das Ziel heißt dann, darauf hinzuwirken, dass das Gehalt auf 8,50 Euro angehoben wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen, dass sich der Senat weiterhin auf Bundesebene für den Mindestlohn und für eine Mindestlohnkommission einsetzt. Eine Mindestlohnkommission ist uns besonders wichtig, denn wir wollen, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam mit der Wissenschaft jährlich die Höhe eines Mindestlohns überprüfen und die Höhe vorschlagen, die existenzsichernd ist, und dieser sollte dann auch gefolgt werden. Daher bitten wir um Zustimmung zu unseren Anträgen.

Den Änderungsantrag der LINKEN lehnen wir ab, Herr Tschöpe hat das teilweise schon erläutert. Ich

halte ihn für populistisch. Er geht nach dem Motto: Wünsch dir was! Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch mehr als 10 Euro wünschen, aber darum geht es nicht. Der Mindestlohn ist definiert als die Summe, die eine Einzelperson verdienen muss, um aus dem Hilfebezug herauszukommen. Diese Summe liegt nach den Berechnungen gegenwärtig bei 8,50 Euro, für 10 Euro gibt es keine Berechnungsgrundlage.

Ihre Vermischung in Ihrem Antrag mit der Alterssicherung ist unzulässig. Mangelnde Alterssicherung hat in erster Linie etwas mit Teilzeittätigkeit oder Brüchen in der Erwerbsbiografie, also Arbeitslosigkeit, zu tun. Diese Probleme müssen meines Erachtens an anderer Stelle gelöst werden. Es ist wichtig, sie zu lösen, aber damit überfordert man den Mindestlohn. Das muss an anderer Stelle gelöst werden, also seien Sie wahrhaftig in der Frage! Wir sind das. Wir lehnen Ihren Änderungsantrag ab. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen heute zwei Anträge, einer der Koalition, einer der Fraktion DIE LINKE, vor, die auf einen Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben zielen. In der Tat glaube ich, ich habe das hier auch schon mehrfach ausgeführt, die FDP in diesem Haus ist der Meinung, dass dies kein adäquates Mittel zur Behebung der von Ihnen genannten Probleme ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich will hier auch ausdrücklich sagen, uns geht es hierbei auch mit Ihnen gemeinsam darum, dass auch wir wollen, dass Menschen für ehrliche und vernünftige Arbeit einen vernünftigen Lohn bekommen. Das steht, denke ich, für alle Mitglieder dieses Hauses außer Frage. Die Frage ist sicherlich nur, ob das, was Sie hier vorschlagen, geeignet sein kann.

Ich will einmal versuchen, mit einigen Argumenten aufzuräumen, die Sie in Ihrem Antrag vorgebracht haben! Erstes Argument: Mindestlöhne verhindern Aufstockung. 80 Prozent der Aufstocker arbeiten in Teilzeit. Dementsprechend verdienen sie natürlich auch nur einen Teil des Lohns, den andere Personen als Erwerbseinkommen erzielen. Mit mehreren Kindern wird man auch bei 8,50 Euro, die Sie vorschlagen, zum Aufstocker. 57 Prozent der westdeutschen Aufstocker mit Kindern verdienen bereits heute mehr als 7,50 Euro, also den Satz, den Sie heute als ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Mindestlohn angesetzt haben. 18 Prozent verdienen sogar mehr als die 10 Euro, die die Fraktion DIE LINKE hier vorschlägt. Mindestlöhne vernichten gering qualifizierte Arbeitsplätze und führen damit auch zu mehr Arbeitslosigkeit. Das habe ich hier schon mehrfach belegt, und das kann auch an verschiedenen Branchenbeispielen deutlich gemacht werden.

(Beifall bei der FDP)

Viele Aufstocker wollen nicht mehr als Teilzeit arbeiten aus Gründen der Kindererziehung, der Zuverdienstgrenzen, aus gesundheitlichen Gründen oder Gründen der persönlichen Lebensführung. Aufstocker sind sowieso teilweise schon Personen, die schwer zu vermitteln sind. Sie machen es ihnen hiermit noch ein Stück schwerer, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden.

Zweites Argument: Arbeitgeber beuten den Staat aus, wenn sie weniger als 8,50 Euro zahlen. Da sei Ihnen nur gesagt, jeder Arbeitgeber kann nur das bezahlen, was er auch erwirtschaftet. Insofern gilt das natürlich auch für den Bereich der öffentlichen Beschaffung. Deshalb muss man auch hier sehen, ob das dann am Ende tatsächlich auf der Kostenseite tragbar ist, was hier produziert wird, gerade wenn es um sehr einfache Tätigkeiten geht.

Dann Ihr drittes Argument: Mindestlöhne helfen Frauen. Gerade Frauen wollen an vielen Stellen lieber in Teilzeit arbeiten. Wir haben eine hohe Nachfrage in diesem Bereich, weil sie sich eben oft von sich aus dazu entscheiden, und Mindestlöhne zerstören gerade bekanntermaßen auch viele Arbeitsplätze von Frauen.

(Abg. Frau Tr o e d e l [DIE LINKE]: Die Bezahlung, Herr Dr. Möllenstädt!)

Kinderbetreuung und bessere Zuverdienstmöglichkeiten würden Frauen mehr helfen als die Mindestlohnpolitik, die Sie uns hier vorschlagen.

(Beifall bei der FDP)

Viertes Argument: Mindestlöhne stärken den Wettbewerb und erhöhen die Kaufkraft. Davor kann man nur warnen! Staatliche Eingriffe in die Preisfindung sind das Gegenteil von Wettbewerb. Mindestlöhne sind etwas, was man sicherlich auf Basis der Tarifpartner vereinbaren kann. Das ist dann aber auch etwas, was sozusagen der Branche auch angemessen sein muss. Wenn der Staat diese global festlegt, halten wir das für falsch, zumal es sich hier ja über eine ganz große Bandbreite von unterschiedlichen Gewerken und Produkten erstrecken würde, so wie Sie es vorhaben.

Lieber Herr Tschöpe, es ist ja in Ihren Ausführungen deutlich geworden, dass der Spagat auch Ihnen

im Grunde nicht gelingt, darzustellen, dass die 8,50 Euro nun unbedingt geboten sind und – natürlich auch mit Blick auf einen Wahltermin – nun dringend jetzt beschlossen werden müssen, dass aber die 10 Euro, die die Fraktion DIE LINKE hier vorschlägt, genau das Gegenteil sind, nämlich falsch und völlig unverantwortlich. Diesen Spagat bekommen Sie nicht dargestellt und gemeistert. Mich hat das nicht überzeugt. Ich glaube, der Weg ist der falsche, nicht die Frage der Höhe.

(Beifall bei der FDP)

Das, was hier stattfindet, ist genau die Preistreiberei, vor der ich gewarnt habe, als dieser Passus einmal in das Vergaberecht aufgenommen worden ist. Sie werden vor jeder anstehenden Wahl wieder eine Diskussion darüber führen. Beim nächsten Mal sind Sie vielleicht bei 10 Euro und die Linkspartei bei 15 Euro und so weiter. Das werden Sie in den nächsten Jahren hier erleben. Wir als Liberale sind der Meinung, dass dieser Weg falsch ist, Gehalts- und Tarifverhandlungen gehören nicht ins Parlament und nicht in dieser Form ins Gesetz. Deshalb werden wir die beiden Anträge ablehnen. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Nestler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln hier heute das Tariftreuegesetz, das erste Mal in Kraft gesetzt 2002, dann 2009 geändert, und zwar auch mit unserer Zustimmung. Heute liegt uns erneut eine Änderung auf dem Tisch, und ich muss ganz ehrlich sagen, auch nach Ihren Debattenbeiträgen kann ich die beiden Dringlichkeitsanträge der Koalition immer noch nicht ganz verstehen.

(Beifall bei der CDU)

Eine Mindestlohndebatte ist das hier mit Sicherheit nicht, sondern nur die Forderung an Betriebe, einen Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen anzusetzen.

Im ersten Beschlussvorschlag fordern Sie den Senat auf, die im Gesetz geregelte Forderung an Unternehmen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mindestens 7,50 Euro zu zahlen, aufzuheben und dafür 8,50 Euro einzusetzen. Das heißt, wer keinen entsprechend vorgegebenen Lohn zahlt, bekommt keine öffentlichen Aufträge mehr. Nur, den Firmen, die Sie hier auffordern, ist das mit Sicherheit ziemlich egal. Schließlich und endlich ändert es nichts an deren eigenen Tarifverträgen, sondern einzig und allein, wenn sie öffentliche Aufträge im Land Bremen erhalten wollen, werden sie ihren Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern – und zwar nur denen, die für diese Aufträge eingesetzt werden – mindestens 8,50 Euro bezahlen. Sie fordern also damit die Anbieter auf, die unter dieser Grenze liegen, teurer zu werden. Das ändert zwar die Höhe des Angebots, aber im Übrigen nichts. Zu bezahlen hat diese Mehrleistung dann ausschließlich der Senat.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Dann nehmen wir immer den An- bieter, der möglichst keinen Tariflohn zahlt, das ist am billigsten!)

Vielleicht kann uns der Senat ja einmal sagen, wie viele Firmen eigentlich in dem öffentlichen Aufgabenbereich ihre Leistungen unter dieser Lohngrenze von 8,50 Euro anbieten. Vielleicht kann er uns sagen, wie viele Menschen betroffen sind, welche Tätigkeiten sie anbieten, und wenn es zu dieser Erhöhung kommt, welche Summe dann auf den Haushalt des Landes Bremen zukommt, denn, wie gesagt, dieser Haushalt muss es tragen. Natürlich kann man auch einmal einen Gedanken darüber verlieren, ob Sie auf diesem Weg nicht vonseiten der Regierung versuchen, einen Eingriff in die Tarifautonomie bei anderen Unternehmen vorzunehmen. Ganz abwegig, Herr Dr. Kuhn, ist das zumindest nicht.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Schauen Sie doch einmal nach Berlin, die machen es doch gerade!)

Ich schaue nicht immer nach Berlin! Ich schaue auch über die Landsgrenzen zu unsere Nachbarn, wissen Sie, und die machen es nicht!

(Beifall bei der CDU)

Ganz am Rande: Die Lohnerhöhungen, die Sie hier einfordern, den Betroffenen aufzudiktieren und dann selbst bezahlen zu wollen, betragen immerhin bis zu 13 Prozent. Vielleicht feiern die Gewerkschaften ja, wenn Ihre Vermittlung Früchte trägt, dies auch noch als ihren Erfolg. Wenn Ihnen dies jetzt einfällt, und das auch noch als Dringlichkeitsantrag – Sie hätten Zeit genug dazu gehabt –, dann kann ich Ihnen nur ein Zauberwort sagen, und dieses Zauberwort heißt Wahl. Nun noch einmal ein kleines, nettes Wahlgeschenk, finanziert aus Steuermitteln, und einen ordentlichen Schlag extra aus dem Haushalt eines Notlagelandes!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Eben haben Sie noch gesagt, das macht dem Haushalt nichts aus! Ganz gering haben Sie gesagt!)