Protocol of the Session on October 18, 2007

Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass eine solche Erweiterung des Wahlrechts für den Landtag im Bundesgebiet einmalig ist. Mit gutem Grund hat kein anderes Bundesland einen ähnlichen Weg beschritten, denn er ist unserer Meinung nach verfassungswidrig. Ich will jetzt nicht die ganze Debatte aus dem März 2006 wiederholen, aber vielleicht nur einmal die Grundsätze. Es ist in Artikel 38 normiert, dass wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Regelung der Volljährigkeit aus dem Jahr 1974 die Grenzen zwischen Minderjährigkeit und Volljährigkeit auch für die Länder verbindlich festgelegt. Darüber können wir uns hier im Land nicht einfach hinwegsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Damals war auch schon Thema die isolierte Einführung des Wahlrechts für 16-Jährige auf Kommunalebene. Auch damals haben wir gesagt, das können wir aus rechtlichen und praktischen Bedenken nicht mittragen, denn es würde zu einem Auseinanderfallen des bisherigen Wahlsystems führen. Die stadtbremischen Abgeordneten des bremischen Landtags sind beinahe alle identisch mit den Personen der bremischen Stadtbürgerschaft. Eine echte Kommunalwahl zu einer bremischen Stadtbürgerschaft ist im bestehenden System nicht möglich. Daher müsste entweder die Altersgrenze für beide einheitlich heruntergesetzt werden – das heißt, auch im Landtag auf 16 Jahre abgesenkt werden –, oder es wäre die Einführung eines zweiten Stimmzettels erforderlich, und das – das wissen Sie selbst – wäre ein enormer Aufwand mit unverhältnismäßig hohen Kosten und einem großen organisatorischen Problem. Soweit zur Herabsetzung des Wahlalters!

(Beifall bei der CDU)

Nun zum Wahlrecht für die EU-Bürger! Wir alle wissen, die EU-Bürger haben in Bremen wie überall auch bereits ein Kommunalwahlrecht. Ein solches Recht auch für den Landtag einzuräumen hieße aber, unseren verfassungsmäßigen Grundsatz „Alle Macht geht vom Volke aus“ aus den Angeln zu heben. Unter Volk sind alle Bürger mit deutschem Pass zu verste

hen. Selbst die EU fordert daher auch keineswegs ein entsprechendes Wahlrecht, und kein anderes Bundesland kennt eine solche Regelung.

Ich komme nun zu dem Punkt Wahlrecht für NichtEU-Ausländer! Im Prinzip muss auch hier das gelten, was ich eben zu den EU-Bürgern gesagt habe; sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der bremische Staatsgerichtshof haben Anfang der Neunzigerjahre einem ähnlichen Begehren eine Absage erteilt. Eines der Hauptargumente damals war, dass das Staatsvolk nicht beliebig ausgeweitet werden kann. Nun sagen Sie, Herr Dr. Kuhn – Herr Ehmke hat es so ähnlich formuliert –, das Wahlrecht sei ein geeignetes Mittel zur Integration. Das sehen wir ein wenig anders. Die Beispiele in Frankreich und in England haben gezeigt, dass ein Wahlrecht für diese Gruppe gerade nicht zu einer besseren Integration geführt hat.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Kühne Behauptung!)

Integration setzt vielmehr voraus, dass eine Integrationsbereitschaft vorhanden ist, dass wir ein gutes Bildungsangebot machen und dass wir die sozialen und wirtschaftlichen Probleme von Ausländern lösen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind daher der Meinung, dass erst eine Einbürgerung kommen muss und dann das Wahlrecht. Gleiches muss auch für Beiratswahlen gelten.

Ich komme noch einmal zum letzten Punkt oder zu den Punkten 6 und 7, weil Volksbegehren und Bürgerbeteiligung schon Punkte sind, die auch für uns ganz wichtig sind. Wenn denn die Möglichkeit zur Volksgesetzgebung in Bremen nicht ausreichend ist, so, da gebe ich Ihnen recht, müssen wir daran arbeiten, die Gesetzgebung zu verbessern. Wir schlagen daher vor, dass wir uns insbesondere einmal anschauen, was andere Bundesländer auf diesem Gebiet machen, welche Regelungen sie getroffen haben, um eine angemessene Beteiligung zu sichern, denn natürlich finden wir eine Teilhabe an der Politik für alle Bürger wichtig und richtig. Dafür wollen wir uns auch einsetzen.

In diesem Sinne, denke ich, werden wir konstruktiv im Ausschuss mitdiskutieren. Ich bin sicher, dass wir eine Vielzahl von verfassungsrechtlichen Fragen dort zu diskutieren haben. Ich weise abschließend noch einmal darauf hin: Auch wir wollen uns konstruktiv und inhaltlich gehaltvoll an dem Thema „lebendige Demokratie“ beteiligen.

Ich muss noch einmal kurz auf unser Abstimmungsverhalten eingehen. Wir werden also in den Punkten 1, 6 und 7 des Antrages zustimmen. Die anderen Punkte lehnen wir ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Oh Mannomann! Herr Dr. Kuhn, wenn man Sie so reden hört, bekommt man richtig Angst um die Zukunft unserer Kinder. Zu diesem Thema Wahlrecht, insbesondere Ausländerwahlrecht, habe ich mich schon unzählige Male deutlich geäußert, sodass ich mich kurzfassen kann.

Ich lehne eine Einführung eines Ausländerwahlrechts in Bremen und Bremerhaven aus folgenden Gründen ab: Erstens kann man quasi durch eine krankhafte Einführung des Ausländerwahlrechts eine sogenannte traumatisierte Integration nicht erzwingen oder gar herbeizaubern. Das geht nicht, Sie sind Traumtänzer! Hier sage ich klar und deutlich: Wer in Deutschland wählen möchte und sich mit Deutschland als ausländischer Mitbürger identifiziert, kann deutscher Staatsbürger werden, dann darf er wählen. Wo ist das Problem? So einfach geht das!

Bei der Einführung des Ausländerwahlrechts sehe ich die Gefahren, dass sich zum Beispiel die Minderheitenstrukturen in Bremen und Bremerhaven erheblich verfestigen werden und dass ethnische Konflikte und das Potenzial dazu dramatisch anwachsen werden. Ich sehe also absolut überhaupt keinen Grund, ein Wahlrecht für alle Ausländer in Bremen und Bremerhaven einführen zu wollen. Hinzu kommt noch, dass durch die Einführung des Ausländerwahlrechts noch enorme, unnötige Kosten auf unsere Gemeinde, auf unser Bundesland und die Kassen zukommen werden. Das können wir uns als Haushaltsnotlageland nicht erlauben!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schaffen wir die Wahlen doch gleich ganz ab! Das wäre am billigsten!)

Herr Dr. Güldner! Ich muss Sie doch wohl nicht daran erinnern, dass Sie Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen sind und nicht der Fraktionsvorsitzende der Muppet-Show, also benehmen Sie sich auch entsprechend!

(Unruhe – Abg. Frau S t a h m a n n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Dann sind Sie Fozzy Bär!)

Wenn Sie wirklich eine realistische Integration wollen, dann sorgen Sie zunächst einmal dafür –

(Unruhe – Glocke)

ja, das ist richtig, ich bitte um Ruhe! –, dann sorgen Sie zunächst einmal dafür, dass die unzähligen Ausländer, die sich gar nicht integrieren lassen wollen – die gibt es hier zu Genüge, die schon seit Jahrzehn

ten hier wohnen und immer noch kein Deutsch sprechen können –, endlich Deutsch lernen

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Können Sie auch nicht! – Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und dass sie sich auch integrieren lassen wollen! Das wäre viel sinnvoller und zweckmäßiger als Ihre Zwischenrufe, Herr Dr. Güldner!

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Die sind aber gut!)

Bitte? Kommen Sie nach vorn, dann können wir diskutieren! Kommen Sie gleich nach vorn, darauf freue ich mich schon jetzt!

Meine Damen und Herren, da Ihnen die Wählerschaft und die Mitglieder in Scharen aus gutem Grund davonlaufen, die Wahlbeteiligung liegt ja gerade einmal bei 50 Prozent oder teilweise sogar darunter, ist mir schon klar, dass Sie einfach hier etwas machen müssen, und wenn es noch so ein Blödsinn ist! Dann sollten Sie aber lieber endlich einmal eine vernünftige, ehrliche und saubere Politik, eine sozial gerechtere Politik für die Zukunft unserer Kinder betreiben, dann haben Sie auch wieder Wähler und nicht auf Kosten und zulasten unserer Bürgerinnen und Bürger ein unnötiges Ausländerwahlrecht einführen zu wollen.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Warum sind Sie eigentlich nicht mehr bei der DVU? – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Er hatte rechtsstaat- liche Bedenken!)

Meine Damen und Herren, das Ausländerwahlrecht lehne ich konsequent ab. Die anderen Abschnitte, die Bürgerrechte zu stärken, finden meine Zustimmung. Hinzufügen möchte ich noch, bevor Sie mich wieder als Ausländerfeind betiteln: Ich habe überhaupt nichts gegen ausländische Bürgermeister oder Minister oder sonstige Politiker, aber in ihren Heimatländern und nicht hier in Bremen und Bremerhaven! – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ehmke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf den Zwischenruf des Kollegen Günthner von eben eingehen. Ich finde, Herr Tittmann hat gerade deutlich gemacht, er hat ein nachhaltig gestörtes Verhältnis zu Ausländern und ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bünd- nis 90/Die Grünen, bei der Linken und bei der FDP – Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke) –––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Bitte auf den Zuschauerrängen keine Missfallens- oder Freudenskundgebungen, das ist hier nicht erlaubt, liebe Schülerinnen und Schüler! – Bitte, Herr Kollege Ehmke!

Vor dem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, verwundert es nicht, dass der Kollege Tittmann Schwierigkeiten mit diesem Antrag hat, und in der Tat hat er zumindest deutlich gemacht, durch seinen Austritt aus der DVU hat sich an seiner rechten Gesinnung nichts geändert.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bünd- nis 90/Die Grünen, bei der Linken und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Die war wahrscheinlich zu liberal!)

Ich will an dieser Stelle auf einige vorgenannte Punkte eingehen. Zunächst einmal freue ich mich sehr, dass alle demokratischen Fraktionen in diesem Hause deutlich gemacht haben, dass sie sich aktiv an der Arbeit dieses Ausschusses beteiligen wollen und alle die Notwendigkeit sehen – in unterschiedlicher Ausprägung –, sich mit dieser Fragestellung, die in diesem Ausschuss aufgeworfen wird, auseinanderzusetzen und Schritte zu unternehmen, um neue und andere Partizipationsmöglichkeiten zu entwickeln beziehungsweise bestehende zu stärken.

Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Frau Kollegin Winther hat auf einige rechtliche und verfassungsrechtliche Fragestellungen hingewiesen. Ich kann das sehr gut verstehen, weil ich das an dieser Stelle nicht wegwischen, sondern sagen will, das müssen wir sehr ernsthaft diskutieren. Ich kann auch hier nicht versprechen, dass wir alle Ziele, die wir in diesen Ausschuss hineingegeben haben, am Ende auch erreichen können. Das Einzige, was ich ernsthaft versprechen kann, ist, dass wir nach Wegen dafür suchen wollen. Wenn am Ende die Einschätzung richtig ist, dass dem das Grundgesetz, die Landesverfassung oder anderes Recht entgegenstehen, dann wird es so sein, und dann müssen wir uns dem beugen. Das ist nicht die Fragestellung für uns, die Fragestellung ist nur, dass wir uns auf den Weg machen und dies alles noch einmal überprüfen und hinterfragen wollen.

Zu einigen praktischen Punkten will ich noch einmal sagen: Die isolierte Wahl der 16-Jährigen zur Stadtbürgerschaft wäre in der Tat das Erfordernis, dass wir dann einen extra Wahlgang haben, den wir im Moment allerdings auch mit den EU-Bürgern haben, die das Wahlrecht zur Stadtbürgerschaft haben. Zugegebenermaßen ist das keine völlig befriedigende Situation, aber dennoch auch nicht völlig neu und ungewöhnlich für Bremen. Beim Wahlrecht auf Landesebene hat Herr Schäuble unlängst bei der Frage, ob er nicht auch für ein Wahlrecht ab 16 für den Deutschen Bundestag sei, das aus verschiedenen Ländern

gefordert würde, ausgeführt, dass er das für den Deutschen Bundestag ausdrücklich ablehne. Die Länder sollten das dann doch nicht immer für den Bund fordern, sondern zunächst einmal bei sich selbst umsetzen, wenn sie es denn für richtig hielten. Das ist der Weg, den wir versuchen zu gehen, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich will an der Stelle auch noch einmal die Frage nach passivem oder aktivem Wahlrecht ansprechen. Für mich ist das nicht entschieden, aber ich will, dass wir uns der Frage stellen, dass wir uns damit auseinandersetzen, und dann werden wir am Ende eine Antwort darauf finden.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Ich sage Ihnen ganz offen, das ist auch in meiner Fraktion nicht völlig unumstritten, sondern auch da sind wir in einem Entwicklungsprozess. Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, das im Ausschuss diskutieren und am Ende eine Entscheidung treffen, was wir dort für richtig halten.

Eine letzte Bemerkung zur Linkspartei, zur Linken: Die Frage der Verknüpfung mit dem Ausschuss der Stadtbürgerschaft für Beiräte und Bürgerbeteiligung ist auch bei uns diskutiert worden. Wir müssen hier sehen, dass wir an dieser Stelle eine staatliche Fragestellung prüfen, dass wir uns hier im Landtag befinden und dass wir es insofern schon von der Ebene her mit zwei Dingen zu tun haben.

Richtig ist aber, dass es in beiden Ausschüssen ein gemeinsames Anliegen gibt, nämlich für mehr Beteiligung und mehr Demokratie zu sorgen. Darum haben wir es bei uns in der Fraktion so diskutiert, wir wollen und brauchen natürlich eine ganz enge Kommunikation zwischen den beiden Gremien. Sie haben eine unterschiedliche Aufgabenstellung, sie haben auch unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, die sie vorfinden, aber das Ziel beider Ausschüsse ist natürlich auf ein Gemeinsames gerichtet, nämlich auf mehr Demokratie, mehr Partizipation und mehr Bürgerbeteiligung. Darum ist es nicht nur richtig und wichtig, sondern von unserer Seite auch gewollt und zugesagt, dass wir beide Anliegen in einem engen inhaltlichen Zusammenschluss bearbeiten werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.