Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Man kann über Gegenstände, die wir hier verhandeln, sehr verehrter Herr Dr. Möllenstädt, völlig unterschiedlicher Meinung sein. Man kann über Schrifttum, das existiert, Meinungen, die auch Mitglieder des Senats äußern, die Sie angesprochen haben, völlig unterschiedlicher Meinung sein.
Was meines Erachtens überhaupt nicht geht und vielleicht den Zustand der FDP reflektiert, ist, dass Sie glauben, auf solche Begriffe wie Glühweinseligkeit und Räucherstäbchen zurückgreifen zu müssen, wenn Sie hier eine politische Debatte führen, und deswegen weise ich das auf das Schärfste zurück, dass Sie das getan haben.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Abg. D e n n - h a r d t [SPD]: Deswegen sind sie jetzt auch eine Gruppe! – Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Zu sehen bei „Extra 3“!)
Vielleicht ist das Ihr Niveau, unseres ist es jedenfalls nicht. Ansonsten, bis auf diesen Ausrutscher, den wir uns, wie ich finde, eigentlich im Umgang untereinander nicht erlauben sollten, war es ja eine sehr ruhige und sachliche Debatte, und ich glaube, dass es dem Gegenstand auch angemessen ist. Es ist ja manchmal ganz hilfreich, gerade wenn solche Debatten etwas hochkochen und etwas Pulverdampf erzeugen, wenn man noch einmal versucht, die öffentlich gemachten Aussagen und die Fakten überein zu bringen, und da gibt es natürlich auch für die Öffentlichkeit, das gebe ich gern zu, missverständliche Äußerungen.
Nehmen wir einfach einmal zwei Zitate von zwei Herren, die sich im Ansatz eher näher stehen. Der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Weser, der Bürgermeister a. D. Herr Wedemeier sagte im „Weser Report“ vom 9. Januar 2011: „Der BUND gefährdet die maritime Wirtschaft in der Weserregion mit fast 100 000 Arbeitsplätzen.“ Das ist die Aussage.
Emanuel Schiffer, Geschäftsführer von Eurogate, allen bekannt als unser Unternehmen, an dem wir beteiligt sind, das ein führender Weltmarktplayer im Containerumschlag ist, sagt im „Sonntagsjournal“ vom 24. Januar 2010, wörtliches Zitat von Herrn Schiffer: „Konkrete Auswirkungen auf die Umschlagsmengen seien durch den verspäteten Weserausbau jedoch nicht zu spüren. Die angekündigten Ultra ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Large Vessels der Containerredereien seien noch gar nicht gebaut, und die anderen großen Schiffe wie die der S-Klasse der Maersk Line erreichen die Terminals problemlos.“
Ich sage das deswegen, weil da ja gar nicht Ökologie auf Ökonomie trifft, wie es so oft als Gegensatz zu hören war, sondern zwei nicht nur in Nuancen, sondern auch im Kern unterschiedliche Einschätzungen aus der Hafenwirtschaft selbst geäußert werden. Vielleicht ist eine Lehre, die ich für mich daraus ziehe, dass, wenn wir versuchen, Übertreibungen zu unterlassen, wir jeweils, unseren eigenen Positionen eher nützen, als wenn wir behaupten, dass nun gleich 100 000 Arbeitsplätze gefährdet sind. Also, es ist vielleicht auch auf allen Seiten, und ich will mich da selbst jederzeit einschließen, einmal ganz gut, wenn wir die Fakten, wie sie sind, zur Kenntnis nehmen.
Vielleicht ist es auch richtig, und es ist für die Debatte vielleicht auch noch einmal für die Zukunft hilfreich, wenn wir mehr versuchen – in diese Kritik und Selbstkritik würde ich mich selbst auch einschließen –, dass wir Verständnis für die jeweils andere Argumentation in dieser Angelegenheit aufbringen. Im Moment haben wir die Situation, dass diejenigen, die sich vor allen Dingen, wie ich finde, völlig legitime Sorgen um die Wirtschaftsentwicklung und um die Arbeitsplätze machen – weil das natürlich in einem Land wie Bremen mit einer so hohen Arbeitslosigkeit und mit einem so geringfügiger als im Rest der Republik angekommenen Aufschwung immer ein zentrales Thema sein muss –, sich auch intensiv mit den Fragen der Klimaerwärmung, der Deichsicherheit, mit der Frage, wie wir überall in Deutschland Überflutungen zu bewältigen haben und was Flüssevertiefungen damit zu tun haben, beschäftigen, und umgekehrt, und da würde ich mich selbst in die Selbstkritik natürlich auch mit einnehmen, dass diejenigen, die diesen Aspekt betonen, immer auch deutlich machen, dass das nicht heißt, dass die Frage von Arbeitsplätzen, von Arbeit, Beschäftigung, Steueraufkommen und Zukunft der Wirtschaft keine Rolle spielt. Das ist ja manchmal in der Debatte so, dass das gegeneinander gestellt wird.
Wir müssen aber zwischen diesen wirtschaftlichen Überlegungen und den teilweise, wenn Sie sich einmal die Flüsse anschauen, desaströsen Auswirkungen von Flussbegradigungen und Flussvertiefungen und auch den Gefahren der Überflutungen und viele andere Dinge abwägen. Nehmen Sie als Beispiel die Gefahr der Versalzung der Wiesen in der Wesermarsch, zu der die niedersächsischen Landwirte wahrscheinlich auch noch einiges zu sagen haben! Also, das ist eine Kritik an diejenigen,
die diese ökologische Aspekten ausblenden, es ist aber auch eine, wenn Sie es so wollen, Erkenntnis, dass diejenigen, die das nach vorn stellen, immer auch nicht vergessen dürfen, dass die Fragen der Zukunft unserer Wirtschaft und der Arbeitsplätze im Land Bremen natürlich eine überragende Rolle spielen.
Jetzt zum Planfeststellungsverfahren: Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass man einer Behörde, die ein voluminöses Werk von 1 600 hochkomplizierten technisch und rechtlich anspruchsvollen Seiten vorgelegt bekommen hat, um ein Einvernehmen zu erklären, nun sagt, das solle sie einmal ganz schnell und am besten bis übermorgen machen. Wie ernst nehmen Sie denn tatsächlich diese Prüfung?
und Sie müssen doch auch einsehen, dass es selbstverständlich so ist, dass je gründlicher Sie das prüfen, umso standfester ihre Haltung vor Gericht ist. Ich möchte jetzt einmal an dieser Stelle – und darauf werde ich vielleicht noch einmal zurückkommen – das Verfahren zum Bauabschnitt 2.2 der A 281 erwähnen. Selbstverständlich ist es doch so, dass, wenn Sie dann in dem verkürzten Verfahren, das wir inzwischen nach Bundesverkehrswegerecht haben, vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Niederlage erleiden, alles länger dauert, kostenträchtiger und komplizierter wird, was Sie dann machen. Daher ist doch eigentlich eine gründliche Prüfung dieser Unterlagen auch in Ihrem Interesse. Das kann doch gar nicht außer Frage stehen, Herr Röwekamp, ich verstehe Sie da an gar keiner Stelle.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wollen Sie für das Klageverfahren eigentlich aussetzen?)
An dieser Stelle habe ich überhaupt gar kein Verständnis, dass die Bundesregierung aus FDP und CDU einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der für uns eine enorme Rolle spielen wird, der inzwischen im Bundeskabinett und in Berlin in der Diskussion ist, nämlich im Planfeststellungsverfahren die Anhörung der Träger öffentlicher Belange fakultativ zu stellen, das heißt, nur noch in das Benehmen zu setzen, wann eine solche Anhörung stattfindet oder nicht. Ja, was
haben Sie denn aus Stuttgart 21, was haben Sie denn aus den unterschiedlichen Verfahren gelernt, wenn Sie jetzt wieder mehrere Schritte rückwärts machen wollen in der Bundesregierung, um diese Verfahren außer Kraft zu setzen?
Das kann doch unmöglich Ihr Ernst sein! Das Gegenteil ist doch der Fall. Diese Anhörungen schaffen doch Akzeptanz.
Diese Anhörungen schaffen eine Stimme für diejenigen, die bei diesen Großprojekten auch gehört werden sollen, sie schaffen meines Erachtens auch eine größere Schnelligkeit, und sie schaffen eine Senkung der Kosten. Ich bin mir jetzt gar nicht im Klaren, ob der Bundesrat letztendlich nur mitberaten würde, wenn der Gesetzentwurf eingebracht wird, oder ob er sogar eine Mitentscheidung treffen muss. Ich bin mir aber ganz sicher, dass die Länder, und zwar völlig unabhängig von der Parteifarbe, ganz große Bedenken haben werden, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, der ein großer Rückschritt durch die Bundesregierung ist, was die Beteiligung der Bürger an diesen Verfahren angeht.
Jetzt zum Schluss natürlich noch einmal zu der Frage des Sofortvollzugs: Was wäre denn gewesen, wenn wir bei dem Bauabschnitt 2.2 der Bundesautobahn A 281 nicht im Senat beschlossen hätten, dass wir die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig abwarten?
Hätten Sie denn vielleicht Spaß daran gehabt, einen begonnenen Bauabschnitt dann wieder abreißen zu müssen? Glauben Sie wirklich, dass es dann schneller geht, dass das kostengünstiger ist, dass das im Sinne der Wirtschaft oder von wem auch immer ist, wenn man zu bauen anfängt und Leipzig dann diese Dinge stoppt und man am Ende des Tages begonnene Maßnahmen entweder wieder abreißen oder sonst irgendwie etwas machen muss? In dem Fall war es eine kluge Entscheidung des Senats, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat das bestätigt, abzuwarten. Jetzt sitzen Sie ja auch alle mit uns zusammen am runden Tisch, und man versucht, eine Lösung mit der Wirtschaft und mit den Bürgerinitiativen zu finden, und ich glaube, auch das ist eine Lehre aus Stuttgart 21 und vergleichbaren Verfahren, dass wir es so machen sollten.
Das heißt am Ende des Tages, für die Weservertiefung – und das kann ich hier noch einmal ganz deutlich sagen – ist diese Entscheidung in die Hände des Rechtsstaates gelegt. Es wird rechtsstaatlich entschieden werden, ob es einen Sofortvollzug gibt oder nicht. Es gibt ja manchmal auch kritische Äußerungen zum Rechtsstaat, ich will nicht näher darauf eingehen, in jüngster Vergangenheit habe ich mir eine angehört, die mir nicht so gut gefallen hat. Ich habe volles Vertrauen in den Rechtsstaat, ich werde auch allen diesen Dingen mit vollem Vertrauen entgegensehen. Im Rechtsstaat wird im Bundesverwaltungsgericht dann am Ende entschieden: Ist ein Sofortvollzug möglich? Gibt es einen Eilentscheid? Wie ist die Entscheidung in der Hauptsache? In dessen Hände können wir, glaube ich, diese Entscheidung auch ganz gut legen.
Da wir jetzt ein Verfahren haben, das letztinstanzlich und in nur einer Instanz ist, werden danach die Dinge so umgesetzt, wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat. Dafür stehen selbstverständlich auch Bündnis 90/Die Grünen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, darf ich auf der Besuchertribüne recht herzlich eine 12. Klasse der beruflichen Schule für Dienstleistung, Gewerbe und Gestaltung aus Bremerhaven begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Im Laufe der letzten 130 Jahre wurde die Weser immer weiter den Bedürfnissen der Hafenwirtschaft angepasst, sodass die Fahrrinne von ursprünglich fünf Meter auf durchschnittlich 10,5 Meter ausgebaggert wurde. Nun soll die Weser mit einem Bundeszuschuss von 30 Millionen Euro auf einer Länge von 100 Kilometern weiter vertieft werden, und das wiederum für die immer wieder klagende Hafenwirtschaft. So wird von ihr lautstark erklärt, dass die immer größer werdenden Containerschiffe eine tideunabhängig befahrbare Weser benötigen. Zusätzlich wird als Totschlagargument vorgebracht, dass ohne eine Vertiefung der Fahrrinne die Hafenarbeitsplätze in Gefahr geraten würden.
Lassen Sie uns nun einmal die beiden Aussagen genauer ansehen! Die Behauptung, dass die immer größer werdende Containerschiffe eine tideunabhängig befahrbare Weser benötigen, sagt doch im
Umkehrschluss aus, dass nur noch größere Schiffe Bremerhaven anlaufen werden. Dies ist aber eine Falschdarstellung der Realität.
Zum einen werden weiterhin auch kleinere Containerschiffe Bremen und Bremerhaven anlaufen, zum anderen wird Bremerhaven bereits heute von großen und größten Containerschiffen, davon an die 98 Prozent ohne jegliche Probleme, angelaufen. Die größten davon, zum Beispiel die „Emma Maersk“ mit einem Tiefgang von bis zu 16,5 Metern, kam mit einer Teilladung an, da sie zuvor an anderen Nordseehäfen einen Teil der Containerladung gelöscht hat. Dies hat die Reederei der Großcontainerschiffe aber nicht gemacht, weil die Weser nicht den richtigen Tiefgang hatte, sondern um auch die anderen auf ihrer Fahrtroute liegenden Häfen anlaufen zu können. Dies werden sie auch in Zukunft so machen, selbst wenn Sie die Fahrrinne der Weser auf 18 Meter vertiefen würden.
Warum nun die Hysterie der Hafenwirtschaft? Lassen Sie uns nun das Totschlagargument betrachten, dass ohne eine Vertiefung der Fahrrinne die Hafenarbeitsplätze in Gefahr wären! Auch dies ist eine völlig absurde Aussage. Sie können doch nicht wirklich glauben, dass nur eine immer weiter vorangetriebene Weservertiefung Arbeitsplätze sichern oder gar neue schaffen würde! Zusätzliche Arbeitsplätze können nur ermöglicht werden, wenn eine bis zum heutigen Tag immer noch ausgebliebene echte Hafenkooperation aller Nordseehäfen gegründet wird. Dass eine Kooperation von Gleichgesinnten funktioniert, haben uns die Reedereien vorgemacht. Über ihre Kooperation haben sie es erreicht, die Frachtraten weitgehend stabil zu halten und sich auf Fahrtrouten und im Frachtmarkt fest zu etablieren. Eine der Vorzeigereedereikooperation ist die Grand Alliance, die als eine der größten und marktstärksten Reedereiallianzen aufgeführt wird.
DIE LINKE hat am 13. November 2010 eine maritime Konferenz veranstaltet, die in einem ihrer fünf Foren auf die Möglichkeit von Hafenkooperationen einging. Allein aus diesem Arbeitsergebnis des Forums wurde erkennbar, dass die Kooperation der Nordseehäfen eine Stärkung der einzelnen Hafenstandorte bewirkt und eine Konkurrenzsituation der einzelnen Häfen, die die Arbeitsplätze in Gefahr bringen würde, weitestgehend ausschließt.
Das setzt aber voraus, dass die einzelnen Häfen sich auf ihre derzeitigen Infrastrukturen besinnen und diese optimieren. Die Optimierung muss aber von innen kommen und darf von den Kooperationspartnern nicht gefährdet werden. Die einzelnen Kooperationspartner müssen aber auch erkennen, dass die Stärken anderer Standorte, wie zum Beispiel der neu entstehende Hafen im JadeWeserPort, die Stärkung aller Kooperationspartner ist und nicht
die Schwächung des eigenen Hafenstandorts. Eines können Sie mir glauben: Jeder Hafenstandort hat seine ganz bestimmten Reize, und diese werden auch von den jeweiligen Reedereien gesehen. Wenn es den Reedereien aber gelingen sollte, die jeweiligen Hafenstandorte vergleichbar zu machen, sodass sie sich keine Sorgen machen müssen, einen der Hafenstandorte zu verlieren, haben insgesamt alle Häfen verloren.
Die Konkurrenz der einzelnen Hafenstandorte untereinander gefährdet die Hafenstandorte und die jeweiligen Arbeitsplätze in Form der immer geringer ausfallenden Hafeneinnahmen – was auch wir feststellen konnten –, der Anzahl der Hafenarbeitsplätze und deren Entlohnung und nicht die geringe Wassertiefe der Weser. Soviel zu den ökonomischen Auswirkungen und zu den beiden aus meiner Sicht irrig geführten Aussagen unserer Hafenwirtschaft!
Kommen wir nun zu den ökologischen Auswirkungen, dies haben wir jetzt schon von verschiedenen Rednern gehört, ich möchte es einfach einmal zusammenfassen: Die Verlagerung der Brackwasserzone der Weser wird in diesem Bereich ein Absterben von Flora und Fauna zur Folge haben. Eine sogenannte Todeszone wird entstehen. Die Fluten laufen schneller und höher auf. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Kappung der Berge im Flussbett die Weser schneller fließen lässt. Das hat wiederum Gefahren der Überflutung und Gefahren der Unterspülung der Deiche zur Folge. Nun haben wir einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der fordert, dass wir erst einmal die Klageeinreichung vom BUND abwarten sollten. Wie vorhin schon richtig erklärt wurde, liegt ein Gutachten von circa 1 600 Seiten vor. Das muss wirklich gewissenhaft durchgearbeitet werden. Hier muss man dem BUND die Chance geben, dies auch wirklich machen zu können.
Wir können jetzt nicht einfach anfangen und Maßnahmen vornehmen, die nachhaltig sind. Wir dürfen keine Fakten schaffen, die unwiderruflich sind. Daher werden wir den Antrag der CDU ablehnen, und ich hoffe, dass Sie unseren Antrag unterstützen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!