Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unterricht in Biblischer Geschichte ist ein immer wiederkehrendes Begehren der CDU, und sie wird nicht müde, die Forderung nach mehr Biblischer Geschichte immer wieder anzubringen, aber das hilft nichts.
Tatsache ist, dass Biblische Geschichte an vielen Schulen kaum nachgefragt wird. Die zeitgemäße Öffnung dieses Faches ist überfällig. Entweder brauchen wir ein Fach Religionskunde, in dem Schülerinnen und Schüler dann auch über andere Religionen unterrichtet werden – dafür besteht unzweifelhaft ein Bedarf, denn die Schülerinnen und Schüler wollen sehr wohl etwas über die Religionen wissen, die sie selbst nicht kennen und denen viele ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler angehören –,
oder wir brauchen ein Fach Ethik und interkulturelle Bildung, in dem sowohl Religion als auch nicht religiöse Ethik unterrichtet wird. Auch das wäre eine sinnvolle Sache.
Die CDU steht bezüglich Biblischer Geschichte auf der Reformbremse, hier muss Bewegung eintreten. Was aber nun gar nicht geht, ist der Punkt zwei des Antrags, nämlich dass zugewiesene Stunden für Biblische Geschichte nicht für etwas anderes genutzt werden dürfen. Wenn Biblische Geschichte nicht ausreichend nachgefragt wird, warum sollen dann die Schulen die zugewiesenen Stunden nicht für etwas anderes nutzen? Die Nachfrage würde nicht steigen, wenn man das nicht macht. Es wäre nur eine Kürzung der zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden, und das lässt sich nun gar nicht rechtfertigen.
(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Die Stunden werden dafür zugewiesen! Wissen Sie das ei- gentlich? – Vizepräsident R a v e n s über- nimmt den Vorsitz.)
Wir empfehlen der CDU, sich den Zeichen der Zeit zu stellen und sich endlich dafür zu öffnen, wie Religion und Ethik heute an den Schulen in einer Weise unterrichtet werden kann, die der Lebensrealität und der interkulturellen Struktur der Schülerinnen und Schüler Rechnung trägt. Das sollte eigentlich auch ein im besten Sinne wertekonservatives Anliegen sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben zu vergegenwärtigen, dass hier über ein Fach geredet wird,
das freiwillig besucht wird, ein Fach, bei dem die Freiwilligkeit darin begründet liegt, dass es eben darum geht, Religionsfreiheit auf der einen Seite zu beachten und auf der anderen Seite die Erziehungsfreiheit der Eltern. Das sind ebenso Verfassungswerte, und die sind, glaube ich, mehr Grundrecht als Biblische Geschichte, die in unserer Landesverfassung in der Tat durch entsprechende Artikel in der Verfassung abgesichert ist. Die sogenannte Bremer Klausel ist uns Bildungspolitikern allen bekannt. Sie sagt nämlich genau, dass das in Bremen auch weiter anders geregelt werden darf, auch nach der Verabschiedung des Grundgesetzes. Das ist ein hoher Wert, und ich möchte hinter diesen Wert nicht zurückfallen, denn, Frau Motschmann, Sie haben zwar andere Bundesländer angesprochen, aber ich halte es für falsch, dass dort Kirchengemeinden und Landeskirchen bestimmen können, wer Religionsunterricht geben darf und wer nicht. Ich finde, es muss von staatlichen Behörden festgelegt werden, wer an staatlichen Schulen unterrichtet. Dabei geht es um die Befähigung
und nicht darum, ob jemand eine Lehrbefugnis von seiner Kirche bekommen hat oder nicht. Das ist die Errungenschaft des Kompromisses, den es damals, 1947, in Bremen gegeben hat, eine Errungenschaft, um die es ein langes Ringen gegeben hat. Man kann das in den Büchern von Horst Adamietz nachlesen oder auch beispielsweise in den Lebenserinnerungen von Bürgermeister Spitta, der damals die Kompromissformel gefunden hat, die besagt, den Unterricht auf allgemein christlicher Grundlage und staatlicherseits zu erteilen. Wir wollen uns dies doch in der Tat bewahren. Ich muss auch, Frau Stahmann, den Grünen sagen: Wir wollen gern über eine Reform und Weiterentwicklung des Unterrichts über Religionen und Atheismus, Humanismus und Werte und Normenvermittlung reden, aber wir wollen nicht dahinter zurückfallen, was dieser Kompromiss gebracht hat, nämlich dass dort nicht von christlichen, jüdischen oder muslimischen Gemeinden entschieden wird, wer unterrichten darf, sondern von denen, die staatlicherseits dafür verantwortlich sind. Das ist eine Errungenschaft, hinter die wir nicht zurückfallen müssen und bei der wir auch als FDP darauf achten wollen – bei aller Reformnotwendigkeit –, dass diese Errungenschaft erhalten bleibt. Das ist sicherlich eine verfassungsrechtlich schwierige Operation. Wenn man diesen Verfassungsartikel in Bremen angeht, wird nämlich diskutiert werden müssen, ob die Bremer Klausel überhaupt noch gilt.
(Beifall bei der FDP – Abg. Frau M o t s c h - m a n n [CDU]: Die Errungenschaft hat da- zu geführt, dass das Fach nicht mehr unter- richtet wird!)
Die Errungenschaft hat nicht dazu geführt! Es ist doch deshalb so gekommen, weil unsere Gesellschaft sich gewandelt hat! Im Kindergarten meiner Kirchengemeinde ist nur noch ein Drittel der Kinder überhaupt Mitglied einer Kirche. Das ist heute der Stand, den wir in unserer Gesellschaft erreicht haben. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen!
Frau Motschmann, wenn Sie sich so schön aufregen, ein Punkt hat mich wirklich geärgert: Wir reden hier über soziale Kälte. Sie haben gesagt, das liegt daran, dass das Christentum so selten da ist. Dies verkennt, dass Humanismus, Islam, aber auch Judentum auch Religionen sind, die für soziale Werte einstehen, und das hat mich wirklich geärgert,
denn Sie, die hier jedes Mal das Christliche für Ihre Partei abbuchen, ärgern mich da zutiefst. Ich bin Christ, aber ich nehme nicht für mich in Anspruch zu wissen, ob das die beste und die richtige Religion ist, das wird anders und an anderer Stelle entschieden. Das ist auch Bestandteil meines Glaubens, dass wir es richtigerweise geschafft haben, in einem säkularen Staat zu leben. Das verhindert nämlich, dass wir Religionskriege untereinander haben, weil es dann nämlich aufgrund der Religion um Machtfragen im Staat ginge. Das sollten wir auch lernen, wenn wir uns mit Religionsgeschichte und Religion befassen, und das ist auch für uns Bestandteil dessen.
In der Tat, wir sind in der Diskussion. Wir wollen den Antrag deswegen auch überwiesen haben, damit er mit der anderen Diskussion zusammengeführt wird, und das beantragen wir. Wir wollen uns doch über die Zukunft des Unterrichts unterhalten. Es geht dann eben um die Frage, wie sieht es mit Islamkunde aus, wie geht es mit Ethik, Werte und Normen und solchen Fächern weiter. In der Tat – aber das ist ja heute auch schon so im Fach Biblische Geschichte – lernt man dort auch alle anderen Religionen kennen, lernt kennen, welche Werte und Normen es gibt, bekommt diese vermittelt, und dann geht es weiter. Die Frage, die sich dann stellt, ist: Macht man es in einem Fach für alle, oder macht man es – wie ich es persönlich besser finde – ausgehend von Herkunftswerten, Herkunftsreligionen erklärend und dann weitergehend verästelnd in die anderen? Das ist die Frage, die sich hier stellt. Wir tendieren eher zu letzterem Modell.
Dann wird beklagt, dass der Unterricht fachfremd gegeben wird, ja, das beklage ich auch, aber nicht nur in diesem Fach, sondern in allen Fächern, und der Aufstand ist auch in den anderen Fächern leider nicht größer. Wir bräuchten viel mehr fachlich qualifizierten Unterricht. Wir diskutieren das gerade in der Bildungsdeputation, zum Beispiel für Mathematik und Deutsch in der Grundschule. Insofern ist die Diskussion hier im Fach Biblische Geschichte
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wollten Sie mit diesem Antrag aufrütteln, wir wollten Sie mit diesem Antrag provozieren.
Wir haben als einzige Fraktion – darauf hat Frau Motschmann schon hingewiesen – seit Jahren, seit Jahrzehnten die Bedeutung von Religionsunterricht, der in Bremen aufgrund unserer besonderen Verfassungslage Biblische Geschichte heißt, hier immer wieder angesprochen. Wir haben immer wieder den Finger in die Wunde gelegt, und insbesondere mein Vorgänger, Herr Bürger, hat hier auch sehr eindringlich vor dem gewarnt, was wir heute haben, nämlich dass das Fach an vielen Schulen gar nicht mehr angeboten wird.
Sie sagen, es ist mangelnde Nachfrage. Ich sage, aufgrund des mangelnden Angebots werden viele Schüler dieses Fach gar nicht mehr anwählen, weil es gar keine Lehrer gibt, die für das Fach Biblische Geschichte an den Schulen stehen. Darum ist es Folge einer jahrzehntelangen verfehlten Politik, dass dieses Fach systematisch heruntergewirtschaftet wurde.
Lassen wir aber die Vergangenheitsbewältigung, wir wollen in die Zukunft schauen! Wir haben Vorschläge gemacht, Herr Güngör!
Sie haben seit 2008 von uns vorliegen, an die Bildungsdeputation überwiesen, im Ressort schlummernd einen Antrag.
Ja, zur Islamkunde! Das Fach Biblische Geschichte mit seinen Alternativfächern – das habe ich Ihnen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
schon mehrfach versucht nahezubringen – ist eine zeitgemäße Antwort, und nicht der Religionsgemischtwarenladen vom Bündnis 90/Die Grünen, der uns hier vorhin wieder vorgestellt wurde. Wir reden darüber, dass Menschen auch in ihrem Glauben in der Schule eine Heimat finden. Aufgrund unserer bremischen Verfassungslage ist es eben kein Religionsunterricht, der dann erteilt wird, sondern es wäre zum Beispiel eine Antwort, dass Islamkunde für muslimische Schülerinnen und Schüler, aber auch Christen, die das möchten, oder Menschen ohne kirchliche Angehörigkeit angeboten wird. Dieses Fach könnte als Alternative zum Fach Biblische Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage oder Philosophie oder Ethik angewählt werden.
Wir haben in der Großen Koalition mit Bildungssenator Lemke das Fach mit seinen Alternativfächern verbindlich gemacht. Früher war es tatsächlich das Beste, was man machen kann, um ein Fach unattraktiv zu machen: Entweder man wählte Biblische Geschichte, oder man hatte zwei Freistunden. Was, meinen Sie, nimmt ein Schüler?
In Biblischer Geschichte gab es keine Benotung, die gibt es jetzt seit einigen Jahren zum Glück wieder, da eine Note auch einen Wert darstellt, was jetzt wieder einen Streit an anderer Stelle auslösen könnte.
Das Schlimmste sind aber die Zahlen vom letzten Jahr: 717 Lehrkräfte wurden im Fach Biblische Geschichte eingesetzt, 615 davon, das sind 85,7 Prozent, sind nicht für Religionsunterricht ausgebildet. Das ist tatsächlich ein Problem. Wir müssen auf Grundlage unserer Verfassung und eines Staatsgerichtshofurteils, das auch schon etwas älter ist, das aber noch gilt, dafür sorgen, dass auch Lehrerinnen und Lehrer, die sich für dieses Fach begeistern und sich dafür haben ausbilden lassen, in diesem Fach mit besonderer Methodik und Didaktik lehren können. Hier gilt dasselbe wie für unseren kürzlichen Streit über Mathematiklehrer: Man muss dieses Fach anbieten, und dann wird es auch eine Nachfrage geben.
Es gibt doch positive Beispiele in den Schulen, wo es junge Religionslehrer gibt, die für das Fach stehen und auch keinen Missionsunterricht betreiben. Ich weiß nicht, welches Bild Sie da immer haben. Wir sind hier in Bremen, wir leben nicht in einem besonders gläubigen konservativen Viertel, in dem der Pastor auf der Kanzel den Menschen etwas erzählt und die Menschen hinterher auch noch das machen, was der Pastor gesagt hat. Ich weiß nicht, welches Bild Sie teilweise vor sich hertragen. Es geht darum, dass Menschen ihren Glauben erfahren, dass sie aber auch etwas über die anderen Religionsgemeinschaften erfahren. Das ist Bestandteil aller Lehrpläne in diesem Bereich. Ich weiß nicht, warum Sie immer wieder so tun, als ob wir hier einen Missionierungsunterricht
Ich sage Ihnen deutlich: Wir erwarten, dass die Aufträge, die das Ressort von der Bürgerschaft bekommen hat, abgearbeitet werden. Die Senatorin sagte mir gestern, dass noch in dieser Legislaturperiode ein weiterer Bericht kommen soll. Nur, meine Damen und Herren: 2008 haben wir hier über Islamkunde gesprochen, 2008 hat die Bürgerschaft einen Auftrag an die Bildungsdeputation, an das Ressort überwiesen. Zumindest bis September 2010 ist noch nichts passiert, denn die Wahrheit ist doch: Die Vorstellungen in der Koalition sind höchst unterschiedlich. Die Grünen haben – jetzt auch zum ersten Mal parlamentarisch – ihren Religionsgemischtwarenladen dargestellt, normalerweise macht das Herr Dr. Kuhn.
(Glocke – Abg. Frau S t a h m a n n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das weise ich natürlich zurück, Herr Rohmeyer!)
Die SPD hat innerhalb ihrer Fraktion ganz unterschiedliche Meinungen: Da ist Herr Weber, der kirchenpolitische Sprecher und Präsident, da ist Herr Güngör, bildungspolitischer Sprecher, und dann ist da die Bildungssenatorin. Alle für sich haben ganz unterschiedliche Meinungen. Einem Großteil – das behaupte ich jetzt einmal – von Ihnen in der Fraktion der SPD ist es völlig egal, was im Religionsbereich geschieht.