Protocol of the Session on May 20, 2010

Wer dem Punkt 3 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen FDP)

Stimmenthaltungen?

(CDU)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Punkt 3 zu.

Kulturwirtschaftsbericht für Bremen

Mitteilung des Senats vom 16. Februar 2010 (Drucksache 17/1165)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Krusche.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Kulturund Kreativwirtschaft ist eine starke Wirtschaftsbranche. In Deutschland erzielte sie 2008 einen Umsatz von 132 Milliarden Euro. Knapp eine Millionen Erwerbstätige in rund 238 000 Unternehmen sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Damit rangiert die Kreativwirtschaft nach Maschinenbau und der Autoindustrie noch vor der Chemieindustrie auf Rang drei. Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört also zu den wichtigen deutschen Wirtschaftsbranchen, und dies gilt auch für das Bundesland Bremen.

Schon 2006 gab es bereits 1720 Unternehmen und freiberufliche Büros in der Kultur- und Kreativwirtschaft, die insgesamt 717 Millionen Euro erwirtschafteten. Der Anteil der Beschäftigten liegt bei 3,3 Prozent der Erwerbstätigen in Bremen und ist damit etwa gleichauf mit Industrie, Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung. Was ich Ihnen mit diesen Zahlen verdeutlichen will: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist bundesweit, aber auch in Bremen keine Nischenwirtschaft,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

sondern eine außerordentlich vielfältige und starke Branche, gerade für ein Bundesland, das sich im Strukturwandel befindet!

Bremen verfügt über ein großes Potenzial an Kreativunternehmen, und deshalb ist es auch überfällig, dass wir heute über den Kulturwirtschaftsbericht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Bremen debattieren. Lang hat es gedauert, trotzdem ist die Kreativbranche auch ohne diesen Bericht hier in Bremen äußerst aktiv. Eine treffende Beschreibung habe ich neulich in der Zeitschrift „Prinz“ gelesen, ich zitiere: „Kreativwirtschaft ist die Wirtschaftsbranche, die mit künstlerischen und kulturellen Gütern und künstlerischen Ideen in Verbindung mit technologischer und innovativer Kreativität Gewinne erzielen will. Sie umfasst klassische Kulturbranchen sowie Werbung, Architektur, Design, Mode wie auch Software, TV, Radio, Computer und Videospiele.“ All diese Branchen gibt es in Bremen, und neben den Hochburgen Hamburg oder Berlin, sie gelten ja allgemein als die kreativen Städte, hat Bremen die Chance, dieses Potenzial zu binden. Denn was macht die Anziehungskraft einer Großstadt aus? Sie braucht eine florierende Kulturszene, intakte Zentren und zukunftsfähige Arbeitsplätze, und all dies hat Bremen zu bieten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Kultur- und Kreativwirtschaft in Bremen braucht aber auch die politische Anerkennung als eine ernst zu nehmende Branche. Geld verdienen mit eigenen Ideen, dafür braucht die Kultur- und Kreativwirtschaft vor allem ihre erfolgreichen Netzwerke wie die regelmäßigen Netzwerktreffen „i2b“ oder den Klub Analog, der vergangenes Jahr in elf Veranstaltungen im BLG-Forum in der Überseestadt die einzelnen Teilbranchen der Kreativwirtschaft vorgestellt hat. Inzwischen ist aus dem Klub Analog ein Klub Dialog geworden, er bietet einmal monatlich einen Stammtisch für all die Kreativen in Bremen und stößt auf große Zustimmung.

Mit der Beratungsagentur Ideenlotsen bietet das Wirtschaftsressort potenziellen Existenzgründern professionelle Hilfe an. Der Kulturwirtschaftsbericht spricht von der hohen Akzeptanz und Erfolgsquote der Ideenlotsen, und wir teilen diese Auffassung, dass dieses wirtschafts- und kulturpolitisch interessante Modell langfristig auch finanziell abgesichert werden sollte. Dies wird sich aus unserer Sicht für Bremen und auch für die Kreativwirtschaft rechnen.

(Beifall bei der SPD)

Die Kreativszene braucht interessante und anregende Orte, daher gibt es auch viele Unternehmen in der Überseestadt, im Viertel, im Stephaniquartier oder aber auch in den t.i.m.e.Port-Gebäuden in Bremerhaven. Aus unserer Sicht ist wichtig, die Kreativwirtschaft lebt davon, dass sie eng miteinander vernetzt wird. Überhaupt gibt es keinen einzigen Bereich in den Wirtschaftsbranchen, der derart stark auf Kooperation und Vernetzung angewiesen ist wie die Kultur- und Kreativszene. Die Kreativen selbst tun das. Sie brauchen aus grüner Sicht aber auch ressortübergreifende Unterstützung. Kultur, Wirtschaft, Wis

senschaft und Stadtentwicklung bereiten den Boden für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Kreativwirtschaft in Bremen.

Ich glaube übrigens, dass die Zeit für all diese dicken Kulturwirtschaftsberichte, wie wir sie bisher aus anderen Bundesländern kennen, von der Wirklichkeit überholt wurde. Viel wichtiger ist jetzt, und das war eigentlich schon 2008 unser grünes Anliegen, dass der Senat Strategien aufzeigt, wie er diese wachsende Branche unterstützen will. Mit diesem Bericht werden erste Schritte genannt, ressortübergreifende Zusammenarbeit, Bereitstellung von Mikrokrediten, was für die Kreativszene von erheblicher Bedeutung ist, Bereitstellung von Beratung, zum Beispiel durch die Ideenlotsen, aber auch die vorhandenen Strategie des Senators für Wirtschaft und Häfen zur Förderung der Kreativwirtschaft.

Unter dem Strich, wir Grünen wünschen uns, dass das Bewusstsein über die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft für eine moderne Weiterentwicklung Bremens in der Stadt, aber auch unter uns Politikerinnen und Politikern, noch wächst. Ich glaube, wir haben hier in Bremen einen großen Schatz an kleinsten, kleinen, mittleren und auch großen Unternehmen, die in dieser Branche tätig sind.

Ich möchte auf ein Unternehmen noch einmal extra hinweisen, das sozusagen den Zündeffekt in Bremen gegeben hat!

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Nein, im Augenblick nicht!)

Entschuldigung, Frau Präsidentin! Vielleicht kennen Sie alle diese interessanten Lichtinstallationen der kleinen Unternehmensgruppe URBANSCREEN. Inzwischen erhalten diese drei jungen Männer Aufträge aus aller Welt, und ich finde, es ist wichtig, dass wir diese Unternehmen hier wertschätzen, sie in Bremen halten. Daher appelliere ich an uns alle: Die Kreativwirtschaft ist eine boomende Branche für Bremen und soll das auch weiter bleiben! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute befassen wir uns zum zweiten Mal in der Legislaturperiode mit einem Thema, das in den letzten Jahren deutschlandweit verstärkt an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Der Se––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nat hat der Bürgerschaft den ersten Bericht zur Situation der Kulturwirtschaft in Bremen vorgelegt und gibt damit Einblick in einen Sektor, der auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine hohe Dynamik aufweist. Der Bericht macht vieles deutlich, was wir bereits aus anderen Untersuchungen zur Kulturwirtschaft kennen. Dieser Sektor hat sowohl bei der Zahl der Unternehmen als auch beim Umsatz in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum hinter sich.

Wenn man sich die Diskussion über das Thema Kulturwirtschaft in anderen Ländern und im Bund anschaut, merkt man schnell, dass hier große Hoffnungen auf dem Bereich liegen. Dabei darf man aber nicht vergessen, und das macht auch der Bericht deutlich, dass es sich oft um sehr kleine Unternehmen oder Freiberufler mit meist unregelmäßigen und vergleichsweise geringen Einkommen handelt. Vor allem die Künstler mit einem durchschnittlichen Einkommen von weniger als 14 000 Euro pro Jahr befinden sich hier am unteren Ende der Skala und sind nicht selten auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen.

Wir haben es hier also mit einem sehr speziellen Wirtschaftsfaktor zu tun, der sehr vielfältig ist und nur schlecht mit anderen Branchen verglichen werden kann. Der Bericht zeigt, dass in Bremen wie in anderen Ländern auch, die Software- und Spieleindustrie am stärksten vertreten ist. Diese hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum hingelegt. Mittlerweile erzielt diese Branche allein Umsätze, welche die Filmwirtschaft in den Schatten stellen. Budgets in Millionenhöhe sind für die Entwicklung von einzelnen Computerspielen mittlerweile keine Seltenheit mehr. Das ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich technischer Fortschritt und Kreativität erfolgreich verbinden lassen.

Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gibt aber auch Bereiche, denen die technische Entwicklung sehr zugesetzt hat. Da fällt einem zuallererst die Musikbranche ein, die sich bis heute nicht von den Umsatzeinbrüchen infolge illegaler Musikdownloads aus dem Internet erholt hat. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es den Verlagen und den Printmedien ebenso ergehen wird. Sollte sich zum Beispiel das elektronische Buch beim Verbraucher durchsetzen, wird das im Verlagswesen und bestimmt auch bei den Bibliotheken zu drastischen Veränderungen führen. Wenn man sich die Auflagenzahlen der Zeitungen anschaut, erkennt man auch hier, dass der Trend langsam, aber sicher von der klassischen Tageszeitung weggeht. Auch hier ist also Kreativität gefragt, wenn es darum geht, neue Wege der Vermarktung und des Vertriebs zu finden.

In Bremen haben wir auch wegen unserer Eigenschaft als Stadtstaat ein großes Potenzial an Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Mit der

Hochschule für Künste haben wir eine überregional anerkannte, hervorragende Ausbildungsstätte.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben viele Kultureinrichtungen, in deren Umfeld sich kreative Unternehmen angesiedelt haben und die auch für den Tourismus von hoher Bedeutung sind.

Einer der großen Vorteile dieser Branche ist auch die hohe Wertschöpfungsrate vor Ort. Anders als bei Produktionsbetrieben kann man hier also nicht einfach ins Ausland verlagern. Eine Branche mit so vielen Besonderheiten braucht auch besondere Fördermaßnahmen. Kleinkredite oder spezielle Beratungsangebote wie die Agentur der Ideenlotsen sind hier der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Gegensatz zu anderen Bereichen kann man hier mit wenig Aufwand viel erreichen. Oft reicht eine kleine Anschubfinanzierung für die Ausstattung mit einem Büro und Computer. Bremen ist hier auf einem guten Weg, vor allem die Überseestadt mit der HfK als Zentrum ist der Ort, an dem sich viele neue Unternehmen ansiedeln, und auch für kulturelle Zwischennutzungen bietet sich dieses Areal an. Wir dürfen auch nicht den Fehler machen, die Wirkung der Kreativbranche auf andere Bereiche der Wirtschaft zu unterschätzen. Als Beispiel wird oft die Firma Apple genannt, die mit ihren Produkten die gesamte Unterhaltungsindustrie aufgemischt hat. Man muss so weit aber gar nicht gehen, denn auch kleine und bodenständige Betriebe, wie zum Beispiel Gastronomen, können durch etwas kreativen Input sehr viel gewinnen, indem sie sich von der Masse der Angebote absetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man muss aber bei aller Wertschätzung aufpassen, dass man in der Politik die Entwicklung der Kulturwirtschaft nicht als vorübergehende Mode oder Wunderpille begreift, wie das ja schon bei einigen Trends in der Vergangenheit der Fall war. Kulturwirtschaft ist eine Antwort auf den Strukturwandel und hat heute eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen Struktur einer Großstadt, sie kann aber nicht das Wegbrechen von anderen Branchen komplett ersetzen, allein schon wegen des hohen Anteils von niedrigen und unregelmäßigen Einkommen.

Aufholbedarf besteht auch noch in Bremerhaven. Das zeigt auch der vorliegende Bericht. Ich komme zum Schluss: Mit dem Bau von Projekten wie dem

Auswandererhaus und dem Klimahaus wurden zwar wichtige Leuchttürme geschaffen, es fehlt aber noch die Verankerung in der Breite der Stadt. Dem sollten wir in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit widmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)