Protocol of the Session on April 22, 2010

Wir kommen zur Abstimmung über die Einsetzung des Ausschusses sowie der Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder.

Ich lasse zuerst über die Einsetzung des Ausschusses abstimmen.

Wer der Einsetzung des nicht ständigen Ausschusses gemäß Artikel 125 der Landesverfassung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) setzt den Ausschuss ein.

(Einstimmig)

Jetzt lasse ich über die Wahlvorschläge für diesen soeben eingesetzten Ausschuss abstimmen.

Die Wahlvorschläge liegen Ihnen schriftlich vor.

Wer den Wahlvorschlägen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt entsprechend.

(Einstimmig)

Ich bitte den Abgeordneten Peter Erlanson, zur konstituierenden Sitzung dieses Ausschusses einzuladen.

Weil die Bürgerschaft (Landtag) gemäß Artikel 125 der Landesverfassung Anträge auf Verfassungsänderung nach der ersten Lesung zu überweisen hat, lasse ich jetzt über die Überweisung abstimmen.

Wer der Überweisung des Gesetzes zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen mit der Drucksachen-Nummer 17/1182 an den soeben eingesetzten Ausschuss nach Artikel 125 der Landesverfassung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist den Gesetzesantrag zur Beratung und Berichterstattung an den nicht ständigen Ausschuss gemäß Artikel 125 der Landesverfassung.

(Einstimmig)

Regelsätze transparent und verfassungsfest festsetzen!

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 11. März 2010 (Drucksache 17/1208)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE

vom 20. April 2010 (Drucksache 17/1268)

Wir verbinden hiermit:

Politische Verantwortung wahrnehmen – Öffentliche Diskussion über Regelsätze führen

Antrag der Fraktion der FDP vom 20. April 2010 (Drucksache 17/1265)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 der Politik ins Stammbuch geschrieben: „Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.“ So das Bundesverfassungsgericht! Die bisher geübte Praxis, die Höhe der Regelsätze erst festzusetzen und dann so lange zu rechnen und zu manipulieren, bis der gewünschte Betrag dabei herauskommt, darf nicht mehr stattfinden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Allerdings deutet sich aus den Äußerungen einiger Minister der Bundesregierung an, dass sie schon wieder, nachdem die Tinte kaum trocken war unter dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, nach Lösungen suchen, um die erforderlichen Anpassungen des Regelsatzes möglichst zu vermeiden. Sowohl Finanzminister Schäuble als auch Bundesaußenminister Westerwelle und auch Kanzleramtsminister de Maizière meinen, den Regelsatz auf dem jetzigen Niveau, das eindeutig zu niedrig ist, halten zu können.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zur absoluten Höhe der Regelleistung nichts gesagt, klar ist aber aus den vorherigen Urteilen und aus dem vor

getragenen Zitat: Die Grundsicherung muss ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, und menschenwürdig heißt nicht nur die physische Existenz zu sichern, sondern auch die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie darf keine Armut erzeugen, die einen großen Teil der Gesellschaft ausschließt. Daher fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, dafür zu sorgen, dass die Expertinnen und Experten aus den Wohlfahrtsverbänden, Vertreter der Länder und Kommunen an dem Verfahren zur Bestimmung des Regelsatzes beteiligt werden. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung quasi im Hinterstübchen in einem intransparentem Verfahren die Leistungen festlegt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Beteiligung des gesellschaftlichen Sachverstands ist auch kein vordemokratisches Verfahren, wie die FDP meint, sondern lange geübte Praxis zu Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes und entspricht im Übrigen auch der Rechtslage. Auf den FDP-Antrag werde ich nachher in einer zweiten Runde noch einmal eingehen und auch auf den Änderungsantrag der LINKEN. Das habe ich Ihnen schon gesagt, ich habe den FDP-Antrag für mich als unsäglich bezeichnet.

Es liegt nun eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2008 vor, die es ermöglicht, eine saubere, empirisch begründete Bestimmung nicht nur des Regelsatzes des Haushaltsvorstands, sondern auch der Kinderregelsätze zu ermöglichen, wofür wir hier schon mehrfach im Haus gestritten haben. Gleichzeitig kann damit die jahrelange unzureichende Anpassung nach dem aktuellen Rentenwert, die das Bundesverfassungsgericht ebenfalls gerügt hat, ausgeglichen werden.

Wenn von den tatsächlichen Verbrauchsausgaben des unteren Fünftels der Einkommensbezieherinnen und Einkommensbezieher abgewichen werden soll, müssen dafür rationale und nachvollziehbare Gründe angegeben werden. Dabei sind insbesondere die Aufwendungen, die eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, stärker zu berücksichtigen. Dies gilt zum Beispiel auch für die Verkehrsaufwendungen. Wenn man sich zum Beispiel ein Stadtticket kaufen will, muss das mit dem Regelsatz möglich sein.

Das Gleiche gilt aber auch für Theater und Kino. Insbesondere die Aufwendungen für Kleidung und Bildung bei Kindern müssen auch besser berücksichtigt werden, wie das Bundesverfassungsgericht hier auch fordert. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob die Pauschalierung für längerfristige Konsumgüter wie Fernseher, Handy, Waschmaschine in den Re

gelsatz eingerechnet werden sollte. Es ist völlig lebensfremd, davon auszugehen, dass man von dem Regelsatz seiner Grundsicherung etwas ansparen kann für Reparaturen oder Neuanschaffung dieser Güter. Das System von Pauschalen und einmaligen Leistungen, wie es damals im Bundessozialhilfegesetz angelegt war, scheint mir auch ein ausgewogenes Modell zu sein, zu dem man wieder zurückkehren könnte. Völlig rechtswidrig ist nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts die bisherige jährliche Anpassung nach dem aktuellen Rentenwert. Hier muss eine auf den Personenkreis bezogene Inflationsrate als Bezug genommen werden, die in der Regel höher ist als die allgemeine Inflationsrate, weil gerade bei höheren Einkommen stärker längerfristige Konsumgüter mit eingehen, die sich in der Regel im Preis verbilligen, wenn man nur die Computer anschaut, während die Leute, die den untersten 20 Prozent angehören, sich dies gar nicht leisten können. Mit einer solchen Neuordnung der Regelsatzbemessung muss auch eine Anpassung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einhergehen, wenn man es nicht ganz abschaffen will, wofür ich ziemliche Sympathie hätte, um den Berechtigten wieder Leistungen der Sozialhilfe zuzugestehen. Die Menschenwürde ist unteilbar, sie steht allen Menschen unabhängig von ihrem sozialen oder rechtlichen Status zu. Dazu gehört ein Einkommen, mit dem man am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Sachleistungen können im Einzelfall sinnvoll sein, müssen aber die Ausnahme bleiben. Wie das Bundesverfassungsgericht in einer anderen Entscheidung festgestellt hat, gehört zur Menschenwürde auch, sich mit eigenen Entscheidungen das Lebensnotwendige kaufen zu können und hierfür einen gewissen Dispositionsspielraum zu haben. Um dies zu ermöglichen, soll der Senat sich in die bundesweite Diskussion um die Regelsätze einschalten und dafür sorgen, dass nicht nach politischen Opportunitäten, sondern nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Regelsätze festgesetzt werden. Stimmen Sie also unserem Antrag zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Garling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil Klarheit bei der Bemessung der Regelsätze für die Grundsicherung und Sozialhilfe geschaffen hat.

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Schon frühzeitig hat unser rot-grüner Senat mit Unterstützung der Regierungsfraktionen Bundesinitiativen angeschoben, die zum Ziel hatten, die staatliche Hilfe für Kinder aus Familien mit Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe neu zu berechnen, und hat sich auf Bundesebene für eine bessere Absicherung des Regelbedarfs in den Grundsicherungsleistungen eingesetzt. Bei einer Neubemessung sollten unter anderem die speziellen Bedarfe von Kindern als Grundlage dienen. Außerdem sollte geprüft werden, in welchen Bereichen Sachleistungen besser geeignet sind als Geldleistungen, um eine chancengerechte Teilhabe von Kindern am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten. Daher sind wir froh, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass die Bemessung der Regelsätze nicht dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums entspricht. Nun ist es wichtig sicherzustellen, dass der Bund ein Verfahren findet, diesen Vorgaben auch entsprechen zu können. Mit unserem Antrag, Regelsätze transparent und verfassungsfest festzusetzen, wollen wir uns auf der Bundesebene daran aktiv beteiligen. Uns ist es dabei wichtig, dass die Experten, die sich qualifiziert und direkt mit der Alltagsproblematik von Menschen in prekären Lebenslagen auskennen, an der Reform der Regelleistungsberechnung beteiligt werden. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dazu gehören selbstverständlich die Betroffenenvertretungen und Wohlfahrtsverbände.

Die besonderen kinderspezifischen Bedarfe wurden bisher durch den Gesetzgeber überhaupt nicht ermittelt. Der Bedarf von Kindern lässt sich aber nicht einfach von dem Bedarf Erwachsener ableiten.