Protocol of the Session on March 17, 2010

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Herr Dr. Möl- lenstädt ist immer ein bisschen ungehobelt!)

Es hat auch niemand hier allein der katholischen Kirche, wie Sie es dargestellt haben, die Schuld zugewiesen. Das kann man auch nicht, weil es eben, wie gesagt, in ganz vielen Bereichen und vor allem leider am allerhäufigsten in den Familien geschieht. Deswegen kann man hier nicht einseitige Schuldzuweisungen vornehmen. Das wollten wir nicht, das wollten wir auch mit dem Antrag nicht.

Ich finde einen Gedanken sehr wichtig, Herr Dr. Güldner, den ich noch einmal aufgreifen möchte und der vielleicht auch fast das Allerwichtigste ist, nämlich die Bewusstseinsänderung bei den Opfern, dass sie reden, dass sie sich offenbaren, den Mut finden, über ihr Leiden, über das, was sie erlebt und erlitten haben, zu reden. Wenn so eine Debatte hier in der Bürgerschaft auch dazu beiträgt, denjenigen, die das jetzt vielleicht am Radio hören, diesen Mut zuzurufen, das könnt ihr und das müsst ihr tun, im eigenen Interesse sowie im Interesse anderer, die davon in Zukunft bedroht sein können, dann wäre auch das ein ganz gutes Ergebnis.

Auch das vielleicht noch einmal zum Schluss: Völlig richtig ist, was hier gesagt worden ist, Herr Tittmann, von Bestien zu reden, das geht wirklich nicht!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Als Menschen kann man sie ja nicht mehr bezeichnen!)

Ich bin nun wirklich niemand, der hier die Täter in Schutz nehmen will, aber dass sie Hilfe brauchen, das will ich hier auch ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist selbstverständlich, dass wir vor allem auf die Opfer blicken müssen, weil sie die Betroffenen sind, die etwas erleiden und erdulden müssen, aber die Täter von dem, was sie da tun, abzubringen oder sie vielleicht auch zu therapieren, wenn es denn nötig ist, das ist sicherlich auch ein Sinn dieser Gesamtdiskussion.

Abschließend will ich sagen: Ich denke, dass wir hier sehr facettenreich diskutiert haben, dass wir jetzt die Anträge nacheinander abstimmen und hoffen können, dass das Thema nicht wieder versickert.

(Beifall bei der CDU)

Die Medien tun ja Gutes im Augenblick, aber die Gefahr besteht, dass es dann nach einer Weile, wie bei Winnenden, wie bei Glykol, wie bei vielen Themen, die einmal groß diskutiert werden und dann wieder versickern, nicht weiter verfolgt und diskutiert wird. Das ist meine ganz große Sorge, denn hier ist ein Problem, das angepackt werden muss. Wir müssen sehen, dass wir zu veränderten Voraussetzungen kommen sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft, beide Bereiche sind hier angesprochen. Deshalb hoffe ich, dass wir weiter am Ball bleiben, und die Berichtspflicht in Ihrem Antrag für den Senat ist ja eine Garantie dafür, dass wir dieses Thema nicht mit der jetzigen Diskussion fallen lassen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Prof. Stauch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch wenige Bemerkungen: Die Frage der Verjährung lässt sich nicht von der Frage des Strafrahmens lösen. Von daher greift der Antrag der CDU zu kurz. Man müsste das gesamte System des Strafgesetzbuchs auf den Kopf stellen, weil die Verjährungsfristen immer an den Strafrahmen, an die Höchststrafe anknüpfen. Eine isolierte Lösung der Frage der Verjährung ist im Rahmen des Strafgesetzbuchs nicht möglich. Von daher spricht doch vieles für den Antrag der Regierungsfraktionen. Auch ist, glaube ich, wichtig, dass über den Strafrahmen noch einmal diskutiert wird. Möglicherweise ist er an der einen oder anderen Stelle zu niedrig angesetzt, auch das ist eine ganz wesentliche Frage.

Herr Dr. Möllenstädt, ich möchte noch einmal die Bundesjustizministerin ansprechen! Dieser Antrag der Regierungsfraktionen geht auch deutlich über das hinaus, was die Bundesjustizministerin anregt. Sie will nämlich nur über die zivilrechtlichen Verjährungsfristen sprechen, insofern geht es hier ganz deutlich weiter. Es geht also nicht nur um die Frage der Verjährung, sondern es geht auch um die Frage des Strafrahmens. Natürlich wird man sich auch um die zivilrechtlichen Verjährungsfristen kümmern, es gibt welche. Nur unter besonderen Konstellationen verjährt es nach drei Jahren deliktisch nicht, deliktische Taten verjähren absolut erst nach 30 Jahren. Da gibt es auch noch einen Regelungsbedarf, es spricht also vieles für diesen sehr ausgewogenen und vernünftigen Antrag.

Frau Motschmann, natürlich geht es darum, die Kinder zu schützen, es geht aber im Grunde darum: durch welche Maßnahmen? Wie geht man eigentlich am besten vor? Das Beste ist, wenn der gesamte Strafrahmen betrachtet wird, und die Verknüpfung zu den Verjährungsfristen lässt sich vernünftigerweise nicht lösen. Deshalb kann man aus meiner Sicht die Frage der Verjährung nicht isoliert behandeln.

Ich möchte noch einmal an das anknüpfen, was Herr Dr. Güldner vorgetragen hat! Diese Taten, die jetzt hochkommen, haben in der Tat durchgängig in geschlossenen Einrichtungen stattgefunden, in kirchlichen Einrichtungen, in Internaten. Möglicherweise kann so etwas auch in Schulen stattfinden, das ist das ganz Besondere, und wir sind auch damit konfrontiert worden, da ist die Frage des Selbstverständnisses angesprochen, weil zum Teil gesagt wurde, wir regeln das selbst.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist das Schlimmste, was es gibt!)

Ich möchte eine Lanze für das staatliche Strafverfahren brechen

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

und für das Vertrauen in das staatliche Strafrecht. Durch das Strafverfahren wird Öffentlichkeit hergestellt, das hat eine erhebliche Abschreckungswirkung. Ich glaube, die Ächtung dieser Taten, die wir heute im Unterschied zu den Fünfziger- und Sechzigerjahren haben, ist darauf zurückzuführen, dass wir diese Strafverfahren mit dieser Deutlichkeit durchführen. Es soll nicht nach Kirchenrecht behandelt werden. Zum Teil wird in der katholischen Kirche noch vertreten, das sei eine Frage des Kirchenrechts. Aber man muss ganz deutlich sagen: Diese Taten sind keine Frage von Kirchenrecht, das sind Offizialdelikte.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Delikte gehören vor staatliche Gerichte. Das wird im Bundeszentralregister festgehalten. Es geht auch darum, dass diese Personen keine Gelegenheit haben, wieder in solchen Einrichtungen tätig zu werden. Auch das ist ein Problem, das weit verbreitet war, dass einzelne Taten dazu geführt haben, dass die Täter nicht von solcher Tätigkeit ausgeschlossen wurden.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das können wir letztlich nur durch den staatlichen Strafanspruch und durch unser System auch der Informationsvermittlung beeinflussen. Auch das wol

len wir noch ausweiten, da muss Vorsorge getroffen werden. So schützen wir unsere Kinder am besten durch das staatliche Strafverfahren, indem wir die Geschlossenheit der Einrichtungen zum Teil aufbrechen, die Sachen öffentlich machen und dagegen vorgehen durch die Strafen, die dafür angemessen sind. Ich glaube, das ist der richtige Weg, und von daher denke ich, der Antrag ist vernünftig.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist beantragt worden, alle Anträge an den Rechtsausschuss zu überweisen. Darüber lasse ich jetzt abstimmen.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/1204, des Antrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1225 und des Antrags des Abgeordneten Timke mit der Drucksachen-Nummer 17/1224 zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. M ö h l e [parteilos], Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag auf Überweisung ab.

Ich lasse deshalb über die Anträge in der Sache abstimmen.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/1204 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. M ö h l e [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1225 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP, Abg. M ö h l e [parteilos] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i m k e [BIW])