Protocol of the Session on February 25, 2010

Gehirndoping im Lande Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 16. Dezember 2009 (Drucksache 17/1116)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 26. Januar 2010

(Drucksache 17/1136)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Staatsrat, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Debatte eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Spieß.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dieser Tagesordnungspunkt passt bei einigen aus diesem Parlament jetzt vielleicht ganz gut. Ich sehe, dass auch noch einige von Ihnen hier sind und vielleicht ganz interessiert zuhören werden.

Der Anspruch der Menschen an sich selbst, immer leistungsfähiger zu werden, hat zugenommen, auch mithilfe von Medikamenten. Wir kennen dies aus dem Bereich Sport. Einige Beispiele dafür sind die Tour de France oder auch die Olympischen Spiele. Der übersteigerte Wunsch nach immer mehr Leistung treibt viele Sportler in die Dopingfalle.

Inwieweit Doping auch in der Arbeitswelt verbreitet ist, ist eine Frage, der wir uns in der nächsten Zeit stellen müssen. In Deutschland besteht eine aufkommende Diskussion über Phänomene wie Doping am Arbeitsplatz, Gehirndoping, Psycho- und NeuroEnhancement et cetera. In den letzten Monaten war eine verstärkte Berichterstattung in den Medien zu beobachten. Ungeachtet des bestehenden Defizits an epidemiologischen Daten, wird hier bereits von einem recht weit verbreiteten Phänomen ausgegangen.

Ursachen für Gehirndoping sind moderne Stressphänomene wie Termindruck, Prüfungsangst und Leistungsdruck. Derzeit beobachten wir, dass das sogenannte Hirndoping mit Medikamenten wie Ritalin und Modafinil zunimmt. Dies führt zwar kurzfristig zu mehr Leistung, aber langfristig in die Abhängigkeit. Dazu kommt, dass sich die Persönlichkeit verändert und die Menschen angespannt und aggressiv werden. Außerdem machen sie mehr Fehler.

Zu den psychotropen Substanzen gehören vor allem Amphetamine und deren Derivate, ich habe eben schon Ritalin genannt – der Wirkstoff ist Methylphenidat –, oder der Wachmacher Modafinil, Antidepressiva, Antidementiva und Betablocker, die uns allen vielleicht noch eher bekannt sind. Besonders in der Diskussion stehen die Substanzen Methylphenidat und Modafinil. Um das vor allen Dingen erst einmal ein bisschen zu erklären: Methylphenidat oder Ritalin, wie es genannt wird, sind zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, ADHS, bei Kindern ab sechs Jahren und Modafinil, oder auch Vigil genannt, zur Behandlung der Narkolepsie, zwanghafte Schlafanfälle während des Tages, als Arzneimittel zugelassen. Diese Substanzen können aufputschende sowie stress- und angstbefreiende Wirkung haben. Die Folge ist, dass natürliche Schutz- und Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers nicht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mehr wahrgenommen und damit eigene Grenzen nicht mehr erkannt beziehungsweise überschritten werden.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Ein Ausschalten des Schlafbedürfnisses zieht zudem häufig eine eigentlich paradoxe Einnahme von Schlafmitteln nach sich. Diese Verkennung der Grenzen des Leistungsvermögens kann zum Zusammenbruch physiologischer Funktionssysteme und bei Überdosierung zum Tod führen. Bei chronischer Einnahme ist auch mit Langzeitwirkungen zu rechnen.

Die wesentliche Therapiewirkung von Vigil oder auch Modafinil besteht in einer Steigerung der Wachheit. Das heißt, man ist am Tag wach, und dieses Medikament hat den Vorteil, dass der Nachtschlaf nicht beeinflusst wird. Das heißt, hier habe ich nicht das Bedürfnis wie bei Ritalin, Schlaftabletten nehmen zu müssen, um nachts schlafen zu können.

Jetzt können wir natürlich alle fragen: Wozu brauchen wir Gehirndoping? Wir alle – schauen wir uns doch einmal an! – schlafen lange, ernähren uns gesund, trinken vielleicht einmal Kaffee, auch eine Droge, Koffein, um wach zu bleiben. Die Anforderungen an bestimmte Berufsgruppen haben sich aber verändert, ich habe den Termindruck schon genannt. Wir kennen das auch ganz besonders, dass wir vielleicht sogar Tabletten nehmen, um Vitamine zu ergänzen. Jeder hat vielleicht das „Centrum“-Präparat bei sich zu Hause stehen und schluckt morgens Vitaminzusätze. Wir alle kennen es, wenn wir Calciumzusätze nehmen, wir nehmen vielleicht auch zusätzlich Magnesium, wie zum Beispiel Sportler. Da ist natürlich die Grenze, die wir überwinden müssen, ein Medikament zu nehmen, um uns vielleicht auch leistungsfähiger zu machen oder länger wach zu bleiben, nicht so groß.

Was wägen wir ab? Wir wägen natürlich ab, wie die Nebenwirkungen des Medikaments sind. Sind sie so stark, dass die Wirkung des Medikaments vielleicht infrage gestellt wird? Aber wir wissen auch alle, dass Pharmaunternehmen daran arbeiten, die Nebenwirkungen zu reduzieren oder auch ganz abzuschaffen, sodass wir natürlich dann, wenn es ein solches Medikament gibt, was zurzeit bei dem Fall des Gehirndopings noch nicht so ist, eher bereit sind, dieses Medikament zu nehmen. Davor müssen wir uns natürlich auch bewahren.

Es ist natürlich schon so, dass sowohl Ritalin als auch Vigil verschreibungspflichtig sind, das heißt, ich muss zum Arzt gehen und mir das jeweilige Medikament verschreiben lassen. Wobei Ritalin auch noch unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, das heißt, hierbei ist die Stufe noch eine höhere; ich kann jederzeit nachverfolgen und auch Akteneinsicht einfordern, wann ist wem dieses Medikament verordnet worden und in welcher Menge, wer hat es ver

ordnet, und wie kann es dann dementsprechend zu Missbrauch geführt haben? Wir wissen aber auch, dass es immer Möglichkeiten gibt – und die Dunkelquote ist hoch –, an Medikamente solchen Kalibers zu kommen. Wir beobachten und haben auch gehört, dass es auch Gruppen gibt, die dies vielleicht verstärkt in Anspruch nehmen wollen.

Wir hatten Herrn Mohrmann, Leiter des Studentenwerks, am 16. Januar bei uns im Wissenschaftsausschuss. Ich zitiere aus dem Protokoll der Sitzung: „Das nächste Angebot ist die psychologisch-therapeutische Beratungsstelle. Hier haben wir einen deutlichen Anstieg der Nachfrage. Man muss immer sehen, dass wir in Prozentwerten berechnen, die zwar sehr gering sind, aber eine Steigerung von 2 auf 2,5 Prozent heißt: 750 Studierende kommen pro Jahr zu uns, um hier Hilfen zu suchen, Hilfen in folgenden Bereichen: zum einen Lern- und Arbeitsstörungen, Schwierigkeiten mit Zeitmanagement, drohendem Studienabbruch, depressive Verstimmung, Ängste, Stress, Erschöpfung. Das sind die Probleme, die Studierende zu uns führen.“

Das sind auch genau die Symptome, die man hat, um zum Beispiel zu solchen Medikamenten zu greifen. Wir müssen etwas tun, wir müssen Aufklärung betreiben. Wir müssen hier sehen, dass wir präventiv tätig werden, um zu verhindern, dass Studierende eben nicht in diese Sucht verfallen und Gefahr laufen, von diesen Medikamenten abhängig zu sein, um das Studium zu schaffen. Es gibt da natürlich andere Möglichkeiten, um das zu schaffen, Zeitmanagement ist ein Beispiel. Ich glaube, dass wir verstärkt hier tätig werden müssen, um unsere Studierenden nicht in diese Abhängigkeitsfalle zu bringen.

Für Deutschland hat das Deutsche Studentenwerk in seinen bundesweit 43 psychologisch-therapeutischen Beratungsstellen einen Anstieg der Beratungskontakte um 20 Prozent festgestellt. Man sieht, es ist ein bundesweites Problem, überhaupt ist Gehirndoping nicht nur auf Bremen fokussiert, das ist allen klar, aber es ist schon wichtig, dass wir als Bremen auch hier als Erste aktiv werden und versuchen, präventiv tätig zu werden und Aufklärung zu betreiben, gerade was diese Medikamente betrifft.

In der Antwort des Senats auf die Große Anfrage hat der Senat die Einnahme von Psychostimulanzien wie Methylphenidat und Modafinil durch Gesunde als eine Form des Medikamentenmissbrauchs beurteilt. Das finde ich gut, aber das reicht mir noch nicht. Es ist für mich so, dass man hier einfach sehen muss, es liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor, die eine Schätzung zwischen den verschriebenen, aber zweckentfremdeten Präparaten zulassen würden. Es liegen keine Erkenntnisse vor, die eine Schätzung der „grau“ erworbenen oder weitergereichten Präparate zulassen würden. Es liegen keine Erkenntnisse zu einem Schwarzmarkt im Land Bremen vor. Dass hier keine Erkenntnisse vorliegen, heißt aber nicht, dass wir dieses Problem nicht haben, und ich glaube, wir soll

ten uns dem stellen und sollten hier aufklärend tätig sein. Wir sollten sehen, dass es zwar immer die Möglichkeit gibt, zum Arzt zu gehen und sich etwas verschreiben zu lassen, aber wir alle wissen, dass auch Ärzte unter Termindruck stehen, dass sie verschreiben, was vielleicht an Symptomen vorgetäuscht wird, und dass wir hier auch vorsichtig sein müssen. Wir sollten sagen, dass diese Medikamente, die vom Arzt verschrieben werden, nicht zweckentfremdet benutzt werden. Das können wir nämlich nicht nachvollziehen, und es ist sehr leicht für bestimmte Personengruppen, eben auch das zu nutzen, um sich länger wachzuhalten oder diese Medikamente zu nutzen.

Die nicht begründete Verschreibung oder Verabreichung eines Betäubungsmittels ist nach Paragraf 29 Absatz 1 Nummer 6 Betäubungsmittelgesetz eine Straftat, das ist klar. Wir können also in dem Fall des Missbrauchs von Ritalin da auch tätig werden und Ärzte, die das zweckentfremdet verschreiben, bestrafen. Das ist bei Modafinil, also Vigil, aber nicht der Fall. Wir haben auch gesehen, es hat den Vorteil, dass dabei keine Nachtschlafstörungen auftreten.

Wir müssen darauf achten, dass wir die zunehmende Veränderung des Stressphänomens ernst nehmen und dass es in Bremen – wenn auch allein allen voran – keine Freigabe oder Aufgabe der Rezeptpflicht gibt, das heißt, wenn hier die Nebenwirkungen, die auch bekannt sind, vielleicht reduziert werden, dass wir immer darauf pochen werden, diese Rezeptpflicht auch hier in Bremen beibehalten zu müssen. Wir müssen auch sehen, dass es zwar richtig ist, dass wir Drogen haben, die eben auch nicht in dem Verdacht stehen, wie diese Tabletten tätig zu sein, aber die Abwägung, ich bin viel eher bereit, eine Tablette zu nehmen und den leichteren Weg zu gehen, als mich meinetwegen den ganzen Tag über mit dem Koffein bei Laune zu halten oder zu versuchen, wach zu werden, wird nicht den Effekt haben und auch nicht die Leistungsfähigkeit steigern.

Insofern ist es für uns wichtig gewesen, darauf hinzuweisen, dass es auch hier in Bremen Gruppen gibt, also nicht nur die von mir genannten Studierenden und Manager. Auch in der Arbeitswelt nimmt der Druck zu, und wir müssen dafür sorgen, dass wir hier in Bremen – wir haben in der Presse gesehen, dass das bundesweit ein Thema ist – darauf reagieren und versuchen, als Bundesland voranzugehen. – Vielen Dank! (Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unser heutiges Thema beschäftigt sich mit der vermeintlichen Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit durch Drogen. Gesunde nehmen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

heutzutage immer mehr Psychopharmaka als Lifestyle-Medikament zur Verbesserung der Laune oder der geistigen Leistungsfähigkeit. Es geht dabei um – wir haben es gerade von Frau Dr. Spieß gehört – das für Erwachsene aufputschende Ritalin oder eben Modafinil, das ist ein Medikament gegen Müdigkeit. In Deutschland – das haben Sie aber auch gerade gesagt – ist das Problem zwar noch nicht so groß wie in den USA, aber es gibt auch hier steigende Verordnungen.

Von 2006 bis heute sind die Verordnungen für Ritalin für Erwachsene um 35 Prozent gestiegen, das hat die DAK in einer Studie ermittelt. Auch nehmen immer mehr Studenten Drogen zur vermeintlichen Konzentrations- und Leistungssteigerung, und bei allen Substanzen ist eben mit Nebenwirkungen zu rechnen. Das Suchtpotenzial von Ritalin zum Beispiel ist sehr hoch. Es fällt deshalb auch unter das Betäubungsmittelgesetz und muss von Ärzten streng dokumentiert werden. Die Substanzen unterliegen hier der Verschreibungspflicht, das wurde auch in der Antwort des Senats deutlich, und das soll auch so bleiben.

Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes untersuchten Experten Vor- und Nachteile des Gehirndopings. Dabei konnte die Wirksamkeit sogenannter Neuro-Enhancer nicht nachgewiesen werden. Sie sollen angeblich die kognitive Leistung und die emotionale Befindlichkeit verbessern. Allerdings waren kurzfristige Effekte nicht ermittelbar, und Studien über langfristige Auswirkungen bei Gesunden fehlen immer noch. Hier sind also weitere Forschungsaktivitäten notwendig.

Des Weiteren sollte auch eine rege Debatte über ethische Aspekte einer solchen nicht-therapeutischen Verwendung von Medikamenten und anderen medizinischen Optionen geführt werden. Die ist inzwischen auch in den USA im Gange, ich sehe sie aber ein bisschen anders. Wir sollten hier doch die Frage beantworten, warum Menschen hier eigentlich solche Lifestyle-Medikamente einnehmen, denn aus unserer Sicht ist zunehmend nicht mehr die Gestaltung des Gemeinwesens von Bedeutung, sondern die individuelle Selbstgestaltung steht im Vordergrund der heutigen Problembewältigung. Dabei bleiben auch die Gesundheit und der Körper des Menschen nicht ausgespart.

Die heute vorherrschende neoliberale Ideologie der jederzeit verfügbaren Flexibilität und Mobilität beeinflusst unser Denken und Fühlen und schreibt sich in unseren Körper. Die Menschen beschränken sich nicht mehr auf äußere chirurgische Eingriffe, wie zum Beispiel Brustvergrößerung, Fettabsaugen und Liften des Gesichts, sondern sie gehen noch weiter und wollen das Lebensniveau durch das Schlucken zentralnervös wirksamer Substanzen steigern. Es ist das Symptom unserer individualisierten Leistungsgesellschaft, dass diese Pillen im Trend liegen. Sozialen Erfolg bekommen jene zugerechnet, die sportlich fit,

flexibel und attraktiv sind. Menschen, die diesen Erfordernissen nicht entsprechen, riskieren, nicht beachtet zu werden.

Meine Damen und Herren, der Glaube vieler Menschen an die medizinische Machbarkeit kann zu einer völligen Medikalisierung der Lebenswelt führen. Sie suggeriert, auch die sozialen Probleme seien letztendlich medizinisch lösbar. Die Menschen vergessen, sich auf ihre eigenen Fähigkeiten zu konzentrieren und sie zu fördern. Hierzu beigetragen hat auch das Dopingverhalten von einigen Spitzensportlern. Inzwischen gilt die Einnahme von Medikamenten als normal, allerdings bleibt die Leistungssteigerung bei den Menschen aus.

Aus unserer Sicht sind Psychostimulanzen nicht notwendig, sondern überflüssig und können auch gefährlich sein. Gehirnleistungen sind steigerbar durch Anleitung, regelmäßiges Training, ausgewogene Ernährung, Sport und ausreichenden Schlaf. Der Erhalt einer solidarischen Gesellschaft, die Form der Beschäftigungsverhältnisse oder Verbesserung der Arbeitssituation sind die besten Wege gegen das Anwachsen des Gehirndopings in unserer Gesellschaft. Hierauf sollten wir als Politik unser ganzes Augenmerk richten, denn das ist die beste Prävention gegen Suchtverhalten in allen Lebensbereichen.

Den Antworten des Senats können wir zustimmen, allerdings sollten wir dem Thema weiterhin sehr starke Beachtung zukommen lassen, denn die Diskussion wird weitergeführt werden, und das Thema wird uns auch weiterhin begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Medikamente einzunehmen, um die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, auf die Idee kommen nicht allein Hochleistungs- und Freizeitsportler, sondern auch durchschnittliche Arbeitnehmer, Studenten und Schüler. Über deren sorglosen und auch illegalen Umgang mit Psychopharmaka gibt es nur wenige Zahlen. Außer der zitierten Umfrage der DAK gibt es für Deutschland keine belastbaren Untersuchungen. Trotzdem scheint es immer mehr Menschen zu geben, die ihre kognitive Leistungsfähigkeit mit Mitteln steigern, die für Kranke gedacht sind: mit Ritalin, das Kindern und Jugendlichen zur Dämpfung ihres Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätssyndroms verordnet wird, mit Vegil, das Narkolepsiepatientinnen und -patienten bekommen, die unter einer schweren Schlafregulationsstörung und Schlafattacken am Tag leiden, sowie auch die Einnahme von Antidepressiva unter Antidemenzmitteln.

Viele Menschen erleben die Anforderungen, die an sie gestellt werden, und den Leistungsdruck als kaum noch zu bewältigen. Doch ist die Antwort darauf „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, oder nutzen Sie das Internet, um eine Lösung der Probleme in Form von Medikamenten zu bekommen“? Wir sagen nein! Arbeit, Studium, Schule und auch der Alltag müssen für die Menschen so gestaltet werden, dass Menschen nicht krank werden und nur mit Hilfe von Medikamenten in der Lage sind, diese Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir reden hier über Medikamente, die rezeptpflichtig sind und es auch bleiben sollen. Außerdem gilt immer noch der alte Lehrsatz: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Das wird auch von den Befürwortern für das Hirndoping nicht bestritten. Von einigen Forschern wird jedoch die Forderung erhoben, das bisherige gesetzliche Verbot von Langzeituntersuchungen an gesunden Menschen aufzuheben. Dahinter steht doch der Gedanke, dass irgendwann alles beherrschbar sein wird und die Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen sind. Das halte ich für problematisch und auch nicht für richtig!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Trotzdem finden wir es richtig, dass darüber eine gesellschaftliche Debatte geführt wird, ob wir das Hirndoping oder kognitives Enhasement für richtig und nötig halten oder nicht. Ich erinnere hier an die Debatte über die embryonale Stammzellenforschung. Auch hier war eine gesellschaftliche Debatte zur Grenzziehung nötig und wichtig, und das halte ich auch bei diesem Thema für richtig.

Die sieben Autoren, die letztes Jahr ein Memorandum zum kognitiven Hirndoping herausgegeben haben, stellen Thesen auf, die ich für sehr fragwürdig halte. So wird zum Beispiel angeführt, dass es ein Recht jedes entscheidungsfähigen Menschen ist, über sein persönliches Wohlergehen, seinen Körper, seine Psyche selbst zu bestimmen. Verwiesen wird hierzu auf das Grundgesetz. Weiterhin führen die Verfasser an, dass demzufolge nicht die Freiheit, Medikamente zu nehmen, begründungsbedürftig sei, sondern begründungsbedürftig sei vielmehr die Einschränkung dieser Freiheit. Wenn wir diesem Argument konsequent folgen, bedeutet das für alle Menschen Zugang zu diesen Medikamenten, und das bedeutet weiterhin also: Dragees zum Glück auf Rezept. Wollen Sie das? Wir sagen, wir wollen das nicht!