Protocol of the Session on February 25, 2010

Ich komme nun zum zweiten Dissenspunkt, den wir haben! Alle reden in der Debatte, und ich erinnere mich an die gestrige Debatte, über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Alle reden davon, dass der Gürtel enger geschnallt werden muss. Wir reden vom Sparen, und das haushaltsnotleidende Land Bremen erhöht auf Staatskosten die Diät des Präsidenten um einen Betrag – je nachdem, was man mit einrechnet – von 2000 bis 3000 Euro. Ich bin der

Meinung, das kann man im Land niemandem erklären, und das will ich auch niemandem erklären. Das finde ich in der gegebenen Situation einen Skandal. Gut bezahlen ist die eine Sache. Gutes Geld für gute Arbeit! Ja, das ist unsere Forderung. Aber Diäten um 2000 bis 3000 Euro zu erhöhen, das ist nicht unsere Linie.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist aber schlecht für Sie!)

Aus Sicht der LINKEN gilt das im Übrigen auch für die Fraktionsvorsitzenden!

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gibt aber für uns noch ein viel größeres Problem, und das viel größere Problem besteht darin, dass bisher die Fraktionen selbst die Möglichkeit gehabt haben, darüber zu entscheiden, wie viel Geld sie ihren Vorsitzenden und Stellvertretern bezahlen. Es lag auch – und auch das ist ein weiterer Punkt – in der Autonomie der Fraktion, wie bei den LINKEN zum Beispiel, dass man eine quotierte Doppelspitze normiert. Durch die zwangsweise Direktbezahlung eines Fraktionsvorsitzenden und zweier Beisitzer nach dieser Novellierung können die Fraktionen nicht mehr über die Höhe der Funktionszulagen entscheiden, und sie können auch keine gleichberechtigt quotierte Doppelspitze benennen. Da fragen wir uns, ob nun dieser Eingriff in die Möglichkeiten zum Beispiel der quotierten Doppelspitze mit der verfassungsgemäß gebotenen Gleichstellung von Frau und Mann zu vereinbaren ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe gesagt, das werden wir uns möglicherweise überlegen oder werden schauen, ob das zu überprüfen ist und zu welchem Ergebnis man dann dabei kommt. Ein letzter Punkt an dieser Stelle: In den Begründungen zu der Novellierung des Abgeordnetengesetzes wird immer von der Kostenneutralität dieses Gesetzes geredet. Wie schon gezeigt, ist es mit dieser Kostenneutralität bei der Festsetzung der Höhe der Diäten nicht unbedingt weit her, bei der zwangsweisen Direktbezahlung aber dann schon doch! Die Mehrkosten für die Fraktionsvorsitzenden und ihre zwei Stellvertreter sollen den Fraktionen von ihrer allgemeinen Zulage abgezogen werden. Das haben wir so gesagt! Für eine kleine Partei, zum Beispiel die unsere, bedeutet das, dass wir eine allgemeine Fraktionszulage von 48 000 Euro haben.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben das immer noch nicht verstanden! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Er will es nicht verstehen!)

Der Abzug von dann 14 000 Euro für diese Zwangszahlung ist für uns nicht wenig. Die politische Handlungsfähigkeit der Fraktion allgemein und gegenüber den größeren Fraktionen wird dadurch eingeschränkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben sehr wohl zur Kenntnis genommen,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Lügen Sie eigentlich bewusst?)

dass die Fraktionsvorsitzenden der anderen Parteien erklärt haben, dass in der nächsten Legislaturperiode möglicherweise über einen Ausgleich zu diesen Mitteln geredet werden soll. Ich kann sagen: Ja, das hören wir gern! Aber ich sage einmal so, ich hätte das schon ganz gern oder wir als Fraktion hätten das heute schon von vorherein geregelt, dann wäre die Sache rund, und dann kann man auch auf keine dummen Gedanken dabei kommen.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. T s c h ö - p e [SPD]: Einen Vorschlag haben Sie ja nicht gemacht!)

Ich komme zu meinem Fazit! Das bedeutet erstens, wir lehnen die Gesamtsystematik nicht ab, im Gegenteil! Etwas anderes haben wir nie gesagt und getan. Ich meine, wir müssen uns nicht zu jedem Gutachten verhalten, das möchte ich hier auch einmal zur Kenntnis geben, wenn wir feststellen, das Gutachten ist in Ordnung. Ja, wunderbar! So haben wir uns da auch verhalten. Warum muss ich da noch einmal groß beweisen, dass wir auch Gesetzestexte und Gutachten lesen können? Wir haben nie irgendetwas anderes gesagt: Wir stimmen der Gesamtsystematik zu! Wir stören uns tatsächlich an der Diätenerhöhung, und wir sagen, man kann nicht die ganze Zeit vom Sparen reden und dann selbst etwas anderes machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das haben wir gerade leider bei der Kollegin Käßmann erlebt, aber sie hat auch die richtigen Konsequenzen daraus gezogen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ich glaube, die wünscht sich wirklich nicht, von Ihnen ge- nannt zu werden!)

Drittens, wir stören uns an den Eingriffen in die Autonomie der Fraktionen. Das ist aus unserer Sicht unbedingt zu ändern. Wir werden, um auch Ihre Frage dahingehend zu beantworten, wie es natürlich parlamentarisch so üblich ist, wie ich gesagt habe, uns bei der ersten Lesung enthalten. Wir werden zwischen

der zweiten und dritten Lesung Änderungsanträge zu den Punkten, die ich eben genannt habe, einbringen: Autonomie der Fraktionen, Höhe der Diäten in bestimmten Punkten. Das werden wir tun! Wenn Sie das dann ablehnen wollen, dann ist das eine politische Entscheidung. Wir jedenfalls werden uns dafür einsetzen, da wir auch manchmal tatsächlich der Meinung sind, man kann nicht immer das eine predigen und das dann selbst nicht tun. Das geht irgendwo nicht. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Bewusst knapp an der Wahrheit vorbei!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich dachte eigentlich bis Montag, dass die Fraktion DIE LINKE und ihre Vertreter im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss das alles nicht verstanden hatten, am Montag aufgewacht sind und gedacht haben, ich brauche dazu vielleicht doch eine Position. Nach dem Beitrag von eben, Herr Erlanson, habe ich einen anderen Eindruck. Erstens, Sie haben es bis heute nicht verstanden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Zweitens, Ihnen fehlt die Bereitschaft, es zu verstehen, und drittens, Sie wollen daraus eine Kampagne machen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Da sage ich, das ist unlauter. Wer im Zusammenhang mit dem jetzt vorliegenden Reformvorschlag die Behauptung aufstellt, es sei eine, wie auch immer, offene oder verdeckte Diätenerhöhung damit verbunden, kann das durch eine einfache Berechnung aus dem Weg räumen.

Die Gesamtsumme der bisher an die Abgeordneten erbrachten Leistungen macht zirka 4,7 Millionen Euro aus. Die in Zukunft an die Abgeordneten gezahlten Diäten machen eben genau diesen Betrag aus. Wenn Sie noch die Altersversorgung und die Steuerpflicht der Diät, also die Abschaffung von steuerfreien Privilegien, dazu rechnen, dann kostet dieses Parlament in der nächsten Legislaturperiode jeden Steuerzahler und jeder Steuerzahlerin weniger als in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Deswegen ist es infam, hier immer wieder die Behauptung aufzustellen, es sei eine Diätenerhöhung. Selbst wenn Ihnen Ihr Geschäftsführer gesagt hat – der, glaube ich, als Einziger, wenn auch spät, die Angelegenheit verstanden hat, dass in der Umlage die bisher an inkompatible Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes gezahlten Ausgleichsbeträge jetzt auf alle umgelegt werden –, dass das vielleicht eine Diätenerhöhung sei, selbst dann, sage ich einmal, haben Sie das System nicht durchschaut.

Ich will es noch einmal exklusiv für Sie sagen: In diesem Parlament hat jeder Abgeordnete bisher eine unterschiedliche Entschädigung bekommen. Diejenigen, die inkompatible Beamte waren, haben nebenbei nicht arbeiten dürfen und haben dafür einen Ausgleichsbetrag bekommen. Für diejenigen, die in der privaten Wirtschaft abhängig beschäftigt gewesen sind, wenn sie über vier Stunden beschäftigt waren, haben ihre Arbeitgeber beim Parlament einen Anspruch auf Verdienstausfall geltend machen können. Das haben Sie, glaube ich, bis heute nicht begriffen.

Wenn ich Ihr Papier so lese, sagen Sie irgendwie nur etwas von Erwerbsausfall von Selbstständigen. Nein, auch die Arbeitgeber von abhängig Beschäftigten hatten einen Anspruch darauf, den Mehraufwand, der über vier Stunden, der über Halbtags liegt, vergütet zu bekommen. Dann haben die Selbstständigen unter uns, die eine Firma geleitet haben, einen zusätzlichen Aufwand erstattet bekommen. Wir haben einen unterschiedlichen Aufwand nach Arbeitsbelastung bei Sitzungsgeldern erstattet.

Es hat für jeden Abgeordneten unterschiedliche Entschädigungstatbestände gegeben. Einer, nur einer davon war der Ausgleichsbetrag an Beamte. Deswegen ist es logisch und konsequent, dass, wenn wir sagen, in Zukunft bekommt jeder dasselbe, wir all das, was die Menschen im Parlament bisher unterschiedlich bekommen haben, zusammenfassen und auf alle verteilen. Da kann man nicht eine Sache herausnehmen! Mit welcher Begründung eigentlich den Ausgleichsbetrag und nicht den Verdienstausfall? Mit welcher Begründung eigentlich den Verdienstausfall und nicht den Erwerbsausfall? Um es gerecht zu machen, muss man alles, was bisher an Mitglieder dieses Parlaments gewährt worden ist, an alle verteilen. Das finde ich transparent und logisch. Das ist keine Diätenerhöhung, sehr geehrter Herr Erlanson, sondern das ist nur eine andere Berechnung der bisher geleisteten Gesamtvergütung.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Ich habe auch nach Ihrem Redebeitrag noch immer nicht verstanden, was Sie eigentlich, außer Stimmung machen, so richtig wollen. Sie haben hier in Ihrem Positionspapier die maximale Summe von 3764 Euro ausgerechnet. Ich lese heute im „Weser-Kurier“, dass

Sie eine Diät von 4200 Euro für angemessen halten. Ja, was denn jetzt, 3764 Euro oder 4200 Euro?

Was halten Sie eigentlich von der Altersentschädigung? Auch davon habe ich von Ihnen bis heute nichts gehört. Oder auch die Frage der Vergütung für den Präsidenten und die Fraktionsvorsitzenden! Ja, wenn das aus Ihrer Sicht vielleicht zu hoch ist – ich habe am Montag übrigens das erste Mal gehört, dass Ihnen das zu hoch ist, in den Beratungen haben Sie nie etwas dazu gesagt, nicht ein einziges Mal –, was halten Sie denn eigentlich für angemessen, Herr Erlanson? Hier einfach nur mit Summen um sich zu werfen und den Eindruck zu vermitteln, wir alle würden uns Geld in die Tasche stecken, ist unlauter. Sagen Sie, was Sie für angemessen halten, und dann können wir darüber streiten, ob das richtig ist oder falsch, aber sagen Sie es bitte!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe heute auch zum ersten Mal gehört, dass Sie sagen, Sie wollen eigentlich lieber eine Doppelspitze als einen Vorsitzenden und zwei Stellvertreter. Hätten Sie es in den Beratungen gesagt, hätte man darüber reden können. Ich biete ausdrücklich an, dass wir Ihnen vielleicht auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit geben, die auf die Fraktionsführung entfallenden Beträge, aber auch nicht auf mehr als drei Funktionsträger, anders zu verteilen, meinetwegen, mir ist das egal. Wir haben nur einen Vorsitzenden und zwei Stellvertreter genommen, weil das im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Rechtssprechung liegt. Der bremische Staatsgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht, das ist uns alles übrigens auch mit dem Pottschmidt-Gutachten, aber auch in den Ausschussberatungen mitgeteilt worden, halten es für angemessen und gerade noch vertretbar, aber auch nicht mehr, dass man an Fraktionsmitglieder, an den Vorsitzenden und bis zu zwei Stellvertreter eine Vergütung festlegt. Wir halten uns in diesem rechtlichen Rahmen, also viel mehr geht nicht, aber wenn Sie sagen, ich möchte eine Öffnungsklausel, dass ich das bei mir anders verteilen kann, wobei natürlich der Vorsitzende dann nicht mehr bekommen kann als das, was im Gesetz steht, dann gern! Wenn Sie sagen, ich möchte darauf auch verzichten können, auch gern! Aber all diese Vorschläge, Herr Erlanson, haben Sie in anderthalb Jahren Ausschussarbeit nicht ein einziges Mal genannt,

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

und das lässt mich eben daran zweifeln, dass Sie mit uns ernsthaft über den Inhalt des Gesetzes reden wollen. Sie wollen Stimmung machen, aus welchen Motiven auch immer, aber ich finde, spätestens seit der

Stellungnahme des Bundes der Steuerzahler ist völlig klar: Was wir heute in erster Lesung beschließen, ist keine Diätenerhöhung, weder offen noch versteckt, es ist angemessen, und es ist ein fortschrittliches Modell auch im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muss bei diesen Redebeiträgen ja immer im Kopf bewegen, ob man die Grenze von Strafbarkeit und Schadensersatzforderungen streifen darf oder nicht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Vorne geht ziemlich alles!)

Das, was Sie hier machen – –. Vorne geht ziemlich alles, aber ich will mich einmal zurücknehmen! Herr Röwekamp, ich habe Sie bisher in diesem Parlament nicht als jemanden kennengelernt, der sozialtherapeutische Fähigkeiten besitzt. Ich möchte Sie aber ausdrücklich dafür loben, dass Sie noch einmal den Versuch gemacht haben, der LINKEN zu erklären, worum es eigentlich geht. Ich habe aber den Eindruck, das ist vergebene Liebesmüh. Es geht der LINKEN nicht um Inhalte, denn mit Inhalten ist die LINKE in anderthalb Jahren nie gekommen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das, was Sie hier jetzt vortragen, Herr Erlanson, ist, gelinde gesagt, ein – –. Scheiße, jetzt streife ich die Grenze! Ich fange noch einmal neu an.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Scheiße darf man auf jeden Fall nicht sagen!)