Ich eröffne die 62. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Mitglieder des Betriebsrates von North Sea Terminal Bremerhaven. Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!
Gemäß Paragraf 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Gewalt gegen Polizeibeamte konsequent entgegentreten, Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 24. Februar 2010, Drucksache 17/1186. Gemäß Paragraf 21 Satz 2 unserer Geschäftsordnung lasse ich über die Dringlichkeit dieses Antrages abstimmen. Wer einer dringlichen Behandlung des Antrags seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.
Ich schlage Ihnen eine Verbindung mit dem Tagesordnungspunkt 19, Gewalt gegen Polizeibeamte konsequent ahnden, vor. Ich höre keinen Widerspruch. – Dann werden wir so verfahren. Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen davon Kenntnis geben, dass mir der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass Herr Wolfgang Jägers seit heute anstelle des in den Senat gewählten Abgeordneten Martin Günthner wieder Mitglied der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) ist. Seien Sie herzlich willkommen, Herr Jägers!
Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 23. Februar 2010 (Drucksache 17/1176) 1. Lesung
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft, das Ausführungsgesetz zu Artikel 145 Absatz 1 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deputationen, zur Änderung des Gesetzes zur Entschädigung der Mitglieder von Deputationen und zur Änderung des Bremischen Beamtengesetzes
Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 23. Februar 2010 (Drucksache 17/1177) 1. Lesung
Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch. Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. Wir kommen zur ersten Lesung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal ist es besser, das eigene Handeln durch Dritte reflektieren zu lassen. Ich möchte deshalb die neu eingeräumte Möglichkeit der Geschäftsordnung nutzen und ohne Erlaubnis des Präsidenten aus der gestrigen Presseerklärung des Bundes der Steuerzahler zitieren, und ich nehme mir die Freiheit, das ein wenig länger zu tun, weil damit viele Missverständnisse ganz schnell beseitigt werden können.
Ich zitiere: „Die grundlegende Reform des Bremer Abgeordnetenrechts findet Zustimmung und Anerkennung des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen. Den Bürgerschaftsfraktionen sei bei der künftigen Abgeordnetenbezahlung im Hinblick auf Transparenz und Gleichbehandlung mit Normalbürgern, bei Besteuerung und Altersversorgung ein wirklich großer Wurf gelungen. Bremen setze sich bei der Politikerbezahlung an die Spitze der Reformbundesländer. Mit der Abgeordnetenreform wird nach Auffassung des Bundes der Steuerzahler ein überfälliger Systemwechsel vollzogen. Nahezu alle bisher gewährten Leistungen, die teils steuerpflichtig, teils steuerfrei gezahlt werden, werden künftig zu einer monatlichen Entschädigung von 4700 Euro zusammengefasst. Diese neue Entschädigung ist uneingeschränkt steuerpflichtig. Hinzu kommt ein weiterer steuerpflichtiger Betrag von 750 Euro im Monat, den Abgeordnete zwingend für die spätere Altersversorgung anlegen müssen.
im Monat. Sie liegt damit nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler noch im Rahmen angemessener Abgeordnetenbezüge. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass aus dem neuen Betrag alle mandatsbedingten Aufwendungen wie Büro, Büroausstattung, Hilfskräfte zu bestreiten sind und weitere bisherige Zahlungen wie Sitzungsgelder, Erwerbs- und Verdienstausfallgelder, Übergangs- und Altersruhegelder inklusive Hinterbliebenenversorgung sowie Sterbegelder künftig entfallen. Auch wird die Vereinbarkeit von öffentlichem Amt und Mandat wesentlich erleichtert mit der Folge, dass Staatsdiener mit Parlamentssitz keinen finanziellen Ausgleichsanspruch mehr erhalten. In vielerlei Hinsicht räumt das neue Abgeordnetenrecht somit nach Meinung des Bundes der Steuerzahler mit bisherigen Politikerprivilegien auf. Gleichwohl sieht der Bund der Steuerzahler noch Nachbesserungsbedarf am Gesetzentwurf. Er betrifft die jährliche Anpassung der Abgeordnetenbezüge und die Zahl der zusätzlich begünstigten Vizechefs der Fraktionen.“
Eine Organisation, die nicht dafür bekannt ist, dass sie üblicherweise Parlamente und Politiker lobt, stellt der gemeinsamen Arbeit von vier Fraktionen dieses Hauses somit ein ausgesprochen gutes Zeugnis aus. Ich finde, darauf können wir alle stolz sein.
Ich will auf die beiden Kritikpunkte, die der Bund der Steuerzahler noch hat, eingehen! Der Bund der Steuerzahler moniert, dass wir uns entschlossen haben, auch für kleine Fraktionen einen zweiten Vorsitzenden, eine zweite Funktionsstelle zuzulassen und diese auch mit einer entsprechenden Besoldung auszustatten. Die Kritik des Bundes der Steuerzahler kann man teilen, die kann man so haben, die haben wir bei uns auch so diskutiert. Wir sind aber in Abwägung der Argumente gemeinsam dazu gekommen, dass wir gesagt haben, alle Fraktionen in diesem Parlament haben Verpflichtungen, und die werden nicht dadurch kleiner, dass die Fraktionen kleiner werden. Wir haben, und da waren sich alle einig, gesagt, der Grundsatz der Waffengleichheit, auch in der Außenrepräsentation, erfordert es, dass auch kleinere Fraktionen zwei Stellvertreter haben. Deshalb haben die großen Fraktionen das Bündnis mit der einen kleineren geschlossen und gesagt: Jawohl, wir halten das in Abwägung aller Argumente für angemessen.
Das Zweite, was der Bund der Steuerzahler rügt, ist, dass wir eine Indexierung der Abgeordnetenbezüge vornehmen. Der Bund der Steuerzahler sagt: Ihr hättet das nicht machen dürfen, sondern ihr sollt das dem freien Spiel der Kräfte überlassen, und ihr müsst darüber debattieren. Auch darüber haben wir
ausführlich im Ausschuss gesprochen und sind in Abwägung aller Argumente zu einem anderen Ergebnis gekommen. Wir sind der Meinung, dass Transparenz in dem Gesetz selbst angelegt werden muss und nicht Transparenz in einem irgendwie gearteten Verfahren. Wir haben uns für eine Regelung entschieden, wo für jeden Bürger nachzuvollziehen ist, was ein Abgeordneter als steuerpflichtige Bruttoentschädigung bekommt. Das machen wir an der Entwicklung der Einkommens- und Lebenssituation in diesem Lande fest, und ich finde, das ist eine ausgesprochen transparente und gute Regelung.
Veränderungsbedarf besteht nach Ansicht von den vier Fraktionen, die an der Entstehung des Reformwerks mitgewirkt haben, in einem Bereich. Wir legen Ihnen heute eine Liste von unvereinbaren Ämtern, die ehemalige Inkompatibilität, vor, die wir anders gelöst haben, weil auch diese Leute weiter im öffentlichen Dienst beschäftigt werden können. Wir sind der Meinung, dass die bisherige Liste der unvereinbarten Ämter noch zu lang ist. Wir werden bis zur zweiten Lesung auch weitere Ämter einbeziehen. Das ist der Paragraf 28 Absatz 2 Buchstabe d, wer das lesen möchte. Es geht darin um die nachgeordneten Dienststellen.
Wir sind übereinstimmend der Auffassung, dass auch der Landesarchäologe sehr wohl Mitglied der Bremischen Bürgerschaft sein kann und daneben im Halbtagsberuf auch noch normal seiner Tätigkeit nachgehen kann. Ich bin mir sicher, dass wir, wie wir es bisher auch getan haben, in einer großen Übereinstimmung auch diese Liste weiter zusammenkürzen werden, sodass es am Ende nur noch ganz wenige Funktionen geben wird, die mit einer Tätigkeit im Parlament unvereinbar sind.
Ich habe überlegt, womit schließt man eigentlich solch eine Rede? Wenn Sie mich am Montag gefragt hätten, hätte ich gesagt, ich schließe sie mit Dank an alle, die konstruktiv an diesem Diskussionsprozess in den letzten eineinhalb Jahren mitgewirkt haben. Ich will damit aber nicht schließen, weil ich eine Sache kundtun muss: Ich habe mich über das Verhalten der Linkspartei geärgert.
Ich habe mich deshalb geärgert, nicht, weil man nicht eine andere Position haben könnte. Man kann natürlich die Position haben, wir wollen lieber ein intransparentes Verfahren; man kann eine Position haben, das ist zu viel Geld; man kann eine Position haben, lass uns das mit den Fraktionsvorsitzenden anders regeln; das kann man alles haben! Was ich aber als Mindestmaß von Fairness im demokratischen Umgang miteinander erwarte, ist, dass man an dieser
Diskussion teilnimmt. Ich stelle fest, die Fraktion DIE LINKE hat bis zur letzten Minute der Sitzung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses am Montag um 19.15 Uhr keinen einzigen Vorschlag gebracht, was sie denn an diesem Gesetzentwurf geändert haben will.
Das, was die Fraktion DIE LINKE gemacht hat, ist, in Form einer Presseerklärung das Parlament und dieses Reformwerk – an dem alle beteiligt gewesen waren, wo es immer wieder auch das Angebot gab, dass die Fraktion DIE LINKE daran teilnehmen könnte – verächtlich zu machen, und das ist für mich in dem Umgang miteinander nicht akzeptabel.
Am Ende, um es versöhnlich zu gestalten, danke ich allen, die mitgewirkt haben, und das ist der überwiegende Teil dieses Hauses. Ich erinnere mich gern an den Adventsabend zurück, den die Fraktionsvorsitzenden gemeinsam im SPD-Fraktionsbüro verbracht haben. Draußen schneite es, drinnen glühten die Köpfe, und am Ende hatten wir Eckpunkte, die uns hierher gebracht haben.
Es gab weder Glühwein noch Kekse, trotzdem hatte der Kollege Woltemath Probleme, das SPD-Fraktionsbüro zu verlassen, weil er die Tür nicht gefunden hat!
Am Ende des Tages haben wir aber auch das bewältigen können. Ich danke noch einmal allen, und ich hoffe, wir haben hiermit einen Schritt getan, der die Bezüge des Parlamentes mit Sicherheit für die nächsten 20 Jahre ordentlich geregelt hat. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal weiß man am Anfang noch nicht, was am Ende herauskommt.
Als wir hier im Parlament den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Überarbeitung des Abgeordnetenrechts miteinander debattiert und dann an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überwiesen haben, ging es um eine Reparatur des bestehenden Abgeordnetenrechts beim Sterbegeld – eine notwendige und überfällige Änderung –, aber auch beim Übergangsgeld sollten Anpassungen vorgenommen werden.
Aus diesem überwiesenen Antrag hat sich sehr schnell eine sehr grundsätzliche Debatte über das Abgeordnetenrecht an sich entwickelt und eine Dynamik, an deren Ende dann der besagte Abend im SPD-Fraktionsbüro von damals fünf Vertretern der Fraktionen stattgefunden hat. Wer hätte das gedacht, am Ende dieses Prozesses steht jetzt der Vorschlag für ein neues Abgeordnetenrecht, das alles überprüft hat, das fast alles neu regelt und das ein Lob des Bundes der Steuerzahler bekommt, das ich zumindest während meiner Zugehörigkeit hier im Parlament zu keiner Maßnahme bisher erlebt habe. Wir sind an die Spitze der Reformländer des Abgeordnetenrechts gerückt, und ich wage die Prognose, es wird sich auch nicht ändern.
Viel mehr, als wir heute miteinander auf den Weg schicken, kann man im Abgeordnetenrecht eigentlich gar nicht modernisieren. Das ist nur gelungen, weil wir nicht in alte Rollen verfallen sind, die in der Vergangenheit im Wesentlichen darin bestanden haben, dass wir uns als Fraktionen immer auch ein bisschen selbst im Weg gestanden haben. Wir haben uns immer wechselseitig benutzt, um etwaige Reformüberlegungen dann in Hinsicht der politischen Mehrheiten infrage zu stellen, und das ist das Neue an dem Verfahren, finde ich, dass die Fraktionen den Versuch unternommen haben, nicht Verantwortliche für das Scheitern zu finden, sondern von Anfang an konstruktiv über die Reformbemühungen miteinander zu reden. Deswegen möchte ich mich an allererster Stelle bei den Kollegen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP für diesen sehr offenen, aber auch sehr konstruktiven Beratungsprozess bedanken!
Transparenz ist das erste Stichwort, das ich in den Plenarsaal rufen möchte, Transparenz im Hinblick darauf, dass in Zukunft jeder zweifelsfrei nachvollziehen kann, wie viel Geld ein Abgeordneter für seine Tätigkeit hier im Parlament bekommt. Die Berechnungen, die am Ende zu der Summe von 4700 Euro geführt haben, haben uns selbst alle überrascht. Wir waren in der Vergangenheit immer dem Vorwurf ausgesetzt, dass es neben der Diät eine Vielzahl von Privilegien und Vergünstigungen für Abgeordnete gibt, die eigentlich überhaupt nicht ermittelbar und bezifferbar sind. Mich persönlich hat überrascht, als wir uns dann hingesetzt und das addiert haben und tat
sächlich zu dem dann auch öffentlich transportierten zutreffenden Ergebnis gekommen sind, dass pro Kopf zu den 2500 Euro Diät, die transparent waren, noch Nebenleistungen pro Abgeordnetem im Durchschnitt von 2 500 Euro pro Kopf hinzugekommen sind. Das war der Anlass zu sagen, da stehen transparente Bezüge in keinem angemessenen Verhältnis zu intransparenten Bezügen.