Protocol of the Session on January 27, 2010

Herr Westerwelle irrt sich aber ganz grundlegend, und so banal es ist, man muss es einfach noch einmal sagen, Steuern sind zentraler Teil des Gesellschaftspaktes, der die Bürgerinnen und Bürger miteinander verbindet, vermittelt über den Staat, und dieser Pakt bedeutet Verpflichtungen auf beiden Seiten, Leistungen des Staates und Steuern! Das geht auch einvernehmlich und auf sehr hohem Niveau, das zeigen seit langem die skandinavischen Staaten mit sehr gutem Erfolg, und ich mache keinen Hehl daraus, dass wir große Sympathie für diese Art der Politik haben.

Als wir im Dezember im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz aus Berlin sprachen, hat der Kollege Dr. Möllenstädt erklärt, die Einzelheiten seien nicht so wichtig, es gehe vielmehr um ein Signal an die Leistungsträger, an diejenigen, die den Karren ziehen. Ich finde, das wirft doch einmal grundsätzliche Fragen auf, über die man reden sollte. Meinte Herr Dr. Möllenstädt die Hotelbesitzer und -besitzerinnen und die Geschwister von Reichen, die ohne eigene Leistung gut erben sollen, noch besser erben

sollen? Anders gefragt: Ziehen die Verkäuferinnen, die Gebäudereiniger, die Bauhilfsarbeiter, die Schlachthofarbeiter, die Frisöre und viele andere mehr, die oft so wenig verdienen, dass sie nicht einmal Steuern zahlen und Hartz IV zusätzlich beantragen, ziehen alle diese Menschen den Karren etwa nicht in unserer Gesellschaft?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wollen Sie das im Ernst behaupten? Wollen Sie behaupten, die liefen nur nebenher oder säßen etwa im Karren und ließen sich ziehen? Das finde ich die Unverschämtheit, die in diesen Bemerkungen liegt!

Die zweite Frage: Glauben Sie wirklich, dass die von Ihnen so genannten Leistungsträger, und es gibt natürlich wirklich viele Menschen, die gute Arbeit machen und dafür auch gutes Geld verdienen, nur dann so ideenreich, solide und ehrlich arbeiten, wenn sie eine Steuerschenkung und -senkung dafür versprochen bekommen? Ich finde, das ist eine ungeheuerliche Missachtung dieser Menschen.

Die Ungerechtigkeiten und Undurchsichtigkeiten des Steuersystems führen tatsächlich zu Verdruss, und diesen Ungerechtigkeiten haben Sie gerade in dem letzten Monat noch weitere hinzugefügt, oder was soll diese Mehrwertsteuersenkung für Hotels, die die dann auch noch überwiegend in die eigene Tasche stecken! Ich bin schwer enttäuscht, Herr Kollege Woltemath, aber ich sage es zum letzten Mal, dass es eine Enttäuschung ist, langsam habe ich es verstanden, dass Sie diesen Mist aus Berlin auch noch hier in Bremen verteidigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wer auch immer das in Wirklichkeit ist, meine Damen und Herren, die Leistungsträger sind nicht so dumm, wie Sie sie machen wollen. In den Umfragen sagt eine übergroße Mehrheit der Deutschen, dass sie weitere Steuersenkungen für unverantwortlich hält. Die FDP ist hier zunehmend eine kleine radikale Minderheit, aber Geisterfahrer werden umso gefährlicher, je mehr ihnen entgegenkommen.

Meine Damen und Herren, wir haben den Antrag der Koalition von SPD und Grünen zur Steuerpolitik wegen der Aktualität schon im Dezember hier mitdiskutiert und auch verabschiedet. Wir haben darin den Senat zu einer politischen Linie in der Steuerpolitik aufgefordert, die die Handlungsfähigkeit des Staates im Bund und natürlich auch vor allem im Bundesland Bremen auch durch zusätzliche und vernünftige Einnahmen sichert. Ich will diese Begründung dafür nicht wiederholen, nur zwei Punkte hervorheben. Der erste bezieht sich auf unsere Frage, wie wir das sehen, wie das Steuersystem weiterentwickelt und umgebaut werden muss. Es gibt in der Tat ja viele

Ungereimtheiten, Ungerechtigkeiten, falsche Subventionen, häufig auch mit unökologischen Effekten, bei denen man etwas machen muss. Schwarz-Gelb macht das Gegenteil, sie schaffen neue Subventionen, Stichwort Hoteliers!

Es stimmt auch, in Zeiten von Inflation entsteht immer wieder ein sogenannter Mittelstandsbauch, eine ungerecht verteilte Steuerbelastung. Wir wollen diesen sogenannten Mittelstandsbauch aber nicht durch eine Hungerkur des Staates wegbekommen, sondern wir wollen die Belastungen besser auf diejenigen verteilen, die schon jetzt von der ökonomischen Entwicklung besonders profitiert haben und denen die Gesellschaft massiv geholfen hat, die Krise zu meistern. Ich frage mich, was ist falsch daran, wenn Präsident Barack Obama zum Beispiel über die zusätzliche Besteuerung von Bankerbonifikationen nachdenkt und sagt, wir wollen unser Geld zurück! Da kann man ihm nur viel Erfolg wünschen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich darf kurz an die Forderung der Koalition zur Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer erinnern, die Extragewinne abschöpfen und die Finanzmärkte abkühlen solle. Sie haben hier im vergangenen Sommer, Herr Dr. Schrörs, noch massiv dagegen gesprochen. Inzwischen haben sich – ich darf einmal aufzählen! – dafür ausgesprochen die OECD, der Europäische Rat im Dezember, Präsident Sarkozy, Frau Bundeskanzlerin Merkel, die CSU, eine große Online-Petition, und gerade heute war die Schlagzeile „Große Koalition für Finanztransaktionssteuer“ zu lesen, um nur einige zu nennen, SPD und Grüne ohnehin. Ich bin nun gespannt, denn ich habe gehört, die CDU Bremen hat beschlossen, sich auf den Weg auf die Höhe der Zeit zu machen. Wir freuen uns da auf Sie!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen die Vermögenden stärker besteuern, das stand auch im Koalitionsantrag. Was wir Grünen nicht wollen – damit komme ich jetzt abschließend zum Antrag der LINKEN –, ist eine Besteuerung durch eine Vermögenssteuer, die auf mittlere Sicht auf eine Enteignung hinauslaufen würde; eine einmalige Abgabe wegen der Krise ja, aber keine allgemeine und dann auch noch hohe Steuer, die nach und nach zwangsweise die Substanz aufzehren würde! Das ist Unsinn und halten wir nicht für richtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Übrigen haben wir – das haben Sie gemerkt – im Einzelnen durchaus übereinstimmende Auffassungen, wir lehnen aber aus zwei generellen Gründen Ihren Antrag ab und könnten ihn auch nicht im Ein

zelnen verbessern wollen. Wir sind nicht der Auffassung, dass die Bürgerschaft dem Senat in Parteitagsresolutionsmanier im Detail vorgeben sollte, was und mit welcher Lautstärke der Senat in Berlin vertreten soll. So funktioniert Föderalismus einfach nicht! Deswegen haben wir auch kein imperatives Mandat in der Weise, wie Sie es vorschlagen. Wir können eine politische Linie formulieren, mehr nicht. Dass wir dann auch noch, wie in Ihrem Antrag formuliert, spekulative Zahlen über vermutete Mehreinnahmen beschließen sollen, die wirklich nur in den Sternen stehen, macht den Antrag zusätzlich insgesamt nicht zustimmungsfähig, wir werden ihn deshalb ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kummer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! „Bundesratsinitiative für ein gerechtes und solidarisches Steuersystem zur Rettung der Landesfinanzen starten“ –, die Überschrift Ihres Antrags hört sich erst einmal gut an, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN. Wer sollte nicht dafür sein, Bremens Landesfinanzen zu retten? Schließlich haben wir im Dezember letzten Jahres im Rahmen der Haushaltsberatungen – Herr Dr. Kuhn führte es bereits aus – einen Antrag der rot-grünen Koalition mit Ihren Stimmen richtig beraten und beschlossen, der sich einerseits gegen das Schuldenbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Koalition wandte, sich andererseits aber auch für die Erhöhung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte mithilfe höherer Besteuerung von Vermögen, Erbschaften und Finanztransaktionen einsetzte. Auch gegen Steuerbetrug und -hinterziehung wandte sich der Antrag. Er sieht also schon einmal Ihrem Antrag in der Tat ein Stück weit ähnlich. Die Ähnlichkeiten sind hier nicht zufällig, sondern beabsichtigt, auch uns geht es um die gerechtere Verteilung gesellschaftlichen Reichtums.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zur Problematik der Steuersenkungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung hat Herr Kollege Dr. Kuhn bereits das Nötige gesagt. Warum stimmen wir also dem Antrag der LINKEN nicht zu? Erst einmal ist es relativ einfach: Bei Ihrem Antrag für die Bremische Bürgerschaft handelt es sich um das Steuerkonzept der Bundes-Linken, durch Dreisatz, also die Ein-Prozent-Regel, angepasst für hiesige Zwecke. Das Konzept hieß oder heißt auch noch heute, nehme ich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

an, „Gesellschaftliche Reformen und ihre steuerpolitische Finanzierbarkeit“ und ist vom November 2008, also noch ein bisschen älter als das, was Sie vorhin sagten, Herr Erlanson. Damals gab es zwar noch keine Schuldenbremse, die Sie im Begründungstext hier heranziehen, aber es passt wohl trotzdem immer irgendwie. Sie können sicher nicht erwarten – und das tun Sie wahrscheinlich auch nicht –, dass wir den rotgrünen Senat mit dem Steuerkonzept der BundesLinken von November 2008 heute in den Bundesrat schicken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bekomme auch Ihre Zahlen aus Punkt zwei mit 160 Milliarden Euro nicht ganz zusammen, unterschlagen haben Sie außerdem die in Ihrem Konzept noch geplanten Mehrwertsteuerermäßigungen. Die Abgrenzungen zwischen Vermögensteuer und Millionärssteuer habe ich auch nicht ganz verstanden, aber vielleicht kann mir das der Kollege Herr Rupp ja besser erklären.

Es gibt noch eine weitere Begründung – Herr Dr. Kuhn führte das auch schon an –, warum ich Ihren Antrag ablehne: Wir haben uns in unserem rot-grünen Antrag aus der letzten Sitzung bewusst mit konkreten Zahlen zurückgehalten, weil es auch immer auf die konkrete Ausgestaltung der Besteuerung und der Abgaben ankommt, auf Bemessungsgrundlagen, Freibeträge und anderes mehr. Kompromisse wird man in den entsprechenden Gesetzgebungsprozessen auf jeden Fall eingehen müssen. Möglicherweise ist Ihr Konzept insgesamt konsequent durchgerechnet. Was Sie aber hier aufschreiben, sind absolut 150prozentige Maximalforderungen, die sich so nicht werden umsetzen lassen. Sie suggerieren damit für Bremen Mehreinnahmen von einer Milliarde Euro im Jahr. Logisch, damit ist in der Tat unser aktuelles strukturelles Defizit – wir kennen es, von 930 Millionen Euro im Jahr 2010 – beseitigt, und es bliebe sogar noch etwas übrig zum Schuldentilgen oder für Mehrausgaben. Alles wird gut, wenn wir das so machen, was Sie fordern. Man sollte der Bevölkerung nicht einfach verkaufen, als wenn das so einfach wäre.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen sie mich das ganz einfach am Beispiel der Vermögensteuer illustrieren! Auch wir wollen eine höhere Besteuerung von Vermögen, das ist richtig, aber Sie rechnen in Anlehnung an das DIW 20 Milliarden Euro insgesamt für Deutschland aus. Eine Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen von 2002, also schon kompromissbehaftet, kommt auf die Hälfte, nämlich 10 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Die alte Vermögensteuer, die uns das Verfassungsgericht gekippt hatte, hatte 1997 noch

einmal die Hälfte weniger, nämlich knapp 10 Milliarden D-Mark.

Ihr ganzes Konzept kommt mir so ein bisschen vor wie Winterschlussverkauf, nur andersherum: Es gibt ein großes rotes Schild im Schaufenster, „50 Prozent sparen“, dann geht man in den Laden, um sich irgendetwas zu kaufen und stellt fest, da gibt es in der Tat zwei oder drei Ladenhüter, die für die minus 50 Prozent zu kaufen sind, und der Rest dümpelt so bei 10 Prozent weniger herum,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

weil man nämlich die kleinen Worte „bis zu“ übersehen hat.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, mit 150-prozentigen Maximalforderungen kann man mit uns leider keine Finanzpolitik betreiben. Ich bedanke mich trotzdem, dass Sie unserem damaligen Antrag zugestimmt haben. Ihrem Forderungskatalog können wir unsererseits leider nicht zustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, hätten Sie doch auf die anderen Fraktionen während der Haushaltsberatungen gehört und das gemacht, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, nämlich Ihren Antrag mit in die Beratungen einzubringen, dann hätten Sie sich die Peinlichkeit dieser Debatte heute durchaus ersparen können.

(Beifall bei der CDU)

Wer ernsthaft in Bremen mitdiskutieren will um die Frage einer Hilfe oder Bekämpfung von Krisen, der aber nur Vorschläge macht, die andere betreffen, aber nicht sich selbst, kann nicht ernst genommen werden!

(Zuruf des Abg. R u p p [DIE LINKE])

Sie haben während der Haushaltsberatungen über 200 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben gefordert und noch nicht einmal erklärt, wie Sie denn beabsichtigen, diese zu decken. Nun haben Sie Ihren Antrag noch nicht einmal vorgestellt, sondern lediglich hier vorgelegt, und jetzt wollen Sie mit etwa einer Milliarde Euro Gegendeckung alles Mögliche machen. Sie wollen die Probleme Bremens lösen, ent

weder durch höhere Ausgaben oder ohne Schuldenbremse –, denn die wollen Sie ja nicht, Sie wollen auch nicht sparen. Sie fordern nur Bundesratsinitiativen, Sie machen selbst noch nicht einmal in Bremen Vorschläge für eigene Einnahmeverbesserungen. Die gibt es ohne Weiteres, über die wir auch gesprochen haben. Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, das, was Sie machen wollen – die beiden Vorredner haben auch schon über dieses Zahlenwerk gesprochen –, kann man wirklich nicht ernst nehmen.

Ich möchte aber doch noch ein paar Sätze zu Herrn Dr. Kuhn sagen und dazu, wie wir uns – wahrscheinlich anders als die Grünen und die SPD – die Wege aus der Krise vorstellen! Wir werden nämlich vier Ziele verfolgen, und zwar erstens das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und der Sicherung von Arbeitsplätzen.

(Beifall bei der CDU)

Das zweite Ziel, das wir verfolgen, ist der Einstieg in eine Steuerstrukturreform mit dem Ziel einer Vereinfachung und Entlastung.

(Beifall bei der CDU)

Das dritte Ziel ist der Abbau der Neuverschuldung des Staates zum Erhalt der Generationengerechtigkeit,

(Beifall bei der CDU)

und das vierte Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung einer Krisenausstiegsstrategie und was wir machen müssen, damit wir auch den Anteil des Staates und die Zugriffe des Staates reduzieren können.

Vielleicht ist für Sie der wichtigste Teil die Frage, welche Voraussetzungen es denn für eine steuerliche Entlastung geben muss. Das ist wahrscheinlich die Frage, die Sie am meisten interessiert. Es gibt mehrere Voraussetzungen. Entscheidend ist zunächst die wirtschaftliche Entwicklung, das ist eine der wesentlichen Voraussetzungen. Zweitens sind die daraus resultierenden steuerlichen Einnahmen für die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen, die sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben, wesentlich. Wichtig ist auch als Rahmen die Einhaltung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Schuldenbremse. Der vierte Punkt ist die notwendige strukturelle Haushaltskonsolidierung auf allen Ebenen.