Protocol of the Session on November 19, 2009

(Beifall bei der CDU)

Ein Thema, das hier schon angesprochen worden ist, ist das Thema Mindestlohn. Sie wissen, da gibt es zwischen den großen Volksparteien ganz unterschiedliche Auffassungen, weniger von der Zielsetzung her, eher von den Modellen. Die eine Seite sagt, wir müssen das gesetzlich regeln, die andere sagt, es muss mit Kombilohnmodellen sein. Wir sprechen uns für das Kombilohnmodell aus, das ist nun bekannt, deswegen brauche ich das jetzt hier nicht noch einmal besonders zu erwähnen. Wir sehen hier in der Regelung in dem Gesetz – das wollen wir ganz deutlich sagen – kein Votum für den gesetzlichen Mindestlohn, denn letztendlich ist dann egal, wie man auf diese Mindestvergütung von 7,50 Euro, 2 200 Euro brutto pro Monat bei Vollbeschäftigung, kommt. Ich denke, dass das an dieser Stelle noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht wird.

Liebe Kollegen von den Sozialdemokraten, Sie sehen natürlich schon, in welchen Wettbewerb Sie eintreten müssen! Da warte ich einmal ab, wie da die Diskussion weitergeht. Da heißt es, dass 9 Euro zeitgemäß sind, ein anderes Mal sind es 9,50 Euro, dann kommt die Parole „Reichtum für alle“, um dann nachher den Reichtum fleißig zu besteuern. Wenn Sie sich in einen solchen Wettbewerb hineinbegeben, dann werden Sie letztendlich den Sachaspekten, die es bei solchen Dingen zu berücksichtigen gilt, auch nicht gerecht. Meine Damen und Herren von der SPD, den Wettlauf werden Sie nicht gewinnen!

(Beifall bei der CDU)

Von daher glaube ich, die wesentlichen Aspekte aus unserer Sicht angesprochen zu haben. Wir haben Bedenken bei zahlreichen Formulierungen. In der Abwägung der Vor- und Nachteile kommen wir zu dem Ergebnis, hier dann doch zuzustimmen. Wir werden aber auch darauf achten, auch was die Ausführung angeht, weil damit natürlich auch Symbolik verbunden ist. Es ist doch vollkommen klar, dass

in einer Ausschreibung derjenige bestimmt – dazu brauche ich übrigens auch keine gesetzlichen Regelungen –, der die Leistung beschreibt, was er haben will. Das muss ich nicht gesetzlich regeln, wenn ich es haben will, sondern das kann ich eigentlich schon per se machen. Deswegen ist hier natürlich ehrlicherweise auch Symbolik darin. Wenn ich will, dass ökologische Gesichtspunkte bei der Bestellung einer Leistung berücksichtigt werden, dann mache ich das in der Leistungsbeschreibung.

Von daher ist der Hinweis vollkommen richtig von Ihnen, Herr Dr. Möllenstädt, weil das, was hier an Formulierung steht – natürlich in der Interpretation, weil ich auf ein Gesetz verweise, das an der Stelle naturbedingt, weil ich nicht alles regeln kann, unkonkret ist –, dem Einspruchsverfahren, gerade bei Ausschreibungen der Vergabe von Bauleistungen, natürlich Tür und Tor öffne. Deswegen müssen die bauenden Ressorts darauf achten, dass in den Leistungsbeschreibungen konkret formuliert wird und nicht einfach der Verweis – und das ist die Gefahr dabei – auf das Gesetz erfolgt, wo einfach schlichtweg nichts geregelt ist.

Wir werden also darauf achten, dass das in der Ausführung – und daher werden wir sicherlich auch die Erfahrung dann sammeln, wir haben ja letzte Woche auch entsprechenden Kontakt mit den Handwerkskammern und den Kreishandwerkerschaften im Rahmen unseres Landesparteitags gehabt – unbürokratisch ausgelegt wird und Klarheit bei den Verfahren herrscht. Dann, denke ich, kann das Gesetz auch den Sinn erfüllen, den es erfüllen soll. – In dem Sinne vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ja eine Zeit lang auch Gelegenheit, an diesem Gesetzentwurf mitzuarbeiten. Ich sage einmal so: Erstens glaube ich tatsächlich, dass eigentlich im Grunde genommen ein Mindestlohn im Vergabegesetz nicht unbedingt verankert werden müsste, sondern dass wir eine bundesweite gesetzliche Regelung bräuchten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Die steht aber nicht an. Weil es so ist und wir keine bundesgesetzliche einheitliche Regelung bekommen, ist es richtig, dass man versucht, das in dieses Vergabegesetz einzubauen. Das ist jetzt europafest gemacht, ich glaube, dass wir da keinen Ärger aus Brüssel bekommen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Man muss sich einmal vorstellen, die Stadt beschließt, einen Kindergarten zu bauen. Dann bewerben sich Firmen, und Herr Dr. Möllenstädt sagt, das bewirkt der Wettbewerb. Ich sage Ihnen einmal, Herr Dr. Möllenstädt: Wenn Sie auf einige Baustellen schauen, werden Sie feststellen, dass dort einige Bauarbeiter für 4 Euro und noch weniger in der Stunde arbeiten. Der Wettbewerb, der Markt an sich, ist nicht einfach edel und gerecht, sondern der Markt muss in bestimmten Bereichen gesteuert werden. Ich finde, wenn der Staat Aufträge vergibt, hat er das gute Recht, darauf zu achten, dass solche Zustände auf seinen eigenen Baustellen jedenfalls nicht anzutreffen sind.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Der zweite Punkt: Es ist doch völlig klar, dass auch der Staat darauf achten muss, seine Aufträge möglichst günstig zu bekommen, aber möglichst günstig heißt eben nicht, um jeden Preis! Ich finde, die staatliche Verantwortung gerade in dem Bereich liegt eben auch darin, darauf zu achten, dass tatsächlich faire Bedingungen eingehalten werden. Ich glaube, dass wir hier jetzt an dem Punkt ein richtiges Gesetz vorliegen haben. Ich glaube auch, und der Punkt ist mir selbst immer sehr wichtig, dass man auch darauf achtet, dass Korruption in dem Bereich vermieden werden kann. Auch dazu gibt dieses Gesetz Anregungen, wie man das machen könnte. Das Korruptionsregister, ist ein richtiges Instrument.

Bei der Diskussion zur Vergabe müssen wir ein bisschen aufpassen, dass es nicht zum Wunschkonzert der Parteien wird. Man kann natürlich alles Mögliche richtig und gut finden und in ein Vergabegesetz hineinschreiben, Tatsache ist aber, dass am Ende ein Unternehmen auch noch in der Lage sein muss – darauf hat Herr Kastendiek hingewiesen –, den Ablauf auch formal überhaupt leisten zu können, um dann an einen Auftrag heranzukommen.

Dieses Gesetz ist nach meiner Meinung aber so, wie es jetzt vorliegt, gut geeignet. Man wird im Übrigen natürlich schauen, welche Erfahrungen man im Einzelnen damit macht, und man kann ein solches Gesetz im Zweifel dann auch noch einmal modifizieren und anpassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen führen dann doch dazu, dass ich mich dazu noch einmal äußern muss! Zum ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ersten: Ich glaube, es liegt ein grundsätzliches Missverständnis vor, wenn man meint, der Mindestlohn wäre der Regellohn.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Genau das ist er nicht, sondern der Mindestlohn bedeutet eine Mindestabsicherung. Unsere öffentliche Vergabe soll sich nicht auf ein Niveau des Mindestlohns stützen, sondern es soll gesichert werden, wenn wir denn keine anderen Anbieter haben, dass mindestens dieser gezahlt wird. Unser Ziel bleibt es nach wie vor, Unternehmen zu finden, die ihre Beschäftigten im Rahmen von Tarifverträgen bezahlen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch einmal darauf hinweisen, weil es vorhin angeklungen ist, dass der Mindestlohn im ersten Gesetzentwurf, den Bündnis 90/Die Grünen und SPD vorgelegt haben, nicht vorgekommen wäre. Ich möchte da noch einmal auf Paragraf 9 des ersten Gesetzentwurfs verweisen, in dem insbesondere davon gesprochen worden ist, dass Aufträge an solche Unternehmen vergeben werden, die mindestens ein Entgelt in Höhe des tarifvertraglich vorgesehenen Mindestentgelts für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Landes und der Gemeinden zu bezahlen haben. Das heißt, der Mindestlohn ist jetzt keine neue Erfindung mit diesem Gesetzentwurf, sondern den hat es im ersten Gesetzentwurf auch schon gegeben. Insofern ist die Behauptung, es wäre im ersten nicht vorgekommen, schlichtweg falsch.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn ich bei der Frage des Mindestlohns bin, dann nehme ich noch einmal das auf, was Herr Kastendiek sehr zu Recht gesagt hat zum Unterschied zwischen Mindestlohn und Kombilohn. Kombilohn heißt, dass der Staat die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen direkt bezuschusst. Das, finde ich, ist nicht das richtige Modell, und das finde ich auch nicht wettbewerbsgerecht.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Lassen Sie mich noch darauf eingehen, weil der Kollege Dr. Möllenstädt gefragt hat, wie es denn zu verstehen sei – oder so habe ich es zumindest verstanden, ich nehme es freundlicherweise so auf –, was es denn heißen würde, wann etwas für einen Auftrag für einen Mitgliedstaat der Europäischen Union von Bedeutung ist, Bezugnahme auf Paragraf 9

Absatz 2 des neuen Gesetzes! Das lässt sich ganz einfach erklären: Es ist dann von Bedeutung, wenn das europäische Recht greift. Das europäische Recht greift dann, wenn der Schwellenwert erreicht ist. Von daher verstehe ich diese Kritik auch nicht. Das Suchen nach irgendwelchen faulen Dingen, die man meint, in dem Gesetz finden zu können, die dort aber nicht darin stehen, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Übrigen kann ich es nicht begreifen, dass man die Existenzsicherung und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen als sachfremde Erwägung begreift, so ist das vorhin von Herrn Dr. Möllenstädt ja im Rahmen des Mindestlohnes gesagt worden. Das finde ich unangemessen und – lassen Sie mich das wirklich sehr persönlich sagen – beschämend.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann haben wir noch den Punkt, auf den Herr Kastendiek hingewiesen hat. Ich stimme ihm zu, die Güte des Gesetzes wird sich daran messen lassen, wie es ausgeführt wird. Daher kommt es in der Tat darauf an, dass wir die hier gemachten Vorgaben, insbesondere im Bereich der Qualifizierung, zügig umsetzen, weil die Präqualifizierung in der Tat ein wesentliches Entlastungselement ist. Ich kann dies nur unterstreichen, das wird von uns genauso gesehen.

Zum Abschluss noch eines! Wenn man den Gesetzentwurf in drei Deputationen behandelt, dann hat man dort dreimal die Gelegenheit, auch den eigenen Antrag, Frau Nitz, zu debattieren und die Deputation damit zu befassen. Das ist – ich kann das für die Wirtschaftsdeputation sagen – nicht erfolgt. Sie haben die Chance nicht genutzt, das können Sie uns hier jetzt nicht vorwerfen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Nagel.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein gutes Gesetz, weil es das tut, was die Aufgabe von Politik ist, nämlich klare Regelungen für den Wettbewerb zu schaffen. Hier geht es um Fairness beim Wettbewerb um öffentliche Aufträge und um Fairness beim Umgang mit den Arbeitnehmern in den Betrieben, die sich um öffentliche Aufträge bewerben. Es kommt hinzu, dass dieses Gesetz auch Anreize schafft, Verantwortung, die Unternehmen haben, wenn sie besonders wahrgenommen wird, auch zu unterstützen, Ausbildung ist als ein Beispiel genannt worden.

Bei der Umsetzung ist klar, Herr Liess, wir werden für die eine Sache eine Rechtsverordnung erlassen, was die ILO-Kernarbeitsnormen angeht, und wir werden für die Ökologiethemen Arbeitshilfen für die Verwaltung erarbeiten. Herr Kastendiek, Sie wissen natürlich, dass das Präqualifikationsverfahren auf Wunsch des Handwerks im Zusammenhang mit der Umsetzung des Konjunkturprogramms ausgesetzt worden ist. Das war also keine Initiative des Senats, sondern aus dem Handwerk selbst, der wir entsprochen haben, und das Handwerk war dafür im Übrigen auch sehr dankbar.

Was ich, Herr Dr. Möllenstädt, bei den Liberalen nicht verstehe: Sie sind ja im Eigenanspruch diejenigen, die sagen, wir brauchen den aufgeklärten nachfragenden Konsumenten, der am Markt etwas nachfragt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn ich vor allem mit meinen Kindern einkaufen gehe, dann ist es eine Standardfrage, und ich glaube, einige, die uns oben zuhören, machen das genauso: Wo wird denn das Produkt, das T-Shirt hergestellt? Ist garantiert, dass zum Beispiel keine Kinderarbeit in diesem T-Shirt steckt? Sie bekommen heute in den guten Händlerläden die verbindliche und nachprüfbare Auskunft, dass es nicht so ist. Warum soll also etwas, was für den nachfragenden Konsumenten selbstverständlich ist, für die nachfragende öffentliche Hand nicht genauso selbstverständlich sein, nämlich diese Frage zu stellen?

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Im Übrigen weise ich noch einmal darauf hin – das haben wir in der Debatte mehrfach gemacht –, dass es nicht darum geht, von der öffentlichen Seite das billigste Angebot, das steht auch nicht in den Vergaberichtlinien, sondern das wirtschaftlichste Angebot zu nehmen, das heißt also, eine Betrachtung weit über den Anschaffungsvorgang selbst hinaus. Insofern ist es ein gutes Gesetz, das das tut, was Aufgabe von Politik ist, klare Regelungen für Wettbewerb zu setzen.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP] mel- det sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Möllenstädt?

Selbstverständlich, sehr gern!

Bitte, Herr Dr. Möllenstädt!

Herr Senator, würden Sie mit mir übereinstimmen, dass ich mich in meinem Redebeitrag in keiner Weise dagegen ausgesprochen habe, dass sich Bremen gegen Kinderarbeit wendet und seine Produkte so bezieht, dass sie nicht in Kinderarbeit erstellt werden? Würden Sie mit mir im

Weiteren darin übereinstimmen, dass insofern das, was Sie vorgetragen haben, etwas darstellt, was man landläufig als Popanz bezeichnet?

Popanz weise ich entschieden zurück, denn Sie konnten nur so verstanden werden, dass Sie die qualitativen Regelungen, die wir hier für die Themen Arbeitnehmer, Mindestlohn, Ausbildung, fairen Umgang bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Unternehmen treffen und rechtlich regeln, und eben auch für ILO-Kriterien, die das Thema Kinderarbeit beinhalten, für nicht in Ordnung halten. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen dem Konsumenten und der öffentlichen Hand: Wir dürfen nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben handeln, nur dann handeln wir auch wirksam und rechtssicher, und deshalb müssen wir es regeln. Sie konnten nur so verstanden werden, dass Sie das für nicht in Ordnung halten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)