Protocol of the Session on August 27, 2009

Stadt, dass verfassungsrechtliche Argumente und rechtspolitische Erwägungen wenig zählen, wenn es um vermeintlich gute Schlagzeilen geht. Die SPD hat in ihrer Geschichte erfahren, wie wichtig ein stabiler und austarierter Verfassungsstaat ist. Dies macht uns sperrig gegen vorgebliche Demokratisierungen, welche in ihren Auswirkungen auch den Einfluss von Populisten und ökonomisch starken Interessengruppen verstärken sollen.

(Beifall bei der SPD)

In Verfassungsfragen, Frau Dr. Mohr-Lüllmann, sind wir deshalb ganz nah bei Ihnen. Sie haben weiter gesagt, und das fand ich sehr schön

(Abg. Frau D r. M o h r - L ü l l m a n n [CDU]: Das Zitat ist nämlich noch nicht zu Ende gewesen!)

ich würde nie so unfair sein, das Zitat nicht vollständig zu bringen –: „Auf Bremer Landesebene bin ich für eine Vereinfachung von Volksabstimmung und Volksbegehren.“ Liebe CDU-Fraktion, handeln Sie nach der Empfehlung Ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden! Stimmen Sie diesem Gesetz zu, weil damit Volksabstimmung und Volksbegehren wesentlich bürgernäher werden, als sie es bisher gewesen sind!

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss sollte man vielleicht einfach das Resümee ziehen, das Sie mir als Sozialdemokrat vielleicht nicht glauben. Man kann aber auch einmal Kommentare von außerhalb heranziehen, um zu bewerten, was dieser Ausschuss geleistet und vorgelegt hat. Tim Weber vom Verein „Mehr Demokratie e.V.“ hat am 29. Oktober 2008 eine Presseerklärung veröffentlicht, in der er ausführt, dass er sehr wohl weitergehende Wünsche in dieser Angelegenheit gehabt hat. Als letzten Satz aber führt er in dieser Presseerklärung aus: „Wir begrüßen den Entwurf als eine Reform, die den Namen auch verdient hat.“ Lassen Sie uns diese Reform heute endgültig zum Abschluss bringen! – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei der Einsetzung des Ausschusses zur Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts habe ich Ihnen für meine Fraktion versprochen, dass wir uns konstruktiv an den Beratungen beteiligen wer

den. Heute kann ich sagen, wir werden Wort halten, wenn es jetzt ernst wird.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lieber Herr Röwekamp, blicken Sie doch einmal vielleicht drei Jahre zurück! Damals waren Sie noch gemeinsam mit den Sozialdemokraten in der Regierung.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Hat er verges- sen!)

Ich kann mich gut erinnern, dass es damals in dieser Regierung sehr schwierig war, Verbündete für das Thema Erleichterung der Volksgesetzgebung zu finden, und zwar gab es Vorbehalte in beiden Regierungsfraktionen, die größeren Vorbehalte in der CDU, aber auch Vorbehalte in der SPD. Das ist die Ausgangslage.

Ich freue mich ausdrücklich und kann mich dem Dank des Kollegen Tschöpe anschließen, dass wir sehr konstruktiv über dieses Thema mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen in den letzten Monaten beraten haben und dass nach meinem Eindruck ein großer Teil der Vorbehalte, die seinerzeit noch vorhanden waren, aus dem Weg geräumt werden konnte. Das zollt allen Respekt, die sich an diesem demokratischen Prozess hier im Haus beteiligt haben. Dafür herzlichen Dank aus Sicht der FDP!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Liberale haben uns von Anfang an immer wieder sehr deutlich dazu bekannt. Wir wollen eine Erleichterung der Volksgesetzgebung. Uns ist klar, dass das vielleicht ein Prozess sein wird, der sich in kleineren Schritten vollzieht.

Ich muss sagen, ich bin heute, wenn ich noch einmal an die Zeit vor drei Jahren zurückdenke, enorm überrascht, was wir erreicht haben. Der Kollege Tschöpe hat das eben zusammengefasst. Finanzwirksamkeit von Volksbegehren seinerzeit hoch umstritten, ob man das überhaupt zulassen sollte! Die Detailfragen bis hin zum Abstimmungsheft und bis hin zu der Frage, dass die Verwaltung die Antragssteller beraten soll, auch das ist natürlich ein wichtiger Punkt! Zu der Frage der Konkurrenzvorlage! Das Dialogverfahren ist angesprochen worden, der Bestandsschutz, also die Karenzzeit, innerhalb derer die Entscheidungen, die im Rahmen von Volksgesetzgebung getroffen worden sind, nicht mehr verändert werden können! All das sind doch Punkte, die hier in großer Übereinstimmung zwischen den Fraktionen vereinbart werden konnten und bei denen ich doch sagen würde, vor drei Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass

es möglich ist, fünf Fraktionen hinter diese Punkte zu bringen.

Wenn man sich das vor Augen führt, kann man nur an alle, die jetzt vielleicht noch zögern und sagen, hätte man nicht vielleicht noch ein Stückchen mehr erreichen können, appellieren: Lasst uns diesen Schritt zumindest für heute gehen! In Zukunft gibt es sicherlich noch Gelegenheiten, noch einen Schritt weiter zu gehen. Auch wir als Liberale haben ganz klar am Anfang gesagt, wir können uns auch beim Thema Verfassungsänderung eine weitere Absenkung der Hürden vorstellen. Herr Röwekamp, es ist aber im wirklichen Leben manchmal so, dass man nicht 100 Prozent von dem bekommt, was man sich gewünscht hätte. So geht es auch uns.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie zum Beispiel in Köln auf dem Bahnhof stehen und nach Paris möchten, fragt Sie der Schaffner auch nicht, ob Sie über Brüssel fahren möchten, sondern Sie steigen in den Zug ein und sind dann auf dem richtigen Kurs. Wenn Sie Brüssel erreicht haben, freuen Sie sich, weil Sie schon einen Großteil des Weges hinter sich haben. So geht es mir jedenfalls jedes Mal, und ich glaube, das ist mit der Entscheidung, die Sie hier vor sich haben, auch so.

(Beifall bei der FDP)

Dann muss man sich an dieser Stelle schon auch fragen, ob es nicht in der Tat vielleicht manchmal weniger um die persönliche Lebenssituation geht. Ich fand einige Passagen in Ihrer Rede erstaunlich ehrlich, Herr Röwekamp. Sie haben nämlich gesagt, man hätte doch einmal mit Ihnen sprechen können. Wir haben ganz oft mit der Kollegin Winther, mit Herrn Rohmeyer und mit anderen Kollegen aus Ihrer Fraktion im Ausschuss gesprochen. Daran hat es bisher, glaube ich, nicht gelegen. Ich nehme Ihnen aber ab, dass es vielleicht doch ein bisschen mehr darum geht, auch diese Debatte als persönliche Bühne zu nutzen.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Es kann keine Veranlassung sein, um wirklich hier die über viele Monate geleistete Arbeit in Frage zu stellen, und das ist auch keine hinreichende Rechtfertigung gegenüber der Öffentlichkeit, die nach drei oder vier Jahren langer Diskussionen über dieses Thema mit – nach meiner Wahrnehmung – einer wirklich breiten Mehrheit sich wünscht, dass wir Fortschritte erzielen. Das muss das Ziel sein. Da appelliere ich an alle Kollegen im Haus, egal ob sie auf den Stühlen der Linken sitzen oder in den Reihen der CDU, doch einmal zu hinterfragen, ob das, was geleistet worden ist, nicht ein enormer

Fortschritt ist. Bei nüchterner Betrachtung, das sage ich für alle Kollegen in der FDP-Fraktion, ist das ein enormer Fortschritt. Mit uns ist dieser Fortschritt zu machen, das haben wir von Anfang an gesagt, wenn es einen vernünftigen Fortschritt gibt, dann stimmen wir ihm zu.

Das heißt nicht, dass man nicht noch weiter gehen kann, auch das ist mit uns zu machen, wir haben deshalb auch gesagt, es ist notwendig, dass es einen breit getragenen Konsens gibt, die Hürde für die Veränderungen ist hoch. Dementsprechend werden wir heute dem Antrag des nichtständigen Ausschusses zustimmen. Inhaltlich teilen wir die Grundüberlegung, die sowohl im Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU als auch im Antrag der LINKEN prinzipiell vorhanden ist. Wir werden uns aber heute bei diesen beiden Anträgen enthalten, weil wir glauben, es wäre gut gewesen, wenn man auch darüber eine Einigung hätte erzielen können. Die Zeit ist aber offensichtlich noch nicht reif, um hier heute das auch zu erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Abschluss vielleicht noch einen Punkt sagen, von dem ich glaube, dass er hier beherzigt werden sollte! Ich glaube, dass manchmal innerhalb dieses Hauses sehr viel über Taktik und den nächsten Schachzug nachgedacht wird. Das ist vielleicht manchmal gar nicht so wichtig. Manchmal ist es viel wichtiger, jedenfalls nach meinem Eindruck, dass wir das, was wir entscheiden und wofür wir unsere Hand heben, auch vor den Menschen draußen rechtfertigen können. Da fällt mir persönlich die Entscheidung nicht schwer. Ich werde dem Antrag heute zustimmen genauso wie alle Kollegen aus der FDP-Fraktion. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, die Haltung der grünen Fraktion möglichst klar und deutlich auszudrücken. Seit der Zeit, in der ich meine Arbeit hier in der Bürgerschaft begonnen habe, ist die Erleichterung der Volksgesetzgebung ein Kernstück meiner politischen Arbeit. Da sind nicht nur Vernunft und Engagement, da ist wirklich Herzblut dabei, das ist ein Kernpunkt der grünen Politik. Deswegen ist diese Erleichterung und Verbesserung der Volksgesetzgebung auch für die Grünen ein Kernpunkt dessen, was wir mit dieser rot-grünen Koalition erreichen wollen.

Auf Initiative der Koalitionsfraktionen haben wir diese Arbeit begonnen und mit Unterstützung aller

Fraktionen. Da möchte ich das unterstreichen, was der Kollege Dr. Möllenstädt gesagt hat, und mich auch dafür bedanken. Es war der Anstoß der rot-grünen Koalition, aber alle Fraktionen haben daran sehr engagiert mitgearbeitet, und das Ergebnis ist, dass eigentlich die Handschrift jeder Fraktion sich in der einen oder anderen Weise dort wiederfindet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der FDP)

Im Ergebnis ist das ein riesengroßer Schritt nach vorn zu dem Ziel, das wir seit zwei Jahrzehnten verfolgen, die direkte Demokratie in Bremen zu stärken und hier faire Bedingungen zu schaffen. Herr Dr. Möllenstädt hat gesagt, er hätte das Gefühl, er wäre jedenfalls jetzt auf der Reise nach Paris in Brüssel. Das Gefühl habe ich nicht, ich habe das Gefühl, wir sind in einem Vorort von Paris bereits angekommen, vielleicht beim Flughafen Charles de Gaulle kurz vor Paris. So ist mein Eindruck, wenn ich das Gesamtpaket bewerte. Deswegen werden wir heute dem Antrag des Ausschusses in der vorliegenden Fassung zustimmen, und wir bitten alle Fraktionen und auch jede Kollegin und jeden Kollegen dieses Hauses ganz eindringlich, dies auch zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will die Bedeutung der Landesverfassung und der Möglichkeit, sie durch Referendum zu ändern, nicht relativieren, und ich sage ausdrücklich, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Ich glaube, dass die Vorschläge, die wir in den Diskussionen der letzten Monate gemacht haben, sei es die Hamburger Lösung einer dynamischen Regelung, die gemeinsam in Hamburg, einvernehmlich auch zwischen den großen Fraktionen, verabredet worden ist, sei es die Senkung der Eingangsquoren, sei es auch die Bindung von verfassungsgebenden Referenden an einen Wahltag, um von daher schon die Wahrscheinlichkeit einer hohen Beteiligung sehr zu erhöhen, dass wir sie uns vorstellen konnten.

Wir sind auch überzeugt davon, dass sie so gestaltet werden können, dass sie die Würde der Verfassung in keiner Weise berühren und dass dadurch auch die Verfassung nicht zur Beute von populistischen Eintagsbewegungen gemacht würden. Ich sage aber noch einmal, wenn man sich die Bedeutung dieser Änderung, die im Ausschuss erst ganz am Ende überhaupt aufgebracht worden ist, praktisch vorstellt, ist sie in praktischer Hinsicht, gemessen an dem Gesamtpaket, doch nicht so groß, dass man an dieser Frage irgendetwas scheitern lassen sollte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Röwekamp oder Herr Kollege Rupp, ich könnte mir, wie gesagt, das eine oder andere auch vorstellen. Aber ich bin sicher, diese Frage wird in den kommenden Jahren doch wieder aufgerufen, entweder als Thema, wenn sich Parteien hier in Bremen zur Wahl stellen, oder als Verhandlung nach der Wahl oder aber auch als erneute Initiative oder möglicherweise auch als Initiative des Parlaments verbunden mit einer Volksabstimmung. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit der Diskussion hier noch nicht am Ende sind. Ich möchte aber Ihnen, Herr Röwekamp, eine Frage stellen: Glauben Sie denn, dass Referenden zu Verfassungsfragen in einem Jahr, zwei oder drei Jahren leichter erreicht werden können, wenn heute das gesamte Paket scheitert? Glauben Sie im Ernst, dass wir das in zwei Jahren leichter hinbekommen? Ich glaube das ehrlich gesagt nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Röwekamp und die CDU, Sie haben sich in den letzten Jahren bewegt, ich höre mit Freuden Ihre Redebeiträge, weil es wirklich etwas Neues ist und viele Gedanken, die wir hier vorher sonst eher allein vertreten haben, von Ihnen aufgenommen werden. Glauben Sie denn im Ernst, dass der andere Teil des Hauses sich auf Dauer den Diskussionen entziehen wird? Bei Ihnen war das so, dass das irgendwann einmal anders wird, und ich bin sicher, das ist nicht zu Ende. Wenn wir aber den heutigen Schritt nicht machen, wird es noch viel schwerer sein, da bin ich ganz sicher.

Wir werden heute, um zum Abstimmungsverhalten der grünen Fraktion zu kommen, dem Antrag der CDU und auch dem Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht zustimmen, weil es mit der SPD-Fraktion heute nicht zu machen ist.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Was soll man denn sonst sagen? Wir bedauern das, das wissen Sie auch. Das gehört aber, finde ich, zu den Qualitäten unserer politischen Arbeit, wir halten uns an Vereinbarungen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir fordern die Abgeordneten von der CDU und der LINKEN noch einmal eindringlich auf, und ich persönlich würde sogar noch weiter gehen und sagen, ich beschwöre Sie, Kolleginnen und Kollegen, das zu machen, ich meine es wirklich sehr ernst, dem zuzustimmen, was heute machbar ist.