Protocol of the Session on September 19, 2007

Bitte, Herr Senator!

Wenn man sagt, ökologische Systeme sind immer dynamische Systeme, dann ist natürlich grundsätzlich alles möglich. Aber klar ist, dass das ein Naturschutzgebiet ist. Naturschutzgebiet ist der höchste Status, den das Naturschutzrecht gewährt, und dieser Status ist damals aufgrund der hohen Wertigkeit eingeräumt worden. Insofern ist das keine Sache, die man so en passant machen kann. Die Wertigkeit ist gegeben, und durch Zuschriften aus der Bevölkerung wird mir das auch noch einmal bestätigt und signalisiert, übrigens auch aus Ihnen durchaus nahestehenden Kreisen.

Aber wir hätten das Thema von der Regierungsseite aus jetzt nicht aufgerufen, denn wir sind ja im Verfahren, das Verfahren läuft. Was heißt Verfahren? Es ist gar kein Verfahren, es ist eine Bestandsaufnahme. Die Bestandsaufnahme soll Anfang 2008 abgeschlossen sein, im Frühjahr, damit die Vegetationsperiode des Frühjahrs einbezogen werden kann. Einige Tiergruppen wie beispielsweise die Amphibien sind natürlich im Frühjahr, wie wir wissen, besonders aktiv, auch andere Wirbeltiergruppen.

(Heiterkeit)

Das muss alles einbezogen werden in die Untersuchung.

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Günthner!

Eine habe ich noch! Ist es – weil es ja eine gewisse Nervosität in bestimmten Teilen, die Sie ja auch angesprochen haben, zu dem Thema gibt – eigentlich etwas völlig Normales, was dort jetzt gerade gemacht wird, würden Sie als zuständiger Umweltsenator sagen, dass man in Naturschutzgebieten einmal schaut, was dort so an Tieren und Pflanzen vorhanden ist, um die Wertigkeiten feststellen zu können?

Bitte, Herr Senator!

Ich würde einmal so sagen: Angesichts der Haushaltslage, die wir haben, bin ich natürlich froh, dass eine umfassende, mehrjährige Bestandsaufname der Tier- und Pflanzenbestände in diesem wichtigen Naturschutzgebiet von anderen bezahlt wird. Darüber freue ich mich grundsätzlich.

Herr Kollege, Sie haben doch noch eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Die Antwort war ein bisschen unerwartet. Insofern muss ich mich an der Stelle erst einmal sammeln.

(Heiterkeit)

Dann versuche ich, an der Stelle breiter zu fragen!

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Nein, es geht ja nicht, Herr Kollege Kuhn, um die Frage – –!

Ist es nicht an sich normal, dass man regelmäßig Zählungen durchführt bei derartigen Gebieten? Ich lese immer in der „Nordsee-Zeitung“, um die auch zu erwähnen an dieser Stelle,

(Heiterkeit)

dass in manchen Parkanlagen in Bremerhaven Fledermäuse gezählt werden, um herauszufinden, wie viele von diesen wunderbaren und schützenswerten Tieren und welche Arten es gibt. Ich versuche einfach herauszufinden, ob es etwas Unnormales ist, was dort jetzt gerade gemacht wird, oder ob es eigentlich das Normalste von der Welt ist, einfach einmal zu schauen, was sich dort so befindet!

Bitte, Herr Senator!

Das würde voraussetzen, dass man den Normbegriff definiert, was normal oder was unnormal ist. Grundsätzlich kann man sagen: Wir sind in Deutschland in der komfortablen Situation oder auch hier bei uns, dass wir viele Naturschützer ha

ben, die mit Ferngläsern, Käschern und so weiter in die freie Natur hinausziehen und schauen, was dort so ist, und das beobachten, dokumentieren und aufschreiben. Es gibt ja zum Beispiel diesen großen GeoTag der Artenvielfalt.

Wir haben also viele Menschen, die sich dafür interessieren, das ist sehr gut. Aber wenn man sozusagen einen wissenschaftlich fundierten Bericht haben will, der auch belastbar ist, dann ist es gut, man zieht auch Sachverstand hinzu von Leuten, die sich professionell mit dem Thema beschäftigen. Auch da sind wir in Bremen in der komfortablen Situation, dass wir im Bereich Biodiversitätsforschungen, Naturschutzforschungen an den verschiedenen Hochschulen und Universitäten exzellente Fachleute haben, die wir auch natürlich zum Herausfinden des ökologischen Werts solcher Gebiete heranziehen. Normal ist das also schon, würde ich sagen!

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Kollege Günthner, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Jetzt eine allerletzte Zusatzfrage! Man kann also der Hafenwirtschaft und bremenports eigentlich keinen Vorwurf machen, dass sie einen so wunderbaren Beitrag dazu leisten, dass dort Tiere und Pflanzen gezählt werden, die auch für den Naturschutz von Bedeutung sein könnten?

Bitte, Herr Senator!

Über die Motivlage von bremenports möchte ich hier nicht spekulieren.

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Dr. Buhlert!

Ich will mir die Frage verkneifen, ob man allein durch Zählen Tiere schützt, aber ich habe die Frage an Sie, Herr Senator, ob neben dem deutschen Naturschutzrecht, sprich der Ausweisung als Naturschutzgebiet, dort auch eine Ausweisung nach europäischen Richtlinien vorliegt, sprich FFH oder Vogelschutz, sprich Natura 2000!

Bitte, Herr Senator!

Grundsätzlich ist der Naturschutzstatus – das sagte ich ja eben – der höchste Status, den wir im Naturschutzrecht zu vergeben haben. Das Ganze ist auch zunehmend – der Naturschutzbereich, wie Sie ja wissen, weil Sie vom Fach sind – europäisiert worden, Flora-Fauna-Habitat und andere Richtlinien mehr. Der Status von solchen Gebieten sind meistens eher großflächige Gebiete. Wir haben

es ja hier mit einem relativ kleinen Gebiet zu tun oder mit einem überschaubaren Gebiet. Ob es einen europäischen Status gibt, ist meinem Sprechzettel nicht zu entnehmen, das werde ich aber herausfinden. Generell ist aber der Naturschutzstatus wie gesagt der höchste, den wir zu vergeben haben.

Jetzt eine allerletzte Zusatzfrage durch den Abgeordneten Günthner! – Bitte sehr!

Sie haben mich eben mit Ihren wunderbaren Ausführungen, Herr Senator – da merkt man ja auch eine gewisse Gewandtheit im Nutzen und Verdrehen von Sprache –, etwas durcheinandergebracht. Können Sie mir sagen beziehungsweise herausfinden, ob es irgendwo in Deutschland oder Europa in einem geschlossenen Hafengebiet ein ähnliches Naturschutzgebiet gibt?

Bitte, Herr Senator!

Das kann man herausfinden, auf jeden Fall, aber grundsätzlich ist es natürlich so: Hier stoßen sich Interessen im Raum, das ist doch offenkundig, nicht? Paradigmatisch ist es eigentlich, wenn man so will, die höchste Form des Zielkonfliktes,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

denn auf der einen Seite ist hier ein Naturschutzgebiet, dessen Wert unbestreitbar ist und wo jetzt noch einmal untersucht wird. Ich wiederhole noch einmal: Der höchste Status, den wir hier zu vergeben haben, ist keineswegs Gegenstand von Ironisierung. Mit dem Begriff der Sprachverdrehung – das haben Sie sicherlich auch nicht so gemeint –,

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Nein, nein, überhaupt nicht!)

kann ich mich nicht so ohne Weiteres anfreunden.

Auf der anderen Seite gibt es wahrscheinlich, vermute ich einmal, obwohl noch nicht vorliegend, das Begehr, dort die Flächen auszuweiten, um die Autos, die importiert werden sollen, darauf zu stellen. Das ist natürlich eine maximale Zielkollision, es ist aber alles im Bereich des Spekulativen.

Ich wiederhole noch einmal: Es liegt bislang kein Antrag vor, sondern es liegt bis jetzt nur die von bremenports finanzierte Bestandsaufnahme vor. Auch die Aktualisierung vor allen Dingen des ökonomischen Werts des Weserportsees liegt noch nicht vor. Das liegt irgendwann dann nach dem Frühjahr 2008 vor. Insofern: Mehr kann ich an dieser Stelle wirklich nicht sagen.

Wie gesagt, von meiner Seite aus hätte ich das nicht aufgerufen, weil wir mittendrin sind, aber ich kann sehr gut verstehen, dass sich die Fragenden hier – die Fraktion der Grünen oder auch Vertreter der SPD, die mir in den letzten Tagen geschrieben und mir noch einmal die hohe Wertigkeit dieses Gebiets bestätigt haben – Sorgen machen und dass sie erkennen, welcher potenzielle Zielkonflikt dort liegt. Ich meine, warum soll man darum herumreden?

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Habe ich, denn das ergibt sich auch wieder aus Ihrer Antwort, denn ich möchte Ihnen natürlich keine Sprachverdrehung an der Stelle unterstellen, aber die relativ einfach Frage, ob es irgendwo in Deutschland oder Europa ein vergleichbares Gebiet in einer Hafenanlage gibt, haben Sie durch eine – –.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Woher soll er es wissen, wenn du es nicht weißt? In Palermo hinten links, dort ist auch so ein See!)

Natürlich ist mir bewusst, dass es dort einen Zielkonflikt gibt. Ist es ein Novum, ein solches Naturschutzgebiet in einer Hafenanlage zu haben oder nicht?

Bitte, Herr Senator!

Nein, das glaube ich nicht! Schauen Sie sich doch die Konflikte in Hamburg an, schauen Sie sich die Konflikte in anderen Hafenstandorten an! Das sind sozusagen Naturräume gewesen, worauf sich die Hafenanlagen sukzessiv entwickelt haben. Es ist die Frage, welchen Bezugszeitpunkt Sie nehmen. Um Ihre Frage auf die Spitze zu treiben, würde ich sagen: Wissen Sie, ob es zutreffend ist, dass vor 100 Jahren oder vor 50 Jahren oder vor 30 Jahren, wo wunderbare Naturschutzgebiete vor uns lagen mit einer sehr hohen Artenvielfalt, zunehmend Hafenanlagen hineingewachsen sind in diese Naturräume? Sind Ihnen Fälle bekannt? Die Frage müssten Sie natürlich auch mit einem Ja beantworten.

Ich möchte wirklich darum bitten, diese Sache erst einmal abzuwarten, bis wir erstens die Faktenlage auf dem Tisch und zweitens ein wie auch immer geartetes Begehr vor uns liegen haben, dann die Sache zu bewerten, zu beurteilen, politisch auszutragen und nicht jetzt sozusagen im Bereich des Spekulativen allein zu bleiben.