Protocol of the Session on June 17, 2009

Insgesamt lehnen wir als Fraktion Ihren Antrag ab, denn er hilft nicht weiter. Viele Fragen, die darin stehen, sind bereits durch die Testregion beantwortet. Dass wir als Bundesland hier den Ausstieg propagieren, ist schwierig, denn hier ist die Selbstverwaltung gefordert, die diesen Prozess weiter gestaltet, und nicht wir als Bundesland. Von daher lehnen wir den Antrag ab und hoffen, dass uns die anderen Fraktionen folgen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung dieser neuen elektronischen Patientenkarte, das haben wir ja gehört, wurde 2003 etwa begonnen, sollte 2006 umgesetzt werden und ist 2009 aufgrund der ehrgeizigen Ziele, so könnte man es positiv formulieren, noch nicht eingeführt. Da, finde ich, sollte man auch einmal sehr genau hinschauen. Betreiber ist nämlich ein Konsortium, und dieses Konsortium wird hauptsächlich von SAP und IBM bestückt. Das heißt, hier stricken sich Softwarehersteller ihre eigene Software, um sie dann natürlich entsprechend zu verkaufen. Daran sollte man auch denken, aber auf jeden Fall gibt es eine ganze Menge von Problemen.

Wenn ich den Antrag der FDP richtig lese, dann hat die FDP nicht einfach gesagt, wir wollen aussteigen und weg damit, sondern die FDP hat eigentlich, wie ich finde, in sehr sinnvoller Weise gesagt, dass der Se––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nat aufgefordert wird, wenn man die Bundesregierung nicht dazu bewegen kann, die noch offenen Fragen – die Sie hier unter den Nummern eins bis sechs aufgezählt haben – zu voller Zufriedenheit zu klären, dann sollte man aus diesem Projekt möglicherweise aussteigen beziehungsweise sagen, dass man einen Stopp für den flächendeckenden Einsatz dieser Karte haben will.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die Freiwilligkeit steht doch nicht zur Disposition!)

Ich rede jetzt noch nicht über die Freiwilligkeit!

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber das steht doch darin!)

Ja, es steht doch darin, ich sage doch nichts gegen die Freiwilligkeit. So sehe ich den FDP-Antrag. Inhaltlich muss man sagen, natürlich sind einige Dinge dabei noch nicht wirklich geklärt. Ein Beispiel: Die minimale Schätzung der Kosten liegt bei 1,6 Milliarden Euro, die die flächendeckende Einführung dieser Gesundheitskarte bedeutet. Das ist die minimale Schätzung, es gibt Schätzungen, die weit darüber liegen.

Die Frage ist natürlich, und das ist nicht immer so einfach: Wer soll die Kosten eigentlich dafür tragen? Die einen sagen, in Ordnung, das sollen die Krankenkassen übernehmen, weil sie davon vielleicht profitieren, die anderen sagen, das sind aber auch Kosten, die dann auf die Anwender – Ärzte und Apotheker – entfallen müssen, weil sie ja auch etwas davon haben. Darüber kann man sich streiten, welche der Positionen richtig ist, aber das ist noch längst nicht geklärt. Wenn man hinschaut, wenn bestimmte Geldfragen nicht geklärt sind, dann kann man natürlich auch weiterfragen, und auch das ist für uns ziemlich auffällig.

Es ist nicht geklärt, wer denn die Verantwortlichen bei der Einführung einer solchen Karte sind. Um ein Beispiel zu nennen: Es werden über einen Patienten von einem Arzt Daten aufgenommen, und der Patient merkt das nächste Mal, da war irgendetwas falsch gewesen, oder er merkt das beim nächsten Arzt, dann ist die Frage, wer denn dafür zuständig ist, diesen Schaden zu beheben. Wer muss dafür aufkommen? Wer muss in die Karte hineingehen und sagen, jetzt lösche ich die alten Daten, jetzt werde ich die neuen Daten eingeben? Das sind Probleme, deren Lösung nicht einfach aus der Portokasse zu zahlen ist, sondern das kann durchaus auch viel Geld kosten, von daher ist auch das nicht geklärt.

Ein wichtiger Punkt natürlich, der ist in der Diskussion angesprochen worden, und der ist für uns als LINKE natürlich dementsprechend auch wichtig, ist im Hinblick auf eine Einführung der Gesundheitskarte die Befürchtung eines gläsernen Patienten. Herr

Brumma hat es, finde ich, nicht ganz richtig dargestellt. Die elektronische Gesundheitskarte ist neu, aber sie zeichnet sich in ihrer Neuigkeit nicht dadurch aus, dass sie statt eines einfachen Speicherbandes, wie es die jetzige Gesundheitskarte hat, einen kleinen Prozessor darauf hat. Denn der kleine Prozessor kann die Menge an Daten, wenn man es so sieht, die sinnvollerweise darauf kommen sollen, überhaupt nicht erfassen. Von daher wählt man in dem Fall die Option und sagt, die Daten werden ins Internet gestellt, und da sage ich, diese Daten werden im Internet gespeichert. Sie können jede EDV-Fachkraft fragen, sie wird Ihnen immer bestätigen, Daten auf Servern im Internet abzulegen, um natürlich eigene Speicherkapazitäten zu sparen, ist ein Prozess, der überall, auch in den Betrieben, stattfindet, und es ist sicherlich das Gefährlichste, was man im Grunde genommen machen kann.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. G ü n t h - n e r [SPD]: Ihre Redezeit ist abgelaufen!)

Von daher sagen wir ganz deutlich, der Patientendatenschutz muss im Vordergrund stehen. Die Fragen, die die FDP gestellt hat, sind grundsätzlich richtig. Sie sind noch nicht beantwortet, und von daher plädieren wir auf Zustimmung zum Antrag der FDP. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält Frau Senatorin Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Jahren wird um die elektronische Gesundheitskarte ein heftiger Streit ausgetragen. Im Zentrum der Kritik stehen Besorgnisse um den Datenschutz, die vor allem vonseiten der Ärzteschaft vehement vorgetragen wurden und werden. Die FDP-Fraktion hat sich diesen Argumenten mit ihrem Antrag angeschlossen, und, meine Herren von der FDP, natürlich ist man nicht immer gut beraten, wenn man sich seine Argumente nur von einer einzigen Seite holt und diese dann auch ungeprüft, so will ich es sagen, zu eigen macht.

Im Zentrum Ihrer Kritik steht der Datenschutz. Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich aus dem „Deutschen Ärzteblatt“ vom 29. Mai dieses Jahres zitieren: „Der Datenschutz tauge nicht als Argument gegen das Telematik-Projekt“, meint der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. „Es gibt gute Argumente, die in der gegenwärtigen Situation dafür sprechen, die elektronische Gesundheitskarte nicht zu blockieren, weil nämlich Alternativen nicht unbedingt attraktiver sind“, so Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar bei einem Symposium zum Telematik-Projekt in Hannover. Schaar ist überzeugt:

) Von der Rednerin nicht überprüft.

„Wir haben viel erreicht im Hinblick auf die gesetzliche Gewährleistung des Datenschutzes bei der Gesundheitskarte.“ So seien Datensouveränität und ein großes Maß an Freiwilligkeit weitgehend durchgesetzt worden. Seine Unterstützung des Projekts begründete Schaar unter anderem auch mit einer Verbesserung des Datenschutzes durch die elektronische Gesundheitskarte gegenüber der heutigen Krankenversicherungskarte. „Diese enthält zusätzlich zu den Verwaltungsdaten Kennzeichnungen für die Teilnahme am Desease-Management-Programm sowie des letzten Kostenträgers bei Sozialhilfeleistungen. Der Arzt kann erkennen, ob jemand Sozialhilfeempfänger ist“, kritisierte Schaar. „Mit dem Übergang zur eGK werden diese Daten verschlüsselt, was ein höheres Maß an Schutz bedeutet. Ein Moratorium heißt Perpetuierung der ungesicherten, unverschlüsselten Speicherung“, erläuterte Schaar. „Wir haben ein hohes Maß an Datenschutz erreicht. Ob das ausreicht, ist eine Frage, die letztendlich gesellschaftlich entschieden werden muss“, so Schaar. Das Datenschutzargument sei jedoch kein besonders gutes Argument gegen das eGK-Konzept. Soweit das Zitat aus dem „Deutschen Ärzteblatt“. Lassen Sie mich kurz hinzufügen, auch die übrigen Bedenken, die im FDP-Antrag aufgeführt werden, sind längst Gegenstand einer lösungsorientierten Diskussion auf der Ebene der gematik GmbH, zu deren acht Gesellschaftern unter anderem der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen sowie die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung zählen. Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht gibt es keinen stichhaltigen Grund, dem vorliegenden FDP-Antrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Senatorin Rosenkötter, ich habe Ihren Worten gelauscht, und es ist mir eigentlich nicht ganz klar geworden, warum Sie gegen unseren Antrag sind, denn es sind doch eine Reihe von Punkten dort genannt, die auch nach Ihrer Auffassung ganz selbstverständlich erfüllt sein müssten, bevor man in ein flächendeckendes Roll-Out mit dieser Karte geht. Insofern habe ich in der Debatte heute wirklich kein vernünftiges Argument gehört, welches gegen unseren Antrag sprechen würde.

(Beifall bei der FDP)

Zum Vorwurf der Einseitigkeit, Frau Senatorin, nenne ich Ihnen nur einmal einige, die mit uns Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

denken haben: Berufsverband Deutscher Internisten, Berufsverband der Augenärzte, Berufsverband Deutscher Nervenärzte, der Stadtverband des Landesverbandes Niedersachsen-Bremen der Pneumologen, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Berufsverband der Pathologen, das Ärztenetz BremenWest, der Hausärzteverband Bremen, die Kassenärztliche Vereinigung, die Ärztekammer, die Zahnärztekammer, die Kassenzahnärztliche Vereinigung, die Apothekerkammer und die Psychotherapeutenkammer!

(Beifall bei der FDP)

Wenn das einseitig ist, Frau Senatorin, dann weiß ich nicht, mit wem Sie sonst noch in der gesundheitspolitischen Community sprechen wollen.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Auf Bundesebene gibt es eine andere Meinung!)

Liebe Frau Hoch, ehe Sie zu laut schreien, will ich auf Ihre Argumente zum Thema Freiwilligkeit eingehen.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich will doch, dass Sie das hören!)

Es liegt doch auf der Hand, und es entspricht doch auch der Erfahrung, dass große Datenmengen ganz von selbst große Begehrlichkeiten schaffen. Wir haben das bei den Mautdaten gesehen, und wir werden das auch bei den Gesundheitsdaten erleben. Zunächst wird es um medizinische Studien gehen, dann wollen die Krankenkassen die Daten zur Abrechnungskontrolle. Ich könnte diese Liste beliebig weiterführen, das werden Sie alles am Ende sehen, das steht uns noch bevor und ich denke, da ist schon Vorsicht hier angezeigt.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Frau Hoch, Sie haben angesprochen, dass es sich um einen Lernprozess handelt, und Herr Brumma ist in die gleiche Kerbe gesprungen und hat gesagt: Das Projekt läuft in geordneten Bahnen. Schauen wir uns doch einmal an, wie das wirklich aussieht. Der Modellversuch in Flensburg musste abgebrochen werden, nachdem drei Viertel aller Eingaben der benötigten PIN fehlschlugen und die Karten endgültig gesperrt wurden. Ein Verfahren, das gebrechlichen, vergesslichen oder behinderten Menschen eine barrierefreie Nutzung mit dieser Karte unmöglich macht! Die schließen Sie alle von der Nutzung aus. Ich halte es wirklich für fatal, dass Sie das heute hier abtun.

(Beifall bei der FDP)

Der vom Senat vorgebrachte Vorschlag zum Thema Zwei-Schlüssel-Prinzip, Praxisangestellte könnten diesen Menschen bei der Eingabe der PIN behilflich sein, halte ich für absurd und absolut schädlich vor dem Gesichtspunkt der informationellen Selbstbestimmung, so kann es auch nicht aussehen, dass die Menschen dort an die Hand genommen werden und Dritten ihre PIN geben müssen. Das kann nicht die Politik unseres Bremer Senats sein.

(Beifall bei der FDP)

Das steht in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir an den Senat gerichtet haben. Ich sage Ihnen nur, was der von Ihnen getragene Senat dazu meint, wie man diese Probleme angeblich in den Griff bekommen kann. Übrigens nur einmal als Nebenbemerkung: Auch 30 Prozent der Heilberufsausweise wurden in dem Feldversuch gesperrt, weil Ärzte ihre PIN nicht schnell genug oder falsch eingegeben haben. Das sind nun nicht irgendwelche Menschen, den man es nicht zutrauen könnte.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sagen Sie nicht den Namen!)

Insofern wäre ich sehr vorsichtig! Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung ist mit dieser Karte nicht zu praktizieren. Sehen Sie es ein! Wegen des Zwei-Schlüssel-Prinzips ist das bisher nicht möglich, jederzeit Daten einzusehen oder auch zu löschen.

In den Testregionen waren zehn Terminals auf 10 000 Nutzer vorgesehen. Allein in Bremen wären das über 50 Terminals, die jederzeit öffentlich und barrierefrei zugänglich sein müssten. Gibt es überhaupt schon Pläne für so etwas? Ich habe bisher nichts davon gehört. Zu Herrn Rohmeyer, den ich im Augenblick nicht sehe, kann ich nur sagen: Was nützt mir denn ein Notfalldatensatz, wenn ich im Notfall ein Lesegerät bräuchte, um diese Daten auszulesen? Allein die Vorstellung, in einem Flugzeug mag ein Arzt mitreisen, aber vermutlich das Lesegerät nicht, allein das zeigt doch schon, wie unpraktikabel das ist, was hier vorgeschlagen wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte eines sehr deutlich sagen, die Fragestellungen sind mitnichten hinreichend beantwortet, Herr Kollege Brumma. Wenn ein Auto einen Crashtest nicht besteht, dann wird das Auto auch nicht zugelassen, das würden Sie auch niemals wollen. Ähnliches muss auch hier für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte gelten.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb rufe ich Sie dazu auf, stimmen Sie unserem Antrag zu, wenn Sie dem Ziel des Datenschutzes weiterhin auch nahestehen. Nach dieser Debatte habe ich allerdings meine Zweifel daran. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist abgeschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/808 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP, DIE LINKE und Abg. T i m k e [BIW) ] Ich bitte um die Gegenprobe! (Dagegen SPD und Bündnis 90/Die Grünen)