Protocol of the Session on February 19, 2009

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab.

Jetzt lasse ich über das Bremische Gaststättengesetz, Drucksache 17/140, in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Bremische Gaststättengesetz mit der Drucksachen-Nummer 17/140 in der in erster Lesung angenommenen Fassung in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und FDP)

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung.

Studierende mit Migrationshintergrund in der Ausbildung zum Lehramt und in pädagogischen Berufsfeldern an den Hochschulen im Land Bremen Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen und der SPD vom 25. November 2008 (Drucksache 17/627)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 27. Januar 2009 (Drucksache 17/677)

Wir verbinden hiermit:

Mehr Migranten und Migrantinnen ins Lehramt und in soziale Berufe Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 17. Februar 2009 (Drucksache 17/694)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper, ihr beigeordnet Staatsrat Othmer. Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 17/677, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD nicht mündlich wiederholen möchten. Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen. Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. Das ist der Fall. Die gemeinsame Aussprache ist eröffnet. Ich rufe als Erste auf die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Anfrage, Studierende mit Migrationshintergrund in der Ausbildung zum Lehramt und pädagogischen Berufen an den Hochschulen im Land Bremen, und damit verbunden den Antrag, mehr Migrantinnen ins Lehramt und in soziale Berufe, gestellt, weil wir davon überzeugt sind, dass wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Lehramt und in sozialen Berufen brauchen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

und zwar brauchen wir sie deshalb, weil wir heute eine große kulturelle Vielfalt in der Schülerinnen- und ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Schülerschaft haben, und das muss einer Vielfalt bei den Lehrerinnen und Lehrern entsprechen. Nur so können wir eine integrative Gesellschaft gestalten. In diesem Zusammenhang brauchen wir sie auch deswegen, weil sie eine Vorbildfunktion für alle Schülerinnen und Schüler haben, denn nur so kann Schülerinnen und Schülern vorgelebt werden, dass Gesellschaft heute aus ganz verschiedenen Kulturen in diesem Land besteht, und sie haben eine Vorbildfunktion, insbesondere für Migrantenkinder. Denn allein dadurch, dass sie da sind, zeigen sie diesen Kindern und Jugendlichen, ihr könnt es in dieser Gesellschaft, auch ihr könnt hier einen guten Beruf erlernen, ihr seid hier willkommen, und nicht zuletzt haben sie eine Vermittlerfunktion bei Problemen, die schulischer oder häuslicher Art sein können. Auch hier ist es die Sprache, die sie möglicherweise gemeinsam sprechen, die Vertrauen schafft. Deswegen brauchen wir sie, und nicht zuletzt brauchen wir Lehramtsteams, die heutzutage aus verschiedenen Kulturen kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Anfrage macht deutlich, dass es kein Bremer Zahlenmaterial gibt. Wir haben Zahlenmaterial von der 18. Sozialerhebung des deutschen Studentenwerks, und die Anfrage macht auch deutlich, dass es schon eine ganze Menge Projekte in Bremen gibt, die versuchen, mehr Lehrerinnen und Lehrer in das Lehramt zu bekommen. Ich will darauf gar nicht im Einzelnen eingehen, da gibt es die Stiftung Mercator, da gibt es das MiCoach-Projekt, da gibt es das STARTProjekt und noch ein paar andere, die jetzt in Arbeit sind. Das sind alles gute Projekte. Das Ganze reicht aber nicht aus, um eine Strategie und ein Konzept zu entwickeln, da brauchen wir mehr.

Ich möchte kurz zwei Sätze zu der 18. Sozialerhebung sagen. Darin wird deutlich, dass Migrantinnen und Migranten in erster Linie ein Studium für Ingenieurwissenschaften oder auch Rechtswissenschaften und Naturwissenschaften aufnehmen, aber in sozialen Bereichen, Sozialwesen, Sozialwissenschaften, Pädagogik, insbesondere im Lehramt, unterrepräsentiert sind. Das heißt für uns Grüne, dass wir da ein Konzept brauchen, dass wir eine Strategie brauchen, dass wir Maßnahmen brauchen, damit wir gerade in diese Berufe mehr Menschen mit Migrationshintergrund bekommen, weil wir sie dort nämlich brauchen, im Übrigen auch in den Jugendfreizeitheimen.

Ich will nur kurz Aspekte andeuten, wie Maßnahmen aussehen können. Ich könnte mir vorstellen, dass man die Curricula an den Hochschulen und an der Universität überarbeiten könnte. Wenn ich mir zum Beispiel soziale Arbeit an der Hochschule anschaue, da sind gute Englischkenntnisse für den Hochschulzugang Voraussetzung. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es vielleicht mehr Sinn hat, dass man gute

Sprachkenntnisse in einer Migrantensprache hat, also Türkisch oder Russisch. Letztendlich wird im Jugendfreizeitheim eine solche Sprache möglicherweise mehr gebraucht als Englisch. Darüber nachzudenken, ob man da vielleicht zu Veränderungen kommt, das, glaube ich, wäre eine gute Sache.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Gleichzeitig könnte ich mir vorstellen, dass man so etwas wie eine Werbekampagne machen könnte. Migrantinnen und Migranten müssen angesprochen werden. Man muss ihnen sagen, ihr werdet gebraucht! Wir müssen eigentlich große Schilder aufhängen: Ihr werdet gebraucht! Ihr werdet in der Schule gebraucht! Ihr werdet im Lehramt gebraucht! Ich glaube, auch darüber müssen wir nachdenken, dass wir deutlich machen, dass wir diese speziellen Kompetenzen brauchen.

In einem dritten Punkt, geht es dann eher um die sogenannten Bildungsausländer, also diejenigen, die nicht das Abitur in Deutschland gemacht haben und eine Vorbildung haben, da geht es auch um eine Teilanerkennung von deren Ausbildung. Da könnte auch Oldenburg ein Vorbild sein, wo es schon einen entsprechenden Studiengang gibt und wo die Absolventen sehr gute Berufschancen haben. Wir betreten hier mit diesem Ansatz Neuland. Das gibt es in der Bundesrepublik noch nicht allzu häufig. Für uns Grüne ist das hier Herzensangelegenheit. Wir werden im März dazu auch noch ein Fachgespräch organisieren, wir werden einen Fachtag im April zu Bildung und Migration anbieten und meine Kollegin Dr. Mohammadzadeh wird dann noch einiges zu den integrationspolitischen Fragestellungen sagen, insofern bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag und dass der Senat im November ein Konzept dazu vorlegen möge. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schulen, Kindertagesstätten, Freizeitheime sind heute geprägt durch eine kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt. Allerdings bezogen auf die Jugendlichen, auf die Kinder, ganz im Gegenteil auf das Lehrpersonal, auf das andere Personal trifft das überhaupt nicht zu. Lehrkräfte sind, wenn überhaupt, zu einem Prozent mit Migrationshintergrund in Deutschland in den Schulen oder auch in den anderen Einrichtungen besetzt.

Aus meiner Sicht ist das zuerst einmal ein Gerechtigkeitsproblem, denn es zeigt ganz deutlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Ge

sellschaft noch längst nicht die gleichen Chancen haben wie Menschen ohne.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Darüber hinaus ist es aber auch ein Erfahrungsverlust für diejenigen Arbeitszusammenhänge, von denen ich gerade gesprochen habe. Menschen mit interkulturellen Kompetenzen, mit Mehrsprachigkeit besitzen ein sogenanntes Insiderwissen, was ihnen den Zugang zu vielen Kindern und Jugendlichen sehr viel leichter machen würde, als es für Menschen ohne Migrationshintergrund ist. Sie können, das hat Frau Schön eben schon angesprochen, als Rollenvorbild dienen. Wir haben gerade über das Problem von Jungen mit Migrationshintergrund gesprochen, über ihre Bildungskarriere. Da kann es ungeheuer hilfreich sein, wenn Jugendliche sehen, dass tatsächlich auch ein Lehrer mit einem türkischen Hintergrund in einer Klasse ein positives Rollenvorbild darstellen kann.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Warum haben wir so wenig Menschen mit Migrationshintergrund in diesen beruflichen Zusammenhängen? Auf der einen Seite muss man ganz klar sehen, ist das Prestige, die Anerkennung des Lehrerberufs, für viele dieser Jugendlichen nicht sehr hoch, und nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für ihre Familien ist es nicht sehr hoch; daran muss gearbeitet werden. Wir können aber auch nicht verkennen, dass viele dieser Menschen schlechte Erfahrungen mit unserem Bildungssystem gemacht haben, und diese Erfahrungen sind nicht geeignet, sie dann in ihrer Berufsperspektive in die Schulen oder in andere Einrichtungen zu bringen.

Es geht aber mit Sicherheit auch darum, dass die Bundesrepublik Deutschland eine sehr restriktive Praxis der Anerkennungen fährt. Wenn Menschen mit einem Examen aus ihrem Heimatland nach Deutschland kommen, dann ist die Annerkennung als Lehrkraft damit noch längst nicht gegeben. Hier gilt es, Teilanerkennungen zu organisieren, damit verbunden vielleicht auch Qualifizierungen, die es möglich machen, wenn man eine Qualifikation in einem Erstfach hat, trotzdem die Möglichkeit zu bekommen, als Lehrkraft in unserer Schule zu arbeiten.

Dreh- und Angelpunkt, denke ich, ist aber die Sprachkompetenz. Wir wissen alle, dass in unserer Schule, in unserer Gesellschaft viel zu viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund keine ausreichende Sprachkompetenz und deshalb auch keine entsprechenden Bildungsperspektiven haben. Die Sprachkompetenz ist unabdingbar für eine erfolgreiche Bildungsbiografie, und deshalb bin ich sehr froh über das, was an der Bremer Universität an Pro

jekten läuft. Projekte, in denen versucht wird, diese Sprachkompetenz zu verbessern.

Die Stiftung Mercator, das hat Frau Schön schon gesagt, hat sich dort eingebracht. Wir haben ein Projekt, das Jugendlichen aus der Sekundarstufe I die Möglichkeit gibt, über Nachhilfe, Nachhilfe in verschiedenen Fächern, tatsächlich ihre Sprachkompetenz entscheidend auszudehnen. Denn vielen Jugendlichen ist gar nicht klar, dass ihre Sprachkompetenz eventuell gar nicht ausreicht. Sie kommen im täglichen Leben gut klar und haben überhaupt kein Gespür dafür, dass das nicht ausreicht, um einen weitergehenden Bildungserfolg zu sichern.

Ein zweiter Baustein dieses Projekts ist das sogenannte MiCoach-Programm. Dort geht es darum, Jungendlichen mit Migrationshintergrund eine Studentin, einen Student mit Migrationshintergrund an die Hand zu geben, die oder der diese Jugendlichen über einen längeren Zeitraum betreut, wenn es darum geht herauszufinden, was erwartet die Universität, was muss ich eigentlich an einer Universität tun, also ein Coach hier speziell für jugendliche Migrantinnen.

Ich denke, dass das sehr gute Programme sind. Ich bin sehr froh darüber, dass es in diesem Programm der Stiftung Mercator nicht ausschließlich darum geht, den Jugendlichen eine Sprachkompetenz zu vermitteln, sondern darüber hinaus den Lehrkräften, die nämlich die Lehrerinnen und Lehrer dieser Jugendlichen im Nachhilfebereich sind, eine Chance zu geben, sich hier auch mit den speziellen Situationen dieser Jugendlichen auseinanderzusetzen, was sonst in unserer Lehrerinnen- und Lehrerausbildung oft zu kurz kommt, das heißt, sich damit auseinanderzusetzen, was es überhaupt heißt, zweisprachig zu sein. Was ist denn überhaupt richtiges Deutsch, gutes Deutsch? Auch da gibt es, denke ich, eine Menge im Rahmen der Ausbildung, worüber man nachdenken muss.

Es wird darüber hinaus an der Universität eine empirische Erhebung über die Erfolgs- beziehungsweise Misserfolgsfaktoren geben, die für Studierende mit Migrationshintergrund tatsächlich mit ihrem Studium verbunden sind. Ich hoffe sehr, dass wir diese Programme fortführen können, dass wir sie ausweiten können. Unserer Unterstützung können sie jedenfalls sicher sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Daneben finde ich es gut und richtig, Kampagnen zu starten. Berlin hat eine Kampagne „Berlin braucht dich!“, es gibt in Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Kampagne, es gibt in Stuttgart eine Kampagne „Migrantinnen in die Schule“. Ich denke, dass wir im November 2009 aus dem Konzept eine

Menge an Anregungen bekommen. – Ich bedanke mich!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.