Protocol of the Session on October 9, 2008

Ein Buch mit sieben Siegeln bleiben darüber hinaus die Inhalte der Qualifizierungsmaßnahmen und die Frage, inwieweit sie den Feststellungen des Untersuchungsausschusses gerecht werden. Werden Casemanager auch im Bereich des korrekten Erstellens von Anträgen an das Familiengericht geschult? Werden Casemanager in ihrem Kostenbewusstsein für Maßnahmen geschult, Seite 124 im Bericht? Enthalten die Schulungen Elemente zur Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen, damit nicht Maßnahmen erbracht werden, die entweder keine Wirkung haben oder von den Familien nicht angenommen werden?

Ein zentrales Element des Casemanagements ist bekanntlich, den Verlauf eines Falls zu steuern. Im Sommer dieses Jahres hat die CDU eine Kleine Anfrage zu dem Bereich Fallsteuerung bei Leistung von Hilfen zur Erziehung gestellt. Ihre Antwort: „Es wird zwar die Zielerreichung, nicht aber der Verlauf von Maßnahmen überprüft.“ Das ist schlicht und ergreifend zu wenig,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und es ist ein weiterer Beleg dafür, wie fahrlässig mit den Feststellungen des Untersuchungsausschusses, der in dem Zusammenhang mit dieser Frage das fehlende Wiedervorlagemanagement im Amt für Soziale Dienste bemängelt hat, umgegangen wird.

Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, dass wir uns nun nur noch über die fachlichen, nicht über die strukturellen Verbesserungen der Kinder- und Jugendhilfe in Bremen unterhalten.

Der Senatorin liegt der Bericht des Untersuchungsausschusses vor. Schwarz auf weiß steht dort, an welchen Stellen es hapert, und trotzdem werden derzeit Schritte nur eingeleitet und überprüft, Begleitgruppen geschaffen, Mitarbeiter motiviert, Schulungen für Führungskräfte angeboten. Angesichts der Feststellungen des Untersuchungsausschusses ist das ja wohl zu wenig

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und an zu missbilligender Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten!

Ein dritter Komplex: die Wochenkonferenz! Der Untersuchungsausschuss hat die Wochenkonferenz als kritisch bewertet, da der Kreis der Teilnehmer zu groß ist, kostenwirksame Fälle im Vordergrund stehen und die Fälle, die schwierig, aber nicht kostenwirksam sind, gegebenenfalls hinunterfallen. Ganz anders die Auffassung des Senats! Er sagt uns nun, dass sich die Wochenkonferenzen grundsätzlich bewährt haben, dass aber dennoch eine Nachjustierung der Arbeitsweisen für erforderlich gehalten wird. Einmal abgesehen davon, dass diese zwei Teile der Antwort im Widerspruch zueinander stehen, wird nicht

deutlich, auf welcher Grundlage hier überhaupt entschieden wurde, dass sich das Gremium der Wochenkonferenz grundsätzlich bewährt hat, inwiefern eine enge Führung von Mitarbeitern, vom Untersuchungsausschuss als dringlich erforderlich erachtet, bei schwierigen Fällen sichergestellt ist: Seite 130 im Untersuchungsbericht.

Erst in der Pressemitteilung der Sozialsenatorin als Reaktion auf unsere Kritikpunkte wurden wir darüber informiert, dass der Kreis der Wochenkonferenz nun verkleinert ist. Warum hat man uns die Antwort auf unsere Frage nicht vorher gegeben? Die Verbindlichkeiten sind aber dennoch infrage zu stellen. Entscheiden zum Beispiel die Sozialarbeiter selbst, ob sie einen Kollegen oder eine Kollegin zur Beratung dazu rufen, oder gibt es dafür Verfahrensabläufe? Wir wissen es nicht.

Dann haben wir die Qualitätssicherung als einen Themenkomplex. Eine zentrale Empfehlung des Untersuchungsausschusses war die Einführung einer Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen dem Amt für Soziale Dienste und den freien Trägern. Dies ist im Sinne der Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen, aber auch der Qualitätsweiterentwicklung der Jugendhilfe im Land Bremen und für die Jugendhilfeplanung der nächsten Jahre von besonderem Interesse. Auch diese Empfehlung des Untersuchungsausschusses ist bisher nicht umgesetzt worden. Die Verhandlungen ruhen, die Gründe dafür werden nicht bekannt, und vom Inhalt der Qualitätsvereinbarungen, wenn sie dann einmal kommen sollten, haben wir auch nichts erfahren.

Mein Fazit: Insgesamt muss ich bilanzieren, dass es nach wie vor an Einem mangelt: an der konsequenten Qualitätsverbesserung im Sinne der hilfebedürftigen Kinder, Jugendlichen und deren Familien in Bremen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist es, worauf wir uns parteiübergreifend geeinigt haben.

Frau Garling, gestatten Sie schon einmal an dieser Stelle den Hinweis: Mit Ihrem Vorwurf, die CDU würde hier einen Showantrag einbringen, entwaffnen Sie sich wirklich selbst. Kommen Sie bitte zurück auf ein sachliches Niveau!

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Sie wird schon selbst sagen, was sie will!)

Ich beziehe mich hier auf Fakten, die schwarz auf weiß in der Antwort des Senats stehen, schwarz auf weiß und vor allen Dingen vom Ressort selbst geschrieben. Auf diese Fakten beziehe ich mich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Rosenkötter, natürlich ist es leicht, neue Projekte ins Leben zu rufen. Sie haben neulich auf einer Pressekonferenz am 16. September 2008 vorgegeben, 20 zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Sie hätten aber auch dazu sagen müssen, dass 7 dieser 20 Stellen reine Wiederbesetzungen sind, also keine zusätzlichen Kräfte, die 13 neuen Mitarbeiter noch gar nicht im Dienst sind, und sie sind nicht nur nicht im Dienst, sondern der Haushalts- und Finanzausschuss musste auf Hinweis der CDU noch eine Sondersitzung zusammenrufen, um diese Stellen auch noch zu genehmigen und auf eine Finanzgrundlage zu stellen. Nichts ist bis heute entschieden, keine Stellen sind besetzt, noch nicht einmal ausgeschrieben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Unruhe)

Sie lassen sich schon einmal für 20 Stellen bejubeln! Das nenne ich Irreführung. Wo sind denn die 20 Stellen? Die 20 Stellen sind weder besetzt noch ausgeschrieben.

(Unruhe – Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Dr. Mohr-Lüllmann hat das Wort!

Es gibt eine Sondersitzung. Wir brauchen keinen Jubel im Kindeswohlthema, wir brauchen Handeln!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

An diesem Beispiel wird deutlich, – –.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Unverschämtheit!)

Da würde ich gleich gern eine Gegendarstellung hören.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Die bekom- men Sie gewaltig!)

Wo sind denn die 20 Stellen? Wir haben ja noch zwei, drei Runden, es kommt noch mehr!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist die absolute Frechheit, Frau Dr. Mohr-Lüllmann!)

Ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir die Einrichtung des Kindernotruftelefons, die Einstellung neuer Mitarbeiter und den Ausbau von Präventionsprojekten begrüßen. Diese Maßnahmen waren unumstritten notwendig und sinnvoll. Allerdings reicht das

nicht, um die benannten Mängel in der Struktur der Kinder- und Jugendhilfe abzustellen. Mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich zum Abschluss aus dem Untersuchungsausschussbericht: „Die fehlende Finanzierung von Maßnahmen war nicht ausschlaggebend für das behördliche Versagen“, Seite 164. Wir brauchen nicht nur Geld, um Systemfehler zu beheben, wir brauchen vor allem Führungsqualität. Mitarbeiter können nur so gut arbeiten, wie Führung ihnen verlässliche Rahmenbedingungen schafft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diesen Anspruch an Führungsqualität und Handlungsfähigkeit haben Sie, Frau Senatorin, bisher nicht erfüllt. – Danke!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden hier heute über die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“ und über den sogenannten Missbilligungsantrag der CDU.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, welches Entsetzen die ganze Stadt über das Schicksal des kurzen Lebens von Kevin erfasst hat und wie fassungslos alle waren. Diese Situation ging wirklich über alles hinaus, was man fassen und verstehen konnte. Das persönliche Leid des kleinen Kevin in seinem kurzen Leben hat uns alle schwer erschüttert. Morgen ist der 10. Oktober, und es jährt sich damit zum zweiten Mal der Tag, an dem der kleine Kevin tot aufgefunden wurde.

Die Bürgerschaft hat mit Beschluss vom 2. November 2006 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste mit der Kurzbezeichnung „Kindeswohl“ eingesetzt. Der Bericht des Untersuchungsausschusses wurde am 18. April 2007 vorgelegt. Er enthält eine Reihe von Empfehlungen, die jetzt nach zwei Jahren in der täglichen Arbeit bis auf kleine Abweichungen komplett umgesetzt sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das kann man aus der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zur Umsetzung der Emp––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

fehlungen des Untersuchungsausschusses ersehen. Man kann es allerdings noch besser erfahren, wenn man den persönlichen Kontakt zu den Menschen im Amt aufnimmt, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie können mir glauben, dass man sich dort von der hoch engagierten Arbeit aller Mitarbeiter überzeugen kann.

Nun behauptet die CDU, die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses seien unzureichend bis gar nicht umgesetzt, ich wiederhole, bis gar nicht umgesetzt. Das grenzt schon an eine Realitätsverleugnung, die in diesem Hause tatsächlich neue Maßstäbe setzt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir sind von den Kollegen der CDU einiges gewohnt, aber das hat schon eine besondere Note. Es ist erstaunlich, mit welch einer Verbissenheit Sie versuchen, im Bereich Kindeswohl nachzuweisen, dass nicht entsprechend den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses gehandelt wurde. Nun missbilligen Sie die gute Arbeit der Senatorin und drohen mit einem Misstrauensantrag. Meine Damen und Herren von der CDU, das beeindruckt uns gar nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieses Vorgehen von Ihnen ist so durchsichtig, dass schnell klar wird: Es geht Ihnen leider nicht um das Wohl der Kinder in unserer Stadt, sondern Sie wollen die gute Arbeit unserer Senatorin Ingelore Rosenkötter beschädigen und sie aus dem Sattel heben, und dazu ist Ihnen jedes Mittel recht.