Protocol of the Session on June 4, 2008

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die FDP ist für autonome, eigenständige Schulen, dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei der FDP)

Daher wird es auch nicht verwundern, dass wir, soweit die Kultusministerkonferenz den Rahmen dazu lässt, es in die Hand der Schulen legen wollen, ob sie Zeugnisse, Lernentwicklungsberichte oder benotete Lernentwicklungsberichte ausgeben. Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern haben Verantwortung für die Bildung der ihnen anvertrauten Kinder, Schüler und Schülerinnen; sie sollen das in den autonomen Schulen entscheiden, und es soll nicht von oben entschieden werden.

(Beifall bei der FDP)

Zeugnisse, Lernentwicklungsberichte und benotete Lernentwicklungsberichte sind Mittel, um den Leistungsstand der Kinder wiederzugeben. Sie müssen ergänzt werden durch einen kontinuierlichen Dialog zwischen Eltern, Lehrerinnen und Lehrern. Unbestritten ist, dass Lernentwicklungsberichte ein modernes pädagogisches Instrument sind.

(Beifall bei der FDP)

Doch nicht alle Eltern verstehen sie. Sie kennen sie nicht, oder ihnen fehlt das nötige Textverständnis, die nötige Deutschkenntnis. Auch diese Eltern haben ein Recht zu erfahren, wie es um ihre Kinder steht und wie sie ihren Kindern so weit wie möglich helfen können. Gerade dafür ist ein enger Dialog nötig.

(Beifall bei der FDP)

Wichtiger aber als die Art der Zeugnisse ist, dass Schüler und Schülerinnen von motivierten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, dass Eltern und Lehrer sich viel miteinander austauschen, um Kinder individuell und optimal zu unterstützen und zu fordern. Wichtiger als jedes Zeugnis ist das Gespräch zwischen Eltern und Lehrern.

(Beifall bei der FDP)

Es reicht einem Vater eben nicht, wenn er weiß, dass sein Kind eine 3 in Mathematik hat, um helfen zu können. Dazu muss er mehr wissen. Er muss wissen, wie es in den einzelnen Bereichen des Faches steht, und wo die Defizite liegen.

(Beifall bei der FDP)

Auch wollen Eltern wissen, wie sich Leistungen entwickelt haben und nicht nur, wie der Stand der Leistungen ist, sprich, sie wollen wissen, ob ihr Kind besser oder schlechter geworden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben der Eigenständigkeit von Schulen ist uns die Vergleichbarkeit von Leistungen wichtig. Daher fordern wir landesweite Standards für die drei Zeugnisarten: Ziffernzeugnis, Lernentwicklungsbericht und benoteter Lernentwicklungsbericht. Dies gewährleistet die nötige Übertragbarkeit von Lernentwicklungsberichten in Zeugnisnoten. Bei Arbeitszeugnissen stehen ebenso keine Ziffern, und trotzdem sind sie übertragbar.

(Beifall bei der FDP)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, eines muss und will ich hier deutlich kritisieren: Ich fand es schon ein Unding, dass Sie in Kenntnis dieser Debatte und des Antrags der Union in der vergangenen Sitzung der Bildungsdeputation eine Änderung der Zeugnis- und Versetzungsordnung beschlossen haben. Dazu bestand kein zwingender Grund! Mit Leichtigkeit hätten Sie meiner Bitte um Aussetzung der Entscheidung nachkommen können. Wir als FDP empfinden das als einen schlechten demokratischen Stil.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich empfinde das als Arroganz der Macht. Ein Mehr an Dialog hat noch keiner Entscheidung geschadet, die nicht zwingend, dringend und notwendig war zu diesem Zeitpunkt.

Lassen Sie mich noch zu einem anderen Punkt des CDU-Antrags kommen: Die Union fordert Kopfnoten. Dem können wir als FDP-Fraktion ebenso nicht zustimmen. Kopfnoten verfolgen den Zweck, Schüler zu disziplinieren, Individualität und Kreativität können darunter leiden. Schon heute werden brave Mädchen oft besser beurteilt als Jungen.

(Beifall bei der SPD)

Dies führt tendenziell zu einer Benachteiligung von Jungen, die dieselben Leistungen erbringen.

(Beifall bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ist das in der SPD-Fraktion auch so?)

Die FDP möchte, dass Schüler und Schülerinnen bestmöglich unterstützt werden. Das geht mit Lob und Tadel und eben ohne Kopfnoten. Uns liegt an einer modernen Pädagogik, die den Kindern Verantwortung beibringt, antiquierte Kopfnoten lehnen wir deshalb ab. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Stahmann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! 2004 haben wir hier in der Bürgerschaft über das Thema „Einführung von Lernentwicklungsberichten und zusätzlichen Zensuren“ gesprochen. Damals stand ich hier vorn, habe es kritisiert und gesagt, diese Zensuren unter Lernentwicklungsberichten konterkarieren das, was dort in Worten aufgeschrieben ist, wenn dort steht, das Kind hat sich angestrengt, und darunter steht dann eine Fünf oder eine Vier. Das ist auch heute noch meine Meinung, Zensuren sind subjektiv, sie drücken das Leistungsspektrum innerhalb der Klasse aus.

Es gibt keine bildungspolitische und wissenschaftliche Studie, Herr Rohmeyer, die bestätigt, dass Zensuren Kinder stärker motivieren, sondern es ist doch eher so, wie Herr Dr. Buhlert gesagt hat: Kinder lernen durch Erfolge, Kinder lernen durch Bestätigung und Kinder lernen gern! Das Modell, das Sie uns hier vorschlagen, Herr Rohmeyer, ist ein Modell, dem wir hier nicht folgen wollen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie fordern zugleich die Einführung von Kopfnoten für Verhalten und Betragen, und dieser Antrag fällt für mich eher unter die Rubrik „schulpolitische Museumspädagogik“, das will ich auch hier so ganz deutlich machen. Ich habe auch schon gesagt, Sie kommen irgendwann mit einer Forderung nach dem Rohrstock oder nach dem Karzer.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das ist doch lächerlich!)

Das ist vielleicht lächerlich! Ich überspitze es aber auch einmal so. Sie bedauern, dass Sie sich hier nicht mehr melden können, es ist nur eine Fünf-MinutenDebatte. Die Ideologie in dieser Debatte geht von der CDU aus. Hier der Koalition vorzuwerfen, wir seien undemokratisch! Herauf und herunter haben wir dieses Thema mit Ihnen in der Deputation diskutiert, nicht einmal, nicht zweimal, mehrmals, Herr Rohmeyer! Wir können die Debatten gern einmal gemeinsam ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

durchgehen, in denen wir über dieses Thema hier im Hause gestritten haben. Ich glaube auch, dass die Argumente hinlänglich in der Sache ausgetauscht sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich will noch einmal kurz auf den November 2004 eingehen, als eine neue Zeugnisordnung für sehr große Unruhe an den Bremer und Bremerhavener Schulen gesorgt hat. Rückblickend kann ich darauf verweisen, dass es schon eine einmalige Sache war, dass allein 49 von 70 Bremer Grundschulen eine gemeinsame öffentliche Erklärung abgegeben haben. Die Position war deutlich, sie haben diese Zeugnisordnung abgelehnt.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Weil wir vor- her Kraut und Rüben hatten!)

Sie haben gesagt, das ist nicht so, wie wir an den Grundschulen arbeiten wollen. Die Bremerhavener Grundschulen haben sogar gesagt, wir boykottieren diese Zeugnisordnung, Herr Rohmeyer. Das haben Sie mit Ihrer Haltung, die Sie zu diesem Thema eingenommen haben, verursacht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist aus meiner Sicht ein richtiger Schritt, und es ist ein Erfolg, dass Rot-Grün die unsinnige Zeugnisordnung beseitigt hat. Es ist auch richtig, das, finde ich, ist ein wichtiger Punkt, den Sie hier angesprochen haben, Herr Rohmeyer, dann möchte ich aber auch Vorschläge hören, dass wir über die Qualität von Lernentwicklungsberichten sprechen. Wichtig ist, dass sie eine leichte Sprache haben. Ich finde, das kann man hier nicht zum Problem von Migranten machen. Ich wohne in Walle, die Migranten in Walle, die ich kenne, verstehen die Lernentwicklungsberichte. Das kann man nicht allein an solchen Merkmalen festmachen. Es gibt auch deutsche Familien, die Probleme haben, die durchaus komplizierten Lernentwicklungsberichte zu verstehen. Ich finde, es muss ein Arbeitsauftrag an die Deputation, an die Bildungssenatorin sein, vernünftige Lernentwicklungsberichte vorzulegen, die auch deutlich kürzer sind, die Lehrer nicht belasten, die aber ein gutes Bild über den Lernstand und Lernerfolg der Kinder liefern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Kurzum, wir setzen uns für Lernentwicklungsberichte und verbindliche Elterngespräche ein, die ruhig häufiger stattfinden könnten als zweimal im Jahr! Diese Lernentwicklungsberichte und Elterngespräche sind für mich die differenzierte Beurteilung. Sie

bieten einfach die Chance einer differenzierten und individuellen Beurteilung der einzelnen Kinder, das ist aus meiner Sicht der pädagogische und lernförderliche Weg. Wenn wir uns hinsichtlich der Leistungsbereitschaft vergleichen wollen, ich sage es noch einmal: Schauen wir nach Skandinavien! Machen wir uns doch nicht vor, dass die skandinavischen Schulen, die bis zur achten Klasse auf Zensuren verzichten, nicht leistungsbereit sind! Herr Rohmeyer, schauen Sie sich an: 70 Prozent der Kinder in Schweden, sogar noch mehr in Finnland, machen das Abitur. Da können doch nicht die Zensuren als Begründung herhalten, dass es mit der Leistung dann ansteigt. Das ist doch eher ein Umkehrschluss, den Sie daraus ziehen müssen. Wir müssen Kinder immer neu motivieren. Ich kann es nur aus Sicht meiner Kinder noch einmal sagen, Herr Rohmeyer, wenn Sie ein Kind haben, das immer eine Eins nach Hause bringt, diese Kinder fangen an, sich irgendwann auf ihren Lorbeeren auszuruhen, die sie einfahren. Dabei ist es wichtig, dass Lehrer deutlich machen, du bist gut, du hast gute Chancen, noch mehr zu erreichen. Das erreicht man nicht, indem man Kindern eine Eins mit Sternchen verpasst, sondern indem man auch sagt, das kannst du noch besser machen, und von dir erwarte ich noch, dass du auf der Leiter noch viel höher steigen kannst. Das machen uns andere Länder vor.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen mit unseren Lernentwicklungsberichten eben auch die Kinder mitnehmen – ich komme jetzt zum Ende –, die für ihre Diktate, für ihre Aufsätze üben, die statt 40 Fehlern nur noch 15 Fehler machen. Mit einer Zensur wäre das immer noch eine Vier oder eine Fünf, Herr Rohmeyer. Dieses Kind hat aber etwas Ungeheuerliches geleistet, es hat sich motiviert und sich angestrengt. Das müssen Lernentwicklungsberichte und Beurteilungen von Lehrern aussagen. Lehrer sind Lernberater. Das drücken Zensuren einfach nicht aus, und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Stahmann, erstens sind wir nicht Schweden oder Finnland, und zweitens haben in Schweden oder in Finnland nicht die Achtundsechziger Chaoten das gesamte Bildungssystem ruiniert.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Außerdem sind Schweden und Finnland auch Ausland!)

Meine Damen und Herren, gleich vorweg: Selbstverständlich werde ich dem CDU-Antrag „Notengebung an den Schulen im Lande Bremen“ überparteilich zustimmen. Eines dürfte sogar Ihnen von Rot-Grün klar sein: Leistung muss bewertet werden, Leistung muss sich lohnen, Leistung muss aber auch belohnt werden. Das geht eben nur, wenn man Leistung auch bewertet und benotet.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Da müssten Sie noch Geld mitbringen, Herr Tittmann!)

Sie können sich ja gleich melden.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie schreiben in Ihrem Antrag folgerichtig, das schlechte Abschneiden Bremens bei nationalen und internationalen Vergleichsstudien hat deutlich gezeigt, dass das Schulwesen im Land Bremen ein Qualitätsproblem hat. Zur Steigerung der Qualität von Unterricht und Lernerfolg müssen größere Anstrengungen von allen Beteiligten eingefordert werden. Leistung braucht Motivation und motiviert zugleich. Diesen klaren Aussagen habe ich nichts hinzuzufügen, und sie werden von mir uneingeschränkt unterstützt.