Protocol of the Session on May 8, 2008

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der 8. Mai 2008. Wie der Zufall es will, fallen heute zwei Ereignisse des Gedenkens zusammen. Vor genau 63 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, und vor 60 Jahren wurde nach jüdischem Kalender der Staat Israel gegründet. Das Kriegsende hat die Entwicklung hin zur Unabhängigkeitserklärung Israels drei Jahre später sehr beeinflusst.

8. Mai 1945: Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker sprach einmal von einem Tag der Befreiung. Wir sollten uns immer wieder daran erinnern, wovon wir befreit wurden: von Gewalt und Krieg, Menschenverachtung und Völkermord. Die Schuld und Scham für und über das unermessliche Leid, das Deutsche vielen Menschen angetan haben, bleiben. Der Weg der Aussöhnung mit den Juden, mit anderen Völkern, denen wir unermessliches Leid angetan haben, ist ein langer und schmerzlicher.

Der 8. Mai 1945 wird auch gern als Datum des Neubeginns in Deutschland gewertet. Dabei sollten wir allerdings nicht vergessen, dass die Startbedingungen ungleich verteilt waren: Die Menschen im Osten haben die schwere Last der furchtbaren Terrorherrschaft viel stärker zu spüren bekommen als die Menschen im Westen. All das verpflichtet uns, nicht nachzulassen in der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte.

Leider müssen wir an Tagen wie dem heutigen viel zu häufig erfahren, dass Rechtsradikale ihn für ihre Aufmärsche zu missbrauchen versuchen. Bleiben wir wachsam und warnend, wenn wir Rechtsextremismus und Rassismus begegnen! Gewiss, deren Vertreter können unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht erschüttern, aber sie dürfen auch niemals die Chance dazu bekommen.

Wir hier leben jetzt in Frieden. Der Wunsch nach Frieden in der Welt hat sich bis heute, 63 Jahre nach dem Krieg, nicht erfüllt, auch für Israel und die Nachbarstaaten nicht. Wir stehen also in der Verantwortung auch für die Zukunft, Demokratie und zivilgesellschaftliche Werte zu verteidigen und Friedenspolitik aktiv zu begleiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße zur 21. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine zehnte Klasse der Integrierten Stadtteilschule an der Theodor-BillrothStraße. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Nachträglich möchte ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen interfraktionelle Einigung erzielt wurde, bei

Tagesordnungspunkt 35, „Bibliotheken an Sonntagen öffnen“, auf eine Debatte zu verzichten.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 14 frist- und formgerecht eingebrachte Anfragen vor.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift: „Freiwillige Unterstützungsleistungen des Senats für christliche Glaubensgemeinschaften außerhalb staatsrechtlicher Verpflichtungen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Tschöpe, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Tschöpe!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Gewährt das Land oder die Stadtgemeinde Bremen oder eine bremische Gesellschaft dem missionarischen Jugendkongress „Christival 2008“ materielle oder immaterielle Unterstützung?

Zweitens: Hat Bremen oder eine seiner Gesellschaften in den vergangenen vier Jahren biblizistische oder als christlich-fundamentalistisch einzuordnende Organisationen materiell oder immateriell unterstützt?

Drittens: Hält der Senat eine missionierende Tätigkeit solcher Organisationen für die Inhalte des Kreationismus oder für die Einordnung von Homosexualität als therapierbare Krankheit für ein absolutes Ausschlusskriterium staatlicher Förderung?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Christival e. V. nutzte für circa 14 500 erwartete Übernachtungsgäste 35 bremische Schulen als Übernachtungsquartiere. Daneben wurden zwei Schulen als Veranstaltungsorte genutzt. Die Räumlichkeiten waren mietfrei, allerdings trug Christival e. V. sämtliche anfallenden Kosten, wie zum Beispiel den Einsatz der Hausmeister, Reinigung, Müllentsorgung, Energie. Laut einer durchgeführten Ressortabfrage erfolgte keine weitere materielle Unterstützung.

Immateriell erfolgte eine bei derartigen Großveranstaltungen übliche Unterstützung. So wurden auch die Mitglieder des Kuratoriums zu Beginn des Christivals im Rathaus begrüßt.

Der Senat freut sich, dass durch das Christival mit seinen unterschiedlichen, auch kontroversen Themen viele junge Menschen nach Bremen kamen und unsere Stadt kennengelernt haben.

Zu Frage 2: Nein.

Zu Frage 3: Ja.

Herr Kollege Tschöpe, haben Sie eine Zusatzfrage?

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Ich habe eine An- merkung. Ich freue mich besonders über die klare Antwort auf Frage 3! – Danke!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Beilken!

Herr Bürgermeister, ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass Sie es als unerträglich bezeichnet haben, wie auf dieser Veranstaltung zum Teil mit den Themen Homosexualität und Schwangerschaftsabbruch umgegangen wurde. Halten Sie es nicht für richtig, die Frage der öffentlichen Unterstützung, die wir ja eben in einer kurzen Erläuterung auch gehört haben, so begrenzt sie auch immer ist, in Zukunft noch einmal für nachdenkenswert zu erachten?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Herr Abgeordneter Beilken, ich habe Ihnen als Antwort zu Frage 1 vorgelesen, dass sich der Senat freut, dass durch das Christival viele Tausend junge Menschen nach Bremen gekommen sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe auch bei meiner Begrüßung der Organisatoren, Initiatoren und des Kuratoriums des Christivals im Rathaus gesagt, dass sie gern gesehene Gäste in Bremen sind und wir uns darüber freuen, dass sie Bremen als Ort für das Christival gewählt haben.

Eine andere Frage ist, und auch das habe ich bei dem Empfang im Rathaus gesagt: Wenn sich jemand in eine gesellschaftspolitische Debatte über wichtige Themen begibt, dann muss er sich auch der Kritik mit seinen Auffassungen stellen. Diese Kritik habe ich auch bei diesem Empfang zum Ausdruck gebracht. Ich sehe es erstens mit der christlichen Botschaft, zweitens auch mit der Verpflichtung, die wir vor den Werten des Grundgesetzes haben, nicht in Einklang stehend, wenn wir nicht versöhnen, sondern wenn wir die Gesellschaft spalten und wenn wir Menschen, die das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für sich in Anspruch nehmen, diskriminieren. Dagegen

habe ich mich verwandt und dagegen werde ich mich auch weiter verwenden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine weitere Zusatzfrage Herr Kollege Beilken!

Herr Bürgermeister, sehen Sie grundsätzlich auch die Gefahr, dass es in unserem Land, ähnlich wie schon in den USA, eine Bewegung gibt, die in den politischen Raum hineinreicht, wenn zum Beispiel die Entwicklungslehre, wie sie Charles Darwin als Erster dargestellt hat, infrage gestellt wird? Das müsste Ihnen bekannt sein. Sehen Sie das auch als Gefahr für unser Land an, wenn wir nicht darauf achten, diese Dinge rechtzeitig einzudämmen?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Sie sprechen das an, was unter dem Stichwort Kreationismus weltweit zu spüren oder zu sehen ist. Das ist aber kein Thema gewesen – jedenfalls nach meiner Wahrnehmung –, was mit dem Christival in irgendeiner Verbindung steht. Bitte verstehen Sie, eine allgemeine Debatte über Kreationismus, die ich ohnehin für unsinnig halte, möchte ich deswegen gar nicht führen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bürgermeister, eine weitere Zusatzfrage von dem Abgeordneten Dr. Möllenstädt!

Herr Bürgermeister, stimmen Sie mit mir überein, dass es recht schwer vermittelbar ist, wenn sich der Senat auf der einen Seite in einer Pressemitteilung, was ich gut finde, klar abgrenzt von bestimmten, vielleicht diskriminierenden Veranstaltungselementen oder potenziell diskriminierenden Veranstaltungselementen, auf der anderen Seite aber ein Kuratorium gerade dieses Christivals dann im Rathaus empfangen wird? Stimmen Sie weiterhin damit überein, dass es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, noch deutlicher darauf hinzuweisen, auch öffentlich darauf hinzuweisen, dass Sie sich diesen Teil der Veranstaltung – es sind ja zwei Elemente gewesen, die auch öffentlich in der Debatte kritisiert wurden – nicht zu eigen machen und sich eben nicht dahinter stellen im Rahmen dieses Christivals?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Herr Abgeordneter, zunächst einmal: Dem Kuratorium gehören eine ganze Reihe honoriger Menschen an, auch aus Bremen:

Altbürgermeister Hans Koschnick, Bürgermeister a. D. Thomas Röwekamp, Renke Brahms, der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche und, viele andere.

Zum Zweiten: Ich bin ein bekennender Verfechter einer streitbaren Demokratie und einer streitbaren gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Deswegen habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn es kritische Diskussionen gibt und wenn man sich auch streitet um bestimmte gesellschaftliche Fragen. Wir werden das übrigens zum Evangelischen Kirchentag erleben. Der Kirchentag ist angelegt auf streitbare Debatten. Deswegen habe ich es nicht als Gegensatz empfunden und empfinde es nach wie vor nicht so, auf der einen Seite Menschen zu begrüßen, die nach Bremen kommen, um zu beten, Lieder zu singen, aber auch zu diskutieren, und auf der anderen Seite eine klare Haltung zu einigen wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen zu haben. Das ist kein Widerspruch für mich, sondern gehört zusammen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die zweite Anfrage bezieht sich auf die energetische Stadterneuerung. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Pohlmann, Dennhardt, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Pohlmann!