Protocol of the Session on January 24, 2008

Von den immerhin fast 1,7 Milliarden Euro konsumtiven Mitteln, also ohne Zinsen und ohne Personal, finanziert Bremen Kindergärten und Schulen, die gesamte Kulturlandschaft und die Sportförderung. Für die laufenden Ausgaben für Wissenschaft und Forschung stehen rund 270 Millionen Euro zur Verfügung. 250 Millionen Euro gehen als Rechtsanspruch im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes nach Bremerhaven. Damit ist Bremen das einzige Bundesland, das die Einwohnerinnen und Einwohner in allen Kommunen unabhängig von der Größe im Finanzausgleich gleichstellt.

Sie können dem Benchmark-Bericht, einem aufgabenbezogenen Länder- und Großstädtevergleich, entnehmen, wo wir jeweils stehen. Innere Sicherheit, Schüler-Lehrer-Relation und öffentliche Ausgaben für Kulturförderung und Grünflächen werden quantitativ miteinander ins Verhältnis gesetzt. Spitzenplätze werden da an Bremen nur noch selten vergeben, aber in vielen Bereichen haben wir immer noch verteidigungswürdige Mittelplätze.

Sie können sicher sein, der Senat wird allen Tendenzen auf Bundesebene entgegentreten, die uns verpflichten wollen, in jedem Aufgabenfeld nur noch im unteren Bereich zu finanzieren. Großstädte und insbesondere Städte mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Anteil zugewanderter Menschen haben höhere Ausgaben für soziale Aufgaben und müssen sich zum Beispiel auch kleinere Klassen leisten können.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Im Haushaltsnotlageland Bremen machen die Zinsen zurzeit 18,5 Prozent der gesamten konsumtiven Ausgaben aus. Wir prognostizieren einen Zinssatz für die öffentliche Hand von 4,7 Prozent. Auch wenn die Zinsen aktuell wegen der Bankenkrise etwas niedriger sind, planen wir vorsichtig. Wegen der erforderlichen Kreditaufnahme zur Deckung des Haushalts von 743 Millionen Euro in Jahr 2008 und 651 Millionen Euro in 2009 steigen sie unaufhaltsam an. Sie sind der zentrale Grund dafür, warum sich Bremen nicht aus eigener Kraft aus der schwierigen Finanzlage befreien kann. Zur Finanzierung der Zinsen müssen wir Kredite aufnehmen, was die Zinslast wiederum erhöht.

Der zweite große Ausgabenblock im Haushalt sind die Personalausgaben. Die Meldung an Karlsruhe sieht ab 2009 jährliche Steigerungen von einem Prozent pro Jahr vor. Diese werden allerdings schon fast vollständig von den steigenden Pensionszahlungen aufgebraucht. So ist der Senat gezwungen, steigende Personalkosten infolge von Tarif- und Besoldungserhöhungen durch Personaleinsparungen zu erbringen. In den Koalitionsvereinbarungen wurde als klare Schwerpunktsetzung verabredet, sowohl bei der Polizei als auch bei den Lehrerinnen und Lehrern keine weiteren Personalkürzungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde die Hälfte der Beschäftigungsbereiche in Bremen und Bremerhaven von Personaleinsparungen ausgenommen. Das ist eine große Leistung, auf die wir auch stolz sind.

Die Kehrseite sind dann allerdings ehrgeizige Personaleinsparquoten in allen anderen Bereichen. Dabei haben wir eine Berechnungsgrundlage gewählt, die den senatorischen Dienststellen eine Sparquote von jeweils über sechs Prozent auferlegt, interne Dienstleistungen wie zum Beispiel die Landeshaushaltskasse mit jeweils vier Prozent belastet und Bereiche mit direktem Kontakt zur Bevölkerung wie zum Beispiel Gerichte, Gesundheitsämter, das Stadtamt und die Ortsämter nur mit zwei Prozent Einsparquote belegt.

Ein weiteres Instrument, den Personalhaushalt einzuhalten, ist der Vorschlag des Senats, die Besoldungserhöhung für Beamte, die die Erhöhung im Angestelltenbereich nachvollziehen soll, zeitlich zu staffeln und erst am 1. Oktober 2009 voll wirksam werden zu lassen. Wir wissen, dass die Fraktionen in den Haushaltsberatungen nach Wegen suchen, hier nachzubessern. Da sage ich Ihnen gern die Unterstützung des Senats zu, im Personalhaushalt noch einmal jeden Stein umzuwenden, um zusätzliche Mittel zu finden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Presse habe ich entnommen, dass Herr Röwekamp den sogenannten Risikostrukturtopf in Höhe von 33,3 beziehungsweise 36 Millionen Euro für so eine Art Senatssparkasse hält, aus der locker eine höhere Beamtenbesoldung zu bezahlen wäre. Dieser Topf ist so ziemlich das genaue Gegenteil einer Sparkasse. Wir erkennen nämlich in vielen Ressorts, vor allem im Bereich Inneres für Digitalfunk, für Auslagen in Rechtssachen und für Sozialleistungen, höhere Ausgaben an, die wir dann aber nicht einfach in die Ressorthaushalte einstellen wollten, sondern unter besondere Kuratel stellen und in einem zentralen Topf bündeln. So wollen wir erreichen, dass über strenge Bewirtschaftung die realen Ausgaben im Rahmen der Eckwerte bleiben können.

Der dritte und letzte Ausgabenblock im Haushalt sind die Investitionsausgaben. Hier sehen die nach Karlsruhe gemeldeten Zahlen einen deutlichen Abbau bis auf das Hamburger Niveau vor. Aus dem Berlin-Urteil kann man schließen, dass das Verfassungsgericht Wert darauf legt, dass sich Bundesländer in einer Haushaltsnotlage auch im investiven Bereich stark beschränken.

Der Investitionshaushalt ist ganz stark von Vorentscheidungen der letzten Jahre geprägt. Kreditaufnahmen in den Sondervermögen, die über den Haushalt abfinanziert werden, und verbindliche Zusagen für begonnene Maßnahmen, zum Beispiel in der Überseestadt, bei Verkehrsprojekten oder Gewerbeflächen lassen nur sehr geringe Spielräume. Um es in Zahlen zu sagen: Im Jahr 2008 beträgt der Investitionshaushalt des Landes und der Stadtgemeinde 454 Millionen Euro, davon ganze 53 Millionen Euro für neue Maßnahmen. Im Jahr 2009 geben wir 436 Millionen Euro aus, davon sind 57 Millionen Euro frei.

Es war eine richtige Entscheidung des Senats, das Anschlussinvestitionsprogramm in das allgemeine Investitionsprogramm zu überführen. Nur so gewinnen wir die nötige Transparenz. Erstmalig legen wir Ihnen als Haushaltsgesetzgeber und der Öffentlichkeit eine vollständige Übersicht über die Investitionen der Jahre 2008 und 2009 vor. Zugegeben, wir können wenig Neues machen. Warum das aber gerade auf die Kritik derjenigen stößt, die ja diese Lage wissentlich herbeigeführt haben, ist doch recht verblüffend.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Sage niemand, Bremen investiert nicht: Der CT 4 ist fast fertig, mit einer halben Milliarde reiner Baukosten. Mit der Kaiserschleuse, die Bremen 230 Millionen Euro kosten wird, ist angefangen worden. 37 Prozent aller staatlichen Investitionen fallen im Übrigen auf den Bereich Wirtschaft und Häfen, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In der Überseestadt wird kräftig gebuddelt und gebaut. Das Projekt Alter/Neuer Hafen in Bremerhaven wird realisiert. Für die Krankenhäuser in Bremen und Bremerhaven stehen fast 60 Millionen Euro in den beiden Haushaltsjahren zusammen zur Verfügung. Gelder für die Brückensanierung, die großen Straßenbauprojekte wie die A 281 oder die Planungskosten für die Cherbourger Straße, aber auch für öffentlichen Nahverkehr und Radwege sind ebenfalls eingeplant.

Der Senat schlägt Ihnen außerdem fast eine Verdoppelung der öffentlichen Energieeinsparförderprogramme vor. Ebenfalls eingeplant sind insgesamt in diesen beiden Haushaltsjahren 7 Millionen Euro für die Sanierung der Justizvollzugsanstalt. Alle Kritiker dieser Investition sollten sich erst selbst durch den Besuch im Gefängnis ein Bild von der baulichen Situation und den Lebensbedingungen dort machen.

Außerdem haben wir pro Jahr 10 Millionen Euro für Investitionsschwerpunkte der Koalition bereitgestellt. Das sind vier neue Ganztagsschulen pro Jahr, drei in Bremen und eine in Bremerhaven. Außerdem geben wir Geld für unseren Anteil am Neubau der Kunsthalle aus.

Dieser Senat greift auch zu einer Reihe von zum Teil unbequemen Sparmaßnahmen. Die bekannteste und am meisten kritisierte ist die verschobene Besoldungserhöhung, aber wir tun viel mehr: Wir reduzieren die Wohnungsbauförderung, überführen die Neubürgeragentur in die allgemeine Verwaltung, und auch das Übertragen des Rhododendronparks in eine private Stiftung dient dem Ziel, Kosten zu reduzieren. Die Tatsache, dass Wirtschaftsförderung in der Regel nur noch als Darlehen gewährt wird, ist einerseits natürlich den knappen Kassen geschuldet, auf der anderen Seite kann nun spätestens seit der Nokia-Geschichte niemand mehr den bedingungslosen staatlichen Wirtschaftssubventionen das Wort reden.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Durch die Darlehensvergabe gewinnt Bremen an Gestaltungskraft, und das tatsächliche Fördervolumen steigt an.

Auch die Kritik, die Wirtschaftspolitik würde an Bedeutung verlieren, weil endlich Transparenz in den Sondervermögen geschaffen wird und Teile ihrer Rücklagen dem allgemeinen Haushalt zugeführt werden, entbehrt jeder Grundlage. Es kann ja wohl nicht sein, dass am Haushalt vorbei Guthaben bei den Gesellschaften gebildet werden, die vom Staat teuer kreditfinanziert werden müssen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Vieles in den vorgelegten Haushalten ist Pflicht. Wir haben uns vorgenommen, das Thema Gender Budgeting sozusagen als „Kür“ auf die Hörner zu nehmen. Wir sind dabei, pro Ressort ein geeignetes Modellprojekt auszuweisen. Anfang Februar wird im Gleichstellungsausschuss eine Auftaktveranstaltung stattfinden. Darüber besteht Einvernehmen mit allen Fraktionen. Ich hoffe, dass ich Ihnen noch vor der zweiten Lesung der Haushalte einige interessante Ergebnisse und Modellprojekte präsentieren kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Schluss meines Beitrags möchte ich Sie auf die mittelfristige Finanzplanung 2007 bis 2011 aufmerksam machen. Wir legen Ihnen dar, in welchen Bereichen wir im Benchmark an welcher Stelle stehen, und belegen damit Bremens Eigenanstrengungen. Wir zeigen die Bremen benachteiligende Wirkung des Länderfinanzausgleichs, und in den Darstellungen haben wir aufgezeigt, welche realen Spielräume im Haushalt wir überhaupt noch für Einsparungen oder Mehrausgaben haben. Es ist nicht mehr viel, trotzdem müssen wir sie nutzen. Auch deshalb ist die mittelfristige Finanzplanung, die die Ausgaben und Einnahmen der nächsten Jahre auf die Ressorts herunterbricht, so wichtig. Sofort nach Beschlussfassung über diesen Haushalt beginnt die Arbeit an dem nächsten. Wer heute weiß, wie es 2010 und 2011 aussieht, kann sich darauf einrichten. Der Senat wird Ihnen in den nächsten Monaten eine Reihe von strukturell wirksamen Maßnahmen vorlegen, die wir umsetzen wollen, um die Haushalte der nächsten Jahre für die Bevölkerung erträglich über innere Reformen und Strukturverbesserungen zu erreichen.

Sie können sich darauf verlassen, meine Damen und Herren: So sehr der Senat in Bremen auf Ausgabendisziplin drängen muss und um Verständnis für diesen Kurs wirbt, so sehr kämpfen wir vor dem Bundesverfassungsgericht und mit Bürgermeister Böhrnsen an der Spitze im Rahmen der Föderalismusreformkommission um weitere Hilfen für Bremen, insbesondere für Zinsbeihilfen, wenn es wie gewünscht zu einer Einschränkung der Möglichkeiten der Kreditfinanzierung der Staatshaushalte in Deutschland kommt.

Wichtiges Ziel für den Senat, und das hängt auch mit unserer Außenwirkung zusammen, ist ein öffentlich vermittelbarer, transparenter Haushalt. Nur wenn es gelingt, Verständnis und Interesse am öffentlichen Haushalt zu verbessern, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Logik einzelner Töpfe noch lange keine Gesamtverantwortung ergibt, haben wir eine Chance. Ich selbst habe eigentlich immer sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wenn ich die finanziellen Grundlagen unseres Staates erläutert habe: Interesse, Erstaunen, Ideen! Machen Sie es auch!

Herr Block, Referatsleiter im Finanzressort, hat ein wunderbares Zitat von Richelieu aus dem 17. Jahr

hundert gefunden. Das wollte ich Ihnen hier gern noch einmal vortragen, und zwar heißt es: „Der Haushalt ist der Nerv des Staates, daher muss er den profanen Augen der Untertanen entzogen werden.“

(Heiterkeit)

Diese Zeiten sind vorbei. Haushaltswahrheit, -klarheit und Transparenz sind die Kennzeichen für moderne Haushalte in modernen Demokratien. Wir im Senat freuen uns auf die weiteren Beratungen mit Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern. – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Man hat es in den letzten Tagen und Wochen gespürt und auch, Frau Bürgermeisterin, heute bei Ihrer Rede: Der Senat ist mit sich selbst zufrieden. Das ist auch kein Wunder, denn in dem ersten halben Jahr hat der Senat sich auch im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt. Alle hatten die Erwartung, dass nach dem Regierungswechsel – 12 Jahre Große Koalition hin zu einer rot-grünen Reformregierung – der Hauch von Erneuerung durch die beiden Städte unseres Landes ziehen würde, und was ist passiert? Der Hauch der Erneuerung hat sich allenfalls im Senat selbst abgespielt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch gut, wie insbesondere die CDU sich von Ihnen, Frau Bürgermeisterin Linnert, damals in der Oppositionsrolle vorhalten lassen musste, welch häufigen Personalwechsel es in der Großen Koalition gegeben hat, und wie sieht Ihre eigene Bilanz nach sechs Monaten Regierungsbeteiligung aus? Fangen wir bei den Senatoren an: Der ehemalige Finanzsenator Ulrich Nußbaum wollte gar nicht erst wieder in diese Regierung, nachdem der Koalitionsvertrag ausgehandelt und unterschrieben war.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das sind olle Kamellen!)

Ich gebe zu, er war nicht immer mein Freund,

(Zurufe von der SPD)

und ich gebe zu, wir haben uns nicht immer gut verstanden, aber er war ein über die Parteigrenzen und

sogar bei Ihnen, sehr geehrte Frau Linnert, sehr geschätzter, sehr konsequenter und sehr aufrichtiger Finanzsenator für die beiden Städte unseres Landes, und er hat vor dieser rot-grünen Regierung kapituliert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der eine will gar nicht erst in die Regierung,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist ja süß!)

und der andere kann gar nicht schnell genug wieder herauskommen!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Und der dritte weint immer noch, dass er nicht mehr dabei ist!)

Senator Lemke hat angekündigt, dass er voraussichtlich noch in diesem Monat die Regierung verlassen will. Offensichtlich sitzt die parteiinterne Niederlage durch Herrn Bürgermeister Böhrnsen noch so tief, und das Abschieben in das Innenressort, in dem er ja noch gar nicht persönlich richtig angekommen ist, hat ihn so verunsichert, dass er auf Jobsuche ist.