Protocol of the Session on January 23, 2008

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die fünfte Anfrage bezieht sich auf die Anzeige von Straftaten in der Schule. Die Anfrage ist unterschrie

ben von den Abgeordneten Tschöpe, Ehmke, Güngör, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Tschöpe!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Besteht für Lehrpersonal eine dienstrechtliche Verpflichtung, Straftaten oder Verstöße gegen das Waffengesetz durch strafmündige oder strafunmündige Schülerinnen und Schüler in der Schule oder in deren direktem Umfeld gegenüber den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen, oder ist eine solche Verpflichtung geplant?

Zweitens: Wie stellen die Schulen organisatorisch sicher, dass Polizei und Staatsanwaltschaft unverzüglich über Delikte und Täter beziehungsweise Täterinnen informiert werden?

Drittens: Bestehen landesrechtliche Datenschutzbestimmungen, welche den Informationsaustausch über Delikte und Täter beziehungsweise Täterinnen zwischen Schule und Strafverfolgungsbehörden verhindern oder erschweren?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Es gibt zurzeit keine allgemeine beamtenrechtliche Pflicht zur Erstattung von Anzeigen für Lehrkräfte. Die Information der Strafverfolgungsbehörden durch die Schulen wird derzeit durch einen Erlass geregelt. Da die bestehenden Regelungen aus Sicht der beteiligten Ressorts verbesserungsbedürftig sind, haben die Senatorin für Bildung und Wissenschaft, die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, der Senator für Inneres und Sport und der Senator für Justiz und Verfassung für den Bereich der Stadtgemeinde Bremen eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen Schule, Polizei, Jugendhilfe und Staatsanwaltschaft erarbeitet, die in Kürze unterzeichnet werden soll. Entsprechend wird in der Stadtgemeinde Bremerhaven vorgegangen.

Zu Frage 2: Der Erlass 06/2007 regelt eine zwischen der Senatorin für Bildung und Wissenschaft und dem Senator für Inneres und Sport vereinbarte Meldekette. Durch diese ist sichergestellt, dass sowohl die Senatorin für Bildung und Wissenschaft als auch das Innenressort und die Polizei umgehend über besondere Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt werden.

Mit Abschluss der neuen Vereinbarung sollen wie folgt noch umfassendere Regelungen für die Zusammenarbeit greifen: Neben der allgemeinen gesetzlichen Pflicht zur Anzeige gemäß Paragraf 138 StGB von bestimmten besonders schweren Straftaten soll die Schulleitung unter Beachtung des Paragrafen 8

des Bremischen Schuldatenschutzgesetzes unverzüglich die Polizei informieren, sobald sie Kenntnis davon erhält, dass eine aus einem festgelegten Katalog von Straftaten an ihrer Schule oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schule gegen oder durch ihre Schülerinnen und Schüler verursacht oder begangen worden ist.

Im Einzelnen gelten dann zukünftig folgende Regelungen für die Zusammenarbeit: Für die Zusammenarbeit benennen die Schule und die örtliche Polizeidienststelle namentlich jeweils eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner und stellen deren oder dessen Erreichbarkeit sicher. Diese halten Kontakt, übermitteln Informationen und besprechen die zur Umsetzung dieser Vereinbarung erforderlichen Maßnahmen. Für die Schule nimmt ein Mitglied der Schulleitung die Aufgabe wahr oder beauftragt eine geeignete Person des Kollegiums damit.

Für die Polizei nimmt die Aufgabe grundsätzlich die oder der örtlich zuständige Beauftragte für Jugendsachen sowie ein Kontaktbeamter oder eine Kontaktbeamtin wahr. Die Dienststellenleitung kann auch eine andere geeignete Polizeibeamtin oder einen geeigneten Polizeibeamten damit beauftragen.

Für die Staatsanwaltschaft benennt die Behördenleitung eine Staatsanwältin oder einen Staatsanwalt als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für Schule, Jugendhilfe und Polizei. Die Ansprechpartnerin oder der Ansprechpartner der Staatsanwaltschaft wird im Einzelfall nach Absprache in die Zusammenarbeit von Schule und Polizei eingebunden.

Ansprechpartner für die Jugendhilfe ist die Stadtteilleitung junge Menschen im jeweiligen Sozialzentrum.

Das Schulamt der Stadt Bremerhaven hat den Schulen mit dem Rundschreiben Nummer A 26/2007 eine analoge Meldekette vorgegeben. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Besteht nach Ihrer Einschätzung nach dieser neuen Erlasslage eine dienstrechtliche Anzeigeverpflichtung für Schulleiterinnen und Schulleiter von Straftaten, die Gewaltdelikte beziehungsweise Verstöße gegen das Waffengesetz betreffen?

Bitte, Frau Senatorin!

Dienstpflicht ist durch den Erlass vorgegeben. Wir haben eine Richtlinie zum Verfahren bei besonderen Vorkommnissen in der Behörde vom 1. Februar 2007.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Kann ich das so interpretieren, dass, wenn eine Schulleitung Gewaltdelikte oder Verstöße gegen das Waffengesetz nicht zur Anzeige bringt, es sich hier um einen dienstrechtlichen Verstoß handelt?

Bitte, Frau Senatorin!

Das ist eine interessante Frage! Ja, ich denke, man kann das so interpretieren. Die Qualität der Richtlinie muss noch einmal überarbeitet werden im Hinblick auf die Vereinbarung, die ich genannt habe. Von daher werden wir da noch einmal die Notwendigkeit haben, das zu präzisieren.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Fragen muss ich dann nicht mehr. Wenn Sie sagen, Sie wollen das präzisieren, gehe ich davon aus, dass Sie uns zeitnah über diese Präzisierung informieren werden.

Bitte, Frau Senatorin!

Das tue ich!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Danke sehr!)

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Fecker! – Bitte sehr!

Frau Senatorin, vom Grundsatz ausgehend, dass wir uns einig sind, dass jede Straftat zur Anzeige kommen soll, stimmen Sie mit mir darin überein, dass es bei einigen Straftaten – ich denke da speziell an Sexualdelikte – sinnvoller sein kann, vor Anzeigenerstattung erst einmal eine Beratungsstelle aufzusuchen?

Bitte, Frau Senatorin!

Wenn es eine strafrechtliche Frage ist, dann muss man abwägen, was die Schutzwürdigkeit angeht. Das ist nicht so einfach zu erklären, sondern eigentlich nur im Einzelfall jeweils abzuwägen. Insofern, denke ich, sind die Schulen gehalten, bei schwerer Gewalt, die strafwürdig ist, eine Meldung an die Polizei abzugeben. Dennoch gibt es natürlich Ermessensspielraum, der noch einmal genau geklärt werden muss im Verhältnis der Richtlinie zu der Vereinbarung, die wir jetzt geschlossen haben.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Kann ich davon ausgehen, dass dieser Ermessenspielraum dann von der Schulleitung begutachtet wird, oder wird die Behörde eingeschaltet, oder wie kann ich mir das in der Realität vorstellen?

Bitte, Frau Senatorin!

Zunächst einmal: Der einzelne Lehrer hat die Pflicht, Meldung an die Schulleitung zu machen. Die Schulleitung sollte dieses Ermessen ausüben, sich aber bei schweren Straftaten oder bei schweren Vorkommnissen, die im Katalog zu definieren sind und auch in der Richtlinie definiert werden, mit der Schulaufsicht in Verbindung setzen und das noch einmal gemeinsam beraten und andere hinzuziehen, wenn das notwendig ist.

Eine weitere Zusatzfrage durch den Abgeordneten Hinners! – Bitte sehr!

Frau Senatorin, ich hätte gern gewusst, inwieweit die Erfahrungen in Bremerhaven – Sie haben ja eben angedeutet, dass das in Bremerhaven schon ein Modell ist – sind, dass die Schulen auch diese Anzeigen erstatten. Es soll auch in anderen Bundesländern schon solch eine Richtlinie oder eine Vereinbarung geben. Meine Frage zielt auch in Richtung dieser Bundesländer.

Bitte, Frau Senatorin!

Ich denke, wir sind im Verhältnis zu anderen Bundesländern nicht schlecht aufgestellt. Ich habe mir gerade noch einmal die niedersächsischen Regelungen angesehen. Man kann die Einzelfälle nur schwer durchdringen, weil es doch immer sehr unterschiedliche Vorkommnisse sind. In Bremerhaven selbst kann ich die Anzahl der Anzeigen nicht sagen, wie viele das sind, aber es ist eine klare Regelung vorhanden, und von daher, denke ich, sind wir mit unseren Richtlinien und unserer Meldekette im Konzert der anderen Bundesländer.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, mich interessiert insbesondere die Frage, wenn ich jetzt auf Erfahrungen abziele, ob es gerade in Bremerhaven oder in anderen Bundesländern Probleme in den Schulen gegeben hat, diese Anzeigen zu machen, ob darüber Erfahrungen vorliegen.

Bitte, Frau Senatorin!

Ich habe keine Erfahrung, muss ich ehrlich gestehen. Wir haben die Notwendigkeit, vor dem Hintergrund der neuen Verein

barung mit den Schulleitungen diese Frage auszuwerten und auch ernsthaft mit ihnen darüber zu reden, ob es Probleme gibt. Sie wissen, es hat vor ein paar Jahren noch Probleme gegeben in der Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei. Das hat sich durch die gesellschaftlichen Entwicklungen, die nicht nur positive sind, verändert. Der Kontaktbeamte ist inzwischen hoch akzeptiert in der Schule, die Zusammenarbeit ist gut. In anderen Fällen mit Strafbehörden, Staatsanwaltschaft und Jugendrichtern mag das noch nicht ganz so akzeptiert sein, aber das, finde ich, ist eine Frage, die auch jetzt in Gesprächen bearbeitet werden muss.

Ich glaube, die Vereinbarung zielt genau dahin, dass wir versuchen, auf diese Vorkommnisse und möglicherweise Straftaten auch wirklich konsequent und gemeinsam, und zwar nach allgemeinen Regeln, vorzugehen. Da ist die Schule gehalten, sich natürlich einerseits pädagogisch abzustimmen, aber sich andererseits auch an diese Meldeketten zu halten. Ich glaube, wenn wir da nicht gezielt mit diesen Jugendlichen, die wir hier meinen, umgehen, dann wird die gesellschaftliche Entwicklung in dieser Hinsicht noch weiter voranschreiten.