Das Zentralabitur ist aus Sicht der Grünen weder ein taugliches Mittel für die Herstellung von Vergleichbarbeit noch ein geeignetes Mittel, die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Es gilt stattdessen die einfache praktische Erfahrung, die von der Schulentwicklungsforschung wissenschaftlich gestützt wird: Wer bessere Leistungen und Kompetenzbildung will, muss das Lernen in den Schulen fördern, muss Kinder darin fördern, dass sie gern lernen, und muss das Schulklima verbessern.
Auch für eine verbesserte Studierfähigkeit gibt das Zentralabitur nichts her. Herr Rohmeyer, ich habe in Bremerhaven Abitur gemacht, Notendurchschnitt 2,4, bin nach Göttingen gegangen zum Studieren. Dahin kommen ganz viele Studenten aus anderen Bundesländern. Nachher in der Diplomprüfung war es so, dass ich besser abgeschlossen habe als meine Freundinnen und Freunde aus Baden-Württemberg. So, Herr Rohmeyer, und jetzt kommen Sie! Ist das Bremerhavener Abitur weniger wert als das Baden-Württemberger Abitur? Ich glaube, meine Lehrerinnen und Lehrer haben mich gut auf das Studieren vorbereitet, auch ohne Zentralabitur.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man fragt sich ja, warum diese Debatte hier anhand einer Großen Anfrage geführt wird. Wenn die CDU ein Interesse daran hat, dass das eingeführt wird, machen Sie doch entsprechende Vorschläge, stellen Sie entsprechende Initiativanträge! Warum stellen Sie denn dann nur Fragen? Sie haben eine Position, die Sie auch anders deutlich machen können. Das haben Sie nicht gemacht. Wir debattieren jetzt anhand der Großen Anfrage. Natürlich machen wir das gern, denn wir sind ja dann gefragt, uns zu positionieren, und die Position der FDP ist eine eindeutige:
Wir sind für Föderalismus, wir sind dafür, dass Wettbewerb unter den Bundesländern herrscht, und dem müssen wir uns stellen, gerade im Bildungsbereich, in dem wir im Lande Bremen bekanntermaßen – PISA und andere Vergleichsstudien sind angesprochen – einen schwierigen Stand haben.
Aber machen wir uns doch nichts vor! Die Qualität von Bildung und die Qualität von Abiturienten lässt sich nicht erprüfen, sondern dies liegt an der Qualität des Unterrichts, es liegt daran, was in Schulen geleistet werden kann und geleistet wird, und daran müssen wir arbeiten. Auf den Weg haben wir uns ja gerade in Bremen gemacht, und das zu Recht!
Sie haben mit Ihrer Großen Anfrage, Herr Rohmeyer, meiner Meinung nach eines im Kopf: Sie setzen darauf, dass Leute einen Objektivitätsanspruch hinter Abiturnoten vermuten. Diesen gibt es aber endgültig nicht, weil es dabei immer darauf ankommt zu gewichten, zu bewerten, zu entscheiden, zu setzen: Sind uns Transferleistungen oder Faktenwissen wichtiger? Diese Dinge sind eben entsprechend zu gewichten, und da kann sich jedes Bundesland selbst entscheiden, in welche Richtung es geht. Wir müssen doch auch sehen, dass sich die Abiturnote nur zu einem Teil aus den Abschlussprüfungen zusammensetzt und es nicht hopp oder top geht, sondern Vorleistungen entsprechend mit einfließen.
Insofern gaukeln Sie doch nicht vor, dass es das Abitur besser macht, wenn man bundeseinheitliche Zentralabschlussprüfungen macht! Ich habe eher die Befürchtung, dass es dann auf eine Einigung zu einem kleinsten gemeinsamen Nenner kommt, und das kann und darf es nicht geben!
Es ist hier zu Recht schon darauf hingewiesen worden, dass das Ganze zu einem bürokratischen Aufwand führt. Wir als FDP wären ja eher dafür, die KMK abzuschaffen und Bildungsstandards über normale Ministerkonferenzen festzulegen, aber wir haben in der Tat große Sorge – und das Beispiel Frankreich war ja sehr eindrucksvoll –, dass das Ganze zu einem sehr großen bürokratischen Aufwand führt. Die großen Flächenländer haben diesen bürokratischen Aufwand mit entsprechenden Pannen, die passieren können, mit entsprechenden Problemen, die passieren können, und das sollte man dabei auch im Blick haben.
Um es klar zu sagen: Wir sind für landesweite Vergleichsarbeiten, wir sind für landesweite Abschlussarbeiten und für ein landesweites Abitur, aber doch nicht auf Bundesebene, weil alles, was Sie an Argumenten dafür anführen, dann dazu führt, dass man konsequenterweise weiterdenken muss. Man müsste dann auch denken: Ja, wir haben doch auch einen Bologna-Raum. Wir haben allgemeine Studienzugangs
berechtigungen, wir haben einen Bologna-Prozess mit vergleichbaren Bildungsgängen in den Hochschulen und Universitäten. Ja, warum machen wir denn nicht ein europäisches Zentralabitur im Bologna-Raum? Der Gedanke läge dann nahe. Das machen wir mit gutem Grund nicht, weil wir die kulturellen Unterschiede der Bundesländer, der einzelnen Staaten berücksichtigen wollen und müssen.
Insofern müssen wir doch hingehen und sagen: Wir schauen erst einmal auf uns und sorgen dafür, dass die Bremer Bildung besser wird. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass Leistung von Lehrern und von Schülern gefordert und gefördert wird, dass wir da die Schüler unterstützen. Wir müssen dahin kommen, dass es besser wird mit dem Niveau, aber es kommt nicht darauf an – und da müsste ich dann doch der Rednerin, Ihnen, Frau Böschen, etwas widersprechen –, ob die Abschlussarbeiten von Lehrern und von Schülern akzeptiert werden, sondern das ist nur für uns eine Rückmeldung. Das Niveau wird über die Bildungsstandards festgelegt, und dort gehört die Entscheidung auch hin, nämlich von außen gesetzt und nicht von innen die Frage gestellt: Gefällt euch denn die Frage? So kann man es nicht sehen. Sie schütteln den Kopf, Sie meinen es nicht so, aber für uns ist es ganz klar, wir wollen deutlich sagen: Die Fragen werden von außen gesetzt, und das ist der richtige Weg.
Ein Letztes will ich sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder, die in Vergleichsarbeiten, PISAVergleichsstudien und so weiter, besser dastehen, überhaupt nur ein Interesse daran haben können, ein bundeseinheitliches Zentralabitur zu haben. Ich kann mir Zeiten in der Geschichte vorstellen, die wir schon hatten, in denen es vielleicht auch dazu geführt hätte, dass das Abitur an Qualität auch in diesen Bundesländern verloren hätte. Ich bin froh, dass wir diese als Maßstab haben – Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern sind genannt worden –, das ist ein Maßstab, an dem wir uns messen können, aber messen mit einem Landes- und nicht mit einem Bundeszentralabitur.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass das Zentralabitur auch Vorteile hat, konnten wir den Einlassungen des Kollegen Rohmeyer entnehmen, und er hat meines Erachtens auch richtig vermutet, dass es in der Bremer Bildungslandschaft im Moment wichtigere Dinge gibt. Ich muss auch der Kollegin Böschen an der Stelle zustimmen, wenn sie gesagt hat, dass es beim Zentralabitur Nachteile gibt, dass abfragbares Wissen hier im Vordergrund steht und wir eine wei–––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
tere Einengung unserer Bildungsanstrengungen an den Schulen befürchten müssen, wenn wir auf solche Art abfragbares Wissen dann noch stärker orientieren.
Ich möchte stattdessen das Positive, das wir wollen, das derzeit im Vordergrund steht und das wir mit vier zu einer Fraktion beschlossen haben, dagegen stellen. Darin kommt nämlich auch etwas Qualitatives von den Bildungsinhalten vor, nämlich, dass es auch darum geht, die Ziele, die Schülerinnen und Schüler bei der Fähigkeit der gesellschaftlichen Teilhabe und der selbstständigen Lebensgestaltung zu unterstützen. Ich will es noch ein bisschen deutlicher sagen, was ich darunter verstehe, denn damit bin ich sicherlich nicht allein hier im Haus. Dazu gehört insbesondere auch politische und kulturelle Bildung und soziale Kompetenz. Deswegen nennen wir als Linke diese Dinge auch in unserer Arbeitsgruppe „emanzipatorische Bildungspolitik“.
Das ist die Richtung, die wir wichtig finden, wo wir einen Akzent setzen möchten, und damit passen wir auch zusammen mit einer Initiative von Jugendlichen, die sich im Zusammenhang mit der Bürgerschaftswahl gegründet hat. Das ist einigen hier im Haus bekannt, wir haben auch schon gemeinsam mit den Jugendlichen diskutiert. Sie wollen mehr politische Bildung, und sie wollen mehr projektorientierte politische Bildung. Da haben wir schon genau von der Seite der Jugendlichen den Wunsch nach einer bestimmten Art von Unterricht, und den müssen wir zum Beispiel in diese Richtung aufgreifen und nicht nur, ich sage einmal, indem man einen von denen hier als Praktikanten irgendwo einstellt und dann das Thema einstellt. Das wollen wir schön inhaltlich weiter verfolgen.
Ich freue mich darauf, diese wichtigen Dinge hier zu betreiben. Das gilt auch für die anderen Dinge, die wir im Antrag hervorgehoben haben. Da ist natürlich, um es ganz kurz zu sagen, die Entkoppelung von sozialer Herkunft und Schulerfolg, längeres gemeinsames Lernen, die Sicherung gemeinsamer Beschulung von behinderten und nicht behinderten Kindern – hoffentlich kommt sie nicht im Gegenteil unter die Räder – und der Ausbau und die Weiterentwicklung der Ganztagsschulen. Dies alles kommt zuerst, und dann haben wir auch kein Problem mit Leistungskontrollen aller Art und im Zweifel auch nicht mit einem zentralen Abitur.
Das Zentralabitur hilft auch bestimmt nicht – und da muss ich jetzt in Richtung Rot-Grün sprechen – gegen die Kürzungen, die hier leider in hoch kontraproduktiver Weise von Ihnen im Bildungsbereich ins Auge gefasst werden, kurz zu nennen insbesondere die Leistungsreduzierung bei der Sonderpädagogik, die Kürzungen beim nicht unterrichtenden Personal, also bei Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Ihnen passt das selbst nicht, das finde ich gut, und wir ziehen da ein Stück weit an einem Strang, aber es ist auch bitter nötig, dass hier die Kürzun
gen – ich sage einmal, koste es, was es wolle – vermieden werden, wie ja auch im Wahlkampf angekündigt. Das gilt auch für die Kürzung bei der Schulbehörde. Es kann nicht angehen, dass die Arbeit, die bei der Behörde nicht mehr gemacht wird, die eigenständige Schule selbst machen soll, 6 Prozent bei der Schulbehörde kürzen geht nicht!
Last, not least fehlten in der Weiterbildung letzte Woche noch 50 Prozent des Budgets, und ich kann hier nur auch an dieser Stelle noch einmal wie schon in der Deputation sagen: Ganz schnell hier eine Heilung herbeizurufen und sich dafür einzusetzen, ist versprochen worden, aber ich habe noch kein grünes Licht in der Hinsicht bekommen und mahne das deswegen hier noch einmal an.
Damit haben wir also zum Zentralabitur und zu den Dingen, die etwas wichtiger und im Vordergrund sind und wohin wir in der Bildung gehen wollen, die Kurve bekommen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin für die Einführung eines bundesweiten Zentralabiturs. Es hätte folgenden Vorteil für unsere Bremer und Bremerhavener Schülerinnen und Schüler: Erstens sind unsere Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven nicht weniger begabt als andere Schüler in anderen Bundesländern. Sie brauchen also vor der Einführung eines Zentralabiturs überhaupt keine Angst zu haben. Zweitens haben sie zudem auch noch die gleichen Voraussetzungen, wenn sie ein Studium beginnen. Sie können also mit den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen studieren wie andere Schülerinnen und Schüler aus den anderen Bundesländern.
Meine Damen und Herren, wenn ich aber gleiche Prüfungsinhalte von den Schülerinnen und Schülern verlange, muss ich dann auch selbstverständlich die gleichen Voraussetzungen zum Erlernen der gleichen Prüfungsinhalte politisch beschließen und auch effektiv umsetzen. Hierzu ist aber die Einführung eines bundesweiten Zentralabiturs dringend erforderlich. Wir brauchen in Bremen und Bremerhaven endlich einheitliche Bundesstandards, denn das ist meines Erachtens die Grundvoraussetzung für eine Einführung eines bundesweiten Zentralabiturs.
Vor allen Dingen aber brauchen wir ein verlässliches, vergleichbares und aussagekräftiges Abitur mit einheitlichen Standards, um die Zukunft unserer Kinder im Studium, im Beruf sowie im täglichen Leben abzusichern. Das ist unsere politische Aufgabe und Verpflichtung, damit unsere Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven nicht konstant, und das
schon seit Jahren, in der PISA-Studie, IGLU-Studie und so weiter einen traurigen letzten Platz belegen. Unsere Schülerinnen und Schüler sind genauso begabt wie andere Schülerinnen und Schüler in anderen Bundesländern, und ich sehe es nicht ein, dass unsere Schülerinnen und Schüler in Bremen und Bremerhaven schon seit Jahrzehnten das speziell Bremer bildungspolitische Achtundsechziger-Desaster ausbaden müssen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal wundert man sich ja, von welcher Seite man Unterstützung bekommt, auch wenn man sie gar nicht haben will. Ich habe von den Vertretern von Rot-Grün eigentlich nichts Substanzielles gehört. Frau Böschen möchte am liebsten die Verantwortung in die Hände der Schulen legen. Liebe Damen und Herren von der SPD, das hatten wir, das war Ihre beliebige Bildungspolitik der Siebziger-, Achtziger- und frühen Neunzigerjahre, die uns zu PISA-Ergebnissen, wie wir sie heute haben, geführt hat. Wenn Sie dahin zurückwollen, sagen Sie es, aber dann sagen Sie auch den Menschen draußen, dass Sie es wieder so machen wollen, dass der Ruf eines einzigen Schulstandorts von dem jeweiligen Abitur dort abhängt, meine Damen und Herren! Das haben wir eigentlich längst überwunden, aber wir vermuten ja schon länger, dass Sie zurückwollen in Ihre gute alte Bildungszeit, als Leistung nichts zählte und als die Leistungsstarken dann auf die Schulen in freier Trägerschaft abgewandert sind. Wenn Sie das wollen, sagen Sie es endlich! Das, was Sie gesagt haben, Frau Böschen, trägt nicht wesentlich zur Debatte bei. Frau Stahmann hat einige Punkte angeführt. Ich glaube, ich habe selbst ausgeführt, dass es durchaus unterschiedliche Positionen innerhalb der Union gibt, und es ist natürlich so, dass die Kollegen in Bayern überhaupt keinen Grund dafür sehen, von ihrem sehr hohen Niveau auch nur einen Deut herunterzugehen. Ich sage auch nicht, dass sie heruntergehen sollen, ich möchte, dass wir Bremer auf ein Niveau kommen, das mit dem bayerischen Niveau, und das ist in Deutschland spitze, vergleichbar sein wird, meine Damen und Herren.
Nur, das, was ich hier von Rot-Grün höre, geht in die völlig andere Richtung, Sie wollen sich gar nicht mit anderen vergleichen. Wir müssen in Bremen das Landeszentralabitur erst einmal entwickeln, das habe ich gesagt. Es braucht –––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
einige Zeit, bis es in Bremen läuft, und es braucht einen Vorlauf, bis wir überhaupt, wenn es zu einem bundesweiten Zentralabitur käme, einen solchen Durchlauf tatsächlich hätten. Ich darf nur daran erinnern, wie lange der Bremer Vorlauf gedauert hat. Man kann ja nicht auf einmal sagen, so, ab morgen machen wir Zentralabitur! Dafür müssen erst einmal die entsprechenden organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, und die Schülerinnen und Schüler müssen auch erst einmal auf die zentrale Abschlussprüfung hin unterrichtet werden.
Das hat in Bremen einen entsprechenden Vorlauf gebraucht für das erste Element, das dieses Jahr durchgeführt wurde, und es braucht natürlich einen erheblichen Vorlauf, aber darum ist es doch gerade notwendig, dass wir die Debatte führen. Wir als Union führen sie und lassen uns von Herrn Dr. Buhlert auch nicht in irgendeiner Form vorschreiben, ob wir Anträge oder Große Anfragen stellen.
(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Aber wir dürfen doch noch bewerten, ob wir das für sinnvoll halten!)
Ich darf nur darauf hinweisen, die einzigen bildungspolitischen und sonstigen Initiativen in diesem Bereich kommen von der Union. Wenn Sie bildungspolitisch nichts zu sagen haben, außer ohne Stimmrecht in irgendwelchen Unterausschüssen herumzusitzen, dann sagen Sie das doch ruhig!
Wir sorgen schon dafür, dass die Themen, die notwendig sind, hier im Parlament eingebracht und beraten werden. Von Rot-Grün kommt auch nichts in dieser Hinsicht, es hat nicht eine einzige bildungspolitische Initiative in dieser Legislaturperiode in diesem Haus gegeben.
Es ist natürlich so, dass man über viele Punkte im Einzelnen sprechen muss. Es ist gut, dass die Kultusministerkonferenz – über den Sinn und Zweck der Kultusministerkonferenz könnte man eigene Debatten führen,
aber wir haben diese Kultusministerkonferenz – sich auf bundesweite Standards geeinigt hat. Das ist auch notwendig für einen ersten Schritt, das sage ich ganz deutlich, aber, meine Damen und Herren, es ist auch notwendig, dass man dann über weitere Schritte nachdenkt, zum Beispiel, dass man auch eine vergleich