Protocol of the Session on December 17, 2003

Dazu als Vertreter des Senats Senator Röwekamp, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. vom Bruch.

Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie die Antwort nicht noch einmal vorlesen wollen.

Ich gehe auch davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Dann gebe ich das Wort dem Abgeordneten Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bremische Bürgerschaft ist nicht nur der Ort, Gesetze zu beschließen, sie sollte auch der Ort sein, um regelmäßig nachzufragen, ob die von uns beschlossenen Gesetze eigentlich auch die Wirkungen entfalten, die wir uns erhofft haben. In diesem Zusammenhang ist unsere Große Anfrage zu verstehen. Wir wenden uns dabei natürlich vor allen Dingen den gesetzlichen Regelungen zu, die in der politischen Auseinandersetzung eine Rolle gespielt haben.

Die Große Anfrage zur Wirksamkeit der Polizeigesetz-Novelle hatte zunächst eine ganz eigene Wirkung. Die Antwort des Senats füllte als erstes die von allen Lesern so hoch geschätzte Marktplatzplauderei. Es sei sicher, so unser größtes Monopolheimatblatt schmunzelnd mit Hinweis auf sichere Quellen, dass auch künftig in Bremen niemand präventiv oder vorsorglich erschossen würde. Wie beruhigend!

Meine Damen und Herren, deutlicher lässt sich der radikal gewandelte Zeitgeist eigentlich nicht dokumentieren. Die heftigen ideologischen Auseinandersetzungen um das Polizeigesetz von 1983 im Umfeld des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Volkszählung sind vergessen. Auch die zum Teil scharfen Attacken zwischen den großen Koalitionären 2001 um den Todesschuss oder finalen Rettungsschuss sind verblichen, ganz zu schweigen von der hitzigen Debatte um den großen Lauschangriff. Fast gelassen, könnte man meinen, gehen wir an die erste Bestandsaufnahme der besonders diskutierten Instrumente des Gesetzes von 2001, das aber vor einer dramatisch gewandelten Sicherheitslage, denn fast gleichzeitig mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes war der grausame Anschlag auf das World Trade Center erfolgt. Die Bedrohung durch den weltweiten Terrorismus gehört leider heute fast zum Alltagsgeschäft unserer Sicherheitsbehörden.

In diesem Umfeld erfolgt die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage, und niemand muss Sorge haben, jetzt vor Angst nicht mehr in den Schlaf zu kommen. Insbesondere von Grünen-Kollegen geäußerte Befürchtungen oder Sorgen, weitere Instrumente der Polizei seien überzogene Befugnisse oder führten schlicht in den Polizeistaat, erweisen sich als falsch, denn die Polizei macht offenkundig von ihren Rechten in gebotener Zurückhaltung Gebrauch. Dafür sei an dieser Stelle der Polizei auch ausdrücklich Anerkennung gezollt.

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Wenn ich grüne Skeptiker besonders heraushebe, muss ich allerdings unserem geschätzten Kollegen Dr. Güldner für die Diskussion 2001 eine Ausnahme bestätigen, denn nicht nur wir haben damals das neue Polizeirecht ausdrücklich als vermutlich das fortschrittlichste Polizeirecht im Bundesgebiet gelobt, sondern auch der Abgeordnete Dr. Güldner fand das Gesetz im Prinzip gut. Auf der anderen Seite kann auch der Abgeordnete Herderhorst, dem ja manche Änderungen des Polizeigesetzes vor drei Jahren nicht weit genug gegangen sind, durch diese Antwort des Senats Frieden mit seinem Adrenalinspiegel machen. Das Instrumentarium der Polizei, um auf die Bedrohung durch Kriminalität auch präventiv vorbereitet zu sein, muss man als angemessen betrachten, denn die Instrumente, über die wir 2001 sehr gewissenhaft beraten haben, zu denen wir den Sachverstand der Polizei und ihrer Gewerkschaft mobilisiert haben, zu denen wir wissenschaftlichen Beistand hinzugezogen haben, sind nicht angewendet worden. Meine Damen und Herren, das ist gut so! Das kommt nicht völlig unerwartet, denn einige Instrumente waren von vornherein für spezielle Lagen vorgesehen, darauf weist auch der Senat hin. Allerdings darf man ein ganz kleines bisschen Überraschung auch zugeben, denn die Beratung mit der CDU vor zwei oder drei Jahren war schon sehr davon geprägt, wie dringend erforderlich die neuen Rechte für die Polizei seien, gerade auch um auf die organisierte Kriminalität im Rotlichtmilieu waffengleich antworten zu können. Meine Damen und Herren, deshalb ist die Antwort des Senats auch nur zum Teil befriedigend, denn trotz weitgehender Nullmeldungen kann es sich der Senat nicht verkneifen, weitere Instrumente für die Polizeiarbeit ins Gespräch zu bringen. Zum einen ist es wieder einmal die verdachtsunabhängige Kontrolle, die nicht zuletzt auf Drängen der Polizeipraktiker keinen Eingang ins Bremische Polizeigesetz gefunden hat. Wir haben schon vor Jahren deutlich gemacht, dass dieses Instrument als Ausgleich der Länder mit europäischen Binnengrenzen konzipiert war, dort wegen des Wegfalls der Grenzkontrollen auch seine Berechtigung hat. (Zuruf des Abg. K n ä p p e r [CDU])

Für Bremen haben diese verdachtsunabhängigen Kontrollen aber genau keine Berechtigung, weshalb der Nachteil, dass damit das Verhältnis Bürger – Polizei sehr zu Lasten der Freiheitsrechte umgekehrt wird, überwiegt. Im Übrigen weiß auch der sich ein bisschen echauffierende Abgeordnete Knäpper, dass wir in genau definierten Einzelfällen in Paragraph 11 verdachtsunabhängige Kontrollen zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Wie der Kollege und langjährige Schutzmann Erwin Knäpper sehr deutlich macht, haben wir natürlich in Bremerhaven eine Außengrenze, und deshalb finden in Bremerhaven auch genau solche verdachtsunabhängigen Kontrollen, allerdings unter Leitung des Zolls, statt, an denen auch die Bremer Polizei erfolgreich mitwirkt.

Wir hätten uns die Antwort auf Frage sieben schon etwas konkreter vorstellen können. Wann wurden eigentlich welche Maßnahmen, die andere norddeutsche Länder zusammen mit Bremen durchführen wollten, abgelehnt? Welchen Erfolg hatten diese gemeinsamen Maßnahmen der anderen Länder, vielleicht sogar über Verstöße gegen asylrechtliche Aufenthaltsbeschränkungen hinaus? Welcher Erfolg wurde eventuell verhindert, weil Bremen nicht dabei sein konnte? Wenn es solche konkreten Anlässe gab, was ja möglicherweise die Antwort des Senats andeutet, dann hätte ich doch gern gewusst, wann das war, und zwar nicht erst hier durch eine solche Anfrage, sondern ganz konkret in der Innendeputation. Wir sind von anderen Ländern angefragt worden, wir hätten uns gern beteiligt, aber wir konnten nicht, weil wir ein solches Polizeigesetz haben.

Meine Damen und Herren, das Zweite, was der Senat noch einmal erwähnt, ist die präventive Telefonüberwachung. Das haben wir hier im Frühjahr schon einmal diskutiert. Die Sinnhaftigkeit der Maßnahme auf Länderebene ist seitdem nicht klarer geworden. Klarer ist seitdem allerdings, auch im Nachgang zu unserer Debatte, geworden, wie es um die Telefonüberwachung in Deutschland bestellt ist. Es wird, um es schlicht zu formulieren, auf Teufel komm heraus gehorcht, ohne dass die richterliche oder staatsanwaltliche Beteiligung, die die Strafprozessordnung vorsieht, auch nur im Entferntesten den Auswüchsen Einhalt gebietet. Wenn der Senat an dieser Stelle tätig werden möchte, Telefonüberwachungen einzugrenzen, hat er die SPD ganz eng an seiner Seite. Ein aktueller Beschluss des Bundesparteitags der SPD in Bochum kann bei mir abgefordert oder aus dem Internet heruntergeladen werden.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, schreckt mich der Hinweis in der Antwort des Senats auf Niedersachsen und sein neues Gesetz überhaupt nicht. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat auf ihrer wunderbaren Klausurtagung in Potsdam intensiv mit hochrangigen Fachleuten über die Föderalismusreform diskutiert. Dabei ist klar geworden, dass Landesparlamente nicht nur an Einfluss verlieren, weil ihnen die Regierungen zu viel wegnehmen. Manches geben Parlamente leider auch von sich aus auf. Dagegen kann man etwas tun. Ich verspreche Ihnen, das Recht auf eine eigene Meinung zum Bremischen Polizeigesetz gibt die SPD-Fraktion des Landes Bremen nicht auf.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nur kurz zur Rede des Kollegen Kleen!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Klasse, nicht?)

Man hätte den Eindruck haben können, Herr Kleen, dass Sie hätten sagen wollen, dass wir damals dem Gesetz zugestimmt hätten oder es gut fanden. Sie wissen natürlich genau, dass sich das ausschließlich auf zwei Punkte, nämlich auf das Wegweisungsrecht im Fall der häuslichen Gewalt und auf die Datenschutzregelung bezogen hat, dass wir ansonsten alle anderen Regelungen, die auch heute zur Debatte stehen, abgelehnt und uns auch dementsprechend immer geäußert haben. Den Teil haben Sie vorhin leider vergessen in Ihrer Rede.

Meine Damen und Herren, Herr Kleen hat den Hintergrund der heutigen Debatte angesprochen. Man kann schon sagen, der Unterschied zwischen der sehr aufgeheizten öffentlichen Debatte damals und dieser Antwort des Senats und dem heutigen Stand ist sehr bezeichnend. Es ist wohl unausweichlich, dass die CDU mit dem Thema innere Sicherheit immer wieder versucht, ein gewisses Profil in der Öffentlichkeit herzustellen. Ich finde es schade, weil es sehr viele Felder im Bereich der Sicherheit gibt, wo Sie wirklich sehr Verdienstvolles leisten oder leisten könnten, dass Sie immer wieder auf gesetzliche Regelungen im Polizeigesetz rekurrieren müssen, um sich dort darzustellen. Es gibt wirklich in Fragen der inneren Sicherheit, von der Ausstattung der Polizei, vom Erhalt der Personalstärke der Polizei, von ihrer Arbeitsfähigkeit her, so viele Themen, bei denen Sie sich engagieren können. Wie man jetzt wieder sieht, die Änderung des Polizeigesetzes, meine Damen und Herren, gehört offensichtlich nicht dazu.

Wenn wir uns die Antworten auf die Fragen der SPD noch einmal differenziert anschauen, dann ist im Prinzip, Herr Kleen hat es, glaube ich, die Nulllösung oder Nullsituation genannt, von den entsprechenden Regelungen, die damals als so entscheidend für unsere innere Sicherheit gepriesen worden sind, entweder kein Gebrauch gemacht worden – dazu komme ich gleich, das ist in den meisten Fällen sehr erfreulich –, oder aber wir können einen Effekt, wenn wir ihn denn messen wollten, ganz offensichtlich heute noch nicht oder gar nicht bemessen, so zumindest die Antwort des Senats.

Selbstverständlich, um nicht missverstanden zu werden, ist es sehr erfreulich, dass im Bereich des Todes- oder finalen Rettungsschusses bisher davon ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

noch kein Gebrauch gemacht worden ist. Auch bei anderen Mitteln wie verdeckte Ermittler und Ähnlichem haben wir die Situation, dass ganz offensichtlich davon, wie die CDU damals sagte, dass die innere Sicherheit im Land Bremen ganz wesentlich von dieser Änderung des Polizeigesetzes abhängt, keine Rede sein kann, sondern Sie wissen es ganz genauso gut wie wir, von der täglichen Arbeit der Polizei in Bremen und Bremerhaven hängt die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ab und nicht von Ihrer damals so hoch gezogenen Debatte über das Polizeigesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch bei der Videoüberwachung, hier bekommen wir eine Auswertung des Modellversuchs im November 2004 vorgelegt, handelt es sich im Wesentlichen um ein symbolisches Projekt. Wir haben damals schon sehr heftig darum gestritten. Es soll den Menschen, die über den Bahnhof nach Bremen kommen, an diesem Eingangsportal von Bremen symbolisiert werden: Hier tun wir etwas für deine Sicherheit! Reale Kriminalitätsbekämpfung in der Summe, das werden wir sehen, hat mit Sicherheit, wenn überhaupt, dann nur an diesem kleinen geographischen Ort, aber nicht insgesamt stattgefunden. Das zeigt schon die polizeiliche Kriminalstatistik der letzten Jahre.

Es sind auch die letzten Jahre, in denen mehrere CDU-Innensenatoren, man denke nur an die Herren Borttscheller, Schulte, Böse und jetzt den Senator Kastendiek – –.

(Zurufe – Senator R ö w e k a m p : Ist kein Problem, Frau Linnert! – Heiterkeit und Bei- fall)

Eins zu eins! Senator Röwekamp! Ich weiß gar nicht, wie man die beiden verwechseln kann, so ganz ähnlich sind sie sich gar nicht. Jetzt der Senator Röwekamp, ich wollte eigentlich etwas ganz Nettes sagen, das sage ich dann trotzdem noch, Senator Röwekamp, dem ich die Daumen drücke, dass es ihm nicht so wie seinen drei CDU-Vorgängern geht, dass sie von der eigenen Partei wieder abgesetzt werden, sondern dass er eine etwas längere Laufzeit haben möge, als es seinen Vorgängern beschieden war!

Auch Ihnen ist es klar, obwohl Sie dies als CDUInnensenatoren immer zu einem Schwerpunkt Ihrer Wahlprogramme gemacht haben, auch zum Schwerpunkt Ihrer Wahlkampagnen, wenn man sich die polizeiliche Kriminalstatistik anschaut mit einem manchmal moderat, manchmal stärker, aber in den letzten Jahren immer ansteigenden Pegel der Kriminalität in Bremerhaven und in Bremen, dass dann die öffentliche Inszenierung solcher Debatten wie der um das Polizeigesetz, sagen wir es einmal vorsichtig, mehr der Profilierung der Partei dient als der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

Auch der Kollege Eckhoff, jetzt war der Name richtig, hat damals in seiner Rolle als Fraktionsvorsitzender dieses Spiel gespielt. Er beherrscht mehrere Spiele ganz gut. Dies, um welches es hier geht, beherrscht er besonders gut. Mit Genehmigung des Präsidenten darf ich aus einer Presseerklärung von Herrn Eckhoff vom 8. Juli 2001 zitieren in Bezug auf das Polizeigesetz und die hier angesprochenen Regelungen, Überschrift „Großer Erfolg für die innere Sicherheit“. Zitat: „Hiermit schaffen wir dann einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der inneren Sicherheit in Bremerhaven und in Bremen.“ Wenn man sich nun sowohl die polizeiliche Kriminalstatistik als auch die Antwort des Senats anschaut, dann sieht man, dass es sich hier um eine Fiktion handelt, die gern in der Öffentlichkeit erweckt wird, die aber ansonsten mit der Praxis unserer Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger relativ wenig zu tun hat, meine Damen und Herren.

Das hat damals auch schon, wie ich finde, sehr vorausschauend, die Öffentlichkeit gemerkt. Wenn man sich heute noch einmal einen Kommentar im „Weser-Kurier“ vom 8. Juli 2001 zu Gemüte führt, dann ist das dort sehr treffend auf den Punkt gebracht worden. Ich zitiere nur einen kleinen Auszug aus diesem Kommentar: „Denn mit dieser jetzigen Einigung ist kein Problem gelöst, das die Menschen tagtäglich beschäftigt. Keine Mark mehr ist in Präventionsprojekte geflossen, um gefährdeten Jugendlichen den Weg in die Kriminalität zu verbauen, kein Kontaktbereichspolizist mehr ist in Bremen unterwegs, der mit feinen Antennen für drohendes Ungemach Straftaten verhindern kann. Dafür sind Einigungen gefragt, die tatsächlich etwas ändern.“

Das ist im Jahr 2001 der Kommentar in der Presse gewesen, und Ihre Antwort bestätigt im Grunde genommen zweieinhalb Jahre später genau diese Einschätzung. Es hat sich durch diese ach so wichtige Debatte um das Polizeigesetz überhaupt nichts geändert, meine Damen und Herren.

Der Hintergrund der Debatte ist hier bei beiden Seiten der großen Koalition ganz klar. Es geht nicht um die Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung, es geht nicht um die Bilanz, es geht um das, was im Koalitionsvertrag vage gehalten worden ist, nämlich um die Frage, verschärfen wir das Polizeigesetz in dieser Legislaturperiode weiter als große Koalition! Sie haben da einen großen Streit, und Sie wollen sich da heute in dieser Debatte positionieren.

Es ist schon sehr bezeichnend, wie viele Fachleute zu jetzt in Niedersachsen und auch in anderen Bundesländern angedachten neuen Verschärfungen der Polizeigesetze durch den präventiven Lauschangriff ohne konkreten Tatverdacht und wie viele Argumente aufgeführt werden, um den Charakter dieser Regelungen zu thematisieren. Ich darf nur einige aus den jüngsten Veröffentlichungen zum Thema zitieren, zum Beispiel im „Spiegel“ vom 8. De

zember 2003: „Angesichts dessen wirken einige der Argumente für die geplanten Gesetze wie rechtstheoretische Aufgaben für ein Juraseminar. Sie sollen Probleme lösen, die es eigentlich gar nicht gibt.“ Oder der leitende Kriminaldirektor Rainer Brückert aus Hannover, dem es schwer fällt, sich einen Fall vorzustellen, bei dem die neuen Regeln überhaupt angewendet werden! Auch das ist im Einklang mit der Antwort des Senats.

Es handelt sich wieder einmal um eine Profilierungsdebatte einer Seite. Ich glaube, dass wir, und zwar kann ich in diesem Punkt hoffentlich sagen, die Mehrheit dieses Hauses, den Versuch, das Polizeigesetz auch in dieser Legislaturperiode wieder an einem noch unsinnigeren Punkt zu verschärfen, zurückweisen werden. Meine Damen und Herren, ich zähle da sehr auf die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und ihre Fraktion hier in der Bürgerschaft.

Ich glaube auch, dass wir aus einem Vorgang lernen müssen, der sich in Hamburg im Jahr 2001 abgespielt hat und sehr viele in sozialdemokratischen, aber ich gebe zu, auch in grünen Kreisen nachhaltig verunsichert hat, das ist die Abwahl der rotgrünen Regierung in Hamburg. Ich glaube, dass wir darüber auch ernsthaft reden müssen. Es ist dort von Seiten der CDU mit Hilfe der Medien gelungen – ich glaube, die Medien waren da fast noch stärker als die CDU – einen rotgrünen Senat an der Problematik der inneren Sicherheit tatsächlich zu stürzen, ich glaube, so kann man es sagen, die Menschen dazu zu bringen zu glauben, dass ihre Sicherheit so gefährdet sei, dass sie einen Psychopathen wie Herrn Ronald Barnabas Schill ins Amt gewählt haben mit einem Ergebnis, das wir heute sehen, meine Damen und Herren. Das ist damals gelungen, und daraus können wir, glaube ich, lernen, dass das Thema der inneren Sicherheit zum Missbrauch für politische und wahltaktische Argumente – Argumente ist fast schon zu viel gesagt, Kampagnen wäre besser – etwas ist, das hinterher immer auf denjenigen zurückfällt, der das eingeleitet hat.

Ich warne die CDU sehr nachdrücklich davor, dies in Bremen auch zu versuchen. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass das, was in Hamburg möglich war, in Bremen so wegen einer übergroßen Mehrheit nicht nur in diesem Hause, sondern auch einer Mehrheit der Bevölkerung in Bremen niemals stattfinden wird, dass Sie diese Geschichte hier in Bremen nicht wiederholen können und dass wir uns auf einen Umgang mit Fragen der inneren Sicherheit einigen können, der bürgerorientiert, pragmatisch und praktisch ist und die tatsächlichen Kriminalitätsprobleme der Bürgerinnen und Bürger vor Ort in Bremerhaven und Bremen zum Inhalt hat. Dazu gehören, wie Sie wissen, eine ausreichende Ausstattung der Polizei mit Personal, eine moderne Ausstattung der Polizei mit den entsprechenden Einsatzmitteln und eine politische Vorgabe für die Polizei, die ganz deutlich macht, wo die politischen Prioritäten liegen,

nämlich bei den Sorgen und Nöten der Menschen selbst und ihren alltäglichen Problemen mit Kriminalität, die es ja leider nach wie vor in größerem Umfang trotz vier CDU-Innensenatoren in dieser Stadt gibt. Mit Scheindebatten um Polizeigesetze, mit Scheindebatten um vermeintliche Regelungen, von denen wir dann sozusagen hinterher bestätigt bekommen, dass sie weitgehende Bedeutungslosigkeit in der alltäglichen Kriminalitätsbekämpfung haben, mit hysterisch hoch gezogenen Debatten um innere Sicherheit ist den Bürgerinnen und Bürgern, ist dem Gemeinwesen hier in Bremerhaven und in Bremen nicht gedient. Ich glaube, dass wir in dieser Legislaturperiode auch ganz deutlich machen sollen, wie gesagt, die Mehrheit in diesem Hause, dass wir dem nicht folgen werden. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir treten nun in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.56 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.32 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet. Wir setzen die Aussprache zu Tagesordnungspunkt sieben, Wirksamkeit der neuen Instrumente der Polizeigesetz-Novelle, fort. Das Wort hat der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Vortrag komme, möchte ich kurz auf die Debattenbeiträge des Kollegen Kleen und des Kollegen Dr. Güldner eingehen. Zunächst einmal gilt grundsätzlich, und Herr Kleen hat es gesagt, er hat sich bestimmte Ergebnisse erhofft. Ich habe allerdings nicht gehört, welche das denn nun genau sein sollten. Ich glaube, dass das Ergebnis dieser Maßnahmen, die nach dem neuen Polizeigesetz eingesetzt haben, dann positiv zu bewerten ist, wenn es Null-Ergebnisse gibt, das heißt, wenn die Polizei auf diesem Feld nicht tätig werden musste. Dies war weitestgehend der Fall, insbesondere in dem Bereich der Datenerhebungsbestimmungen. Der präventive finale Rettungsschuss ist angesprochen worden. Ich habe auch mit Interesse die Zei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

tungsveröffentlichung gelesen, muss allerdings sagen, so ganz konnte ich dem nicht folgen, was da stand, weil man sehr wohl in diesem Fall unterscheiden muss, wo es Polizeirecht im eigentlichen Sinne der Gefahrenabwehr ist und wo es sich tatsächlich schon um Schusswaffengebrauch im Fall von Straftaten handelt. Von daher ist eine solche übergangslose Aussage natürlich unzutreffend.

Was die verdachtsunabhängigen Kontrollen oder Lagebildkontrollen betrifft, will ich nur darauf hinweisen, Herr Kollege Kleen, dass wir im Wesentlichen auf diesem Feld mindestens zwei Bereiche des Vollzugs haben, nämlich den Zoll und den BGS, die genau diese Rechte haben, und das zusammengenommen mit der Situation zum Beispiel der Wasserschutzpolizei in Bremerhaven, aber auch der Schutzpolizei in Bremerhaven, glaube ich, ist ein Missverhältnis. Deswegen sind wir als Fraktion nach wie vor daran interessiert, eine solche Regelung zu bekommen. Wenn sie, und das käme hinzu, dann deckungsgleich mit der Regelung in Niedersachsen wäre, würde das mit Sicherheit bestimmte Vorteile im polizeilichen Alltag bedeuten.

Einen letzten Punkt, der angesprochen worden ist vom Kollegen Kleen, technische Kommunikationsüberwachung: Es ist gesagt worden, Auswüchse in Bremen. Ich kann dazu nur sagen, es können keine Auswüchse sein, weil wir genau das noch nicht geregelt haben, und das hat nichts mit der Telefonüberwachung zu tun, die hier auch von Herrn Dr. Güldner angesprochen worden ist. Insofern müssten wir da schauen, wenn wir eine solche Regelung bekämen, über die wir sicherlich in Zukunft noch reden werden, was dann die Folge wäre. In jedem Fall halte ich es in bestimmten Bereichen für vorteilhaft, eine solche Regelung zu bekommen, weil dann auch die Anbieter zum Beispiel der Handys gezwungen wären, jeweils ihre Anschlüsse im Notfall zu nennen.

Herrn Dr. Güldner kann ich nur sagen, ich verstehe zwar die Aufregung gegenüber der CDU. Sie ist aber in diesem Fall nun mindestens unbegründet, weil doch unter der großen Überschrift nicht der Fragesteller CDU steht, sondern der Fragesteller SPD. Insofern haben wir dieses Thema hier heute nicht hoch gezogen, und ich glaube, es wäre im Prinzip auch nicht nötig gewesen. Dazu komme ich aber gleich noch.

Was die Videoauswertung, das ziehe ich schon einmal vor, angeht, kann ich nur sagen, wir haben vereinbart, dass wir nach zwei Jahren Probelauf bewerten, ob sich eine Fortsetzung dieser Überwachung als geeignet darstellt oder eben nicht, und dann müssen wir entsprechende Schritte einleiten, wenn es erforderlich ist. Wenn es aber so bleiben soll, werden wir das auch gemeinsam so feststellen können. Aber das wird Ende 2004 der Fall sein, und bis dahin müssen wir uns wohl allesamt noch gedulden.