Protocol of the Session on April 24, 2007

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage auch noch einmal ganz deutlich: Was Sie hier vorschlagen, sagen Sie es auch den Menschen draußen, was Sie vorhaben! Sie haben die Einheitsschule von Klasse 1 bis 10 vor, Sie wollen die Schulen auch entsprechend bevorteilen, die so arbeiten, und andere abstrafen, Sie wollen die Menschen – –.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Abstrafen!)

Frau Linnert, lesen Sie doch einmal, was Frau Kollegin Stahmann so erzählt! Sie wollen die benachteiligen, die nicht nach Ihren Vorstellungen arbeiten, das ist Abstrafen. Wenn das Ihre bildungspolitischen Vorstellungen sind, finde ich das ziemlich dubios, meine Damen und Herren von den Grünen.

Sie wollen die Einheitsschule von Klasse 1 bis 10, Sie wollen das Gymnasium abschaffen, sagen Sie es dann auch deutlich! Sagen Sie deutlich, dass Sie damit einen Privatschulboom auslösen werden, der die Frankeschen Dimensionen der Siebziger- und Achtzigerjahre bei Weitem übersteigen wird. Die Menschen lassen sich nämlich nicht in eine Einheitsschule pressen, die Menschen wollen die Freiheit, die sie haben, nutzen. Sie werden auch in Zukunft die Freiheit nutzen, und dann werden sie auch die Schulen in freier Trägerschaft in einem viel stärkeren Maße als in der Vergangenheit anwählen.

Das kann nicht Ziel staatlicher Schulpolitik sein, dass die Menschen aus den staatlichen Schulen flüchten, meine Damen und Herren von den Grünen! Bedenken Sie das, wenn Sie hier Ihre Einheitsschule propagieren! Die Menschen wollen Schulvielfalt in Bremen haben, und diese Schulvielfalt werden sie mit der CDU auch weiter in Zukunft haben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Stahmann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Man konnte eben nicht so recht ermitteln, ob das jetzt mein Dreh war zurück zum Mikrofon oder Ihr Karma, Herr Rohmeyer, was die Blätter zum Fallen gebracht hat!

(Heiterkeit) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Ich möchte jetzt gar nicht so lange reden, ich möchte einfach einmal die Gedanken der CDU anstoßen und Herrn Rohmeyer doch noch einmal bitten, hier im Hause auszuführen, was denn die CDU in Hamburg jetzt eigentlich so macht. Dort tobt eine große Enquete zum Thema Bildung, und die CDU in Hamburg hat maßgeblich vorgeschlagen, die Schularten zu reduzieren, die Vielfältigkeit zurückzuführen und ein zweisäuliges Bildungssystem zu machen. Sie verfällt nicht in die Demagogie und redet dann darüber, das sei nun der Weg zur Einheitsschule, sondern diskutiert ganz offen darüber, dass auch Gymnasien verpflichtet sein können in der Zukunft, alle Schulabschlüsse anzubieten, wie die Regionalschulen es auch machen sollen. Dann denke ich: Da bewegt sich doch eine CDU-Fraktion in einer größeren Stadt. Warum macht das denn die Bremer CDU nicht? (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Man kann sich natürlich fragen, wenn man auf der Autobahn fährt, und es kommen einem alle entgegen: Ist man selbst der Geisterfahrer, oder sind die anderen die Geisterfahrer?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

So kann man auch, Herr Rohmeyer, sich bildungspolitisch einmal in der Welt umschauen nach Kanada, nach Finnland, nach Schweden! Man kann sagen, sie sprechen eine andere Sprache, sie essen ein anderes Essen, sie verkaufen andere Sachen, die Schweden verkaufen ganz viel Musik ins Ausland, die Kanadier sind bekannt für ihre tollen Wälder und für ihre tolle Natur, aber sie haben eines gemeinsam: Sie haben ein Bildungssystem, das Kinder nicht ausgrenzt und sagt, alle Kinder haben Talente, diese müssen gefördert werden. Sie verschwenden keine Zeit auf das Sortieren der Kinder und sagen: Wir machen eine Schule, und diese Schule ist verpflichtet, sich für die Kinder verantwortlich zu fühlen.

Das ist keine Einheitsschule, ich sage noch einmal, das ist der Kampfbegriff der CDU, das ist Quatsch! Es geht um eine Schule, die Vielfalt fördert, die gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer hat, eine Schule, in der man alle Schulabschlüsse erwerben kann, und das hat nichts mit dem zu tun, was die CDU uns hier erzählen will.

Das Bremer Schulsystem hat so viele Löcher und Gräben, da fallen doch die Kinder reihenweise hinein,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

sonst müssten Sie sich doch hier nicht hinstellen als Vertreter der Großen Koalition und sagen, jedes Jahr haben wir 500 Jugendliche ohne Schulabschluss, und,

Herr Rohmeyer, Sie haben noch einmal 500 oben darauf, die so schlechte Schulabschlüsse haben, dass sie damit gar keinen Ausbildungsplatz finden. Die CDU hat keine Antwort auf diese Fragen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Lemke, wenn Sie es ergreifen möchten!

(Senator L e m k e : Doch!)

Dann bitte ich darum!

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe am Ende dieser Legislaturperiode vor einer Situation, dass ich Ihnen einen Leistungsbericht vorlegen kann und, ich finde, einen sehr imposanten Leistungsbericht vorlegen kann, wo man sehr genau schauen kann, was in den letzten Jahren in der Bildungspolitik in unserem Land geleistet worden ist. Ich glaube, wir alle in der Deputation für Bildung brauchen uns nicht zu schämen für die vielfältigen Aktivitäten, die wir in den vergangenen 8 Jahren – so lange bin ich ja im Amt – hier gemeinsam umgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn ich mich recht erinnere, ganz viele Vorhaben, ich würde einmal so aus dem Bauch heraus sagen, 80 Prozent dessen, was hierin steht, sind mit den Stimmen von Frau Stahmann durchgesetzt worden, nur um das ein bisschen zu differenzieren, was Sie hier gesagt haben!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Stimmt!)

Ich möchte die Gelegenheit natürlich nutzen, das werden Sie verstehen, ein bisschen ausführlicher, als ich es sonst tue, darauf einzugehen, was diese Vorlage für mich bedeutet. Als ich das Amt übernommen habe, das war die Zeit, in der ich als WerderManager damals noch gelesen habe, dass eine Grundschuluntersuchung nicht durchgeführt werden konnte, weil zuvor Lehrkräfte die entsprechenden Fragestellungen ins Internet gesetzt haben. Dadurch war es damals nicht möglich, eine flächendeckende Untersuchung zu machen. Da habe ich mir schon überlegt: Was ist das für ein Schulsystem, das so einen Leistungsstand anonym und nicht in Rankings verhindert?

Ich habe Schulen gesehen, da regnete es wirklich durch die Dächer. Ich habe dann im Jahr 2000 nachgewiesen bekommen durch die Pisa-Ergebnisse, wie schlecht unsere Ergebnisse sind, und ich habe erfah

ren, dass bei Leistungsvergleichen unsere Abiturienten mit keinem norddeutschen Bundesland mithalten konnten. Das war die Amtsübernahme 1999 mit den entsprechenden Ergebnissen.

Es war nicht ganz einfach, die Ärmel aufzukrempeln und zu sagen, hier müssen wir unbedingt gegenhalten. Ich nehme für mich in Anspruch, mit dem runden Tisch Bildung einen politisch-gesellschaftlichen Konsens erzielt zu haben über das, was nach Pisa zu tun war. Ich nehme auch für mich in Anspruch, und das war früher nicht immer so, Frau Stahmann, den Leistungsgedanken und -anspruch in Bremer Schulen gestärkt zu haben!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich nehme auch für uns in der Deputation in Anspruch, die Qualität und Standards von Unterricht und schulischen Abschlüssen durch klare Rahmensetzung verbessert zu haben, nicht zuletzt, damit Bremer Schülerinnen und Schüler die Anschlüsse nicht verpassen. Das ist der entscheidende Punkt, dass wir nicht abschlussorientiert, sondern anschlussorientiert arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Um es Ihnen zu verdeutlichen: Wenn der Kindergarten vorbei ist, dann müssen sich die Kinder auf die Grundschule freuen, dann müssen sie sagen, da werden wir erwartet, da sind wir willkommen, da freuen wir uns auf den ersten Tag, wo wir empfangen werden, wo wir willkommen geheißen werden in den Grundschulen.

Genauso muss es sein, dass die Grundschullehrerin nicht nach der 4. Klasse sagt, na schön, jetzt habe ich sie wieder alle in die nächste Schulstufe gebracht, sondern sie muss sagen, ich arbeite mit der Sek-ILehrerin aus dem benachbarten Schulzentrum oder der Gesamtschule so zusammen, dass die Kinder wissen und ich weiß, was von den Kindern erwartet wird. Wir machen diese Übergänge nicht optimal, wir müssen dort besser werden, und wir sind deutlich besser geworden dadurch, dass wir in den entsprechenden Bereichen auch ganz konkret etwas umgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf auch sagen, das war bei all den 3 Kolleginnen im Jugendressort, mit denen ich zusammenarbeiten durfte und jetzt noch zusammenarbeite: Das frühe Lernen haben wir definiert und systematisch gestärkt!

(Beifall bei der SPD)

Sprachstandserhebung, Sprachförderung aus meiner, aus unserer Sicht, da wird die Kollegin Rosenkötter deutlich zustimmen, könnten noch intensiver

gemacht, müssen früher gemacht werden. Wir müssen früher in die Familien hineingehen, um die Fehlentwicklungen zu verhindern. Sie gehen ja nicht zurück, sie werden ja immer schlimmer. Das ist ja nicht so, dass durch eine vernünftige Bildungspolitik die Verwahrlosung in den Familien zurückgebracht wird, sondern wir erleben es, ich sehe das immer wieder in den Grundschulen und höre das aus den Kindergärten, dass die Verwahrlosung der Kinder immer schlimmer wird. Da müssen wir als Staat die Verantwortung übernehmen für die Familien, die leider nicht in der Lage sind, sich selbst zusammenzureißen und für die Erziehung ihrer Kinder selbst einzuschreiten.

(Beifall bei der SPD)

Fördern und Fordern ist an Bremer Schulen verstärkt, verbessert, verbindlich gemacht worden. Das gab es früher auch nicht so intensiv, wie wir das jetzt gemacht haben. Wir haben, und da gilt mein Dank natürlich dem Finanzsenator oder den Finanzsenatoren, denn das betrifft ja nicht nur den einen, sondern das ist ja auch schon früher entsprechend umgesetzt worden, für die Herstellung der Wiederansehnlichkeit, der Funktionstüchtigkeit vieler Schulgebäude gesorgt. Das ist früher auch nicht selbstverständlich gewesen, da gehen wir mit Freude jetzt in die Schulen und übergeben die Schlüssel an die Schulleiterinnen.

(Beifall bei der SPD)

Auf die Grundschule will ich nicht weiter eingehen, das ist in den Debattenbeiträgen bereits entsprechend gewürdigt worden. Ich weiß allerdings, dass Sie, liebe Frau Stahmann, in den ersten Monaten meiner Dienstzeit als grüne Fraktion – jetzt Sie nicht persönlich, sondern die grüne Fraktion – mir alle möglichen Schwierigkeiten bereitet haben, um die Einführung einer guten, verlässlichen Grundschule, wie wir sie gemeinsam im Interesse der Mütter und Familien umgesetzt haben, zu bekämpfen, und mir das Leben sehr schwer gemacht haben. Ich kann mich gut daran erinnern!

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war aber nur einer!)

Wir haben eine Vielzahl von Fördermaßnahmen aus der Lektion, die wir aus Pisa und Iglu gelernt haben, umgesetzt. Früher galt das Prinzip, und da darf ich Henning Scherf, meinen alten Freund und Weggefährten, zitieren, der gesagt hat: Wir haben es falsch gemacht, wir haben Fördermittel in die Schulen gegeben und nicht genau aufgepasst, was damit gemacht worden ist. Da ist es leider passiert, dass die Gelder eben nicht bei den Kindern angekommen sind, die immer im Fokus unserer Diskussion stehen sollten, sondern sie sind eben anderweitig ausgegeben

worden, für ein gutes Schulklima, für die Teilung von Stunden, aber nicht für die Förderung der Kinder, die uns besonders am Herzen liegen, die die Ungerechtigkeit unseres Bildungssystems übrigens nach wie vor darstellen.

Wir haben es aber zumindest erreicht mit den vielen Dingen, die jetzt auch schon zitiert worden sind, dass ein kleiner Schritt in Richtung mehr Bildungsgerechtigkeit in unserem Land durchgesetzt worden ist in den letzten 8 Jahren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich habe gerade von einer Abgeordneten gehört aus einem Gespräch mit dem Personalrat im Bereich Schulen, dass man sich beklagt hat, so viel Bürokratiearbeit zu haben, und als Beispiel wurde dann herangeführt: Wir müssen die vielen Förderberichte für die Kinder schreiben, weil das eine Forderung von Ihnen aus der Behörde ist, dass wir uns um jedes einzelne Kind zu kümmern haben und entsprechend, wenn sie bei der Versetzung gefährdet sind, Förderberichte zu erstellen haben. Ja, meine Damen und Herren, das erwarte ich von unseren Lehrerinnen und Lehrern, dass sie solche Förderberichte schreiben!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)